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Alexander Weinlein
"Nicht die Stunde der Rambos"
Wehrberichtsdebatte: Misshandlungen von Soldaten
verurteilt
Coesfeld - der Name des westfälischen
Bundeswehrstandortes, der in den vergangenen Wochen wegen
Misshandlungen von Soldaten durch ihre Ausbilder in die
Schlagzeilen geraten ist, überlagerte die Bundestagsdebatte
über den Wehrbericht 2003 am 16. Dezember. Der Wehrbeauftragte
Willfried Penner warnte jedoch davor, die Armee wegen der
Misshandlungen an verschiedenen Standorten in ein falsches Bild zu
rücken. Die meisten der 12.000 Ausbilder gäben keinen
Anlass zur Beanstandung. "Sie haben es nicht verdient, unter
Generalverdacht gestellt und gesellschaftlich geächtet zu
werden."
Penner, der seinen Wehrbericht für das
Jahr 2003 bereits im März veröffentlicht hatte, beschrieb
mit deutlichen Worten, mit welchen Gefahren Bundeswehreinsätze
in Krisenregionen verbunden sein können, und welche
Konsequenzen sich daraus für die Ausbildung der Soldaten
ergeben. Wenn Bundestag und Regierung eines Tages einen
Kampfeinsatz beschließen sollten, dann müsse klar sein,
worum es gehe: "Um Zerstören, Verwunden, verwundet zu werden.
Und es geht auch um Sterben und Töten. Das ist dann nicht die
Stunde der Rambos und Brutalos, sondern die Bewährung für
die Tragfähigkeit der Inneren Führung." Es sei die
Pflicht des Dienstherrn, Soldaten auf den Ernstfall - auch auf
Gefangennahme und Verhöre einzustellen. Das dürfe nicht
darauf beschränkt sein, "nur mal über den Ernstfall zu
reden". Dies rechtfertige allerdings nicht die Misshandlung von
Soldaten. Wehrpflichtige und freiwillig längerdienende
Zeitsoldaten seien in ihrer allgemeinen Grundausbildung vom
Ausbildungsteil "Gefangennahme und Verhör" prinzipiell
ausgenommen.
Bundesverteidigungsminister Peter Struck
(SPD) schloss sich den Ausführungen des Wehrbeauftragten an
und betonte noch einmal, dass physische und psychische
Misshandlungen in der Bundeswehr nicht toleriert würden.
Struck trat der Behauptung entgegen, die Soldaten der Bundeswehr
würden während ihren Einsätzen im Ausland verrohen.
Er habe die Inspekteure der Teilstreitkräfte jedoch
angewiesen, zu überprüfen, welchen Einfluss die Missionen
im Ausland auf das "Betriebsklima" in der Truppe haben. Zudem sei
entschieden worden, die Einsatzzeit der Soldaten im Ausland auf
vier Monate zu reduzieren.
Christian Schmidt, verteidigungspolitischer
Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, machte die große Diskrepanz
zwischen Aufgaben und Ausrüstung der Bundeswehr für die
vielen Beschwerden im Jahr 2003 - mit 6.082 die zweithöchste
Zahl an Eingaben seit Bestehen des Amtes des Wehrbeauftragten im
Jahr 1959 - verantwortlich. Die Regierung dürfe der Bundeswehr
nicht immer mehr Aufträge erteilen, ohne sie mit den
nötigen finanziellen Mitteln auszustatten. "Unsere Soldaten
haben das Gefühl, Manövriermasse zu sein."
Auch der sicherheitspolitische Sprecher der
Grünen, Winfried Nachtwei, warnte davor, die Truppe zu
überlasten. Die Soldaten seien "keine Alleskönner".
Nachtwei sieht in der großen Zahl der Beschwerden aber auch
einen Beleg dafür, dass die Bundeswehr keine "Armee der
Duckmäuser" sei.
Diese Einschätzung gilt jedoch nur
begrenzt. Denn der Wehrbeauftragte hatte in seiner Rede zuvor
darauf hingewiesen, dass etwa im Fall Coesfeld die Eingaben
Betroffener "eher karg" ausgefallen seien. Besorgt hatte sich
Penner vor allem darüber gezeigt, dass ausgerechnet die
Wehrpflichtigen unterdurchschnittlich von der Möglichkeit
einer Beschwerde beim Wehrbeauftragten Gebrauch machen. Obwohl sie
19 Prozent der Streitkräfte bilden, liegt ihr Anteil bei den
Eingaben nur bei sieben Prozent.
Die FDP-Abgeordnete Helga Daub forderte den
Bundestag zur Selbstkritik im Zusammenhang mit den Misshandlungen
in Coesfeld und anderen Standorten auf: "Wir alle müssen uns
an die eigene Nase fassen. Dass die jüngsten Vorfälle
letztlich so überrascht haben, ist vielleicht ein Zeichen
dafür, dass wir uns zu sicher gefühlt und gedacht haben,
so etwas könne bei uns nicht passieren."
Die Amtszeit von Willfried Penner als
Wehrbeauftragter endet im Frühjahr 2005. Als Nachfolger des
68-jährigen Sozialdemokraten ist der Vorsitzende des
Verteidigungsausschusses, Reinhold Robbe (SPD), im Gespräch.
Verteidigungsminister Struck und die Fraktionen lobten Penner
ausdrücklich für seine Arbeit.
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