Hermann Meyn
In der Walhalla
Deutscher Journalismus
Wer auch immer als erster die Idee hatte, sie war gut: Der
Wiener und frühere Münchner Publizistikwissenschaftler
Wolfgang R. Langenbucher und der Medienredakteur der
"Süddeutschen Zeitung" (SZ) Hans-Jürgen Jakobs druckten
50 Porträts von Journalistinnen und Journalisten aus drei
Jahrhunderten nach, die in der SZ im Sommer 2004 auf der
Medienseite erschienen waren.
Wer sind die großen Vorbilder, die in die Walhalla des
Journalismus einziehen durften? Dazu gehören
selbstverständlich viele, die sich auch als Schriftsteller
einen Namen machten, beispielsweise Heinrich Heine und Theodor
Fontane. Zu Recht wird auch wegen seiner publizistischen und noch
bedeutenderen politischen Wirksamkeit Karl Marx
porträtiert.
Scharfsichtige Analysen
Für Leser von heute ist es möglicherweise spannender,
welche Journalistinnen und Journalisten nach 1945 Vorbildliches
geleistet haben. Die SZ rechnet dazu Walter Dirks, 1945
Mitbegründer der "Frankfurter Hefte". Er publizierte
scharfsichtige Analysen, in denen er nach einem dritten Weg
zwischen dem erstarrten Sozialismus kommunistischer Prägung
und dem Liberalismus des Westens suchte.
Ein Gewissen seiner Zeit war nach SZ-Meinung auch Paul Sethe. Er
arbeitete längere Zeit für die "Frankfurter Allgemeine
Zeitung". Von ihm stammt der häufig zitierte Satz aus einem
Leserbrief an den "Spiegel": "Pressefreiheit ist die Freiheit von
200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten." Tiefer sind
Verleger nie nach unten durchgereicht worden.
Selbstverständlich gibt es auch unter Journalisten und
Publizistikwissenschaftlern mitunter Streit, wer zu den besten der
Zunft gehört. Marion Gräfin Dönhoff zählt mit
Sicherheit zu den Vorbildern des Journalismus. Als sie vor 2002 mit
92 Jahren starb, schrieb Richard von Weizsäcker: "Mit ihrer
Unbeugsamkeit und Unabhängigkeit, ihrer menschlichen Klugheit
und ihrem Gewissen hat sie uns zum aufrechten Gang angehalten und
unter den Staaten und Völkern Ansehen für uns
wiedergewonnen."
Zum "Gewissen ihrer Zeit" zählt die SZ ferner Henri Nannen.
Er gründete im Nachkriegsdeutschland den "Stern", die
meistgelesene Illustrierte ihrer Zeit. Darin beichtete Nannen
früh seine politischen Jugendsünden der Nazi-Zeit - so
frühzeitig, dass er später auf jeden ehemaligen Nazi
zeigen konnte; und er tat es reichlich. Einer der Großen im
Journalismus der Nachkriegszeit war auch Fritz René Allemann,
ein Schweizer, der in Deutschland publizierte. Er fasste seine
brillanten Analysen später in einem Buch zusammen, dessen
Titel so häufig wie kein anderer später zitiert wurde:
"Bonn ist nicht Weimar".
Rückendeckung für die Enthüller
Natürlich durfte in der SZ-Reihe Rudolf Augstein nicht
fehlen. Ihn hält der ehemalige "Stern"-Chefredakteur Michael
Jürgs für den "wichtigsten deutschen Journalisten der
Nachkriegszeit". Er war ein brillanter Analytiker.
"Spiegel"-Reporter Cordt Schnibben hat seinen Chef später wohl
am besten mit den Worten charakterisiert: "Wir haben Asyl gefunden
in den Blättern unserer Väter, und Augsteins Herberge ist
die beste aller Burgen. Sie bietet den Enthüllern
Rückendeckung, sie bietet den Erklärern das Archiv, sie
bietet den Erzählern Zeit und Raum - allen zusammen bietet sie
genug Geld, um frei zu sein."
Die Auswahl endet mit Herbert Riehl-Heyse. Als er 2003 starb,
formulierte Bundespräsident Johannes Rau, der Verstorbene habe
die Überzeugung gehabt, "dass eine der Konstanten seines
Berufs darin bestehen müsse, den Menschen Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen".
Bei allem Respekt vor den Print-Heiligen der Zunft: Wenigstens
eine Erwähnung im Vorwort des SZ-Chefredakteurs Hans Werner
Kilz hätten die kleinen, ungenannten Helden auf Regional- und
Lokal-Ebene verdient. Sie sind es, die ohne den breiten Rücken
der großen Verlage oft in kritischen Beiträgen die
Demokratie von unten verteidigen und dafür oft einen hohen
Preis bezahlen: Kündigung.
Hans-Jürgen Jakobs, Wolfgang R. Langenbucher (Hrsg.)
Das Gewissen ihrer Zeit.
Fünfzig Vorbilder des Journalismus.
Picus Verlag, Wien 2004; 280 S., 19,90 Euro
Hermann Meyn war als Journalist in vielen Bereichen der
Medienarbeit tätig; er lebt heute in Rheinbach bei Bonn.
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