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Anne Much
Teheran spielt mit verdeckten Karten
Der schwierige internationale Umgang mit Irans
Atomprogramm
In der vergangenen Woche befasste sich sich die
Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) wieder mit ihrem
Sorgenkind Iran. Über den Stand des iranischen Atomprogramms
konnte der Generalsekretär Mohammed El-Baradei dem
Gouverneursrat durch seinen Bericht allerdings auch dieses Mal
keine Klarheit verschaffen. Der Iran hat auch in jüngster Zeit
keine gesteigerte Bereitschaft gezeigt, sich in die Karten schauen
zu lassen. Baut der Iran atomare Massenvernichtungswaffen?
Entwickelt sich der Iran gar zu einem neuen Fall Irak? Wer das
Tauziehen um sein Atomprogramm verfolgt, könnte es
glauben.
Das iranische Atomprogramm ist beinahe schon
so alt wie die Atomwaffe selbst. Wobei die Geschichte darauf hin
deutet, dass zumindest zu Beginn friedliche Ziele im Vordergrund
gestanden haben. 1957 vereinbarten der Iran und die USA
zunächst im Rahmen des Programms "Atom für den Frieden",
beim Aufbau eines friedlichen Atomprogramms zusammenzuarbeiten.
Wissenschaftler beider Länder wollten gemeinsam die
Möglichkeiten der zivilen Nutzung erforschen. Die USA stellten
dazu mehrere Kilogramm angereichertes Uran zur Verfügung; 1969
wurde das Abkommen um zehn Jahre verlängert. 1968 entstand
unter dem Eindruck des Kalten Krieges der Atomwaffensperrvertrag.
Der Iran gehörte zu den ersten
Unterzeichnerstaaten.
Im Mai 1974, sprach der Vorsitzende der
US-Atomenergiekommission Dr. Dixy Lee Ray bei einem Besuch im Iran
zum ersten Mal von der Möglichkeit, im Mittleren Osten eine
regionale Anlage für die Wiederaufarbeitung von Atommüll
zu errichten. Spätestens damit wären die Iraner aber auch
in die Lage versetzt worden, Atomwaffen herzustellen. Eine solche
Anlage reichert Uran an, das dann sowohl für Kernkraftwerke
als auch für Kernwaffen verwendet werden kann. Die USA waren
damals anscheinend bereit, das Risiko zu akzeptieren. Ab 1975
mehrten sich allerdings Zweifel in Bezug auf die
Urananreicherungspläne. Der Schah selbst erklärte am 8.
Februar 1975, dass sein Land zwar nicht die Absicht habe,
Nuklearwaffen zu erwerben, aber wenn kleine Länder beginnen
würden, sie zu bauen, müsse man seine Politik
überdenken. Auch die Geheimdienste hatten damals Hinweise
darauf, dass der Iran heimlich versuchte, Atomwaffen zu bauen. Als
1979 die Islamische Revolution das westlich orientierte System des
Schahs stürzte, wurden alle Atomprojekte, darunter der Bau von
mehreren Atomkraftwerken, gestoppt. In den Folgejahren konnte der
Iran, nicht zuletzt mit Hilfe Pakistans, Indiens, Chinas oder
Russlands an seinem Atomprogramm festhalten.
Mittlerweile ist die Sorge, der Iran
könnte mit diesem Programm nicht nur friedliche Absichten
verfolgen, größer denn je, und das hängt auch mit
der Haltung Irans zu den Untersuchungen der Internationalen
Atomenergiebehörde (IAEO) zusammen. Seit rund zwei Jahren
beobachten die Inspektoren der in Wien ansässigen
UN-Behörde nun bereits das von einer radikal-islamischen
Regierung geführte Land. Mitte des Jahres 2002 hatte eine
Gruppe von Exil-Iranern erstmals die Existenz einer
Urananreicherungsanlage in der Nähe von Natanz und eines
Schwerwasserreaktors in Arak enthüllt. Beides, erklärt
die iranische Regierung, diene ausschließlich zivilen Zwecken.
In beiden Anlagen lässt sich allerdings auch
waffenfähiges Atommaterial erzeugen. Aufgeschreckt durch die
Tatsache, dass der Iran die Weltgemeinschaft nicht freiwillig
über die Anlagen informierte, führte die IAEO weitere
Untersuchungen durch. Dabei fanden Inspektoren in den in Natanz
benutzten Zentrifugenteilen Spuren von hochangereichertem, also
waffenfähigem Uran. Für die zivile Nutzung in
Kernkraftwerken wird aber nur niedrig angereichertes Material
gebraucht. Der Widerspruch wurde bis heute nicht geklärt. Es
ist eine der Fragen, um die es auch bei der jüngsten Sitzung
der Internationalen Atomenergiebehörde ging.
