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Talk im Knast:
Ihre
Meinung ist gefragt. Diskutieren Sie auf
www.mitmischen.de mit den
Bundestagsabgeordneten Dieter Wiefelspütz
(SPD) und Roland Gewalt (CDU/CSU) sowie
mit jugendlichen Straftätern über Jugendstrafrecht und
Jugendkriminalität.
Termin: 16. Februar 2005, 17.15 bis 18.00 Uhr
Gestalten. Verändern. Bewegen.
601 Abgeordnete zählt der Bundestag
– da versteht es sich von selbst, dass das Publikum nicht
jeden Einzelnen von ihnen kennen kann. Vielleicht die
Regierungsmitglieder, vielleicht die Fraktionsspitzen. Aber was ist
mit den einzelnen Abgeordneten? Haben sie trotzdem Einfluss?
Können sie eigene Ideen verwirklichen?
Eine Umfrage quer durch die Fraktionen brachte die
übereinstimmende Einschätzung: Und wie!
Viele Abgeordnete bringen Erfahrungen aus Stadt- und Gemeinderäten mit. So wie Bettina Hagedorn (SPD). Da hatte sie zwei Jahrzehnte lang vieles direkt bewegen können – und dann der Einzug in den Bundestag. „Ich dachte, ich bin nur eine von über 600, mit entsprechend wenig Gestaltungsmöglichkeiten.“ Doch sehr schnell erkannte sie den Wert des arbeitsteiligen Parlaments. In den Spezialaufgaben sind die Abgeordneten schon nur noch eine sehr überschaubare Zahl von Parlamentariern – mit gewachsenen Einwirkungsmöglichkeiten. Zu einem Aha-Erlebnis wurde für sie die Entdeckung in ihrem Wahlkreis, dass berufsvorbereitende Maßnahmen für Jugendliche, die häufig keinen Hauptschulabschluss hatten, massiv wegzubrechen drohten, weil die Mittel bereits im Vorjahr ausgegeben worden waren und nun fehlten. Hagedorn thematisierte das Problem und wurde von Kollegen unterstützt. Es wurde Druck erzeugt und damit die Bereitschaft, 350 Millionen Euro nachträglich zu bewilligen. Als Mitglied im Haushaltsausschuss gilt ihr Einsatz mehr den großen Zahlen als den Gesetzesinitiativen. Und so hatte ihre Beobachtung im Wahlkreis bundesweite Auswirkungen.
Denn wo der Bundestag etwas regelt, da geht es schnell um riesengroße Zahlen von Betroffenen. Als Detlef Parr (FDP) auf das wachsende Problem der Demenzerkrankungen aufmerksam wurde und eine Initiative zur besseren Früherkennung startete, da wusste er sehr bald, dass schon 1,2 Millionen Menschen davon betroffen sind – und daher viele Millionen Vorsorge treffen und sich auf die Möglichkeiten von Gedächtnistraining und medikamentöser Behandlung einstellen sollten. Parr: „Das ist der beste Ausgangspunkt für das Wirken einzelner Abgeordneter: die Betroffenheit, die Sorge um Menschen, das Gefühl, hier ist eine Angelegenheit, die ich verbessern kann, die ich verbessern will.“
Als Erstes gewann der Abgeordnete die Kollegen der eigenen Fraktion im Arbeitskreis Soziales für die Idee. Dann diskutierte die Fraktion darüber und beschloss, einen Antrag in den Bundestag einzubringen. Daraufhin befasste sich der Fachausschuss damit und lud Experten zur Anhörung ein. Nun folgte das Bemühen, den FDP-Antrag zu einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen auszubauen. Das scheiterte zwar, aber der dann beschlossene Antrag der Mehrheitsfraktionen fiel dennoch zur Zufriedenheit Parrs aus. Er stimmte ihm zwar nicht zu, weil er ihm nicht weit genug ging. Aber in weiten Teilen fand er dann im Beschluss doch wieder, was er mit seinen Fraktionskollegen auf den Weg gebracht hatte.
