Hagen Richmann
Dramatischer Wandel im internationalen
Koordinatensystem
Wieder von hoher Qualität: Das Jahrbuch
für Sicherheitspolitik 2003
Die Sicherheitspolitik unterliegt derzeit teilweise dramatischen
Veränderungen und zusätzli-chen, bisher nicht gekannten
Vorgaben. Nationale Aspekte verlieren für die meisten Staaten
immer deutlicher an Bedeutung zugunsten internationaler
Bedingungen. Bündnisse haben einfach Vorrang, weil nationale
Sicherheitsvorsorge allein längst nicht mehr ausreicht. Vor
diesem Hintergrund hat Erich Reiter auch im "Jahrbuch für
internationale Sicherheitspolitik 2003" wieder eine Vielzahl
hochrangiger Autoren versammelt, die aus politischer,
wissenschaftlicher und publizistischer Sicht zu aktuellen und zu
übergreifenden sicherheitspolitischen Themen Stellung
nehmen.
Selbstverständlich steht der Irak am Anfang des
umfangreichen Handbuchs. In zwei Kapiteln behandeln die Experten
den Krieg im Irak und seine Folgen. Zunächst wird der "Irak
und der moderne Krieg" von Nikolaus Busse, Holger H. Mey und
Herfried Münkler aus einer übergeordneten Sichtweise
untersucht und in das internationale Koordinatensystem der
Sicherheitspolitik eingeordnet. Dann folgen Betrachtungen zum
Selbstverständnis der USA in dem Konflikt, Überlegungen
zur Nachkriegsordnung im Irak und Gedanken zu der Rolle der
Vereinten Nationen in der Irak-Kontroverse. Alles in allem eine
breit angelegte Darstellung mit sachkundiger Analyse und
Vorausschau.
Zwei weitere hochaktuelle Themenkomplexe folgen: Europa und
"USA, NATO und das transatlantische Verhältnis". In Europa
stehen die Entwicklungen zur Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik und zur Verbesserung der Zusammenarbeit in einer
europäischen Verteidigungspolitik im Mittelpunkt
Europas Rolle
Daneben werden die Türkei - im Hinblick auf ihr Verhalten
vor und während des Irak-Krieges - und der Zypern-Konflikt
behandelt. Erich Reiter schließlich kommentiert den bei
Erscheinen des Bandes vorliegenden Entwurf für eine
EU-Sicherheitsstrategie. In diesem Abschnitt fehlt es auch nicht an
einer ausführlichen Auseinandersetzung über das Für
und Wider einer stärkeren europäischen Rolle bei der
Formulierung eigenständigerer Sicherheits- und
Verteidigungspolitik.
Ebenso kontrovers fallen die Beiträge zum transatlantischen
Verhältnis aus. In Fortsetzung der Auseinandersetzung zwischen
den USA und dem "alten Europa" geht es vor allem darum, die
jeweiligen Interessen, die Absichten der Mitglieder der NATO und
die Gefahren einer Entfremdung zwischen den Partnern des
Bündnisses aufzuzeigen. Die Aufsatzsammlung schließt eine
Darstellung des Transformationsprozesses der amerikanischen
Streitkräfte ein.
In den Kapiteln "Asien", "Südosteuropa und Russland" sowie
"Naher Osten, Mittelmeerraum und Afrika" werden eine Vielzahl von
Beiträgen vorgestellt, die die einzelnen Aspekte der genannten
Regionen in gleichfalls anschaulicher und sachlicher Weise
herausarbeiten. Hierbei verdient der Beitrag von Boris Wilke
"Probleme der Stabilisierung Afghanistans" aus den gegebenen
Gründen für das deutsche Lesepublikum besondere
Aufmerksamkeit. Im gleichen Sinne und auch als Vorausschau sind die
Beiträge über die Kon-fliktherde und -potentiale in
Afrika zu verstehen.
Das Handbuch von Erich Reiter ist ein weiterer hoch zu
bewertender Beitrag zur aktuellen sicher-heitspolitischen
Diskussion. Die inzwischen sechste Ausgabe des Jahrbuches
gehört wegen seiner Qualität und der herausragenden
Autorenschaft längst zu den Standardwerken. Publizisten,
Experten und die interessierte Öffentlichkeit finden in hier
reichhaltiges Material, genaue Analyse und beste Expertise
über die gegenwärtigen Problemfelder der internationalen
Sicherheitspolitik. Hagen Richmann
Erich Reiter (Hrsg.)
Jahrbuch für internationale Sicherheitspolitik 2003.
Mittler Verlag, Hamburg/Berlin/Bonn 2003;
810 S., 39,90 Euro
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