K. Rüdiger Durth
Es ist ein Geheimtipp für die
Entwicklungsforschung
Ein noch kleines Institut in Bonn mit
großer Wirkung
Längst sind sie in aller Welt bei Feldstudien anzutreffen -
die Doktoranden des Zentrums für Entwicklungsforschung (ZEF),
einem der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
angegliederten Instituts. Nach seinem Selbstverständnis will
das Zentrum, das 1997 im Rahmen der
Bonn-Berlin-Ausgleichsmaßnahmen gegründet wurde, einen
Beitrag zur Reduzierung der absoluten Armut und zu einer
nachhaltigen Entwicklung leisten. In der breiten
Öffentlichkeit ist das ZEF noch weithin unbekannt. In der
Fachöffentlichkeit wird es um so mehr geschätzt. Denn
Entwicklungszusammenarbeit ist zunehmend auf solide Forschung
angewiesen, soll sie nicht an den Bedürfnissen der Menschen
vorbei geschehen und nachhaltig sein.
Die Bonner Universität mit ihren knapp 40.000 Studentinnen
und Studenten zählt nicht nur zu den besten Hochschulen
Deutschlands, sondern sucht auch zunehmend die internationale
Ausrichtung. Erleichtert wird dies durch Bonn als
Nord-Süd-Standort (mit dem Erstsitz des Bundesministeriums
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem
Sitz der wichtigsten entwicklungspolitischer Organisationen ) sowie
als deutsche UN-Stadt. So hat nun auch die Universität der
Vereinten Nationen (UNU) eine Niederlassung in Bonn. Nicht zuletzt
wegen des ZEF, mit dem die UNU vor allem im Rahmen ihres "Programm
für Umwelt und menschliche Sicherheit" (EHS) eng
zusammenarbeiten will. Das Zentrum für Entwicklungsforschung
(dessen Professoren in der Bonner Universität ohne
Lehrverpflichtungen verankert sind) hat vor allem drei
übergreifende Aufgabenbereiche: Interdisziplinäre
Forschung in Ökonomie, Ökologie und Politik sowie
wissenschaftliche Aus- und Weiterbildung im Rahmen eines
internationalen Doktorandenprogramms und Politikberatung
(einschließlich Öffentlichkeitsarbeit). Alle
Lehrveranstaltungen werden in englischer Sprache
durchgeführt.
Die durch internationale und interdisziplinäre Forschung
gewonnenen Erkenntnisse sollen zur zukunftsorientierten Lösung
von politischen, wirtschaftlichen und ökologischen
Entwicklungsfragen beitragen. Forschung zu den neuen Technologien
(Informations- und Biotechnologie) gehören genauso dazu wie
internationale Wirtschaftspolitik oder ökologische Themen wie
Klimawandel, Wassernutzung und die Erhaltung von
Biodiversität. Alma van der Veen: "Das ZEF betreibt als
international ausgerichtete Forschungseinrichtung somit nicht
Entwicklungsländerforschung oder Entwicklungshilfeforschung,
sondern befasst sich mit globalen und lokalen Themen und
Fragestellungen der Entwicklung."
Breites Spektrum
Die Forschungsprojekte des ZEF zeigen ein breites
wissenschaftliches Spektrum auf und sind immer von einer engen
Kooperation mit den Partnern vor Ort, aber auch mit anderen
wissenschaftlichen Partnerinstitutionen und
nicht-wissenschaftlichen Organisationen geprägt. So befasst
man sich mit Alternativen zur Brandrodung im brasilianischen
Regenwald (wofür man einen brasilianischen Umweltpreis
erhielt), mit Boden- und Wasserressourcen - Management im Aralsee,
mit Problemen der Wasserressourcen in Ghana und Burkina Faso oder
mit der Nutzung und Erhaltung von Wildkaffee in Äthiopien.
Auch Themen wie der Wiederaufbau von staatlichen Strukturen in
Afghanistan oder der Rolle des politischen Islam in
Südost-asien werden bearbeitet. Diese Beispiele zeigen das
breite Forschungsspektrum von ZEF, das bislang einzigartig in
Deutschland ist und dem schon jetzt das Verdienst zukommt, der in
Deutschland noch nicht sonderlich verbreiteten
Entwicklungsforschung einen Auftrieb zu geben - nicht zuletzt durch
das Doktorandenprogramm.
Rund 30 Doktorandenplätze stehen pro Jahr zur
Verfügung. Die Zahl der Bewerbungen aus aller Welt liegt bei
rund 200. Dabei müssen die Bewerberinnen und Bewerber in der
Regel über den Abschluss eines Bachelor (BA) und eines Masters
(MA) verfügen (oder eine entsprechende akademische
Ausbildung), die englische Sprache fließend beherrschen und
von mindestens zwei Wissenschaftlern empfohlen werden. Und die
Doktorarbeit muss in spätestens drei Jahren fertig sein.
Dafür ist die Betreuung der angenommenen jungen
Wissenschaftler exzellent. Das betrifft sowohl die theoretische
Arbeit vor Ort im ZEF als auch vor Ort in aller Welt, wenn die
Feldforschung ansteht.
