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Das Parlament
Nr. 20 / 10.05.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Hartmut Hausmann

162 neue Mitglieder in Straßburg begrüßt - Hoffnung auf europäische Verfassung noch im Juni?

Erste Sitzung des erweiterten Europaparlaments

Zwei Tage nach der in allen EU-Ländern gefeierten Aufnahme von zehn neuen Beitrittsländern wurden die Abgeordneten dieser Völker im Europäischen Parlament in Straßburg willkommen geheißen. Der irische Parlamentspräsident Pat Cox begrüßte die 162 neuen Abgeordneten, die zusammen mit ihren 626 Kollegen aus den bisherigen 15 Mitgliedstaaten das mit 788 Volksvertretern wohl größte Parlament Europas aller Zeiten bilden werden. Aber nur bis zur Europawahl im Juni, denn nach den Bestimmungen des Vertrags von Nizza wird es danach auf 732 Mitglieder reduziert, einige Altmitglieder dürfen nur noch weniger Parlamentarier entsenden. Nur das bisher kleinste Land Luxemburg mit sechs und das größte Land Deutschland mit 99 behalten ihre Mandatszahl.

Im Beisein des früheren polnischen Arbeiterführers Lech Walesa, der mit seiner Gewerkschaftsbewegung den Umbruch im Osten eingeleitet hatte, würdigte Cox einerseits den entschlossen beschrittenen Weg der Länder in die EU, zugleich aber auch die Rolle der europäischen Institutionen bei der Erweiterung, insbesondere den konsequenten Einsatz von EU-Kommissar Günter Verheugen. Der besondere Dank des Präsidenten galt dem früheren ungarischen Außenminister und späteren Ministerpräsidenten Gyula Horn, der ebenfalls anwesend war. Horn war es, der im Sommer 1989 den Eisernen Vorhang zwischen seinem Land und Österreich zerschnitten hatte und dafür später den Karlspreis erhielt.

Erweiterungskommissar Günter Verheugen, für den mit diesem Tag ein Traum in Erfüllung ging, sagte, dass das Zusammentreten dieses frei gewählten Parlaments, das 25 souveräne Nationen vertrete, weit mehr darstelle, als die Gründerväter der Union je zu träumen gewagt hätten. Die Osterweiterung sei ein glänzender Beweis für die Attraktivität des europäischen Gedankens. Die Integration sei kein Eliteprojekt, sondern der erklärte Willen der Völker. Kein Land in Europa allein sei heute in der Lage, mit Problemen wie der Globalisierung, dem internationalen Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität fertig zu werden. Nationale Souveränität sei nur noch dann zu verteidigen, wenn man gemeinsam mit anderen Nationen im Bunde stehe.

Dass der Festtag ohne den Europarat überhaupt nicht zustande gekommen wäre, darauf verwies als erster Sprecher der neuen Abgeordneten der ungarische Liberale Eörsi. Er bedankte sich deshalb vor allem bei der ebenfalls in Straßburg ansässigen 45 Staaten umfassenden Organisation und deren Rolle bei der Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten sowie bei der Vermittlung wichtiger Werte. Ungarn gehörte zu Beginn der 90er-Jahre zu den ersten osteuropäischen Ländern, die mit ihrer Aufnahme in den Europarat die Überwindung des eisernen Vorhangs schafften.

Die Hoffnung in den EU-Institutionen auf eine Einigung über die Europäische Verfassung noch im ersten Halbjahr hat sich verstärkt. In der letzten großen Debatte des Europäischen Parlaments vor der Europawahl zeigte sich der amtierende EU-Ratspräsident, der irische Europaminister Dick Roche, recht zuversichtlich, dass der Verfassungsvertrag für die Europäische Union auf dem Brüsseler Gipfeltreffen am 17./18. Juni beschlossen wird: Man sei einer Einigung näher als je zuvor. Es gebe aber unter den Regierungen noch Meinungsverschiedenheiten über die Zusammensetzung der Kommission. Eine Lösung könne darin liegen, für längere Zeit einen Kommissar pro Land zu berufen und erst erheblich später zu einer kleineren, nach dem Rotationsmodell zusammengesetzten Kommission überzugehen. Mit einer noch am selben Tag beginnenden Rundreise durch alle 25 EU-Hauptstädte will Roche eine Kompromissgrundlage suchen. Allerdings machte er deutlich, ohne Einzelheiten zu nennen, dass dies ohne weitere Abstriche am Konventsentwurf wohl nicht gelingen werde.

Insgesamt sei man aber, erklärte Roche, sehr viel weiter gekommen, als dies nach dem gescheiterten Brüsseler Dezembergipfel für möglich gehalten wurde. Es bestehe Einigkeit darüber, für was die EU zuständig sein solle und wie die Befugnisse des Parlaments gestärkt würden. Außerdem werde es eine Vereinfachung der Rechtsinstrumente und handlungsfähige Institutionen geben. Parlamentspräsident Pat Cox setzte sich wie viele Abgeordneten in der Debatte über "die Zukunft der erweiterten Union" dafür ein, dass die Regierungskonferenz zur Verfassung noch vor den Europawahlen vom 10. bis 13. Juni abgeschlossen werden solle, weil - so Cox - die Menschen ein Recht zu wissen haben, wozu sie durch ihre Stimmabgabe aufgefordert werden. Dann könnten die Wahlen zugleich zu eine Volksabstimmung über die Verfassung werden.

Für die EVP-Fraktion hob deren Vorsitzender Hans-Gert Pöttering (D) die jüdisch-christlichen Wurzeln bei der Einigung Europas hervor und verlangte, diesen Bezug auch in die Verfassungspräambel aufzunehmen. Der spanische Fraktionschef der Sozialdemokraten, Enrique Baron Crespo, lehnte dagegen einen solchen Bezug mit Verweis auf die laizistische Ausrichtung der Union eindeutig ab. Für seine Gruppe stehe die Solidarität im neuen Europa im Vordergrund.

Im Namen der liberalen Fraktion forderte Andrew Duff (GB) eine Einbindung des Europarlaments in die Schlussverhandlungen der Regierungskonferenz. Diese Beteiligung sei um so wichtiger, als es offenbar Bestrebungen gebe, die Mitentscheidungsbefugnisse des Europaparlaments im Finanzbereich zu schwächen. Für die Grünen kritisierte Monica Frannoni (B) dass die Regierungsverhandlungen geheim geführt würden. Das deute auf einen Sieg jener Regierungen hin, denen die Interessen Europas egal seien. H. H.

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