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Türöffner zur aktiven Sterbehilfe?
Patientenverfügungen
Gesundheit und Soziale Sicherung.
Überwiegend kritisch haben sich Mitglieder der
Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" über
den von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vorgelegten
Gesetzentwurf zur Patientenverfügung am 16. Dezember in einer
Pressekonferenz geäußert. Anlass dafür war die
Vorstellung einer Broschüre zum gleichen Thema, die einen
Überblick über die bisherigen Beratungsergebnisse der
Enquete-Kommission zur Patientenverfügung gibt.
Der Gesetzentwurf des Justizministeriums
sieht eine uneingeschränkte Geltung von
Patientenverfügungen als Instrument der Selbstbestimmung vor.
Demnach solle es keine Reichweitenbegrenzung der Verfügungen
geben, die als rechtsverbindliche Willenserklärungen von
Betreuern und Ärzten umzusetzen sind. Dabei ist keine
regelhafte Kontrolle durch das Vormundschaftsgericht vorgesehen.
Dies gilt auch für andere förmliche
Wirksamkeitsvoraussetzungen. Nach Plänen des Ministeriums soll
der Entwurf bis Anfang 2006 umgesetzt werden.
Der Vorsitzende der Enquete-Kommission
René Röspel (SPD) forderte eine starke Einbindung des
Parlaments in den weiteren Gesetzgebungsprozess. Ähnlich wie
beim Stammzellgesetz müsse es eine breite parlamentarische
Debatte auf der Grundlage des Zwischenberichts der
Enquete-Kommission geben. Die Ergebnisse sollten dann in die
Gesetzesvorlage einfließen. Die Mehrheit der Kommission habe
sich für einen Kompromissweg zwischen zwei Sondervoten
entschieden. So sollten Patientenverfügungen künftig
grundsätzlich anerkannt werden. Zugleich seien ihre Grenzen
klar zu bestimmen. Die Geltung von Patientenverfügungen, die
einen Behandlungsabbruch oder
-verzicht vorsehen, der zum Tode führen
würde, soll demnach auf Fallkonstellationen beschränkt
werden, in denen das Grundleiden irreversibel ist und trotz
medizinischer Behandlung nach ärztlicher Erkenntnis zum Tode
führen wird. Maßnahmen der Basisversorgung können -
so die Empfehlung der Kommission - nicht durch
Patientenverfügung ausgeschlossen werden. Der Wille des
Patienten, der in schriftlicher Form vorliegen muss, bedürfe
zudem einer Interpretation in der konkreten Situation. Hinzugezogen
werden sollen dazu der Arzt, Angehörige, Pflegepersonal und
Betreuer sowie das Vormundschaftsgericht.
Diese Grenzen seien wichtig, so auch der
stellvertretende Vorsitzende Hubert Hüppe (CDU). Sonst
könnten die Betreuer und Ärzte auch von dem
"mutmaßlichen Willen" des Patienten ausgehen: "Das wäre
gefährlich." Hüppe wies in diesem Zusammenhang auf
Erfahrungen und Berichte aus den Niederlanden hin. Es wäre im
Übrigen besser, wenn man den Schwerpunkt in der Diskussion auf
die Palliativmedizin legen würde, sagte er. Auch Christa
Nickels, Obfrau der Grünen in der Kommission, bezeichnete die
Diskussion über die Patientenverfügungen als eine
Stellvertreterdebatte, die zum Beispiel von Problemen der
menschenwürdigen Begleitung von Sterbenden und der
Förderung der Infrastruktur für die Palliativmedizin
ablenke. Deutschland habe in dieser Hinsicht im europäischen
Vergleich einen Nachholbedarf. Zugleich kritisierte sie den
Zypries-Entwurf als "Türöffner zur aktiven Sterbehilfe".
Für den Obmann der CDU/CSU Thomas Rachel bedeutet der Entwurf
der Justizminis-terin eine Ausweitung der jetzigen
Rechtslage.
Unterstützung fand Zypries hingegen bei
Michael Kauch von der FDP, der für ein Minderheitsvotum in der
Enquete-Kommission plädierte und sich für eine
grundsätzliche Anwendung der Patientenverfügung
einsetzte.
Der Obmann der SPD Wolfgang Wodarg wies auf
die Probleme mit dem bereits bestehenden Markt für
Patientenverfügungen hin. Inzwischen würden 180 Formulare
angeboten. Es bestehe die Gefahr, dass Menschen "verführt"
werden, Patientenverfügungen zu unterschreiben. Michael
Wunder, sachverständiges Mitglied der Kommission, warnte in
diesem Zusammenhang vor einer Regelung, die den Patienten zum
Sklaven der einmal gemachten Verfügung macht. Es dürfe
keinen 1:1-Mechanismus geben, der zu einer "kaltschnäuzigen"
Ausführung der Verfügung führen könnte.
Vielmehr müsse es situative Regelungen geben.
Eberhard Klaschik, sachverständiges
Mitglied der Kommission, warnte vor einer Verabsolutierung der
Patientenverfügung auf dem "Zypries-Weg". Aus der Praxis mit
Krebspatienten wisse er, dass die Kranken vor allem eine
adäquate Behandlung und Schmerzfreiheit brauchen: "Patienten,
die gut behandelt werden, wollen leben."
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