Dirk Klose
"Schönfärberei und Manipulation"
Debatte zum Arbeitsmarkt und zur
Arbeitsmarktstatistik
Eine wahre Zahl der Arbeitslosen gibt es nicht." Mit diesen
Worten nahm Gerd Andres, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Stellung zu
Vorwürfen der Opposition, die Regierung würde die
Arbeitsmarktstatistik regelmäßig schönfärben
und für ihre Zwecke frisieren. Derartige Beschuldigungen
beherrschten eine Debatte des Bundestages am 23. September 2004, in
der es um Fragen aussagekräftiger Statistiken zu
Beschäftigung und Unterbeschäftigung in der
Bundesrepublik ging.
Der Debatte lag ein Antrag der Unionsfraktion zugrunde, der zum
Ziel hat, präzisere Zahlen in der Arbeitsmarktstatistik zu
erreichen. Der CSU-Abgeordnete Johannes Singhammer begründete
die Position der Union und warf der Regierung eine
"Schönrederei der Statistik" vor. Die Arbeitsmarktstatistik
sei geradezu "zum Symbol für die Unkorrektheit und der
Unfähigkeit" der Regierungspolitik geworden, klare Tatsachen
auf den Tisch zu legen.
Wie Singhammer plädierten auch sein Fraktionskollege
Michael Fuchs und der FDP-Abgeordnete Dirk Niebel dafür,
stärker zu differenzieren und die wirklich Arbeitslosen von
solchen Personenkreisen zu trennen, die entweder in
Fortbildungsmaßnahmen, in der Umschulung oder aus anderen
Gründen momentan in einer Auszeit sind. Nach den Worten von
Fuchs sind, wenn man die stillen Reserven auf dem Arbeitsmarkt -
etwa 1,7 Millionen Menschen - berücksichtigt, "in Wirklichkeit
über sechs Millionen Menschen arbeitslos". Das sei
manipulierte Statistik. Fuchs: "Früher nannte man ein solches
Vorgehen 'Weimarer Verhältnisse'. Bei diesen
Verhältnissen sind wir in sehr kurzer Zeit wieder angekommen.
Sie sind die Folgen rot-grüner Politik."
Neben Staatssekretär Andres hatten auch der SPD-Abgeordnete
Klaus Brandner und der Bündnisgrüne Fritz Kuhn die
Struktur der Arbeitsmarktstatistik verteidigt und erklärt,
dass daran nicht gerüttelt werde. Brandner wandte sich gegen
den "Populismus" der Opposition und verwahrte sich gegen
Vorwürfe der Manipulation der Arbeitsmarktzahlen; die
offiziellen Statistiken würden ausreichend differenzieren, um
die jeweiligen Bereiche präzise erkennen und somit an der
Beseitigung der Probleme arbeiten zu können. Er verwies auch
auf den früheren Bundesarbeitsminister Blüm, unter dessen
Ägide zahlreiche bis heute geltende Bestimmungen
eingeführt worden seien.
Die seit kurzem erstellte zweite Statistik nach dem Vorbild der
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist nach Andres' Worten
ein Instrument, um Bewegungen am Arbeitsmarkt schneller und noch
genauer erfassen zu können. Hier würden erste Zahlen
Anfang des kommenden Jahres zur Verfügung stehen.
Der Bündnisgrüne Fritz Kuhn warb auch darum, sich um
ein "realistisches Nettobild" der Statistik zu bemühen.
Wichtiger als der Streit um Zahlen seien allemal eine substanzielle
Ankurbelung des Arbeitsmarktes und die Bereitstellung von mehr Jobs
in Deutschland. Kuhn nannte Bahn und Energiekonzerne als schlechte
Beispiele dafür, wie durch angekündigte
Preiserhöhungen eine für die Konjunktur schädliche
"Preistreiberei" angefacht werde. Gleichzeitig warb er dafür,
bei der vorgesehenen Einrichtung von Jobcentern so dezentral wie
nur möglich zu verfahren; es könne nicht angehen, dass
die Nürnberger Zentrale - wie jüngst in Berlin geschehen
- eine örtliche Planung durch Verweis auf zentrale Vorgaben
zunichte mache: "Den Mist müssen wir verhindern."
Auch der Dirk Niebel (FDP) hatte als eigentliche Aufgabe
verstärkte Anstrengungen auf dem Arbeitsmarkt verlangt; nach
seinen Worten "besteht der große Skandal in diesem Land doch
darin, dass wir überhaupt eine Arbeitslosenstatistik
brauchen". In summa: "Also brauchen wir eine andere Steuer-,
Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, als sie in den
letzten sechs Jahren durchgeführt worden ist."
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