|
|
khb
Reines Westgesetz?
Tagesbetreuung für Kleinkinder
Familie. Große Zustimmung bei allen Fachleuten fand am 29.
September im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend der Regierungsentwurf eines Tagesbetreuungsgesetzes
(15/3676). Dabei geht es vor allem um die Betreuung von Kindern
unter drei Jahren. Allerdings wiesen in der Anhörung mehrere
Sachverständige darauf hin, dass es sich um ein "reines
Westgesetz" handele, da sich die Betreuungssituation in den
ostdeutschen Bundesländern anders darstellt, wie es Thomas
Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut sagte. Denn in den
fünf neuen Ländern liegt die Betreuungsquote der
Kleinkinder über 50 Prozent, in den alten Bundesländern
dagegen liege sie nur bei drei Prozent, was zu einem
Bundesdurchschnitt von 36,9 Prozent führt. Für Thomas
Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und
Familienrecht treffe Deutschland mit dem Gesetz Vorbereitungen,
sich in Richtung dessen, was in Europa als Standard gilt, zu
bewegen. Er verwies darauf, dass in Skandinavien mehr als zwei
Drittel der Kleinkinder in der Tagesbetreuung seien und vertrat die
Ansicht, dass diese keine schlechtere Erziehung und Bildung
hätten.
Verfassungsrechtliche Zweifel
Bedenken meldeten die Vertreter der Länder und der Kommunen
an. Ursula Krickl vom Städte- und Gemeindetag hat
verfassungsrechtliche Zweifel, ob das Gesetz nicht zu stark in
originäre Rechte der Länder eingreife. Zudem hielten die
Kommunen die finanziellen Bestimmungen zur Umsetzung des Gesetzes
nicht für seriös. Reinhard Schunke vom Ministerium
für Gesundheit und Soziales in Sachsen-Anhalt kritisierte
ebenfalls die Finanzierung. Außerdem verwies er darauf, dass
die Länder bereits mit eigenen Programmen auf dem gleichen Weg
seien, den die Bundesregierung einschlagen wolle.
Diesen Bedenken widersprachen die meisten Sachverständigen.
Norbert Struck vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sagte, es
wäre "fatal", wenn dieses Gesetz, das alle Fachleute
begrüßten, etwa am Einspruch des Bundesrats oder an
finanziellen Überlegungen scheitere. Katharina Spieß vom
Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin sagte,
die Betreuung von Kleinkindern bringe langfristig einen drei bis
viermal höheren Nutzen als sie koste. Inzwischen sei die
Betreuung der Kleinkinder für die Unternehmen längst ein
Standortfaktor, weil sie so mit der Betreuung viel leichter
Personal rekrutieren könnten. Hans-Jürgen Schimke,
Bürgermeister der Stadt Laer (Nord-rhein-Westfalen) erwiderte,
mit dem langfristigen Nutzen könne er zwar nicht seine
aktuellen Haushaltsprobleme lösen; doch habe in Laer
bürgerschaftlicher Einsatz der Eltern solche Fragen erheblich
voran gebracht.
Zurück zur
Übersicht
|