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Claudia Heine
Startschuss zum Bonn-Marathon
Damals ...vor 55 Jahren am 7. September:
Konstituierende Sitzung des 1. Deutschen Bundestages
Wäre der Komponist nicht schon über 100 Jahre tot
gewesen, könnte man denken, er hätte sein Werk eigens zu
diesem Anlass geschaffen: Mit der "Weihe des Hauses" von Ludwig van
Beethoven begann am 7. September 1949 der Festakt zur
Konstituierenden Sitzung des 1. Deutschen Bundestages in Bonn.
Komponiert hatte der wohl berühmteste Bonner die
Ouvertüre 1822 zur Eröffnung des Josefstädter
Theaters in Wien.
Im September 1949 wurde jedoch nicht einfach nur ein
Gebäude seiner neuen Bestimmung übergeben: Erstmals seit
17 Jahren trat - in der ehemaligen Pädagogischen Akademie in
Bonn - wieder ein frei gewähltes deutsches Parlament zusammen.
Im Monat zuvor, am 14. August, hatten 31 Millionen wahlberechtigte
Bürger des westlichen Deutschland ihre Stimmzettel abgegeben
und dafür gesorgt, dass CDU und CSU die stärkste Fraktion
im Bundestag bildeten. Von den 402 Mandaten konnte sie 139 (das
entsprach 31 Prozent) erringen, gefolgt von der SPD, die 131 (29
Prozent) Abgeordnete stellte. 52 Sitze entfielen auf die FDP und 17
auf die konservative Deutsche Partei (DP). Ebenfalls 17 Vertreter
entsandte die Bayernpartei. Auch kleinere Parteien wie die
"Wirtschaftliche Aufbauvereinigung" (WAV) mit zwölf und die
katholische Zentrumspartei mit zehn Sitzen waren im Parlament
vertreten. Die KPD präsentierte sich mit 15 Abgeordneten in
Bonn.
Zwar befürworteten viele Mitglieder der Union eine
große Koalition mit der SPD. Diese kam aber wegen der
unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Vorstellungen beider
Parteien nicht zustande. Schließlich setzte sich die vom
Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Konrad Adenauer, angestrebte
bürgerliche Koalition der Union mit den beiden Juniorpartnern
FDP und DP durch.
Die Woche der Premieren begann in der neuen Bundeshauptstadt
Bonn bereits um 11.00 Uhr, als sich der Bundesrat zu seiner ersten
Sitzung zusammenfand und den Ministerpräsidenten von
Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold, zu seinem Präsidenten
wählte. Um 16.00 Uhr eröffnete der Alterspräsident
des Bundestages, Paul Löbe (SPD), dann dessen erste Sitzung.
Der SPD-Politiker war von 1920 bis 1924 und von 1925 bis 1932
Präsident des Reichstages der Weimarer Republik gewesen. Er
erinnerte schon allein durch seine Person an jenes Kapitel des
deutschen Parlamentarismus, an das die Abgeordneten zwar
anknüpfen, von dem man sich aber gleichzeitig auch
distanzieren wollte und musste.
Konstruktionsfehler der Weimarer Verfassung, die 1932/33
erheblich zum Untergang der ersten Republik beigetragen hatten,
mussten überwunden werden. Daran hatte sich auch die Arbeit
der Verfassungsmütter und -väter im Parlamentarischen Rat
orientiert, der gut ein Jahr zuvor, im September 1948,
zusammengetreten war und am 23. Mai 1949 das Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland feierlich verkündet hatte.
Verworfen wurde zum Beispiel die in der Weimarer Republik
bestehende dualistische Konstruktion der Staatsspitze mit ihrem
Nebeneinander von Elementen eines parlamentarischen und
präsidialen Regierungssystems. So sollten
Präsidialregierungen, wie sie das Ende der Weimarer Zeit
bestimmten, vereitelt werden. Statt dessen etablierten die
Verfassungsschöpfer ein parlamentarisches Regierungssystem, in
dem allein das Parlament für die Einsetzung oder auch
Absetzung des Regierungschefs zuständig sein sollte.
Paul Löbe erinnerte in seiner Rede direkt an jene fatale
Entwicklung und an das Ermächtigungsgesetz der
Nationalsozialisten 1933, mit dem endgültig "die
staatsbürgerlichen Freiheiten für lange Jahre begraben"
worden waren. Vor diesem historischen Hintergrund bekräftigte
der Alterspräsident: "Uns bewegt nicht der Gedanke nach einer
Form von Vorherrschaft. Wir wollen mit allen Gliedern in den Kreis
der europäischen Nationen treten."
Nur fünf Tag später besaß die junge
Bundesrepublik ihren ersten Präsidenten: Am 12. September
wählte die Bundesversammlung den liberalen Politiker Theodor
Heuss in dieses Amt, das, als Lehre aus der Weimarer Vergangenheit,
politisch neutral und ohne politische Macht (also ohne die
damaligen Notverordnungsrechte) ausgeübt werden sollte. Heuss
wurde in den folgenden zehn Jahren seiner Amtszeit zu einem
regelrechten politischen Aushängeschild des neuen Deutschlands
(West). Vervollständigt wurde die Staatsspitze am 15.
September: Der Bundestag wählte auf Vorschlag von Heuss den
73-jährigen Konrad Adenauer mit 202 Stimmen zum ersten
Bundeskanzler. Die - erfolgreiche - Integration in den Kreis der
westlichen Nationen konnte beginnen.
Claudia Heine
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