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Das Parlament
Nr. 40 / 27.09.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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"Die Tageszeitung ist sehr stark in den Alltag integriert"

Interview mit Helmut Heinen, Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger
Werden Zeitungen in Zukunft durch Online-Dienste ersetzt? Dieser Frage müssen sich Verleger und Journalisten stellen. Obwohl eine Veränderung auf dem medialen Markt eingetreten ist und gerade das Anzeigengeschäft ins Internet abgewandert ist, sind redaktionelle Inhalte auf Zeitungspapier nach wie vor nicht zu ersetzen.

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Herr Heinen, was muss sich beim traditionellsten Massenmedium unserer Gesellschaft verändern, damit die gedruckte Zeitung Zukunft hat?

Helmut Heinen Die Zeitung ist ein Medium für alle. Das muss sie auch bleiben. Dabei wird sie natürlich ihr Gesamtspektrum daraufhin überprüfen müssen, ob sie bestimmte Teilgruppen ausreichend anspricht, zum Beispiel die Älteren, die einfach durch ihre Zahl ein enorm wichtiges Publikum für unsere Zeitungen sind. Ich denke an die Jüngeren, wobei deren geringere Zeitungsnutzung sicher auch an nicht produktbezogenen Faktoren liegt. Und ich meine, dass man die Familien, die Frauen, den Durchschnittsbürger insgesamt etwas mehr in den Blick nehmen sollte. Dass heißt, dass die Zugangsschwellen zu unserem Medium hier und da vielleicht etwas zu hoch sind.

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Der Innovationsdruck auf die Verlagshäuser hat zu vielen neuen Produkten und Kommunikationsdienstleistungen geführt. Gibt es das wegweisende Konzept für die Zukunft?

Helmut Heinen Es sieht nicht danach aus, als ob das Allheilmittel bekannt sei. Mobile Dienste und andere neue Produkte haben zumindest zurzeit noch experimentellen Charakter. Ich glaube, dass schmale mobile Kanäle wie SMS nicht mehr als eine Teaserfunktion haben können mit den Inhalten, die sie übermitteln. Auf der anderen Seite kann man heute mit Sicherheit sagen, dass das Internet nicht nur als Vertriebskanal der eins-zu-eins umgesetzten, gedruckten Zeitung, sondern als Kanal für zeitungsaffine Informationen etabliert ist. Das Internet hat hervorragende Möglichkeiten, um Inhalte, wie sie in Zeitungsredaktionen erarbeitet werden, in einer nutzerorientierten Form zur Verfügung zu stellen.

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Aber daraus ein prosperierendes Geschäft zu machen, bleibt für die Verlagshäuser eine Herausforderung?

Helmut Heinen Wir können aus heutiger Sicht noch keinen Zeitpunkt erkennen, in denen nennenswerte Erlösbestandteile als Ersatz für stagnierende Erlöse im Printgeschäft oder als Ausgleich für teilweise Verluste im Anzeigengeschäft realisiert werden können. Es kann nicht unser Interesse sein, ein Printangebot und irgendein Onlineangebot nebeneinander zu stellen. Es muss Bezüge aufeinander geben. Nur dann haben wir im Printgeschäft, aber insbesondere im Onlinegeschäft eine Chance, uns von anderen professionellen Anbietern im Netz positiv abzuheben.

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"Newssnap", eine so genannte personalisierte Zeitung des "Handelsblattes", ist ein vierseitiges Produkt, das mit ausgewählten Texten nur die individuellen Informationsbedürfnisse des Lesers befriedigt und über das Internet heruntergeladen wird. Kann das die Zukunft sein?

