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K. Rüdiger Durth
Merkel: "Wir brauchen einander"
18. Parteitag der CDU Deutschlands vom 6. bis 7.
Dezember
"Es geht darum, die richtigen Rahmenbedingungen
für mehr Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand für
alle zu schaffen. Es geht darum, Perspektiven aufzuzeigen, Chancen
zu nutzen und die Kraft freizusetzen, die in unserem Land und in
seinen Menschen steckt", schrieb die Vorsitzende Angela Merkel in
ihrer Einladung zum 18. Parteitag der CDU Deutschlands vom 6. bis
7. Dezember in Düsseldorf und fügte an: "Ich freue mich
darauf, diese Aufgabe mit Ihnen gemeinsam anzupacken."
Doch wie das so ist in der Politik. Manchmal
kommt es anders als man es geplant hat. Vor dem Parteitag lag die
mühsame Einigung mit der CSU über die geplante Reform der
Gesetzlichen Krankenversicherung. Horst Seehofer kündigte
daraufhin Angela Merkel in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Gefolgschaft auf. Viele
CDU-Abgeordnete machten intern keinen Hehl daraus, dass sie von dem
Kompromiss nichts halten und sich damit trösten, dass er
ohnehin nicht im Gesetzblatt stehen wird. Dank FDP, wie der
ebenfalls zurückgetretene stellvertretende Fraktionsvize
Friedrich Merz anmerkte - und was die Jungliberalen den rund 1.000
Delegierten des 18. Parteitages dann freudestrahlend in Form einer
Postkarte in die Hand drückten. Merz übrigens erhielt
langanhaltenden Beifall der Delegierten, obwohl er für das
Präsidium nicht mehr kandidierte. Schwer lag den
Christdemokraten ferner die sinkende Zustimmung der Wähler im
Magen, die die Demoskopen ermittelt hatten.
Viele Delegierte ahnten, dass die
Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen in der
ersten Jahreshälfte 2005 keineswegs schon gewonnen sind.
Gleiches gilt für die Bundestagswahl 2006. Lag es am
programmatischen Streit zwischen CDU und CSU, an der
ungeklärten Frage der künftigen Kanzlerkandidatur oder am
Zweifel, ob Angela Merkel die CDU noch geschlossen hinter sich hat?
Denn nicht wenige Delegierte kamen mit dem Verdacht nach
Düsseldorf, dass die Vorsitzende eine andere Christlich
Demokratische Union will. "Was unterscheidet Frau Merkel noch von
der FDP?" fragt sich ein Delegierter, der selbstverständlich
seinen Namen nicht genannt wissen wollte.
Doch dann drängte sich plötzlich
ein Problem in den Vordergrund, mit dem niemand gerechnet hatte:
Präsidiumsmitglied Hermann-Josef Arentz, Vorsitzender der
Sozialausschüsse der Partei (CDA), hat seit Mitte der
90er-Jahre vom RWE-Konzern nicht nur 60.000 Euro Jahresgehalt
für Nichtstun erhalten, sondern auch noch seinen Strom
kostenlos bezogen. "Ich habe einen Fehler gemacht", bekannte er vor
dem Parteitag, den er dennoch um seine Wiederwahl ins
Präsidium bat. Doch dies wurde ihm versagt und als bekannt
wurde, dass er auf der Landesliste für die NRW-Landtagswahl im
kommenden Mai auf einen aussichtslosen Platz geschoben werden
sollte, hatte der Sozialpolitiker begriffen. Nach dem Parteitag
legte er CDA-Vorsitz und Landtagsmandat nieder.
Insgeheim hatten viele gehofft, auf diesem
18. Parteitag bereits eine Vorentscheidung für die
Kanzlerkandidatur 2006 zu treffen. Zugunsten von Angela Merkel.
Zwei Stunden mühte sich die von einer schweren Erkältung
gezeichnete Vorsitzende ab, den Parteitag auf ihr Reformprogramm
einzuschwören. Zugleich betont sie die gemeinsame Grundlage:
"Politik ohne Gottvertrauen ist nicht möglich. Das ist es, was
für mich aus dem christlichen Verständnis vom Menschen
folgt... Wenn wir diese Orientierung preisgäben, wären
wir nicht mehr dieselbe Partei. Das C in unserem Namen ist unser
Schatz."
Acht Minuten Beifall. Soviel hat die
CDU-Chefin noch nie für eine Parteitagsrede erhalten. Doch die
Enttäuschung folgte auf dem Fuß: Lediglich 88,41 Prozent
Ja-Stimmen für ihre Wiederwahl zur Parteivorsitzenden,
fünf Prozentpunkte weniger als bei der letzten Wahl. Die
Enttäuschung war ihr förmlich anzumerken, als sie die
Wahl annahm. Später sprach sie von einem "ehrlichen Ergebnis".
