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Reden

Renate Gradistanac
Mitglied des Deutschen Bundestages
SPD
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Rede im Deutschen Bundestag am 2. Dezember 2004

Antrag CDU/CSU „Tatsächliche Gleichberechtigung durchsetzen - 10 Jahre Novellierung des Artikels 3 Abs. 2 des Grundgesetzes“

Frau Präsidentin,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

Anfang des Jahres 1995 schreibt eine Leserbriefschreiberin im Schwarzwälder Boten - ich zitiere: „Ich bin Gegnerin der Gleichberechtigung der Frau. Eine echte Frau will geliebt werden und welcher Mann kann eine Frau lieben, die Gleichberechtigung von ihm verlangt? Außerdem ist sie nicht gottgewollt. Man lese in der Bibel nach. Eva wurde aus einer Rippe des Adam gebildet. Wie kann sie da gleichberechtigt sein?“ - Zitat Ende. Das war vor 10 Jahren. Vieles hat sich seither verändert und für die Frauen positiv entwickelt.

Frau Widmann-Mauz, gemeinsam sind wir mit vielen weiteren Frauen auf dem Plakat „Zeit für Taten - 10 Jahre neues Grundgesetz“ zu sehen, übrigens eine Initiative des baden-württembergischen DGB. Bei aller so genannten Frauensolidarität gibt es sicher gemeinsame Ziele, aber auch Trennendes, das ich nicht verschleiern will.

Wenn ich mir Ihren aktuellen CDU-Antrag durchlese, fällt mir auf, dass Sie sich nicht mit dem Thema Gewalt gegen Frauen auseinandersetzen - oder auseinandersetzen wollen. Als Vorsitzende der CDU-Frauenunion in Baden-Württemberg müssten sie doch für das Thema Gewalt gegen Frauen sensibilisiert sein. Ihre Spitzenpolitikerinnen haben leider häufig damit zu kämpfen. Frau Schavan wird unterstellt, sie sei eine Lesbe. Frau Merkel wird seit Jahren auf ihr Äußeres angesprochen. Für mich bzw. für uns ist das diskriminierend.

Das Spektrum der Gewalt gegen Frauen ist breit. Es reicht von Übergriffen im Berufsleben und Belästigungen auf der Straße über vielfältige Formen der Missachtung, der Misshandlung und der sexuellen Ausbeutung bis hin zu Vergewaltigungen und Tötungen.

Die SPD-geführte Bundesregierung hat die Rechte der Frauen deutlich gestärkt. Beispielhaft nenne ich hier das Programm Frau und Beruf, den Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und den Aktionsplan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. Wichtige Bestandteile des Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen sind die Prävention, das Strafrecht - herausragend unser Gewaltschutzgesetz - und die Beratungs- und Hilfsangebote. Bei den letztgenannten bedarf es gewaltiger Anstrengungen vor Ort.

Drei wichtige Studien wurden kürzlich hierzu veröffentlicht: eine Pilotstudie zur Gewalt gegen Männer, eine Begleitforschung der Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt und die erste repräsentative Untersuchung zur Gewalt gegen Frauen.

Sie zeigt auf, dass 40 Prozent der befragten Frauen körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt haben. Mindestens jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren, die in einer Partnerschaft gelebt hat, hat körperliche und/oder sexuelle Übergriffe durch aktuelle oder frühere Partner ein- oder mehrmals erfahren.

Meine Damen und Herren, Gewalt im häuslichen Bereich ist leider immer noch die am weitesten verbreitete Gewaltform. Von ihr sind vor allem Frauen und Kinder betroffen. Wenn in Stuttgart die Polizei wegen Gewalttaten alarmiert wird, ist der Tatort bei drei von vier Streifenwageneinsätzen im häuslichen Bereich.

Unser Gewaltschutzgesetz zeigt Wirkung: „Wer schlägt, fliegt raus, wird aus der Wohnung verwiesen!“ Im Kreis Freudenstadt im Schwarzwald wurden in den vergangenen vier Jahren von der Polizei 49 Platzverweise wegen häuslicher Gewalt ausgesprochen. Die Täter waren nur Männer. In fast allen Fällen wurden anschließend keine weiteren Gewalttätigkeiten bekannt.

Durch unser Gewaltschutzgesetz haben die Frauen die Wahl: Sie können in ihrer Wohnung bleiben oder ins Frauenhaus gehen. Leider sind Frauenhäuser immer wieder von Mittelkürzungen und Schließungen bedroht oder werden gar geschlossen. Frau Widmann-Mauz, Ihre CDU-Kollegin Karen Koop, frauenpolitische Sprecherin in Hamburg, hält die Schließung eines Frauenhauses für vertretbar, das konnte ich im Hamburger Abendblatt vom 22. Juli 2004 nachlesen. Zeit für Taten? Aber dann doch bitte nicht gegen, sondern für die Frauen!