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Das Parlament
Nr. 20 / 10.05.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Karlheinz Lau

Sind die alten Gegensätze heute wirklich überwunden?

Deutschland und seine slawischen Nachbarn

Der Autor, Jahrgang 1929, stammt aus der Lausitz, wo die slawische Minderheit der Sorben lebt. Er war in der DDR im Hörfunk und Fernsehen tätig und berichtete als Auslandskorrespondent aus Moskau, Prag und Wien. Seit 1990 arbeitet er als freier Journalist in Berlin. Diese biographischen Daten sind wichtig für das Verständnis seines Buches. Hemmo möchte ein politisches Sachbuch zur Osterweiterung der EU vorlegen. Als Beispiele wählt er Polen, Tschechien und die Sorben in ihren jeweiligen Verhältnissen zu den deutschen Nachbarn.

Seinem Ansatz ist zuzustimmen, dass die immer noch aktuellen Konflikte zwischen Polen, Tschechen und Deutschen aus den Jahren 1939 bis1989 in ihren Ursachen viel weiter in die Vergangenheit zurückreichen und nicht erst mit Versailles beginnen. Folgerichtig ist Hemmo bemüht, zurückliegende Ursachen der - wie er es nennt - slawisch-deutschen Konfliktgemeinschaft aufzuzeigen.

Das geschieht in drei Hauptkapiteln - Polen, Tschechen - Sorben und endet mit einer Bilanz. Unklar bleibt allerdings, warum das Kapitel Polen mit der staatlichen Wiedergeburt nach Versailles endet, der Teil Tschechien mit der NS-Besatzungszeit und die Geschichte der Sorben mit der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Wiedererstehen der Länder Sachsen und Brandenburg, die sich die Lausitz territorial teilen. Auch vermisst man mehr Informationen über den normalen Alltag und das oft jahrhundertelange Zusammenleben von Deutschen, Tschechen und Sorben in den strittigen Regionen. Dort haben sich doch oft lange und intensive Bindungen entwickelt.

Manche Gewichtungen erinnern an die Sichtweise der DDR-Geschichtsschreibung. Zweifellos bestimmt die Auseinandersetzung mit dem Deutschen Orden das Geschichtsbild vieler Polen bis heute - man denke nur an die starke Symbolkraft der siegreichen Schlacht von Grunwald 1410. Das kann aber nicht bedeuten, dass der überwiegend friedliche Prozess der deutschen Ostsiedlung - Hemmo spricht von "Ostkolonisation" - in seiner zivilisatorisch-kulturellen Bedeutung, die auch die polnische Geschichtsschreibung jetzt anerkennt, stiefmütterlich behandelt wird.

Auch sollte man vorsichtig sein, die nationale Dimension auf das Mittelalter zu übertragen. Die entscheidenden Ereignisse für das offene Ausbrechen deutsch-polnischer und tschechisch-deutscher Konflikte lagen im 19. und 20. Jahrhundert, beginnend mit den polnischen Teilungen und dem Entstehen eines panslawistischen Nationalismus. Der Autor beschreibt sehr deutlich, dass die Wurzeln deutsch-tschechischer Konflikte in Böhmen und Mähren bis in die Zeit der Hussiten zurückreichen.

Diese Tatsache findet in der aktuellen Diskussion zum Thema Sudetendeutsche kaum Berücksichtigung. Hier bietet das Buch Nachhilfeunterricht in Geschichte an. Das gilt auch für das Kapitel über die Sorben mit zahlreichen interessanten Fakten; so die Bestrebungen sorbischer Politiker, nach Kriegsende 1945 die Lausitz an die damalige CSSR anzugliedern.

Die Schlussbilanz klingt optimistisch: "Die Konfliktgemeinschaft der Deutschen und ihrer slawischen Nachbarn gibt es nicht mehr." Die Perspektive für die kommenden Jahre ist die EU mit ihrer Chance des "Sich-näher-Kommens" der Menschen. Ausdrücklich lobt Hemmo in diesem Zusammenhang die Vertrauens- und Aufbauarbeit der ehemaligen deutschen Bewohner der Vertreibungsgebiete, die zusammen mit Polen und Tschechen geleistet wird.

Diese Aussage ist für einen deutschen Autor, der nicht vertrieben wurde, bemerkenswert. Allerdings trennt er diese Vertriebenen - er nennt sie DDR-offiziell "Ausgesiedelte" - deutlich vom Bund der Vertriebenen (BdV) und den Landsmannschaften. Seine polemische Auseinandersetzung mit dem BdV und dem Projekt "Zentrum gegen Vertreibungen" erscheint überspitzt und parteilich; warum nennt er nur Kritiker des Projekts mit ihren Argumenten, aber nicht dessen Befürworter wie Peter Glotz oder Ralph Giordano?

Angemerkt werden müssen handwerkliche Defizite wie die unklare Zitiertechnik und die nicht einheitliche Bezeichnung der Ortsnamen. Auch wären mehr Karten nützlich gewesen, und die Ausdrucksweise ist manchmal etwas locker. Dass er als gelernter DDR-Bürger Begriffe und Sichtweisen aus damaliger Perspektive einbringt, muss kein Nachteil sein. Als politisches Sachbuch kann das Buch unter Berücksichtigung der genannten Punkte akzeptiert werden.

Karlheinz Lau

Klaus Hemmo

Der weite Weg nach Europa.

Die Deutschen und ihre slawischen Nachbarn.

Patmos Verlag / Artemis & Winkler, München 2004;

233 S.,19,90 Euro

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