K. Rüdiger Durth
Editorial
Die Halbierung der Armut, die sich die Vereinten Nationen
zusammen mit den wohlhabenden Industrieländern bis zum Jahr
2015 vorgenommen haben, zählt auch zu den Zielen der deutschen
Entwicklungshilfe. Offiziell wird nicht gern von Entwicklungshilfe
gesprochen, sondern lieber von wirtschaftlicher Zusammenarbeit und
Entwicklung, was auch im offiziellen Namen des zuständigen
Bundesministeriums zum Ausdruck kommt. Seit Ende der 50er-Jahre des
vergangenen Jahrhunderts spielt die Unterstützung der armen
Länder, auch Dritte Welt und Vierte genannt, eine große
Rolle für die Deutschen.
Der erste deutsche Entwicklungshilfeminister war der
spätere Bundespräsident Walter Scheel. Er - und alle
seine Nachfolgerinnen und Nachfolger - haben sich immer in erster
Linie als Anwalt der Notleidenden dieser Welt verstanden und
versucht, möglichst viel Geld zur Verfügung stellen zu
können. Nicht ein Entwicklungshilfeminister war für die
Finanzminister bequem. Und weil er nicht genug helfen konnte, trat
sogar ein Minister von seinem Amt zurück: Erhard Eppler
(SPD).
In dieser Themenausgabe "Entwicklungspolitik" erläutern die
Experten der im Bundestag vertretenen Fraktionen ihre
entwicklungspolitischen Positionen. Dabei zeigt sich, dass sie bei
allen parteipolitischen Gegensätzen doch ein gemeinsames Ziel
haben, nämlich der Armut den entschlossenen Kampf anzusagen
und den elementaren Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen.
Das ist auch der Grund, warum der Vorsitzende des entsprechenden
Bundestagsausschusses, Rudolf Kraus (CSU), das gute Klima im
Ausschuss selbst würdigt.
Je mehr man sich jedoch in das Thema vertieft, desto umfassender
wird es. Aber auch spannender. Da sind die großen politischen
Linien, die in dieser Ausgabe selbstverständlich
nachgezeichnet werden, aber auch die Themen, die dringend einer
Lösung bedürfen - allen voran HIV/AIDS. Denn diese
Krankheit droht nicht zuletzt in Afrika alle Anstrengungen für
ein besseres Leben zunichte zu machen, weil eine ganze Generation
auszusterben droht.
Demokratie auf dem Vormarsch
Nicht nur die Bundesregierung engagiert sich im Kampf gegen die
Armut, sondern auch die Länder leisten einen nicht
unerheblichen, aber kaum beachteten Beitrag. Nicht zu vergessen die
politischen Stiftungen, die ebenso wie die Kirchen über einen
größeren politischen Spielraum in der Dritten Welt
verfügen, in der noch immer die Demokratie nicht die
vorherrschende Staatsform ist - aber nicht zuletzt dank der
wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der nicht selten an
Entwicklungszusagen geknüpften politischen Bedingungen ist die
Demokratie auf dem Vormarsch. Erst recht seit dem Zusammenbruch der
Sowjetunion.
Zahlreiche Berichte lenken die Aufmerksamkeit auf bekannte
Hilfsorganisationen, aber auch auf viel bislang wenig Bekanntes -
von der für die Dritte Welt wichtige Konversion ebenso wie die
Entwicklungsforschung, die besonders intensiv an der Bonner
Universität betrieben wird mit einem eigenen Institut, dem
Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF). Dieses ist im Ausland
inzwischen bekannter als in Deutschland selbst. Überhaupt hat
sich die ehemalige Bundeshauptstadt zum Nord-Süd-Zentrum des
Landes entwickelt.
Die Auswahl fiel schwer. Mancher wird ausgerechnet die
Institution vermissen, die er für besonders wichtig hält.
Der beschränkte Raum ließ keine andere Möglichkeit
als die der Auswahl zu. Aber sie ist hoffentlich so ausgefallen,
dass sie ein möglichst breites Spektrum umfasst und deutlich
macht, wie sehr gerade Deutschland bemüht ist, der Halbierung
der Armut zum Erfolg zu verhelfen - auch wenn noch große
Anstrengungen nötig sein werden. K. Rüdiger Durth
Der Autor ist freier Journalist in Berlin.
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