|
|
Lars Bregenstroth
Was ihr wollt: Von streichelzart bis
stahlhart
Männerzeitschriften starten den
Gegenterror
Allmonatlich lädt ein durchtrainiertes
männliches Cover-Model den Kioskbesucher zur "Men's
Health"-Lektüre ein. Eigenen Angaben zufolge nehmen
regelmäßig über 900.000 Leser diese Einladung an, um
sich erläutern zu lassen, wie "perfekter Sex" funktioniert,
"wie Sie noch heute Ihre neue Freundin finden" oder wie man seinen
Körper in die richtige Form bringen kann: "Waschbrett statt
Wampe!"
Die Zeitschrift "Men's Health" trat 1996 an,
als beratungsorientiertes Lifestyle-Magazin für Männer
eine Lücke des deutschen Zeitschriftenmarktes zu
schließen. Seitdem gelingt es dem Heft mit seiner Mischung aus
Unterhaltung und Information rund um die Gestaltung von
Männlichkeit, sich unter der inzwischen gewachsenen Konkurrenz
erfolgreich zu behaupten. Doch was hat das "Zentralorgan
männlicher Selbstfindung" ("Der Spiegel") seinem Zielpublikum
zu bieten?
Kurz zusammengefasst: Die Zeitschrift bietet
einfache Antworten im Kontext zunehmender Fragwürdigkeiten.
Die ehemals relativ klaren Bestimmungen dessen, was "männlich"
und was "weiblich" ist, sind aufgebrochen. Das Verhältnis der
Geschlechter ist uneindeutig und unübersichtlich geworden. Das
Individuum ist zunehmend gefordert, Antworten auf die Fragen "Wer
bin ich?" und "Wie will ich leben?" selbstständig zu
entwickeln. Auf diese Situation reagiert "Men's Health". Das
Magazin greift Themen und Probleme auf, die sich Männern
stellen - allerdings ohne diese fundiert zu reflektieren oder
Hintergründe und Zu-sammenhänge zu verdeutlichen.
Vielmehr sind die Darstellungen und Ratschläge der Zeitschrift
dazu geeignet, den Blick auf die Widersprüchlichkeiten und
Auflösungserscheinungen der Gegenwart zu verstellen. Dies
beruht darauf, dass das Heft an Klischees anschließt und diese
"modernisiert", sozusagen Altes mit Neuem verbindet. Wie sie dies
tut, lässt sich an dem von ihr entworfenen Männerbild
aufzeigen:
Männer sind Rationalisten. Sie machen
ungern un-nötige Worte und sind an harten, verlässlichen
Fakten interessiert. Sie sind stark, mutig und wissen die Welt zu
beherrschen. Männer sind Perfektionisten und die Träger
unserer Zivilisation. All diese Stereotype finden sich in dem
Männerbild wieder, das "Men's Health" entwirft. Dieses Bild
verdichtet sich in dem Begriff des "echten Kerls", der allen
Anforderungen gewachsen ist und auch "in brenzligen Situationen
cool" bleibt. Die Zeitschrift schließt so an sattsam Bekanntes
an, bleibt jedoch nicht dabei stehen. So werden etwa Tipps zur
Bewältigung von Anforderungen gegeben, die im Verlauf der
jüngeren Vergangenheit für Männer an Bedeutung
gewonnen haben. An erster Stelle stehen dabei Erwartungen, die der
Zeitschrift zufolge Frauen an Männer richten - etwa
bezüglich sexueller Leistungen, Körperpflege oder
Kleidungswahl. Die Bewältigung derartiger "neuerer"
Anforderungen wird innerhalb der Zeitschrift in die tradierten
Männlichkeitsmuster integriert: Der kochende Perfektionist
oder der souveräne Liebhaber mit "streichelzart" gepflegten
Händen und Waschbrettbauch verorten das Neue innerhalb
bekannter Koordinaten.
