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Ludwig Watzal
Kompendium
Was man vom Islam kennen sollte
Die Terroranschläge des 11. September 2001 haben in der
westlichen Welt einen Ansturm auf Publikationen über den Islam
ausgelöst. Das Interesse an dieser Religionsgemeinschaft
begann jedoch bereits mit der iranischen Revolution von 1979. Der
Westen wurde völlig überrascht, als in Teheran Millionen
schwarz verhüllter Frauen das despotische Schah-Regime hinweg
demonstrierten. Der greise Ayatollah Khomeini kehrte aus dem Exil
in Frankreich in den Iran zurück. Er wurde wie eine Ikone
verehrt, was im Westen auf Unverständnis stieß, da man
hier die geistige Kraft religiöser Vorstellungen nicht mehr
richtig einzuordnen verstand. Ähnlich eindimensional reagierte
die US-Regierung auf den Einsturz der Zwillingstürme, und zwar
mit Gewalt und der Förderung von Vorurteilen gegenüber
dem Islam.
Um so verdienstvoller ist das Bändchen von John L.
Esposito, Professor für Religion und Internationale
Beziehungen an der Georgetown Universität in Washington, das
seine Entstehung just den Ereignissen des 11. September verdankt.
Der Autor hat eine Art Kompendium über den Islam in einem
Frage-und-Antwort-Spiel zusammengestellt. Sein wichtigstes Anliegen
ist, Auskunft zu geben über das, was Muslime glauben und warum
sie tun, was sie tun.
Der große Vorteil des Buches liegt darin, dass alle
relevanten Fragen zum Komplex Islam gestellt und einzeln
beantwortet werden, so dass man nicht gezwungen ist, es sofort von
Anfang bis Ende durchzulesen. Man kann gezielt nach Antworten auf
interessierende Fragen suchen; jede Frage steht mit der
dazugehörenden Antwort für sich.
Das kleine Buch gliedert sich in folgende Kapitel: Glaube und
religiöse Praxis, der Islam und die anderen Religionen, Sitten
und Kultur, Gewalt und Terrorismus, Gesellschaft, Politik und
Wirtschaft sowie Muslime im Westen. Abgerundet wird das Ganze durch
ein umfassendes Glossar und einige weiterführende
Literaturhinweise. Nach Ansicht Espositos erhält jeder, der
sich mit dem Islam beschäftigt, eine neue Perspektive, ja ein
neues Geschichtsverständnis - von den Kreuzzügen
über den europäischen Kolonialismus bis hin zum
amerikanischen und russischen Neokolonialismus.
So habe der Widerstand gegen die amerikanische Besetzung des
Irak sehr viel mit diesen historischen Erfahrungen zu tun und
könne nicht nur als bloßer Terrorismus angesehen werden.
Der Autor kritisiert die Medien, dass sie nur ein "stereotypes
Zerrbild des Islam" vermittelten, das primär um "Terroristen,
religiöse Extremisten und unterdrückte Frauen" kreise.
Dies sei mehr als bedenklich, da Muslime heutzutage ein integraler
Bestandteil sowohl der religiösen Landschaft Amerikas als auch
Europas seien.
Die Begegnung zwischen dem Westen und der muslimischen Welt ist
kein Zusammenprall zweier völlig getrennter,
gegensätzlicher Kulturkreise. Juden, Christen und Muslime sind
alle Kinder Abrahams. Die Welt des Islam ist global. Folglich sind
seine Hauptstädte nicht nur Kairo, Damaskus, Mekka, Islamabad
und Jakarta, sondern auch in London, Paris, Berlin, New York und
Washington. Wer darüber hinaus noch Fragen über die
zahlenmäßig zweitgrößte Religionsgemeinschaft
der Welt beantwortet haben möchte, ist mit diesem
Bändchen bestens bedient. Vor allem die politische Bildung
sollte Espositos Buch in ihr Sortiment aufnehmen. Weil der Islam
zum neuen Feindbild des Westens avancierte, muss mit allen Mitteln
dagegen vorgegangen werden. Dazu eignet sich Espositos Buch
besonders gut.
John L. Esposito
Von Kopftuch bis Scharia.
Was man über den Islam wissen sollte.
Aus dem Englischen von Henning Thies.
Reclam Leipzig, Leipzig 2004; 232 S., 9,90 Euro
Ludwig Watzal ist Redakteur in der Redaktion der Beilage "Aus
Politik und Zeitgeschichte".
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