Bernadette Schweda
Das Klagelied über die Bildung
Aktuelle OECD-Studie bescheinigt Deutschland
knappes Mittelmaß
Kaum hat sich Deutschland ein wenig vom Schock
der PISA-Studie erholt, hinterlassen neue Hiobsbotschaften
über den Bildungszustand der einstigen
Dichter-und-Denker-Nation eine virtuelle Trümmerlandschaft in
der politischen Arena und in den Medien. Grund ist der jüngste
Bildungsreport der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die in ihrer aktuellen
Vergleichsstudie der Bundesrepublik abermals ein schlechtes Zeugnis
ausstellt. Demnach gibt Deutschland zu wenig Geld für Bildung
aus, fördert die Schüler unzureichend und hat eine
unterdurchschnittliche Akademikerquote.
Bei der Vorstellung der Studie am 14.
September in Berlin, kritisierte der deutsche OECD-Koordinator
Andreas Schleicher, Deutschland habe durch einen "praktischen
Stillstand" in den vergangenen 20 Jahren die Bildungsentwicklung
"verschlafen". Viele der untersuchten Staaten hätten in den
80er- und 90er-Jahren enorm in den Aus und Umbau ihrer
Bildungssysteme investiert. Laut Studie gab es in Deutschland
zwischen 1995 und 2001 eine Steigerungsrate bei den
Bildungsinvestitionen von etwa sieben Prozent. Im OECD-Durchschnitt
lag sie bei bis zu 30 Prozent. Besonders kritisch wurde die
Situation in den Kindergärten und Grundschulen bewertet. Sie
seien unterfinanziert und verfügten über zu wenig
Personal; auf eine Betreuungsperson kämen hierzulande rund 24
Kinder. Der Durchschnittswert unter den 30 OECD-Ländern liege
bei etwa 15 Kindern pro Betreuungsperson. Auch bei der Zahl der
Unterrichtsstunden hinkt die Bundesrepublik hinterher.
Kein gutes Bild gibt Deutschland im
Hochschulsektor ab: Während die Zahl der Studenten im
OECD-Raum zwischen 1995 und 2002 um 40 Prozent stieg, blieb sie in
der Bundesrepublik konstant. Unter dem Mittelmaß liege
Deutschland auch bei den Abschlüssen und bei der
Studienanfängerquote.
Kleine Lichtblicke liefert die Studie
allerdings auch. So sei der Anteil der Personen mit einer
abgeschlossenen Berufsausbildung und/oder Abitur mit 83 Prozent
erheblich höher als der OECD-weite Wert von 68 Prozent. Auch
sei die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland unterdurchschnittlich
im internationalen Vergleich. Zudem belegt Deutschland laut Studie
bei besonders zukunftsträchtigen Fächern mit natur- oder
ingenieurwissenschaftlicher Ausrichtung den zweiten Platz hinter
Südkorea. Gelobt wurden außerdem die Anstrengungen der
vergangenen Jahre bei der Förderung der
Ganztagsschulen.
Als Konsequenz aus dem insgesamt schlechten
Abschneiden Deutschlands in der internationalen Vergleichsstudie
kündigte Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) eine
verstärkte Förderung der Ganztagsschulen an. Sie forderte
gleichzeitig einen raschen Abbau von Subventionen, die in Bildung
investiert werden sollten. Die Streichung der Eigenheimzulage sei
"der Lackmustest", ob die Union es ernst mit der Erhöhung der
Bildungsinvestitionen meine.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel lehnte dies
ab. Durch eine bloße Umschichtung der Mittel würden die
grundlegenden Probleme nicht gelöst. Die stellvertretende
Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Maria Böhmer forderte dagegen
neue steuerliche Anreize zur Investition in Bildung.
Aus dem Koalitionslager sind indes
Forderungen nach einer grundlegenden Reform des dreigliedrigen
Schulsystems in Deutschland laut geworden. So sprach sich die
grüne Fraktionschefin im Bundestag, Krista Sager, für
eine neun- bis zehnjährige Gemeinschaftsschule aus; der
frühere Staatssekretär im Bildungsministerium und
Thüringer SPD-Chef Christoph Matschie verglich das deutsche
Schulsystem mit Gymnasien, Real- und Hauptschulen gar mit einer
"mittelalterlichen Ständeordnung", die zu einer modernen
Gesellschaft nicht mehr passe. Ablehnung für diesen Vorschlag
gab es aus den unionsregierten Ländern. Der deutsche
Lehrerverband sprach sich ebenfalls dagegen aus. Die PISA-Studie
habe gezeigt, dass Länder mit gegliedertem Schulsystem wie
Bayern und Baden-Württemberg weit besser als Bundesländer
wie Bremen abschnitten, wo es integrierte Gesamtschulen gebe. Keine
Zustimmung für die "Einheitsschule" gab es auch von der FDP.
Es sei "völliger Unfug", auf Qualitätsmmängel mit
einer Strukturdebatte zu reagieren, konterte die Vorsitzende des
Bildungsausschusses im Bundestag, Ulrike Flach (FDP).
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