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Michael Hereth
Konsens und Koordination in einer sich wandelnden
Gesellschaft
Staat, Parteien und Politik im globalisierten
Deutschland
Das Buch behandelt Fragen der deutschen Innenpolitik und ein
Problem der internationalen Ordnung, den Krieg. Die Einleitung geht
von der politikwissenschaftlichen Dreiteilung "polity, policy und
politics" als den Eigenarten des Politischen aus. Danach wird der
Gegensatz der Verstaatlichung der Politik und der "Vereinnahmung
des Staates durch die Parteipolitik" behandelt. Dem folgen Probleme
der Personalpolitik, des Föderalismus, der Einigung Europas,
der Hegemonialstellung der USA, der Stellung der Medien, der
Globalisierung und des Krieges.
Austarierte Machtzentren
Ein erstes Kapitel behandelt Kooperations- und
Steuerungsprobleme der verschiedenen Machtzentren in der
Innenpolitik. Diese Probleme werden im zweiten Kapitel am Beispiel
des kooperativen Föderalismus weiterbehandelt. Die
Schwierigkeiten der Politik in der Mediendemokratie, die Macht der
Medien, Desinformationsprobleme und Besonderheiten des Wahlkampfs
in den Medien füllen das dritte Kapitel, dem ein viertes
über besondere Eigenarten des Rechtsystems und seiner
Kommunikationsmittel folgt. Im fünften Kapitel stellt Voigt
dar, dass die Globalisierung keineswegs nur eine wirtschaftliche
Erscheinung ist. Das Verschwinden von Staatsgrenzen,
Technologietransfer und Mobilität der Bürger gehören
ebenso zur Globalisierung.
Das Kapitel "Deutschland als globalisierter Nationalstaat"
beschreibt deutsche Einzelprobleme der Immigration, der deutschen
Einheit, der deutschen Identität, Multikulturalismus und die
Rolle Deutschlands in Europa. Es folgt eine größere und
über den Stand der Debatte informierende Abhandlung über
die verschiedenen Erscheinungsformen der Gewaltsamkeit bei der
Lösung oder Entfesselung von Ordnungsproblemen in und zwischen
den Staaten. Voigt beschreibt Formen des Pazifismus,
Erscheinungsformen des Krieges, Terror, geopolitische Probleme,
Cyberwar.
Das Buch endet in einem Fazit, in dem eine neue Gestalt der
Staatlichkeit und eine Intensivierung zwischenstaatlicher
Zusammenarbeit für die Lösung der Probleme der
Ökologie, der internationalen Kriminalität, eine
Zurückdrängung des Einflusses der Parteien und eine
stärkere bürgerliche Verantwortlichkeit gefordert
werden.
Das Buch bietet letztlich wenig Neues. Die einzelnen Kapitel
wurden alle schon als Aufsätze veröffentlicht. Lediglich
Einleitung, Schluss und Einführungen einzelner Abschnitte sind
neu. Seltsam ist - und nur durch die Tatsache erklärbar, dass
Voigt an der Bundeswehruniversität München lehrt -, dass
eines den Kriegskapiteln entsprechendes Kapitel über die
internationale Ordnung und ihre Institutionen fehlt.
Erstaunlich ist auch, dass der Autor trotz des
vielversprechenden Untertitels ("Die Geburt des Staates aus dem
Geist der Politik") gegenüber dem Staat relativ hilflos
erscheint. Voigt beruft sich auf Max Weber, um die Frage zu
beantworten, wer denn die "staatlichen Akteure, die zum Beispiel
Reformen initiieren", seien. Seine Antwort, "dass es eigentlich nur
die Beamtenschaft, genauer genommen die Ministerialbürokratie
sein kann".
Betrachtet man die Geschichte der Bundesrepublik und ihrer
grossen Reformer wie Adenauer, Ehrhard, Katzer, Brandt, Schmidt und
Schröder (um nur einige zu nennen: alles Parteipolitiker!),
dann ist Voigts Antwort ebenso unverständlich wie sein
Insistieren auf einer Veränderung beim Amt des
Bundespräsidenten. Der soll nämlich vom Volk gewählt
werden, wie überhaupt Plebiszite ebenso wünschenswert
seien wie die Zurückdrängung des Einflusses der
Parteien.
Diese Vorstellungen sind ebenso ungeklärt wie diejenige,
die im folgenden Zitat sichtbar wird. Voigt fragt, wer den
"Koordinations- und Konsensbedarf der Gesellschaft" decken
könne. Seine Antwort: "Seitdem sie im Mittelalter den
Kulminationspunkt ihrer Macht überschritten hat, kommt die
Kirche vor allem in Deutschland nicht mehr in Betracht. In der
Folge der Reformation stehen sich Protestanten und Katholiken
gegenüber, deren unterschiedliche Auffassung vom Christentum
auch ökumenische Gottesdienste nicht überspielen
können. Neben Christen und Juden sind seit den ersten
Anwerbemassnahmen für türkische Gastarbeiter Muslime in
Millionenstärke hinzugekommen; Die ungeregelten
Einwandererströme der 90er Jahre haben die religiöse
Vielfalt noch verstärkt. Es bleibt eigentlich nur der Staat,
der den Integrationsbedarf der Gesellschaft organisieren
könnte."
Religionsersatz?
Auch wenn Voigt anschließend von der Skepsis anderer
gegenüber dieser Forderung spricht, der Rezensent staunt. Will
hier einer den Staat als Religionsersatz anpreisen? Der Rezensent
entwickelt seinerseits Skepsis gegenüber einem offensichtlich
nicht durchdachten Buch, das ihm zudem auf den Seiten 246 und 251
zweimal, teilweise wörtlich, die gleichen Gedanken
präsentiert, allerdings unter Berufung auf verschiedene
Autoren in den Fußnoten. Michael Hereth
Rüdiger Voigt
Phönix aus der Asche, Die Geburt des Staates aus dem Geist
der Politik.
Nomos Verlag, Baden-Baden 2003;
359 S., 34,- Euro
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