Verdächtig macht sich der Iran vor allem
deshalb, weil sich die Regierung in Teheran bei der Aufklärung
dieser Fragen bisher nicht sonderlich kooperativ zeigte. Die
Salami-Taktik ähnelt dem Versteckspiel, das der Irak jahrelang
mit den Waffeninspektoren der Vereinten Nationen getrieben hat:
Alles was die IAEO schon weiß, gibt der Iran offen zu. Alles
andere verschweigt die Regierung so lange, bis die Behörde
Beweise für neue Tatsachen findet. Der Generaldirektor der
IAEO, Mohamed El-Baradei, stellte der Generalversammlung der
Vereinten Nationen bei ihrem letzten Treffen Anfang Juni 2004 diese
Verzögerungstaktik der iranischen Regierung zum
P-2-Zentrifugenprogramm in allen Einzelheiten dar. "Zweifellos ist
dieses Verhaltensmuster weniger als zufrieden stellend", so
El-Baradei, "sollte es die Absicht sein, Vertrauen zu gewinnen und
der internationalen Gemeinschaft zu zeigen, dass man den vollen
Umfang seines Nuklearprogramms offen gelegt hat". Nach einem Jahr
voller Schwierigkeiten, das die Inspektoren durchlebt hätten,
müsse der Iran jetzt aktiv und vollkommen transparent
handeln.
Was die Einschätzung des Falls Iran
angeht, gibt es unterschiedliche Positionen innerhalb der
UN-Behörde. Mohamed El-Baradei und mit ihm die meisten
westlichen Staaten betonen, dass man den Iran nicht vorab
verurteilen könne. Bei den aktuellen Untersuchungen gehe es ja
gerade darum, herauszufinden, was hinter den iranischen
Forschungsaktivitäten steckt. Die US-Regierung dagegen scheint
ihr Urteil schon gefällt zu haben. So erklärte John
Bolton, Unterstaatssekretär im Außenministerium, der
Nachrichtenagentur Reuters: "Für mich scheint es völlig
offensichtlich, dass der Iran nicht Komponenten für
Uranzentrifugen baut, um sie als Trödel in iranische
Wohnzimmer zu stellen." Damit fordere der Iran die IAEO heraus. Er
beleidige die internationale Staatengemeinschaft. Die USA
hätten ohnehin nicht geglaubt, dass der Iran die Herstellung
der Bauteile eingestellt habe.
Nicht nur der Iran vermutet hinter dieser
scharfen Kritik der USA politische Absichten. Allzu deutlich sind
die Parallelen zum Fall Irak. Auch da hatte die amerikanische
Regierung das Ergebnis der UN-Untersuchung nicht abgewartet,
sondern mit dem Hinweis auf Saddam Husseins angebliche
Massenvernichtungswaffen den Krieg begonnen. Die Sprecherin der
IAEO, Melissa Fleming, erinnert: "Das Inspektorenteam war mitten
bei der Arbeit. Wir hatten das Gefühl, dass wir dabei waren,
die Wahrheit herauszufinden, und dass wir voreilig aufgefordert
wurden zu gehen." Ihre Organisation habe keine Anzeichen für
ein Nuklearprogramm im Irak gesehen. "Es hätte keine
Rechtfertigung für den Krieg sein dürfen." Beim Iran
werden die USA vermutlich nicht so weit gehen und einen Krieg
beginnen, obwohl George W. Bush das islamische Land ebenfalls zur
"Achse des Bösen" zählt. Der Druck soll eher den inneren
Wandel beschleunigen.
Der Iran ist innenpolitisch in mehrere Lager
gespalten. Die geistliche Führungsspitze kontrolliert alle
Schaltstellen der Macht. Sie regiert das Land streng nach
islamischen Regeln. Die Reformer dagegen wollen langfristig ein
weltlicheres System etablieren. Unterstützt werden sie von
Tausenden junger Leute. Es sind Frauen, die jeden Tag in Teheran
oder Shiraz ihr Maß an Freiheit daran messen, wie weit sie ihr
Kopftuch sinken lassen können und wie gut ihr Umhang die Figur
betont. Frauen wie Männer schauen Satellitenfernsehen und
nutzen Internet und Telekommunikationseinrichtungen, die sich
staatlich nur begrenzt kontrollieren lassen, obwohl es verboten
ist.
Viele Iraner erhoffen sich zwar Reformen,
doch eine Revolution will niemand. Selbst die jungen Leute
können sich noch zu gut an die Islamische Revolution und ihre
Folgen erinnern. Die Menschen hoffen auf einen allmählichen
Wandel. Nach der Umfrage eines iranischen Sozialwissenschaftlers
wünschen sich beispielsweise rund 70 Prozent der
Bevölkerung die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit
den USA. Einige Wissenschaftler warnen daher umgekehrt sogar davor,
gerade die Isolation in Atomfragen könnte diesen langsamen,
aber stetigen Reformprozess im Iran stören. An dem
umstrittenen Programm hängt auch die Energiefrage des Landes.
Und ohne genügend Energie kann sich das dynamische Land nicht
weiter entwickeln. Auch Irans Präsident Khatami macht
deutlich: Ohne Elektrizität keine wirtschaftliche Entwicklung.
Nicht zuletzt deshalb betont der Direktor der Internationalen
Atomenergiebehörde in Wien, Mohammed El-Baradei. "Der Ball
befindet sich jetzt im Spielfeld der Iraner. Der Iran sollte das
Ganze als Zeichen verstehen, die Beschaffenheit der
Aktivitäten aufzuklären und den Namen
reinzuwaschen."
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