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Hartmut Hausmann
Aufruf zur Pflege des kulturellen Erbes
Königin Beatrix in
Straßburg
Beatrix, die Königin der Niederlande, hat die Bürger
Europas am 27. Oktober bei einem Besuch in Straßburg zum
Erlernen von mehreren Sprachen aufgefordert. Jeder Bürger
sollte mindestens eine, wenn möglich mehrere zusätzliche
Sprachen erlernen. Wenn die immer größer werdende
Europäische Union kein neuer Turmbau zu Babel werden soll,
müssten die Menschen einander möglichst gut verstehen
können. Gerade in einem sich vereinenden Europa sei der
direkte Kontakt zwischen den Menschen die beste Grundlage für
gegenseitiges Verständnis. In der Einigung der 25
EU-Länder, in ihrer Vielfalt mit ihrer eigenen Identität
und ihrer eigenen Sprache liege die eigentliche Kraft des
Kontinents, erklärte die Königin vor dem
Europäischen Parlament aus Anlass des niederländischen
EU-Vorsitzes im zweiten Halbjahr 2004. Dieses kulturelle Erbe gelte
es sorgsam zu hü-ten und zu bewahren. Die ständige
Begegnung mit der Kultur der Nachbarn mache die Europäer auch
widerstandsfähiger gegen den Geist des Materialismus und die
sich immer bedrohlicher ausweitende Massenkultur.
Auf dieser festen Grundlage, so zeigte sich die Königin
überzeugt, werde die EU zusätzlich Kraft gewinnen, wenn
sie sich für weitere Länder öffne, womit sie - ohne
das Land namentlich zu nennen - auf die Diskussion um den
Türkei-Beitritt einging, "die unsere Rechtsnormen teilen und
sich anstrengen, die Kriterien zu erfüllen". Sie ermutigte die
Verantwortlichen in der Union, den Dialog mit den beitrittswilligen
Ländern offen, ehrlich und unvoreingenommen zu
führen.
Beatrix bedauerte, dass viel von der Begeisterung und dem
Idealismus für die europäische Einigung aus der
Gründerzeit verloren gegangen und einer weit verbreiteten
Skepsis gewichen sei. Dabei sei enorm viel von dem, was früher
als eine unerreichbare Vision erträumt worden sei, inzwischen
verwirklicht worden - allen voran die Rechtsgemeinschaft als
Grundprinzip der EU. Auch die traditionell mächtigen Staaten
hätten sich im Interesse ihrer gemeinsamen Zukunft dieser
Herrschaft des Rechts untergeordnet. Europa habe so den Krieg von
seinem Territorium verbannt und den Mitgliedstaaten nie gekannten
Wohlstand gebracht.
Die Länder der Europäischen Union, die den Frieden
untereinander gewahrt hätten, unterstützen jetzt
Friedensaktionen in andern Teilen der Welt. In dem neuen
Verfassungsvertrag bringe die Union auch klar zum Ausdruck, dass
sie ihrer Verantwortung gegenüber der Welt wahrnehmen und den
Kampf gegen Armut, Ungleichgewicht und Unrecht unvermindert
fortsetzen wolle. Der Verfassungsvertrag dokumentiere aber auch ein
Zusammengehörigkeitsgefühl, das alle Bürger
unverwechselbar zu Europäern mache. In den Verträgen sei
klar beschrieben worden, wie sich die europäischen Bürger
eine zivilisierte Gesellschaft vorstellten, in der sie leben
wollten.
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