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Gerlind Schaidt
Schöner Schein: Alle fühlen sich als
Sieger
Nordrhein-Westfalen: Bei den Kommunalwahlen
haben lokale Themen den Ausschlag gegeben
Wichtigstes Ergebnis der
nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen vom 26. September 2004
ist die Erkenntnis: Die Bürger haben überwiegend nach
kommunalpolitischen Gesichtspunkten abgestimmt. In Bonn wurde die
Sozialdemokratin Bärbel Dieckmann schon im ersten Wahlgang als
Oberbürgermeisterin bestätigt, weil sie gute Arbeit
geleistet hat. Ebenso hat in Düsseldorf der Christdemokrat
Joachim Erwin sein OB-Amt erfolgreich verteidigt, weil die
Bürger mit seiner Leistung zufrieden waren. In Köln
wiederum wurde die CDU massiv für ihre Klüngel- und
Chaospolitik abgestraft.
Für rund 51 Prozent der Wähler
stand nach einer Infratest-dimap-Analyse die Kommunalpolitik im
Zentrum der Entscheidung. Lediglich für ein Drittel der
nordrhein-westfälischen Wähler war die Bundespolitik -
vor allem die umstrittene Hartz IV Gesetzgebung - ausschlaggebend.
Die Landespolitik war sogar nur für 15 Prozent bestimmend.
Nach Auffassung des Politikwissenschaftlers Karl-Rudolf Korte von
der Universität Duisburg-Essen waren die NRW-Kommunalwahlen
zudem eine "extreme Persönlichkeitswahl". Damit wird jeder
Versuch, den Urnengang an Rhein und Weser als Probelauf für
die Landtagswahl im Mai 2005 zu deuten, zu einem höchst
riskanten Wagnis.
Mit einiger Sicherheit lässt sich also
allenfalls sagen, dass die Chancen der Union unter bestimmten
Voraussetzungen für eine Machtübernahme zusammen mit der
FPD bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr weiterhin gut sind.
Gleichzeitig kommen Beobachter zu dem Schluss, dass Rot-Grün
an Rhein und Ruhr noch nicht aus dem Rennen ist. Nach Auffassung
von Wahlforschern nutzt ein gutes Kommunalwahlergebnis allenfalls
dazu, die eigenen Mitglieder für weitere anstehende Wahlen zu
motivieren.
Vielleicht war das der Grund, warum sich am
Wahlabend Vertreter aller Parteien das Ergebnis schön redeten,
auch, wenn sie nach Lage der Fakten keinen Grund dazu hatten. Der
CDU-Partei- und Fraktionschef Jürgen Rüttgers betonte,
seine Partei sei weiterhin "stärkste politische Kraft" und
habe die "strategische Mehrheit" im Land verteidigt. Im Mai 2005
sei "Schluss mit Steinbrück und Rot-Grün".
SPD-Parteischaf und Landesarbeitsminister Harald Schartau sah die
politische Trendwende eingeleitet. NRW-Ministerpräsident Peer
Steinbrück räumte immerhin ein, dass das Ergebnis nicht
ganz so sei, wie er es sich gewünscht hätte. Für die
Grünen, die hinzugewonnen hatten - wenn auch viel weniger als
erwartet -, sprach Landeschef Frithjof Schmidt von einem
"Superergebnis". Und FDP-Landeschef Andreas Pinkwart sah eine
schwarz-gelbe Koalition als Ergebnis der Wahlen im kommenden Mai
ein gutes Stück näher gerückt.
Erst die vom statistischen Wahlamt
veröffentlichten Zahlen rückten die Euphorie der vielen
Sieger wieder zurecht. Danach hat die CDU trotz deutlicher Verluste
erneut ihre Position als stärkste Kraft im Land verteidigt.
Allerdings sank ihr Stimmenanteil von 50,3 Prozent im Jahr 1999 auf
jetzt 43,4 Prozent. Damit musste sie die vor fünf Jahren in
einem sensationellen Wahlerfolg erzielte knappe absolute Mehrheit
wieder abgeben. In Stimmen ausgedrückt, wählten 502.000
weniger Bürger die Union. Die Sozialdemokraten verloren
gegenüber der vergangenen Kommunalwahl noch einmal 2,2
Prozentpunkte und rutschten von 33,9 auf 31,7 Prozent. Das ist ihr
schlechtestes Ergebnis seit Gründung des Bundeslandes 1946.
