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Bundestags- reden

Hartmut Büttner
Mitglied des Deutschen Bundestages
Bundestagsadler
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Abwanderung stoppen::

A) Binnenwanderung läßt östliche Bundesländer ausbluten

In Deutschland läuft derzeit eine große Diskussion über eine notwendige Zuwanderung aus dem Ausland, besonders in Mangelberufen. Die Debatte ist allerdings keine gesamtdeutsche, sondern eine rein westdeutsche Diskussion.

Von den mit einer Green-Card angeworbenen 10.054 IT-Fachleuten aus dem Ausland, sind 9.602 in den Westen - vor allem nach Bayern, Hessen und Baden-Württemberg - gegangen. In die neuen Länder kamen nur 452; davon mehr als 200 nach Sachsen. Ganze 9 IT-Fachleute gingen nach Mecklenburg-Vorpommern und nur 13 nach Sachsen-Anhalt.

Die Diskussion über Zuwanderung aus dem Ausland verdeckt, daß wir seit Jahren eine gravierende Binnenwanderung in Deutschland haben. Dabei gibt es sowohl eine Ost-West-, als auch eine Nord-Süd Wanderungsbewegung.

Wenn man sich die Ost-West-Wanderungszahlen seit 1991 einmal genauer ansieht fällt auf, daß sich die sehr große Abwanderungswelle zu Beginn der 90er Jahre nach Westdeutschland, bis Mitte der 90er Jahre immer mehr abgeschwächt hatte. Ihren Tiefpunkt hatte sie 1997 erreicht, als im Saldo nur noch 10.441 Personen den Osten verließen.

Seit dem Regierungswechsel 1998 hat sich dieser Trend wieder deutlich umgekehrt. 1998 erhöhte sich der negative Wanderungssaldo auf 30.728 Menschen, 1999 sogar auf 43.587 Personen. Im Jahr 2000 hat sich dieser Negativtrend weiter verstärkt, im Saldo sind weitere 61.277 Personen in den Westen gegangen. 2001 sind es netto sogar 98.000 Menschen.

Wanderungen zwischen den nBL und dem früheren Bundesgebiet:

 

Jahr Zuzüge Abwanderung Saldo
1991 80.267 249.743 -169.476
1992 111.345 199.170 -87.825
1993 119.100 172.386 -53.286
1994 135.774 163.034 -27.260
1995 143.063 168.336 -25.273
1996 151.973 166.007 -14.034
1997 157.348 167.789 -10.441
1998 151.750 182.478 -30.728
1999 151.943 195.530 -43.587
2000 153.179 214.456 -61.277
2001 94.441 192.002 -97.561
2002

2003

95.876

97.035

176.700
155.385
-80.824
-58.350
Summe 1.643.130 2.403.016 759.922

Saldiert sind von 1991 - 2003 = 759.922 Einwohner den neuen Bundesländern durch die Westwanderung verloren gegangen. Hinzu kommen noch große demographische Veränderungen. Die neuen Länder weisen noch geringere Geburtenraten als die westlichen Bundesländer auf. Mit nur 1,1 Kindern pro Frau besteht in den neuen Bundesländern die geringste Geburtenrate der ganzen Welt. Da die Hauptgruppe der Abwanderer aus jungen Frauen von 20 - 35 Jahren besteht, werden die demographischen Probleme noch größer werden.

Die Zuwanderung aus dem Westen ist zu einem großen Teil eine Rückwanderung von Rentnern, die sich für ihr Alter einen Wohnsitz in ihrer früheren Heimat suchen. Es wandern vor allem die jungen, flexiblen und leistungsfähigen Menschen ab.

Die Ursachen hat das Leipziger Institut für Marktforschung untersucht:

  • 78 % gingen weil sie ihm Westen eine Lehr- oder Arbeitsstelle fanden
    • - 43 % wegen der besseren Bezahlung
    • - 36 % um der Arbeitslosigkeit zu entfliehen
  • 26 % wegen allgemein attraktiverer Lebensbedingungen
  • 13 % wegen des besseren Freizeitangebotes
Fazit des Institutes:

Trotz vieler Fortschritte empfinden viele Menschen die Lage im Osten als Stillstand. Sie sehen keine Perspektive und wollen nicht noch 10 oder 20 Jahre auf das Westniveau warten.

Das Leipziger Institut prognostiziert:

Wenn es keinen Stop der Entwicklung gibt, werden bis zum Jahr 2020 noch einmal eine Million Menschen in den Westen ziehen. Dann wären zwei Drittel der Einwohner aus den neuen Bundesländern im Rentenalter.

Die Abwanderung verlief regional unterschiedlich.

