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Sandra Kaufmann
Sie will dahin, wo entschieden wird
Julia Verlinden macht für die Grünen
Umweltpolitik in Niedersachsen
Wenn ihre Freunde auf Parties gehen, sitzen sie noch im
Ortsverein. Jede freie Minute widmen sie der Partei, fast jeder
Kontakt ist auch politisch. Der Weg in die große Politik ist
lang. Doch sie wollen ihn gehen: Ehrgeizige Talente gibt es in
allen Parteien, trotz aller Nachwuchssorgen. "Das Parlament" stellt
einige Jungpolitiker vor.
Äquatorial Guinea ist ein kleines, zentralafrikanisches
Land. Julia Verlinden hat es einmal vertreten. In der
Vollversammlung der Vereinten Nationen und als Repräsentantin
in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte für die
25-jährige Studentin aus Lüneburg vor allem die
AIDS-Bekämpfung Vorrang. "Ich wusste vorher nicht einmal, wo
das Land ganz genau liegt, geschweige denn, welche Interessen es zu
vertreten gilt." Bis zu jenem Planspiel der Vereinten Nationen in
New York, bei dem die junge Grünen-Politikerin das Land
für einige Tage repräsentierte. Tage harter, realgetreuer
Diplomatie, die Verlinden beeindruckt haben. "Kofi Annan hat damals
die Begrüßungsrede gehalten und man hat einen Einblick
bekommen, wie Diplomatie funktioniert."
Dabei will Julia eigentlich gar keine Diplomatin werden. "Meine
Politik muss immer mit Umwelt zu tun haben", erklärt die
25-Jährige, die seit einem Jahr Beisitzerin im Landesvorstand
der Grünen in Niedersachsen ist. Ihren "Sinn für die
Natur" verdankt Julia ihren Eltern. Sie wächst in
Bergisch-Gladbach mit vier Schwestern in einem umweltbewussten
Elternhaus auf. "Wir waren viel in der Natur und haben gelernt,
davor Respekt zu haben", erzählt Julia. Als im April 1986 im
sowjetischen Atomkraftwerk Tschernobyl der größte
anzunehmende Unfall passiert, geht Julia mit ihren Eltern zu
Anti-Atomkraft-Demonstrationen. Die Siebenjährige klärt
sogar ihre Mitschüler über die Folgen der Katastrophe
auf.
Nur wenige Jahre später wird sie beim Greenteam, einer
Jugendorganisation von Greenpeace, sowie der BUNDjugend aktiv.
"Dass ich mich engagieren muss, war für mich schon sehr
früh klar."
Nach dem Abitur macht Julia ihren Traum wahr. Sie geht nach
Lüneburg, um Umweltwissenschaften zu studieren. Im selben Jahr
wird sie Mitglied bei der Grünen Jugend und in deren
Mutterpartei Bündnis90/Die Grünen. "Ich wollte dahin, wo
wirklich entschieden wird: in die Politik."
Julia macht ein Praktikum bei der Bundestagsabgeordneten Kerstin
Müller, engagiert sich im Studierendenparlament der Uni
Lüneburg, nimmt am Planspiel in New York teil und wird in den
Landesvorstand der Grünen Jugend gewählt. Sie will mehr
sein, als ein einfaches Mitglied der Partei. "Wenn ich irgendwo
mitmache, dann ist klar, dass ich auch Verantwortung
übernehme." Das tut sie vor allem als Zuständige für
die Landesarbeitsgemeinschaften Natur und Umwelt sowie Energie und
Verkehr. Sie ist Expertin für nachhaltige Entwicklung. "Es ist
wichtig, langfristig, also über eine Legislaturperiode hinaus,
Umwelt und Wirtschaft in Einklang zu bringen. Die Vernetzung von
Politikfeldern ist dafür die Voraussetzung", erklärt sie.
Besonders intensiv beschäftigt sich die engagierte Grüne
mit Gentechnik. Ein Thema, bei dem sie emotional wird: "Ich habe
Angst, weil Gentechnik einfach nicht kontrollierbar ist, und wir
uns nicht ausreichend davor schützen können." Deshalb hat
sie für den letzten Parteitag mehrer Anträge dazu
verfasst.
Für eine Grüne aus Niedersachsen ist auch das atomare
Zwischenlager Gorleben permanent ein Thema, ebenso die
Castor-Transporte. Erst vor wenigen Wochen ist wieder eine Ladung
Atom-Müll angekommen. "Mit jedem Castor habe ich Angst, dass
Gorleben doch einfach als Endlager genutzt wird und die Suche nach
einem besser geeigneten Ort abgebrochen wird." Sie sagt das weniger
anklagend als traurig. Julia ist ihrer neuen Heimatregion und deren
Sorgen schon nah genug, um betroffen zu sein.
Seit zwei Jahren vertritt Julia Umweltthemen im Stadtrat in
Lüneburg. Sie fühlt sich mittlerweile zu Hause in der
kleinen Studentenstadt in Niedersachsen. Seit sechs Jahren lebt sie
hier mit ihrem Freund zusammen. Fast genauso lange, wie sie
studiert. Für zwei Semester hat sie Lüneburg dennoch
verlassen, um an der englischen Universität in Keele
Umweltmanagement zu studieren. Zur Zeit schreibt sie ihre
Diplomarbeit über den Bundesverkehrswegeplan 2003.
Manchmal ist Julia unzufrieden mit sich selbst, hält sich
für zu ehrgeizig. "Oft habe ich Angst, nicht mein
Möglichstes getan zu haben", erklärt sie. Wenn sie redet,
wippen ihre braunen Locken auf und ab. Sie lächelt und
überlegt genau, bevor sie auf Fragen antwortet. Ihre
Stärken kennt sie gut: "Ich bin die älteste von fünf
Schwestern. Ich behalte immer den Überblick und kann gut
organisieren." Das ist auch nötig. Tagsüber Studium, am
Abend Politik und zweimal im Monat nach Hannover zum Landesvorstand
- da bleibt nicht viel Zeit für das Privatleben. "Man muss
sich die Freizeit einfach nehmen, sonst macht man das andere nicht
mehr mit Freude."
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