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Eckhard Stengel
Bremer Stadtparlament probt Aufstand gegen den
"Sonnenkönig"
Rüge für Bürgermeister Scherf
wegen Eigenmächtigkeiten
So einig ist sich das Bremer Parlament selten: Auf der
jüngsten Sitzung der Stadtbürgerschaft, also der
Abgeordneten aus der Stadt Bremen ohne die Kollegen aus
Bremerhaven, warfen alle Parteien dem Senat einmütig einen
Verstoß gegen das Haushaltsrecht vor und sparten auch sonst
nicht mit heftigen Worten in Richtung Regierungsbank. Dort saß
Bürgermeister Henning Scherf (SPD) mit düsterer Miene und
schwieg lang, bis er sich am Ende zumindest teilweise reumütig
zeigte.
Anlass der einhelligen Kritik war das Finanzgebaren des
SPD/CDU-geführten Senats. Scherf und die Senatoren für
Wirtschaft und Finanzen hatten eigenmächtig verabredet,
500.000 Euro an die Bremer Günter-Grass-Stiftung zu
überweisen - eine Lieblingseinrichtung des
Bürgermeisters, in deren Kuratorium er selber sitzt und die
derzeit ein Tonband- und Videoarchiv über den Schriftsteller
aufbaut. Die halbe Million stammte aus einer Art Ablösesumme,
die der Energiekonzern E.ON zahlen musste, weil er aus den
privatisierten Bremer Stadtwerken (swb) aussteigen wollte. Da E.ON
das Geld nicht direkt an die Landeskasse, sondern an eine
städtische Gesellschaft überwiesen hatte, meinte der
Senat, dass die Weiterverteilung der Mittel, unter anderem an die
Grass-Stiftung, in seinem eigenen Kompetenzbereich liege.
Das Parlament sah das allerdings völlig anders: Nach seiner
Einschätzung hätten die zuständigen Ausschüsse
an der Geldvergabe beteiligt werden müssen - und hätten
dann womöglich andere Empfänger ausgesucht, die
dringender auf Hilfe angewiesen wären. In dieser
Kompetenzfrage waren sich die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU
völlig einig mit den Grünen. Die Opposition ging aber
noch einen Schritt weiter: Sie forderte zusätzlich die
Absetzung von Staatsrat Reinhard Hoffmann (SPD). Der Chef der
Senatskanzlei ist die rechte Hand Scherfs und hat aus
Grünen-Sicht eine besonders unrühmliche Rolle bei dem
Grass-Deal gespielt.
Damals galt gerade kein Haushaltsplan. Deshalb waren eigentlich
nur Pflichtausgaben und keine neuen Zuschüsse erlaubt. Um
dennoch die Beamten im Finanzressort zum Überweisen der
Stiftungshilfe zu bewegen, gaukelte Staatsrat Hoffmann ihnen nach
Ansicht der Grünen einen falschen Sachverhalt vor: Er schrieb
in einem Vermerk an die Finanzverwaltung, dass der E.ON-Konzern
seine Ablösesumme mit genauer "Zweckbestimmung gemäß
Absprachen mit dem Senat" gezahlt habe, unter anderem für die
Grass-Stiftung, und dass die Hansestadt lediglich
"Durchlaufstation" für diese Gelder sei. Bei E.ON weiß
man allerdings nichts von einer solchen Zweckbindung zugunsten der
Stiftung. Deshalb sahen die Grünen in Hoffmanns Formulierung
eine "vorsätzliche Falschaussage" und forderten seine
Entlassung. Der Bund der Steuerzahler schaltete sogar die
Staatsanwaltschaft ein. Die prüft jetzt, ob sie gegen Hoffmann
wegen Untreue ermitteln muss.
Den Staatsrat absetzen? So weit wollten die Koalitionsparteien
denn doch nicht gehen. SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen wandte
sich gegen eine "Personalisierung und Skandalisierung", und sein
CDU-Kollege Jörg Kastendiek mochte in Hoffmanns Vermerk keine
Lüge erkennen. Beide Fraktionsvorsitzenden machten aber
deutlich, dass sich der "Haushaltsverstoß" des Senats auf
keinen Fall wiederholen dürfe. SPD-Redner Böhrnsen ging
sogar noch weiter: Er forderte einen grundsätzlichen
"Bewusstseinswandel in der Landesregierung". Der Senat betrachte
die Abgeordneten teilweise als "störend für das
Regieren", und manche seiner Ausschussvorlagen erweckten den
Eindruck, sie dienten "mehr der Verschleierung als der Information
von frei gewählten Abgeordneten".
Versöhnliche Worte
Vorher hatte bereits Bürgerschaftspräsident Christian
Weber seinem Parteifreund Scherf in einem Radiointerview noch
deutlicher die Leviten gelesen: "Dass wir mittlerweile hier wie in
einem kleinen Königreich leben, das noch nie ein Parlament
gesehen hat, das geht nicht." Und die FDP hatte den Regierungschef
daran erinnert, dass er "nicht der Sonnenkönig von Bremen
ist".
Scherf selbst zeigte sich in der Debatte der
Stadtbürgerschaft unerwartet versöhnlich: Er verteidigte
zwar die Grass-Zuwendung und seinen Staatsrat, bot dem Parlament
aber an, für die Zukunft ein "faires Beratungs- und
Verständigungsprocedere" zu erarbeiten. Und er entschuldigte
sich für Interviewäußerungen, mit denen er kurz
zuvor über seine Kritiker hergezogen war. "Ihr, liebe
Abgeordnete, habt auch kein grenzenloses Mandat. Einige
übrigens haben es über mich gekriegt", hatte Scherf der
Lokalpresse gesagt und damit auf den SPD-Sieg bei der letzten
Bürgerschaftswahl angespielt, der vor allem auf seine
Popularität zurückging. Im Parlament sagte er jetzt
kleinlaut. "Ich will nicht arrogant und hochnäsig sein." Und:
"Ich hätte lieber den Mund halten sollen."
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