Seit 1991 belief sie sich auf:

  • 7,4 % in Sachsen-Anhalt
  • 6,5 % in Mecklenburg-Vorpommern
  • 5,8 % in Sachsen
  • 5,7 % in Thüringen
Brandenburg profitiert von einem starker Zuzug in den Berliner Randlagen. Trotz Einwohnerverluste in anderen Landesteilen verbleibt ein rechnerisches Plus von 77.000 Zuzüglern zu Lasten Berlins. (Quelle: Studie HU Berlin)

B) Unmittelbare Folgen der Wanderungsverluste für die neuen Bundesländer

Die großen Wanderungsverluste haben eine ganze Reihe unmittelbarer Folgen:

  • Ein wachsender Wohnungsleerstand in Ostdeutschland. Derzeit stehen 13 % des Wohnungsbestandes, vor allem im innerstädtischen Bereich und bei nicht sanierten Altbauwohnungen leer.
  • In einigen Regionen Ostdeutschlands gibt es bereits einen Fachkräftemangel. Dieser geht mit einer gleichzeitigen großen Arbeitslosigkeit einher.
  • Die Steuereinnahmen sinken für Länder und Kommunen ebenso, wie die Geldzuweisungen vom Bund. 1998 lagen die kommunalen Steuereinnahmen pro Kopf nur bei etwa einem Drittel des Vergleichswertes im Westen (DIW 3/2000) Die Ausgleichszahlungen an die Gemeinden reichen nicht aus, um die erforderlichen Investitionen in die kommunale Infrastruktur zu finanzieren, weil wachsende Sozialaufgaben die verbleibenden Spielräume einengen. Die gesamte öffentliche Hand hat weniger Geld für Aufträge an Wirtschaft und Mittelstand zur Verfügung.
  • Die Sozialstruktur wird sich negativ entwickeln. Der Anteil der Rentner, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslosen wird prozentual gegenüber den Menschen steigen, die im produktiven Arbeitsprozeß stehen.
  • Mit der Abwanderung verbunden, ist eine weitere Ausdünnung und Konzentration von Bildungseinrichtungen. Dies gilt auch für schrumpfende Kultureinrichtungen, als sogenannten weichen Standortfaktor. Unternehmen in den neuen Bundesländern generell, den Handelsunternehmen aber im Speziellen, fehlt durch die Abwanderung Kaufkraft.
  • Handwerksunternehmen aus dem Baubereich, befinden sich derzeit in einem sehr schwierigen Anpassungsprozeß an die geringere Baunachfrage. Durch den großen Leerstand und bei einer Verwirklichung der geplanten Halbierung der Eigenheimförderung nur für die neuen Bundesländer, ist mit weiteren Auftragseinbußen zu rechnen. Die Zahl der Pleiten und Betriebsaufgaben dürfte die Situation auf dem Arbeitsmarkt weiter verschärfen.
  • Das Zusammentreffen der negativen Wanderungsentwicklung mit den negativen Veränderungen im Bevölkerungsaufbau und die seit drei Jahren geringeren Wachstumsraten der östlichen Bundesländer gegenüber dem Westen, haben den Osten Deutschlands in eine sehr schwierige Lage gebracht. Im Westen betrug das Wirtschaftswachstum im Jahr 2000 3,4 %, im Osten nur 1,3 %.
  • Trotz der großen Abwanderung ist die Beschäftigungssituation weiterhin prekär. Die Fortschritte im verarbeitenden Gewerbe wurden durch den anhaltenden Arbeitsplatzabbau im Baubereich und im Öffentlichen Dienst konterkariert. Seit 1998 ist die Arbeitslosenquote im Osten vom 1,8fachen auf das 2,3fache der Arbeitslosenquote im Westen gestiegen. Die Schere ging um weitere 30 % auseinander.
  • Die Zahl der Beschäftigten in den ostdeutschen Bundesländern sank von 5.122.000 (1998) auf 4.978.000 im letzten Jahr. Die Zahl der offenen Stellen ging im selben Zeitraum von 79.000 auf 62.000 zurück.
  • Fazit: Wenn die negative Wanderungsbewegung für die neuen Bundesländer nicht gestoppt wird, hat dies nicht reparable dauerhafte Folgen für die Wirtschaftsentwicklung, Arbeitslosigkeit und die gesamte soziologische Struktur.
C) Notwendige Maßnahmen
  1. Die Stärken der Wirtschaft in den neuen Bundesländern müssen vermehrt als internationaler Werbefaktor eingesetzt werden. Die Modernisierung der ostdeutschen Wirtschaft ist weit vorangeschritten. 80 % der Maschinen und Anlagen in der gewerblichen Wirtschaft sind nach 1990 installiert worden. Eine so moderne Industriestruktur dürfte auch international ihresgleichen suchen. Hinzu kommt das modernste Telekommunikationssystem der Welt.
  2. Die Industrieunternehmen - also der Teil der Wirtschaft, der zu allererst im internationalen Wettbewerb steht - haben auf neuen Märkten Fuß gefaßt: Knapp 50 % der Produkte werden heute außerhalb Ostdeutschlands abgesetzt - also auf Märkten, die vor 1990 gar nicht oder nur mit Hilfe hoher Subventionen erreichbar waren. Die Exportquote ist von praktisch 0 auf inzwischen 18 % geklettert.