162.000 Wähler versagten ihr die Stimme. Das bedeutet, dass
beide große Volksparteien beim Urnengang verloren
haben.
Die kleinen Parteien legten hingegen
verhältnismäßig deutlich zu. Die Grünen
verbesserten sich von
7,3 auf 10,3 Prozent. In absoluten Zahlen
gerechnet macht das ein Plus von 226.000 Stimmen. Die FDP kletterte
von 4,3 auf 6,8 Prozent, das sind 185.000 zusätzliche Stimmen.
Rechtsradikale Parteien spielten bis auf einige wenige Ausnahmen
keine Rolle. Die PDS blieb landesweit unter der
Zwei-Prozent-Marke.
Nur in sechs Großstädten gelang es
den Amtsinhabern und erneuten Oberbürgermeisterkandidaten,
bereits im ersten Wahlgang die notwendige absolute Mehrheit bei der
Direktwahl zu holen. Das waren die Sozialdemokraten Jürgen
Linden in Aachen, Bärbel Dieckmann in Bonn und Klaus-Heinrich
Wehling in Oberhausen. Für die CDU schafften es Joachim Erwin
in Düsseldorf, Franz Haug in Solingen und Thomas
Hunsteger-Petermann in Hamm.
Insgesamt stehen am 10. Oktober mehr als 90
Stichwahlen an. In 15 Großstädten und fünf Kreisen
müssen die Kandidaten in die zweite Runde. Spannend wird es in
einigen Ruhrgebietsstädten, wo die SPD insgesamt bei der
letzten Kommunalwahl verlorenes Terrain wieder gut gemacht hat. In
Gelsenkirchen muss sich der CDU-Oberbürgermeister Oliver
Wittke, der 1999 überraschend OB wurde, diesmal seinem
SPD-Konkurrenten Frank Baranowski stellen. Er hat dabei nur eine
hauchdünne Mehrheit von 1,2 Prozentpunkten. Auch in Hagen
liegt der SPD-Kandidat nur knapp zurück. Umgekehrt will die
CDU der SPD das OB-Amt in Duisburg abnehmen.
In Köln, der mit gut einer Million
Einwohnern größten Stadt Nordrhein-Westfalens, hat die
CDU einen massiven Einbruch erlitten. Sie verlor 12,5 Prozent und
sank damit von 45,2 im Jahr 1999 auf jetzt 32,7 Prozent. Die
Grünen steigerten sich nur leicht von 15,7 auf 16,6 Prozent.
Offenbar haben die Wähler der Grünen das Zusammengehen
mit der skandalumwitterten CDU abgestraft. Damit haben beide
Parteien keine ausreichende Mehrheit für eine Fortsetzung
ihrer Koalition. Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) stand
selber nicht zur Wahl, da er den Posten nach dem frühen Tod
von Harry Blum übernahm und bis 2009 im Amt ist. Das
schwarz-grüne Experiment unter seiner Führung ist damit
aber zu Ende. Die SPD konnte nach Steueraffären mit einer
jungen Mannschaft das Ergebnis leicht von 30,3 auf 31 Prozent
erhöhen. Die FDP steigerte sich von 4,1 auf 7,4 Prozent.
Erschreckenderweise schaffte die als rechtsextrem eingestufte
Gruppierung "Pro Köln" aus dem Stand 4,7 Prozent.
Die Wahlbeteiligung betrug 54,5 Prozent und
war damit 0,5 Prozent geringer als bei den letzten Kommunalwahlen.
Wahlberechtigt waren damit 13.946.398 Menschen, von denen lediglich
7.596.062 zur Wahl gingen. Die meisten Wahlberechtigten,
nämlich 62,4 Prozent, fanden im Kreis Coesfeld im
Münsterland den Weg zu den Wahlurnen. Die geringste
Wahlbeteiligung gab es in Mönchengladbach mit 45,2
Prozent.
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