Repräsentant der Volksvertretung
Der Präsident "vertritt den Bundestag und regelt seine
Geschäfte. Er wahrt die Würde und die Rechte des
Bundestages" (§ 7 Abs. 1 GOBT). Der Bundestagspräsident
ist im staatsrechtlichen und politischen Sinne der
Repräsentant der Volksvertretung; er repräsentiert den
Bundestag als die "symbolische und offizielle Personifizierung des
Parlaments" in seiner "Gesamtheit" (BVerfGE 1, 115 f. (27, 152,
157)). Das öffentliche Ansehen des Präsidenten hängt
natürlich von der Persönlichkeit des Amtsinhabers ab,
aber auch davon, welches Gewicht der Volksvertretung im Gefüge
der politischen Institutionen beigemessen wird. Immerhin konnte
schon während der Amtszeit Konrad Adenauers der Anspruch
durchgesetzt werden, dass der Bundestagspräsident
protokollarisch (noch vor dem politisch mächtigen
Bundeskanzler und dem Bundesratspräsidenten) an zweiter Stelle
im Staat rangiert. An Bemühungen, die "Würde" dieses
Amtes durch Zeremoniell und "repräsentative" Ausstattung ins
öffentliche Bewusstsein zu heben, hat es sicher nicht gefehlt.
Das derzeitige Zeremoniell bei den Plenarsitzungen wurde erst kurz
nach dem Amtsantritt Eugen Gerstenmaiers eingeführt (1954).
Seither ist es parlamentarischer Brauch, dass beim Eintritt des
(amtierenden) Präsidenten nach einem Glockenschlag und
Ankündigungsruf über Lautsprecher die Anwesenden sich
erheben und stehen bleiben, bis der Präsident Platz genommen
hat seit Beginn der 10. Wahlperiode (1983) allerdings nicht mehr
nach der Unterbrechung einer Sitzung.
Der Präsident vereidigt im Namen des Bundestages den
Bundespräsidenten, den Bundeskanzler und die Bundesminister
(Art. 64 Abs. 2 GG). Als Vertreter des Bundestages ist er
offizieller Adressat und Absender jeglichen Schriftverkehrs, unter
anderem zwischen dem Bundestag einerseits und dem Bundesrat, der
Bundesregierung bzw. den einzelnen Ressorts andererseits. Der
gesamte, den Bundestag betreffende Schriftverkehr ist an den
Präsidenten zu richten. Selbstverständlich bedient er
sich zur Entgegennahme der Bundestagsverwaltung
(Parlamentssekretariat, Präsidialbüro, Ausschussdienst
des Petitionsausschusses). Er ist verpflichtet, die Beschlüsse
des Bundestages auszufertigen bzw. zu vollziehen und
weiterzuleiten. Der Präsident vertritt den Bundestag in allen
Rechtsstreitigkeiten, wobei er die Anliegen des Bundestages "als
Gesamtheit", nicht die Anliegen einer Mehrheit wahrnimmt (BVerfGE
1, 115 f.). In der Praxis werden in aller Regel Anwälte oder
Staatsrechtslehrer als Prozessbevollmächtigte benannt.
Aus seiner Stellung als "Repräsentant" des Bundestages ergeben
sich für den Präsidenten zahlreiche politische und
gesellschaftliche Verpflichtungen. So leitet der Präsident
(und auch die Vizepräsidenten) gelegentlich parlamentarische
Delegationen auf Auslandsreisen; er empfängt seinerseits
ausländische Parlamentariergruppen sowie in- und
ausländische Delegationen und Besucher aus Politik, Kultur und
Wirtschaft. Der Bundestagspräsident wird zu allen
Staatsempfängen eingeladen und nimmt an zahlreichen
Empfängen und Veranstaltungen gesellschaftlicher Gruppen teil,
deren öffentliches Renommee die Anwesenheit des
Präsidenten (oder Vizepräsidenten) fördern
soll.
In Reden und Stellungnahmen die dem Anlass angemessenen Worte zu
finden, auf Parteinahme zu verzichten und das politisch Verbindende
zu betonen, ohne ins "Unverbindliche" abzugleiten, ist sicher nicht
einfach und erfordert erhebliches Fingerspitzengefühl. Dies
gilt besonders dann, wenn der Bundestagspräsident bei
besonderen Anlässen (Gedenktage) als Sprecher des ganzen
Hauses fungiert. Leitendes Interesse sollte bei allen Anlässen
sein, die Bedeutung des Bundestages als zentraler politischer
Institution bewusst zu machen und die Sensibilität für
demokratische Entscheidungsprozesse und insbesondere den Schutz von
(parlamentarischen) Minderheiten zu stärken.