  3. Die ostdeutsche Industrieproduktion hat eine Wachstumsdynamik von rd. 10 % erreicht - dieses ist ein doppelt so hohes Wachstum wie in Westdeutschland. Solche Zuwachsraten hatte es seit den lange zurückliegenden Zeiten des Aufbaus West nicht gegeben.
  4. Die Menschen im Osten Deutschlands haben einen gigantischen Strukturwandel mit beachtlichem Erfolg bewältigt. Die starke Flexibilität gut ausgebildeter Facharbeiter, die sich auf neue Situationen schnell einstellen können, ist ein weiterer Standortvorteil.
Neben diesen echten Standortvorteilen, die immer wieder herausgestellt werden müssen, sind folgende Maßnahmen notwendig:
  1. Nötig ist eine modernere, leistungsfähige Bildungs- und Innovationspolitik. Nur wer hier vorangeht, wem mehr einfällt als anderen, kann auf Sicht auch erfolgreich sein. Vorteile der neuen Bundesländer, wie das Abitur nach 12 Schuljahren sollten eher ausgebaut als eingeschränkt werden.
  2. Viele Hochschulangebote in den neuen Ländern, sind objektiv besser als im Westen Deutschlands. Die Hochschulen sind nicht so überlaufen. Es gibt ein besseres Verhältnis von Lehrenden und Lernenden als in den westlichen Bundesländern. Die Hochschulen sollten den besonderen Schwerpunkt im naturwissenschaftlich-technischen Bereich weiter ausbauen. Eine verbesserte Verzahnung mit regionalen Forschungseinrichtungen ist notwendig .
  3. Umschulungen müssen sich stärker auf den IT-Bereich, auf Dienstleistungen und auf Kooperationen mit Forschungsinstitutionen konzentrieren. Dabei sollte die Umschulung vor allem in Betrieben durchgeführt werden, ansonsten sollten nur solche Bildungsträger eingeschaltet werden, die eine enge Zusammenarbeit mit der einheimischen Wirtschaft garantieren können.
  4. Wenn jetzt in der Förderung der ostdeutschen Länder nachgelassen werden würde, wäre dies genau die falsche Entscheidung. Die Förderung muß zielgenauer werden und stärker investive Impulse umfassen, als den klassischen Sozialtransfer.
  5. Deshalb benötigen die neuen Länder auch eine verläßliche und kontinuierliche Fortführung des Sozialpaktes II ab dem Jahr 2005 und einen Länderfinanzausgleich, der den neuen Ländern keinen Leistungsabfall zumutet.
  6. Eine sofort wirkungsvolle Maßnahme ist die Schließung der Infrastrukturlücke vor allem im Verkehrsbereich und in der kommunalen Infrastruktur. Ein Infrastruktursofortprogramm 2001 - 2004 kann jetzt ein wirkungsvolles politisches Gegensteuern sein und den Zeitraum bis zur Fortführung des Sozialpaktes II wirkungsvoll überbrücken. Es ist sinnvoller jetzt investive Infrastrukturvorhaben zu finanzieren, als dauerhafte Sozialtransfers. Notwendig ist vor allem eine direkt den Kommunen zukommende kommunale Infrastrukturpauschale. Diese kann für kommunale Verkehrsanlagen, Bildungseinrichtungen und Umweltschutzprojekte eingesetzt werden.
  7. Umsteuern in der staatlichen Arbeitsförderpolitik. Mehr Geld für den Übergang aus der Arbeitslosigkeit in neue Tätigkeiten, statt der Finanzierung von Warteschleifen ohne Verbindung zu realen Arbeitswelt. Stattdessen haben sich die Lohnkostenzuschüsse für mittelständische Unternehmen auf Zeit außerordentlich bewährt. Sie waren das erfolgreichste Instrument der staatlichen Arbeitsförderpolitik. Durch die neue Bundesregierung sind die Rahmenbedingungen des Förderinstruments so verschlechtert worden, daß die positive Wirkungsweise nicht mehr besteht. Die Maßnahmen sollten wieder so eingeführt werden, wie sie zur Regierungszeit der Union bestanden haben.
  8. Durch die hohe Zahl der Insolvenzen, gibt es trotz 1 Million Existenzgründungen nur 530.000 Selbstständige in den neuen Bundesländern. Auch hier klafft die Entwicklung zwischen den einzelnen neuen Bundesländern deutlich auseinander. Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt hatten in den letzten Jahren mehr Pleiten als Existenzgründungen.
    Ende 1999 gab es insgesamt eine geringere Unternehmensdichte als in den westlichen Bundesländern. (350 auf 10.000 Einwohnern im Osten gegenüber 450 auf 10.000 Einwohner im Westen). Eine Angleichung der ostdeutschen Unternehmerdichte an die westdeutsche, würde weiter 150.000 selbständige Unternehmen bedeuten. Deshalb sollten weiterhin Anstrengungen um Existenzgründungen unternommen werden.
  9. Der Wirtschaft in den neuen Bundesländern fehlt vor allem eine breite industrielle Grundlage, die Verflechtungen mit mittelständischen Firmen zuläßt. Die ostdeutschen Betriebe erweisen sich auch hierdurch immer noch als zu wenig innovationsfähig. So wurden 1998 nur 2810 Patente angemeldet worden. Im Westen waren es 20mal mehr.
    Um zu einer Änderung dieser unbefriedigenden Situation zu kommen braucht

