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Florian Kain
Aufstand der Polizisten
Hamburg: Die unter Schill geschaffenen Stellen
werden wieder abgebaut
Sie sind enttäuscht, verbittert und wütend: Hamburgs
Polizisten machen mobil gegen ihre Regierung. "Wer hat uns
verraten? Christdemokraten!" und: "Alle woll'n dasselbe, Ole in die
Elbe!" - solche und andere martialische Sprechchöre waren zu
hören, als 5.000 Schutzmänner im September auf dem
Rathausmarkt gegen die erst jetzt in vollem Umfang bekannt
gewordenen Sparbeschlüsse des Senats demonstrierten. Und der
Protest geht weiter. Auf den Marktplätzen der Metropole
sammeln die Beamten Unterschriften für eine Volkspetition. Das
Motto: "Kopfloses Sparen gefährdet die Innere Sicherheit."
Hintergrund: Die Hamburger Polizei wird durch massive
Kürzungen in der Mittelzuweisung dazu gezwungen,
spätestens bis zum Jahr 2009 all jene Stellen, die der
frühere Innensenator Ronald Schill gerade erst neu geschaffen
hatte, wieder abzubauen. 151 Schutzleute weniger sollen dann auf
den Straßen der Stadt ihren Dienst tun. Weitere 200 Stellen
fallen weg, weil sie nur zwischenfinanziert waren. Abgänge
durch Pensionierungen werden durch Einstellungen nicht mehr
gedeckt. Das Einsparvolumen liegt bei 4,8 Millionen Euro.
Joachim Lenders, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft in
Hamburg, prophezeit bereits "katastrophale Auswirkungen für
die Innere Sicherheit der Stadt" - also jenen Schwerpunktbereich,
mit dem es der Regierung Beust mit maßgeblicher
Unterstützung von Schills inzwischen in der
Bedeutungslosigkeit verschwundenen "Partei Rechtsstaatlicher
Offensive" 2001 erst gelungen war, Rot-Grün an der Elbe
abzulösen. Von "Täuschung" und "Verrat" ist nun die Rede,
und manche trauern bereits ihrem früheren obersten Dienstherrn
nach, unter dem es, wie zu hören ist, "so etwas nicht gegeben
hätte". "Die Verbrechensbekämpfung hat keine
Priorität mehr", lautet auch das Fazit von Jürgen Lamp,
dem Geschäftsführer des Hamburgischen Landesverbands der
Gewerkschaft der Polizei.
Doch obwohl die Kürzungen beschlossene Sache sind, machen
sich die Beamten weiter Hoffnung auf ein Einsehen des Senats. Grund
sei der "breite Rückhalt in der Bevölkerung": "Die Leute
reißen uns die Unterschriftenlisten förmlich aus der
Hand." In der Tat ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstuts
Emnid, dass die Bürger kein Verständnis für den
sicherheitspolitischen Schrumpfkurs haben und den Rotstift lieber
bei baulichen Prestigeobjekten angesetzt sehen wollen.
Eine weitere Ursache des Protests: Das Vorhaben des neuen,
parteilosen Innensenators - und vormaligen Polizeipräsidenten
- Udo Nagel, seine Beamten künftig auch an ihren
Gesundheitskosten zu beteiligen. Garantierte die Freie
Heilfürsorge bislang, dass der Staat Krankhausaufenthalte und
Arztbesuche komplett übernahm, so müssen Polizisten sich
nun auf einen Zuschuss in Höhe von 1,4 Prozent ihres
monatlichen Gehalts gefasst machen. Eine Maßnahme, die die
Betroffenen vor allem aufgrund ihrer symbolischen Aussagekraft
bitter enttäuscht. Denn die Eigenbeteiligung wird auch dann
fällig, wenn Dienstverletzungen zu behandeln sind.
Was für Lamp eine "moralische Bankrotterklärung" in
Anbetracht der "Gefährlichkeit unseres Berufs" darstellt, ist
nach Ansicht von Udo Nagel durchaus vertretbar. Denn die schwierige
Haushaltslage der Stadt - gut 23 Milliarden Euro Schulden haben
sich im Laufe der Jahrzehnte angesammelt, die Steuereinnahmen sind
rückläufig - zwinge alle Ressorts zum Sparen: "Auch die
Polizei muss ihren Beitrag leisten." Bürgermeister Ole von
Beust hat in Anbetracht der Proteste den Eindruck, "dass noch nicht
alle die Dramatik der Finanzsituation begriffen haben".
Aus den Reihen der Polizei wird dem jedoch entgegengehalten,
dass der Senat allein für die - ob ihrer Notwendigkeit
durchaus umstrittene - geplante neue U-Bahn zur HafenCity rund 510
Millionen Euro locker machen will. Von
Verhältnismäßigkeit könne hier keine Rede sein.
An die Spitze des Aufstands stellt sich jetzt die oppositionelle
SPD, die der Polizei in ihrer Regierungszeit noch viel rigidere
Sparschrauben angelegt hatte. Deren innenpolitischer Sprecher
Andreas Dressel sieht die eigentliche Ursache des Schrumpfkurses in
der Parteilosigkeit Nagels. Die Innere Sicherheit müsse
"dafür bezahlen, dass der Senator keine Hausmacht hat".
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