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Helena Sabbagh
Eine beispielhafte Reise ins Nichts
Nagib Machfus, der "Balzac
Ägyptens"
Gut 20 Jahre nach Erscheinen der Originalausgabe legt der
Unionsverlag eine deutsche Übersetzung von Nagib Machfus' "Die
Reise des Ibn Fattuma" vor. Damit ist der Zürcher Verlag
wieder einen Schritt weiter mit seinem anspruchsvollen Unterfangen,
das umfangreiche Werk des "Balzac Ägyptens" dem deutschen
Leser zugänglich zu machen. Der heute 90-Jährige, der
1988 als erster in Arabisch schreibender Schriftsteller den
Literatur-Nobelpreis erhielt, hat rund 40 Romane, Kurzgeschichten
und Novellen veröffentlicht.
"Die Reise des Ibn Fattuma" ist ein, das sei vorweggeschickt,
märchenhafter Roman von zugleich zeitloser Aktualität. In
Anlehnung an die Tradition der arabischen Reiseliteratur, wie etwa
an die Reisebeschreibungen des Ibn Battuta aus dem 14. Jahrhundert,
entwickelt Machfus einen fantastischen Reise-Bericht mit
allegorischen Zügen. Ibn Fattuma, ein wohlhabender Muslim,
erfährt bereits als kleiner Junge vom geheimnisvollen
Gaballand. Eine verlorene Liebe bringt ihn schließlich dazu,
das Land, von dem es heißt, es sei das Vollkommenste, was es
an Vollkommenem gibt, zu suchen. Mit dem Vorsatz, dieses perfekte
Gemeinwesen zu studieren und als Chronist seiner Heimat
nützlich zu sein, macht er sich auf den Weg. Doch aus dem
ehrbaren Vorhaben wird ein jahrzehntelanges Abenteuer, das
buchstäblich im Nichts endet.
Nagib Machfus, der Kairo Zeit seines Lebens kaum verlassen hat
und dessen Romane meist in den Vierteln seiner Heimatstadt spielen,
wählt in diesem Werk das Sujet der Reise. So verschlägt
es Ibn Fattuma in eine Reihe verschiedener Länder, die
allesamt idealtypische Staatsentwürfe darstellen. Von der
Suche nach Erkenntnis geleitet, zieht er immer wieder den Vergleich
zur eigenen muslimischen Gesellschaft - ein Vergleich, der ihn
häufig schmerzt, zeigt er ihm doch, wie wenig gut und gerecht
es in der Welt, aber auch in der Heimat, zugeht.
In der ihm eigenen klaren, schnörkellosen Sprache
erzählt Machfus eine schlichte Geschichte - und behandelt
zugleich die großen Fragen der Menschheit: Was ist der Sinn
der menschlichen Existenz, gibt es Richtwerte für ein
gelungenes Leben, wie begegnet der Einzelne seiner eigenen
Ohnmacht? Die Geschichte des Ibn Fattuma darf also als kleiner,
aber feiner philosophischer Wegweiser ohne erhobenen Zeigefinger
entschlüsselt werden. Die Weisheit liegt so zu sagen am
Wegesrand. Machfus, der 1994 ein islamistisch-motiviertes Attentat
nur knapp überlebte, setzt mit seinem Werk, das zugleich ein
Plädoyer gegen die Ideologie und für humanistische Werte
ist, einen literarischen Kontrapunkt zu dem zerstörerischen
Wirken der religiösen Hetzer in dieser Welt.
Nagib Machfus
Die Reise des Ibn Fattuma.
Aus dem Arabischen von Doris Kilias.
Unionsverlag, Zürich 2004; 184 S., 18,90 Euro
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