    Ostdeutschland eine kräftige bundespolitische Unterstützung für große Ansiedlungs- und Infrastrukturprojekte, wie es die unionsgeführte Bundesregierung beispielhaft für die Chemie in den neuen Bundesländern getan hat.

    Leider hat die Regierung Schröder bei der Ansiedlungsmöglichkeit des Airbusbaus in Rostock oder bei der Magnetschwebebahnverbindung Hamburg -Berlin vergleichbares nicht getan. Die Bundesregierung ist gefordert, sich vor allem für die Ansiedlung auch von großen Industrieunternehmen einzusetzen.

  10. Wachstumszentren mit Leuchtturmeffekten wie die Mikroelektronik in Sachsen oder die Optik und Elektromechanik in Thüringen, die Biogentechnik in Sachsen-Anhalt und die kleinen aber innovativen IT-Zentren in allen NBL, sind auf gutausgebildete Fachleute besonders angewiesen. Eine Förderung dieser neuen Wachstumsbereiche, ist eine wichtige Voraussetzung für einen Stop der Abwanderung, möglichst einer Trendumkehr.
  11. Spezialisten und umworbene Fachkräfte werden dauerhaft nur dann in den neuen Bundesländern ihre Zukunft sehen, wenn in diesen Bereichen auch die gleichen Löhne wie in den westlichen Ländern gezahlt werden können.
  12. Alle Institutionen die mit der Orientierung zu Arbeits- und Ausbildungsplätzen zu tun haben, sollten für potentielle Umsiedler anschauliche Vergleichsrechnungen über Lebenshaltungskosten, Mieten, kulturelle, schulische und vorschulische Angebote bereithalten Damit könnte eine realistische Einschätzung des verfügbaren Einkommens und des Lebensumfelds die Umzugsentscheidung beeinflussen.
  13. Eine stärke Öffnung Ostdeutschlands für Fachleute aus dem In- und Ausland kann den Standort neue Bundesländer nur verbessern helfen. Gefordert ist eine stärkere Internationalisierung Ostdeutschlands. Ausländer müssen sich als willkommene Mitbürger gerade auch in den neuen Ländern wohlfühlen können.
  14. Auf die geplante Halbierung der Eigenheimförderung für die neuen Bundesländer sollte verzichtet werden. Die Nähe vieler Standorte zu den alten Bundesländern würde zusätzlich viele Leistungsträger aus den neuen Ländern vertreiben.
  15. Den durch Wohnungsleerstand besonders geplagten Wohnungsunternehmen, sollten die Altschulden auf Negativrestitutionen und auf Wohnungsabriß erlassen werden. Dieser Teil der Altschulden sollte in den Erblastentilgungsfond eingestellt werden.
  16. Mandatsträger aus den neuen Bundesländern sollten sich - unabhängig von ihrer politischen Coleur - als Lobby für Ostdeutschland verstehen und in entscheidenden Fragen zusammenarbeiten. Ein gutes Beispiel könnte man sich an dem jahrelangen parteiübergreifenden Einsatz der Mandatsträger aus den Zonenrandgebieten der alten Bundesrepublik Deutschland nehmen.
  17. Ostdeutsche Politiker benötigen für die Durchsetzung ihrer Interessen die Unterstützung von Westpolitikern. Deshalb ist eine geschickte Verhandlungsführung notwendig, welche die Menschen im Westen nicht zu Gegnern werden läßt.