Der vietnamesische Student Phuc To Xuan schrieb seine
Masterarbeit über die Verteilung von Walgebieten auf den
Philippinen. Als er vom ZEF hörte, sagte ihm vor allem dessen
entwicklungsorientierte Ausrichtung des Doktorandenprogramms und
der Forschung zu. Auch die Möglichkeiten des Transfers von der
wissenschaftlichen Theorie hin zur Praxis sowie zur fruchtbaren
interdisziplinären sind für ihn ein großer Vorteil.
Phuc To Xuan strebt im Anschluss an seine Doktorarbeit eine
Position als Postdoc in Deutschland oder einem anderen Land an:
"Eines Tages werde ich sicher nach Vietnam zurückkehren, um
dort alles, was ich gelernt habe, anzuwenden."
Der Niederländer Bart Wickel promoviert über "Wasser-
und Nährstoffdynamik im östlichen Amazonasgebiet": "Die
ausgewogene Kombination aus Theorie und Praxis war für mich
ein äußerst reizvoller Aspekt des Studiums am ZEF."
Welyne Jeffrey Jehomm kommt aus Malaysia. Sie hat Anthropologie
studiert und entschloss sich für das Doktorandenprogramm des
ZEF wegen der "breitgefächerten Ausbildung": "Wenn ich meine
Doktorarbeit abgeschlossen habe, möchte ich für eine
Nicht-Regierungs- oder eine andere internationale Organisation
arbeiten."
Wildkaffee auf Äthiopien
Viele Projekte werden über Drittmittel finanziert, wobei
das Bundesforschungsministerium ein "wichtiger finanzieller
Partner" (van der Veen) ist. Gleiches gilt auch die das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Zunehmend muss das ZEF nun - neben Zuschüssen des
Landes Nordrhein-Westfalen - für die Finanzierung seiner
Projekte selbst sorgen. Denn die finanzielle Unterstützung
durch den Bund auf Grund des Bonn-Berlin-Gesetzes läuft aus.
Durch die hohe Qualität seiner Forschungsarbeit aber ist das
ZEF nicht gefährdet.
Bereits erwähnt worden ist das Forschungsprojekt
äthiopischer Wildkaffee, das mit zunächst 1,6 Millionen
Euro vom Bundesforschungsministerium gefördert wird.
Durchgeführt wird es vom ZEF und von Instituten für
Pflanzenforschung der Universität Bonn. Aber es gibt
selbstverständlich auch äthiopische Partner, darunter die
Universität von Addis Abeba. Ziel ist, die Diversität und
den ökonomischen Wert der äthiopischen
Kaffee-Wildpopulationen und ihre Waldstandorte nachzuweisen und
Konzepte zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der genetischen
Ressourcen von Coffea arabica zu erarbeiten. Die Konzepte sollen
auf der Erhaltung des Bergregenwaldes als natürlichem Standort
der Kaffee-Widpopulationen und auf den Waldkaffeesystemen als
traditionelle Nutzungsform von Wildpopulationen basieren. In den
Waldkaffeesystemen wird der dort wild wachsende Kaffee geerntet,
Besamung und Pflanzenverjüngung erfolgt ohne Einfluss der
Bevölkerung, also auf natürlichem Wege.
Sina Bremer vom ZEF berichtet: Im Forschungsprojekt wird dem
Erhalt der Kaffeevielfalt am natürlichen Wuchsort auch deshalb
besondere Aufmerksamkeit gewidmet, da nur dort die unersetzlichen
Mechanismen der natürlichen Auslese und Anpassung an sich
ändernde Standort- und Umweltbedingungen erhalten bleiben. An
diesen Stellen wird die züchterische und ökonomische
Bedeutung der untersuchten Regenwaldstandorte für den
äthiopischen, aber auch für den weltweiten Kaffeeanbau
deutlich. ZEF-Forschungsprojektleiter Manfred Denich: "Unser Ziel
ist, die Erhaltung der genetischen Vielfalt des Wildkaffees mit der
Erhaltung der Arten- und Lebensraumvielfalt des Bergregenwaldes zu
verknüpfen. In gewisser Weise fungiert damit die Wildform des
Arabica-Kafees als prominentes Flaggschiff für den Schutz des
Bergregenwaldes und seiner Pflanzen- und Tierarten."
Für Kaffee-Gourmets lässt sich die Vielfalt der
Geschmacksnuancen äthiopischen Kaffees schon jetzt erfahren.
Seit Neuestem bietet ein Spezialitätenversand in
Zusammenarbeit mit "GEO schützt den Regenwald e. V."
Wildkaffee aus dem Bergregenwald von Bonga im Südwesten
Äthiopiens zum Verkauf an. Ein erster Hinweis, dass Schutz
durch Nutzung möglich ist. Das Beispiel des Wildkaffees steht
für viele weitere wichtige Forschungsarbeiten, die vom ZEF
angestoßen oder durchgeführt werden. Doch auch die
politischen Probleme Afghanistans beschäftigen das ZEF, in dem
Conrad Schetter ein viel gefragter Interviewpartner ist. Zahlreiche
Publikationen legen Zeugnis über die ZEF-Arbeit ab. Dazu
kommen Diskussionsforen und die dreimal jährlich erscheinenden
"ZEF news" in Deutsch und Englisch. K.Rüdiger Durth
www.zef.de und www.coffee.uni-bonn.de
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