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Das Parlament
Nr. 41-42 / 04.10.2004


 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Sten Martenson

Voller Zuversicht und Optimismus

Zuckmayers "Deutschlandbericht"

Der Blick zurück ist zum Glück nicht nur Historikern vorbehalten. In einer Zeit, da die Zeitzeugen der Jahre um 1945 immer weniger werden, gewinnen Aufzeichnungen, die mehr als nur ein persönliches Schicksal beschreiben, zweifellos an Wert. Vor zwei Jahren wurde Carl Zuckmayers "Geheimreport" veröffentlicht. Der Schriftsteller, der 1939 aus Nazi-Deutschland emigriert war, hatte in den Jahren 1943 und 1944 Schauspieler und Schriftsteller, Regisseure und Publizisten, die sich - aus welchen Gründen auch immer - mit dem NS-System arrangiert hatten, charakterisiert. Es war eine Auftragsarbeit für den US-Geheimdienst. Klaus Harpprecht kommentierte diese einfühlsame Arbeit Zuckmayers mit den Worten, niemals habe ein Geheimdienst sein Geld sinnvoller unter die Leute gebracht.

Zuckmayers "Deutschlandbericht" war auch ein Auftragswerk. Das Kriegsministerium wollte von Zuckmayer, dem im Januar 1946 die amerikanische Staatsbürgerschaft zuerkannt worden war, mehr über die innere Verfassung des am Boden liegenden Nachkriegsdeutschlands erfahren. Harpprechts Urteil ließe sich variieren: Nie zuvor hat ein Kriegsministerium sinnvoller Geld ausgegeben.

Zuckmayer war von November 1946 bis zum März 1947 in Deutschland und Österreich unterwegs: "Ich war ein Neuankömmling, der seinen Weg durch einen unbekannten Dschungel finden musste. Und ich war ein Heimkehrer in den Augen einer unerwartet großen Zahl von Menschen, die sich an meine Stücke erinnerten, als ob sie nicht zwölf Jahre verboten gewesen wären." Seinen Bericht haben die Herausgeber mit Beiträgen Zuckmayers über die vermeintlich "verlorene Jugend" Deutschlands, mit seiner Einschätzung des wieder erwachenden Kulturlebens in Deutschland, mit der Schilderung eines Jugendtreffens und mit Leserbriefen ergänzt, dazu akribisch genaue Anmerkungen, die gut ein Viertel des Buches füllen.

Alles zusammen vermittelt ein Bild Nachkriegsdeutschlands, das lebendiger und griffiger als jede historische Untersuchung oder so manches autobiografische Erinnern ist. Denn Zuckmayer verfügte über die Gabe des genauen Beobachtens, über das Interesse an den vielfältigen Schicksalen der Nachkriegsdeutschen und das Sensorium für geschichtlich-politische Zusammenhänge. Er erlebt das zerstörte Land, in dem er geboren wurde, nicht als Richter, sondern als Helfer. In einem der beigegebenen Leserbriefe heißt es: "Carl Zuckmayer ist einer der wärmsten, ehrlichsten Anwälte für unser armes Deutschland. Wir alle wissen um die Schwere der deutschen Schuld - auch Carl Zuckmayer. Dennoch erhebt er seine Stimme für Deutschland, wo er es immer nur vermag."

Wie viele andere Emigranten auch hatte sich Zuckmayer seiner neuen Heimat als kundiger, aber eben auch verständnisvoller Helfer zur Verfügung gestellt. Unter den Mit-Emigranten, aber auch in Deutschland trug ihm dieser Einsatz nicht nur Beifall ein. Seine Aufgabe, von amerikanischen Insitutionen initiiert und formuliert, war es, Erziehungsarbeit zu leisten, Reorientierung zu geben und den kulturellen Wiederaufbau mit Rat und Tat zu begleiten. Faszinierend sind die Schlüsse, die der Autor aus den vielen Beobachtungen zieht und die Weitsicht derselben.

Da beschreibt er, was die Deutschen von den Amerikanern halten. Drei Einstellungen hält Zuckmayer fest: etwas Hass, etwas Enttäuschung und etwas vernünftige, dankbare Anerkennung. Unterscheidet sich dieses Spektrum fundamental von der gegenwärtigen Situation? Wobei vor allem die angeführten Motive für die Enttäuschung geradezu brandaktuell erscheinen: die Deutschen wären nach Kriegsende überzeugt gewesen, "dass die Alliierten, besonders die Amerikaner, Deutschland nicht erobern würden, ohne einem gut vorbereiteten Plan zu folgen, um den Frieden nach dem Krieg zu gewinnen". Wem fiele da nicht der gerade von den USA eroberte Irak ein? Den Herausgebern jedenfalls ist diese Parallele sofort in den Sinn gekommen. Aber auch Zuckmayers Zweifel an der Art der so genannten Entnazifizierung haben sich im Nachhinein als bemerkenswert zutreffend erwiesen.

Durch sämtliche Texte Zuckmayers ziehen sich dennoch als Leitfaden soviel Zuversicht und Optimismus, dass der Leser des Jahres 2004 angesichts des Lamentierens und Jammerns im heutigen Deutschland tief beschämt sein müsste. Und noch etwas, was den heutigen Leser nachdenklich stimmen sollte. Zuckmayers Blick in die ferne Zukunft, die nun unsere Gegenwart ist, richtete sich schon 1949 auf das "Leitwort" Europa. Seine Worte klingen vielleicht zu pathetisch, aber dennoch belegen sie, dass Visionen nicht Visionen bleiben müssen: "Europäische Verschmelzung allein kann die geistigen und biologischen Kräfte der Völker, in deren Traditionen nicht nur ihre alten Wurzeln, sondern auch ihre neuen Treibsäfte beschlossen sind, aus der Lähmung befreien."

Carl Zuckmayer

Deutschlandbericht für das Kriegsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika.

Herausgegeben von Gunther Nickel, Johanna Schrön und Hans Wagener.

Wallstein-Verlag, Göttingen 2004; 312 S., 28,- Euro

Nach langen Journalistenjahren in Bonn lebt der Autor heute im Ruhestand in Bad Honnef.

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