Verhaltensregeln
Nicht unmittelbar in der Geschäftsordnung, sondern in dazugehörigen Anlagen sind bestimmte Anforderungen an das Verhalten der Abgeordneten geregelt. Das Wichtigste ist, das ein Parlamentarier seinen Beruf, seine Tätigkeiten außerhalb des Bundestages vor und während seiner Mandatszeit sowie im letzteren Fall die dabei erzielten Einkünfte angibt, sobald eine vom Präsidenten festgelegte Summe überschritten wird. Anzeigepflichtig ist über einen Mindestbetrag hinaus auf jeden Fall eine anwaltliche Vertretung der Bundesrepublik ebenso wie eines ausländischen Staates. Doch nicht alles, was gegenüber dem Bundestagspräsidenten anzeigepflichtig ist, wird dann auch veröffentlicht, sondern nur das, was vorgeschrieben ist. Die Angaben über Beruf und gegenwärtige Nebentätigkeiten werden im amtlichen Handbuch des Bundestages bekanntgegeben. Klargestellt ist, dass der Abgeordnete keine Auskunft über die finanziellen Verhältnisse seines Ehepartners oder seiner Kinder geben muss.
Keinen Grund zur Schweigsamkeit gibt es hingegen bei Spenden, Geldwerten Zuwendungen (die im Neudeutschen mit Sponsoring bezeichnet werden) und Gastgeschenken bei Reisen oder Auftritten als Mandatsträger. Über alle Spenden ist Buch zu führen. Spenden eines einzelnen Wohltäters (auch einer Firma), die im Jahr zusammen zehntausend Mark übersteigen, sind dem Präsidenten anzuzeigen, übersteigen sie 20.000 Mark, werden sie vom Präsidenten öffentlich gemacht. Spenden, die eine Partei über einen Abgeordneten erhalten hat, sind genauso zu behandeln. Sponsorengelder für politische und parlamentarische Veranstaltungen vor zum Teil ausländischem Publikum (gleich, ob im Inland oder im Ausland) werden nicht als Spenden behandelt, sind aber anzeigepflichtig, Gastgeschenke müssen über einem bestimmten Wert hinaus abgegeben werden; der Abgeordnete kann sie aber auch der Bundeskasse sozusagen abkaufen.
Abgeordnete dürfen für die Ausübung ihres Mandats allein aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden. (Zuwendungen zum Beispiel des ehemaligen Arbeitgebers zur Unterstützung der Mandatstätigkeit sind nicht erlaubt. Nebeneinnahmen müssen mit nachweisbaren Nebentätigkeiten verbunden sein, es sei denn, sie erwachsen aus dem bisherigen Vermögen.) Sind Parlamentarier nebenberuflich tätig, so dürfen sie mit ihrer Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag nicht, nicht einmal in aller Unschuld, werben. Andererseits müssen sie ihre berufliche Verquickung bei der Behandlung einschlägiger Fragen in einem Ausschuss offenlegen, es sei denn, diese ist allgemein bekannt. In Zweifelsfällen haben die Mitglieder des Bundestages eine Bringschuld, nicht der Bundestag eine Holschuld. Daher kann der Präsident bei Bekanntwerden von Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen die Verhaltensregeln unvoreingenommen ermitteln, weil er den Vorwurf nicht fürchten muss, er habe es versäumt, sich Auskünfte einzuholen.
Wird ein Verstoß festgestellt und erhebt sich dagegen kein Widerspruch aus dem Kreis der Vizepräsidenten und Fraktionsvorsitzenden (ansonsten geht die Untersuchung weiter), wird die Regelverletzung veröffentlicht. Liegt kein Verstoß vor, so kann der betroffene Abgeordnete die Veröffentlichung seines Freispruches verlangen, was er insbesondere tun wird, falls die Ermittlung des Präsidenten noch im laufenden Verfahren bekannt geworden ist.
Die dritte Anlage zur Geschäftsordnung ist die Geheimschutzordnung. Sie gilt für alle sogenannten Verschlusssachen (VS), die im Bundestag entstehen oder ihm und seinen Gremien zum Beispiel von der Bundesregierung zugeleitet werden. Aber auch das Zwischenmaterial wie Entwürfe oder Kohlepapier zu den einschlägigen Dokumenten sind "VS".
Verschlusssachen gibt es in vier Stufen: "nur für den Dienstgebrauch", "vertraulich", "geheim" oder gar "streng geheim". Bei der Einstufung als Verschlusssache ist Zurückhaltung geboten, das heißt, nichts darf unnötig verschlossen oder unnötig streng verschlossen werden. Über Verschlusssachen darf - je nach Stufe - nicht früher und ausführlicher unterrichtet werden, als es für die Parlamentsarbeit notwendig ist, das gilt für die Abgeordneten ebenso wie für deren besonders ermächtigte Mitarbeiter. Telefonisch dürfen solche Dokumente nur ausnahmsweise erörtert werden. Die Verschlusssachen sind - wie der Name sagt unter Verschluss zu halten, bei der untersten Stufe reicht der Verbleib in den Diensträumen, bei den höheren Stufen ist die Geheimregistratur der vorgeschriebene Aufbewahrungsort.
Die sechste Anlage zur Geschäftsordnung betrifft die Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages; sie muss - wie die Geschäftsordnung insgesamt - jedesmal am Beginn einer Wahlperiode übernommen werden. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach vorheriger Mitteilung an den Präsidenten und - falls dem nicht besondere Gründe entgegenstellen - den betroffenen Abgeordneten gilt als grundsätzlich genehmigt. Die Erhebung einer Klage und ein Antrag auf einen Strafbefehl sind damit ebensowenig akzeptiert wie freiheitsbeschränkende Maßnahmen im Ermittlungsverfahren. Dem Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung kommt es bei Verkehrsdelikten und in Bagatellfällen zu, über die Zulassung einer Klageerhebung eine Beschlussempfehlung zu verfassen und damit eine Vorentscheidung zu fällen. Sogar beim Vollzug geringer Freiheitsstrafen trifft der Ausschuss tatsächliche Entscheidungen für den Bundestag, der sich aber die Entscheidung in schwerwiegenden Fällen vorbehält. Werden im Zuge von Ermittlungen Hausdurchsuchungen bei einem Abgeordneten unternommen, so muss ein zweiter Abgeordneter, in der Regel aus derselben Fraktion, anwesend sein. Bei Durchsuchungen im Gebäude des Bundestages tritt auch noch ein Beauftragter des Präsidenten als Zeuge auf.
Ein Mitglied des Bundestages darf bei der Begehung einer Tat oder im Laufe des darauffolgenden Tages ohne Genehmigung festgenommen werden. Danach bedarf jeder einzelne Schritt - zum Beispiel Untersuchungshaft oder die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe - jeweils einer gesonderten Genehmigung durch den Bundestag.