Sich als "echter Kerl" zu erweisen, erscheint
somit in den unterschiedlichsten Lebenslagen möglich: als
erfolgreicher Geschäftsmann oder als tüftelnder
Motorrad-Liebhaber, als Extremsportler oder als Mann von Welt bei
gesellschaftlichen Anlässen - oder eben durch Virtuosität
beim Kochen oder beim Sex: "Ihr Stehvermögen wird gefragt
sein." Auf diese Weise gelingt es dem Magazin, eine Vielzahl von
Versatz-
stücken unterschiedlicher - wenn auch
stets gängiger - Männertypen in ihr Männerbild zu
integrieren. Dieses Bild erhält dadurch eine gewisse
Vielgestaltigkeit und Variabilität, welche die Pluralisierung
männlicher Lebensrealität zumindest in Ansätzen
berücksichtigt. Im Kontext dieser Vielgestaltigkeit gewinnt
der Körper als Medium zur Darstellung von Männlichkeit an
Bedeutung: "Stahlharte" Muskeln sollen Leistungsfähigkeit
symbolisieren und die sexuelle Attraktivität steigern. Der
Körper wird so zu einer zentralen, jederzeit verfügbaren
Requisite zur Darstellung von Männlichkeit, zu einem
gemeinsamen, universell gültigen Männlichkeitsnenner -
denn "nichts wirkt männlicher als ein ausgeprägter,
V-förmiger Oberkörper".
Durch dieses Face-Lifting tradierter
Männlichkeitsmuster gelingt es "Men's Health", eine
Kontinuität überhistorischer Männlichkeit zu
suggerieren und dem sozialen Wandel Rechnung zu tragen. Dabei
fordert das leistungsorientierte Bild vom "echten Kerl" den Leser
implizit dazu auf, seine Männlichkeit fortlaufend zu
überprüfen und zu optimieren: "Wer sich im Urlaub am
Strand nicht schämen will, sollte noch schnell seinen
Körper auf Vordermann bringen." Männlichkeit wird zu
einem zerbrechlichen und potenziell flüchtigen Gut, das
erkämpft und umsorgt sein will.
Und an dieser Stelle rückt die
Männerzeitschrift selbst ins Rampenlicht. Denn für den
Kampf um die eigene Männlichkeit, für den steinigen Weg
zum Männlichkeitsfluchtpunkt des "echten Kerls", so die
Botschaft, liefere sie das passende Rüstzeug: "Wir zeigen
Ihnen den Weg zum Gipfel ..." Dabei werden komplexe
Problemzusammenhänge so zusammengedampft, dass sie mittels der
einfachen und unmittelbar umsetzbar wirkenden Tipps der Zeitschrift
bewältigbar erscheinen. Gleichzeitig wird das hier entworfene
Männerbild damit zu einem geeigneten Hintergrund für
Anregungen zu Konsumhandlungen. Dies gilt nicht zuletzt für
Produkte, die traditionell als "männeruntypisch" gelten
beziehungsweise galten, wie Mode oder Kosmetika, die in
"Pflege-Tipps" und ausführlichen Foto-Strecken dem Leser nahe
gebracht werden.
"Men's Health" versteht sich selbst als
"persönlichen Ratgeber für den Mann" mit dem Anspruch,
dessen "Lebensgenuss und persönliche Souveränität zu
steigern". Zu diesem Zweck mag sie hilfreiche Ratschläge
bieten - ein Medium der Emanzipation von althergebrachten
Geschlechterbildern und deren Zwängen ist "das Magazin
für Männer" jedoch nicht. Statt dessen ist es dazu
geeignet, Männlichkeit den Anforderungen des Warenmarktes
gerecht zu bestimmen, Leistungszwänge zu befördern und,
wie es eine Redakteurin des Magazins formulierte,
"Gleichberechtigung im Attraktivitätsterror" herzustellen. Die
Frage ist, ob dies zu einem genussvollen und souverän gelebten
Leben beizutragen vermag.
Lars Bregenstroth arbeitet als
Kommunikationswissenschaftler und Autor.
Zurück zur Übersicht
|