Hanna Wolf (München) (SPD): Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen heute über
Hans Haackes Kunstprojekt ab, weil er für seine
Erdinstallation nicht etwa ein Gartencenter beauftragen will,
sondern alle 669 heutigen und auch alle zukünftigen
Abgeordneten zum Mitbringen eines Zentners Erde aus ihrem Wahlkreis
auffordert. Dadurch werde ich zur Mitgestalterin. Weil ich den
Künstler ernst nehme, will ich auch begründen, warum ich
nicht mitmachen werde. Die fürsorglich bevormundenden Briefe,
die wir alle bekommen haben, und die herablassenden Artikel in
einigen Feuilletons über die Kompetenz von Politikern
(Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN])
veranlassen mich auch zum öffentlichen Widerspruch.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)
Der Kunstbeirat wird nicht desavouiert, wenn das Plenum heute
über diesen Vorschlag abstimmt. Allerdings hätte ich mir
gewünscht, dass der Kunstbeirat die Entscheidung von sich aus
offen gehalten hätte,
(Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN])
da ja jede und jeder Abgeordnete sich aktiv beteiligen soll.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)
So begeistert ich von Anfang an über die Verhüllung
des Reichstages durch Christo und Jeanne-Claude war, Haackes
Installation kann ich nicht mitgestalten. Bevor ich einige meiner
Gründe nenne, distanziere ich mich aufs Schärfste von
zynischen, ausländerfeindlichen Sprüchen, die ich leider
auch von der Seite einiger gelesen habe, die das Haacke-Konzept
ablehnen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN, der CDU/CSU und der PDS - Gert Weisskirchen [Wiesloch]
[SPD]: Der Herr Glos!)
Mit den Ansichten eines Herrn Glos zum Beispiel mache ich mich
nicht gemein.
(Monika Griefahn [SPD]: Er hat gesagt, die Inder sollten das
machen!)
Zu meinen Gründen. Erstens. Die Inschrift im Giebel des
Reichstagsgebäudes "Dem Deutschen Volke" war in der
Entstehungszeit, wie Haacke selber schreibt, "eine Herausforderung
für den Kaiser, der deshalb ihre Realisierung lange zu
verhindern wusste. Der Kaiser spürte wohl einen Hauch der
französischen Revolution." Dass die Nazis diesen Begriff
missbraucht haben, gehört zur Tragik unserer Geschichte. Aber
1989 riefen die Menschen in Leipzig: "Wir sind das Volk!" Es war
eine Provokation für die DDR-Machthaber, und niemand hat es
chauvinistisch verstanden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)
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