Helmut Heinen Wenn es Möglichkeiten gibt, aus der Fülle unserer Inhalte dem Leser eine Vorstrukturierung anzubieten, dann ist das sicherlich positiv. Das kann nur digital erfolgen, nicht auf traditionellem Weg mit individueller Auslieferung. In einem elektronischem Prozess kann laufend aktualisiert werden. Ich könnte auch vorgeben, bitte schicken Sie mir 90 Prozent des Sportangebotes, Schwerpunkte Sportarten A und B, von der Wirtschaft brauche ich 60 Prozent, vom Lokalen möchte ich 80, von der Kultur nur 30 Prozent. Und stellt mir das so zusammen, dass bis 7.00 Uhr morgens aktualisiert wird. Ich brauche die Zeitung um 7.30 Uhr. Das ist der Traum des Zeitungsmannes. Der scheitert heute in der breiten Durchsetzung nur an banalen Dingen, zum Beispiel daran, dass sich Leute nicht zu vernünftigen Kosten leistungsfähige Drucker zuhause aufstellen können, die eine Zeitung farbig, DIN A3 mit einer vernünftigen Faltung ausgeben. Das stellt eine zu hohe Schwelle dar. Das ist das individuelle Thema. Wir haben noch ein gewisses Zusatzproblem. Für uns treten natürlich Kostensenkungen, die eine Subventionierung eines solchen Druckers beispielsweise ermöglichen würden, analog der Durchsetzung des Handys, erst ein, wenn wir Druckmaschinen ganz stilllegen können, wenn wir in bestimmten Bereichen gar nicht mehr zustellen müssen. Das wäre ein ganz großartiger Systemwechsel. Denkbar ist: Wer aus dem Urlaub zurückkommt, könnte sich eine Kurzzusammenfassung der letzten zwei Wochen zusammenstellen lassen.

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Das Tabloid, das Halbformat, soll die Zeitung handlicher machen. Hat es Zukunft?

Helmut Heinen Es wird in Deutschland zurzeit damit experimentiert. In Berlin oder jetzt in Frankfurt und München erscheint die "Welt Kompakt". Man darf aber nicht vergessen, dass die Länder, in denen Erfolge mit halbformatigen Zeitungen erzielt werden, traditionell mit sehr großen Zeitungsformaten zu tun haben. Das ist bei uns anders. Wenn Sie unser Berliner Format nehmen, dann ist das, wenn sie es aufschlagen, gar nicht wesentlich größer als das Tabloid. Halbformate sind übersichtlich und handlicher, aber sie haben auch einen Nachteil, die Zeitung kann nicht mehr in mehrere Teilprodukte strukturiert werden. Es gibt sicherlich Argumente, die dafür sprechen, dass kleinere Formate insbesondere in Großstädten bei einer mobilen Leserschaft, die nicht mehr am Tisch liest, Vorteile bieten.

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Ist die Tabloid-Zeitung aber nicht der Schritt zur Verflachung der Tageszeitung?

Helmut Heinen Ich glaube nicht, dass die Gefahr besteht, dass durch Tabloid-Formate Qualitätstitel gefährdet werden. Gleichwohl kann es zu Entwicklungen kommen, dass sich das Spektrum des Zeitungsabsatzes zu Lasten der umfassenderen, etwas höher angesiedelten Publikationen verändert. Das ist dann auch Spiegelbild der Lesefähigkeit und -willigkeit.

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Wann lesen wir vom Display ab?

Helmut Heinen Was da an rollbaren und faltbaren Displays geplant ist, veranlasst, dass wir da nur noch über den Träger sprechen, nicht über Inhalte. Drucken wir auf Papier oder schicken wir es auf die Folie. Das ist eine Geschmacks- und Glaubensfrage. Uns geht es ja darum, ob wir unsere Inhalte, unser Produkt, bis zu jeder ökonomisch sinnvollen Schnittstelle so aufbereiten können, dass das für den Leser akzeptabel ist, unabhängig davon, ob er sich das auf sein mobiles Display lädt, oder ob er sich das zu Hause ausdruckt. Ich bin skeptisch, und das ist die Frage, die wir beantworten müssen, ob diese Displays in Qualität, in Anmutung und im Preis sich so viel schneller entwickeln werden, dass sie wirklich eine Alternative zum Papier werde Die Tageszeitung ist sehr stark in den Alltag integriert, wird überwiegend privat genutzt, so dass wir sie in dieser unkomplizierten Papierform noch eine ganze Weile gebrauchen können.

Das Interview führte Ines Gollnick

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