Die meisten Delegierten waren sich anschließend einig, dass
damit die Festlegung auf die Kanzlerkandidatur vertagt war - obwohl
niemand in Düsseldorf daran zweifelte, dass die CDU den
nächsten Kanzlerkandidaten stellen und Angela Merkel
heißen wird.
Öfter nannte Angela Merkel in ihrer Rede
einen Mann, der auch diesmal nicht zum Parteitag gekommen ist:
Helmut Kohl. Und sie beschwor die Partei: "Wir brauchen einander":
"Ich brauche die Hilfe der ganzen Partei. Ich brauche die
Anregungen, die Ideen und die Kritik jedes Einzelnen..." Doch als
Norbert Blüm, der noch vor wenigen Jahren mit seinen
"Herz-Jesu-Marxismus"-Reden einen ganzen Parteitag zu Ovationen
hingerissen hat, das Rednerpult betrat, musste er gegen einen
Zeitung lesenden oder sich von Tisch zu Tisch unterhaltenden
Parteitag anreden. Kaum Beifall. Sein Nein zu Hartz IV und zum
Gesundheitskompromiss interessierte niemand mehr. Als er an das
Ende der Redezeit erinnert wird, blitzt etwas vom alten Norbert
Blüm auf: "Ich bin noch lange nicht am Ende." Das Rednerpult
räumte er dennoch. Es hörte ja auch kaum jemand
zu.
"Deutschlands Chancen nutzen", lautete das
Motto dieses 18. Parteitages. Was bislang an politischer Rhetorik,
ja Polemik gefehlt hatte, lieferte der CSU-Vorsitzende Edmund
Stoiber. Im Gegensatz zum Leipziger Parteitag der CDU wurde er in
Düsseldorf herzlich empfangen und auch der Beifall ließ
nichts zu wünschen übrig. Sein Kompliment: "Die CDU geht
nach diesem Parteitag programmatisch und personell gut aufgestellt
in die politischen Auseinandersetzungen mit Rot-Grün."
Klärungsprozesse zwischen den beiden Schwesterparteien
müssten künftig "besser organisiert" werden, meinte
Stoiber.
Dann ging er in seinem fast einstündigen
"Grußwort" zum Angriff auf die Bundesregierung über: "Die
Bilanz nach sechs Jahren Rot-Grün in Deutschland ist
verheerend..., Rot-Grün macht die Menschen in Deutschland
ärmer..., Rot-Grün treibt immer mehr Menschen in die
Verschuldung..., Rot-Grün macht die Menschen arbeitslos...,
damit Deutschland wieder Chancen hat, muss diese Regierung
weg."
Angela Merkel war selbstverständlich
gleicher Meinung. Sie hatte es in ihrer Rede nur etwas vornehmer
ausgedrückt, indem sie an Schröders Satz aus dem Jahr
1998 erinnerte, nach dem die SPD nicht alles anders, aber vieles
besser machen wolle als die CDU vor ihr. Doch für die
CDU-Vorsitzende steht fest, dass sie alles anders machen will. Nur
so sei Deutschland von Grund auf zu reformieren.
Deutsche und Ausländer
Die Frage des Patriotismus spielte auf diesem
Parteitag doch nicht die zentrale Rolle wie zuvor angekündigt.
Allerdings zog er sich wie ein roter Faden durch viele Debatten.
Zustimmung fand in diesem Zusammenhang auch der ausführliche
Antrag des Bundesvorstandes "Im deutschen Interesse: Integration
fördern und fordern, Islamismus bekämpfen". Im Grunde
genommen stellt er eine ausführliche Zusammenfassung der
bisherigen Forderungen der Union zu diesem Thema dar. Festgehalten
wird in dem Sieben-Punkte-Programm, dass Deutschland auch in
Zukunft ein weltoffenes Land ist, in dem Deutsche und
Ausländer friedlich zusammen leben und arbeiten. Neben
humanitärer Zuwanderung sei aber keine unbegrenzte weitere
Zuwanderung zu verkraften. Es liege im nationalen Interesse, die
Zuwanderung qualitativ und quantitativ zu steuern. Die CDU: "Wir
fordern alle muslimischen Organisationen zu einer klaren und
unzweideutigen Absage an jede Form des islamistischen
Fundamentalismus auf. Die Chancen für eine dauerhafte und
nachhaltige Integration stehen gut. Wir müssen sie gemeinsam
nutzen."
Im Blick auf die Türkei bekräftigte
der Parteitag die Haltung der Parteiführung: Keine
Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union, wohl aber eine
priviligierte Partnerschaft. CSU-Chef Stoiber auf dem
CDU-Parteitag: "Europa ist unsere Zukunft, Deutschland ist unser
Vaterland. In dieses Europa fügt sich ein
außereuropäisches Land wie die Türkei mit einer
anderen geschichtlichen und kulturellen Tradition nicht
ein."
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