Heeresplanung im Brennpunkt
Gegenwärtig
und auf absehbare Zukunft beanspruchen Luftwaffe und Marine etwa
drei Viertel der Mittel für die Modernisierung der Bundeswehr.
Früher, in der Zeit des Kalten Krieges, war das anders: Da
bekam das Heer die Hälfte, die anderen den Rest.
Die
Schwerpunktverlagerung könnte dramatischer kaum sein; zum Teil
hat sie sachliche Gründe: Mit der Zunahme der Turbulenzen in
Europa und weltweit, die nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation
zu verzeichnen ist, und mit dem Hineinwachsen Deutschlands in eine
erweiterte internationale Rolle sah sich die Rüstungsplanung
gezwungen, in besonderem Maße in strategische Machtprojektion
zu investieren. Bei der Mittelknappheit des Verteidigungssektors,
zu der die Haushaltssanierung nötigt, hat dies Luftwaffe und
Marine privilegiert.
Doch dieser
Zusammenhang ist kein Naturgesetz. So ist z.B. die Frage nach Art
und Reichweite unserer militärischen Interventionsmittel nur
in Fachzirkeln und noch nicht wirklich politisch diskutiert worden.
Mit anderen Worten: Müssen Krisenregionen weit außerhalb
Europas zum wesentlichen Maßstab unserer Einsatzplanung
werden? Empfiehlt sich nicht eher eine Konzentration auf Schutz-
und Stabilisierungsaufgaben im geographischen Rahmen des alten
Kontinents und seiner Peripherie? Und muss nicht bei den - wohl
selteneren - globalen Engagements damit gerechnet werden, dass wir
meist nur mit kleineren Kontingenten willkommen sind und andere die
Hauptlast tragen wollen bzw. müssen? Jedenfalls mögen
solche Überlegungen dazu beitragen, eine unkritische Fixierung
auf strategische Machtprojektion aufzulösen und
größere Spielräume für die Heeresplanung zu
erschließen.
Eine
Korrektur des planerischen Ansatzes im Sinne von mehr systemischem
Denken - also Gesamtschau und Durchspielen von Konsequenzen -
empfiehlt sich generell. Um einen Fingerzeig zu geben: Das Heer hat
auch deshalb budgetäres Terrain verloren, weil wichtige -
nicht alle (!) - seiner Systeme von gut beherrschbarer
Komplexität waren und zumeist in nationaler Regie entwickelt
werden konnten. Jüngstes Beispiel: die exzellente
Panzerhaubitze 2000. Bei den anderen beiden Teilstreitkräften
geht es eher um technologische Überkomplexität, die
extrem kapitalintensiv ist und deren Bewältigung in der Regel
internationale Kooperation erfordert.. Dies hat - nur nebenbei -
häufig zu Reibungsverlusten und damit beträchtlichem
Zeit- und zusätzlichem Finanzaufwand geführt.
Natürlich geht es in der Rüstungsplanung nicht ohne
Vorhaben großer technologischer Komplexität und
selbstverständlich auch nicht ohne internationale
Zusammenarbeit. Worauf es mir aber ankommt, das ist eine
schonungslose Mängelanalyse bisheriger Kooperationsvorhaben,
um künftig typische Friktionen möglichst vermeiden zu
können. Darüber hinaus ist ein frischer Blick auf den
Ausrüstungsmix unserer Streitkräfte gefragt: Was ist die
"richtige" Mischung von einfachen und komplexen Systemen, und
welche robusten Plattformen brauchten High-Tech-Module?
Hinweise,
welche die Beantwortung erleichtern können, ergeben sich aus
den bisherigen Krisenengagements der Bundeswehr: Ein Überblick
lässt erkennen, dass die Hauptlast vom Heer getragen wird -
jedenfalls, wenn Personal- und sonstiger Betriebsaufwand als
Maßstab dienen. Denn die deutsche Beteiligung an dem
NATO-Strike-Einsatz war im Kosovo-Krieg zwar sehr relevant, band
aber nur einen sehr kleinen Teil der Luftwaffe. Der bei den
Missionen auf dem Balkan erforderliche Lufttransport konnte mit
eigenen Kräften geleistet werden. Und der ebenfalls notwendige
Seetransport verlief reibungslos und zügiger als erwartet -
und das mit angemietetem Schiffsraum. Was auffiel: Die in den
Krisenregionen eingesetzten Heereskräfte empfahlen sich -
gerade auch im internationalen Vergleich - durch militärisch
kompetente, politisch sensible Führung, motiviertes Personal
(Salz in der Suppe: FWDL) und der Lage angemessene
Kräftegliederung.
Doch der
Rolle entsprechen (noch) nicht die Ressourcen: Optimiert wurde zwar
- zumindest im Konzept - die nicht provozierende, gleichwohl eine
robuste Präsenz herstellende Raumkontrolle, die in extremen
Lagen ihre "Rückversicherung" in schweren Kräften findet.
Doch dazu sind taktisch-operative Aufklärungsmittel, leicht
gepanzerte Patrouillenfahrzeuge mit besonderem Minenschutz und - in
Ergänzung des Leopard 2 - Kampfschützenpanzer mit sehr
hohem Schutzniveau erforderlich. Diese Mittel stehen noch
längst nicht - oder nicht in hinreichendem Umfang - zur
Verfügung.
Obwohl
einiges auf den Weg gebracht ist, wird man das Gefühl nicht
los, dass es die Priorität Heer in der gegenwärtigen
Rüstungsplanung nicht gibt - im Gegenteil. Auf gut Deutsch:
Planung und Einsatzerfahrung sind zwei verschiedene Paar
Schuhe.
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