Das bedeutet im Umkehrschluss nicht unbedingt, dass die Namen von Abgeordneten der Regierungsfraktionen auf den Entwürfen stehen, die schließlich Gesetz werden. Erfolgreiches Wirken ist ein Spiel auf einer ganz breiten Klaviatur, wie Christian Lange (SPD) erläutert. Wer auf Gesetze mit eigenen Gedanken einwirken wolle, müsse seine fachliche Arbeit gut machen und engste Kontakte zu allen entscheidenden und beratenden Ebenen pflegen. „Bevor ein Referentenentwurf in einem Ministerium fertig wird, müssen Sie als Abgeordneter dafür sorgen, dass Ihre Ideen dabei sind“, verrät Lange. Denn wenn der offizielle Teil der Bearbeitung von Regierungsentwürfen beginne – zuerst im Ministerium, dann in der Bundesregierung, dann im Bundesrat und schließlich im Bundestag – sei es für die grundlegenden Weichenstellungen oft schon zu spät. Richtig ist aber auch, dass kaum ein Entwurf die Fachberatungen in den Ausschüssen so wieder verlässt, wie er in den Bundestag eingebracht worden ist. Hier schlägt die große Stunde der Berichterstatter. Für jede Fraktion gibt es für jedes Gesetz einen, der es unter die Fittiche nimmt. Die Berichterstatter haben großen Einfluss auf das jeweilige Gesetz. Und das ist im Prinzip unabhängig davon, ob sie der Regierung oder der Opposition angehören. Solange Berichterstatter der Opposition nicht die Grundtendenz des Gesetzes ändern wollen, haben sie bei den Formulierungen im Detail gute Karten, insbesondere wenn es darum geht, die Gesetzestexte nach den Erkenntnissen aus den Expertenanhörungen zu optimieren. Ansonsten verlassen sich die Regierungsfraktionen auf „ihre“ Berichterstatter, dass das jeweilige Vorhaben in ihrem Sinne durch die Beratungen geleitet wird. Hier stecken denn auch große Potenziale für einzelne Abgeordnete, ihre Vorstellungen in die Detailregelungen einzubringen.
Im weiteren Verlauf wird die Stellung des Bundestagsmitglieds noch deutlicher: Auch wenn ein Gesetz von der Regierung entwickelt und im Bundestag eingebracht worden ist, zur zweiten Lesung hat die Regierung nichts mehr zu sagen. Dagegen kann jeder Abgeordnete Änderungsanträge stellen. Die in zweiter Lesung geänderten Passagen können auch in der dritten Lesung noch einmal Gegenstand von Änderungsanträgen sein – dann freilich müssen sich fünf Prozent der Abgeordneten zu einer Initiative zusammenfinden.
Das wirft die Frage nach den grundsätzlichen Rechten der einzelnen Abgeordneten auf. Durch den Grundgesetzartikel 38 haben sie eine starke Stellung als „Vertreter des ganzen Volkes“, der „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“ und nur seinem „Gewissen unterworfen“ ist. Das gilt für alle Abgeordneten. Ihr Mandat kann auch nicht mehr aberkannt werden – es sei denn, das Verfassungsgericht stellt fest, dass die Partei, die die Bewerberin oder den Bewerber in den Bundestag brachte, verfassungswidrig ist, oder bei erheblichen Freiheitsstrafen für den Abgeordneten. Im Normalfall also kann das Mandat nicht mehr verloren gehen, selbst wenn sich der Abgeordnete von seiner Partei oder Fraktion trennt.
Alle Abgeordneten haben das Recht, im Bundestag zu reden, Fragen an die Bundesregierung zu stellen, Akten des Bundestages einzusehen, in einem Ausschuss mitzuarbeiten und mit anderen eine Fraktion zu bilden. Außerdem erhalten sie eine ihrer Stellung entsprechende finanzielle Ausstattung, Entschädigung für ihre mandatsbezogenen Mehrausgaben und eine Personalkostenpauschale, mit denen sie Mitarbeiter in ihrem Wahlkreis- und in ihrem Bundestagsbüro bezahlen können. Alle Abgeordneten werden also materiell und finanziell so ausgestattet, dass sie im Parlament professionell mitwirken können.
Aber das Parlament muss auch arbeitsfähig bleiben, zudem stellt die Verfassung gleichzeitig die besondere Rolle der Parteien bei der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung heraus. Das bedeutet, dass die Rechte des einzelnen Mitglied des Bundestages durch die Geschäftsordnung kanalisiert werden müssen. Deshalb tut es gut daran, sich mit anderen, die zusammen mindestens fünf Prozent der Gesamtzahl der Abgeordneten ergeben müssen, zu einer Fraktion zusammenzuschließen und für gemeinsame Ziele zu arbeiten. So kommen Antrags-, Initiativ-, Anfrage- und Tagesordnungsgestaltungsrechte hinzu.
Außerdem können die Abgeordneten auf zusätzlichen personellen Sachverstand der Fraktionen für die einzelnen Themenschwerpunkte zurückgreifen und für ihre Fraktion Entwürfe entwickeln, die dann wesentlich größeres Gewicht bekommen. Die CDU/CSU-Abgeordnete Gitta Connemann hat in dieser Hinsicht sehr gute Erfahrungen gemacht. Als Neuling im Bundestag wurde sie von der Fraktion bei eigenen Initiativen tatkräftig unterstützt, was letztlich zu Erfolgen führte.
Auf das Gewicht kommt es bei jeder einzelnen Einflussnahme an. Anton Schaaf (SPD) beleuchtet es am Beispiel der Rechtsstellung von Pflegeeltern, die er für 50.000 betroffene Fälle im Jahr verbessern konnte. Zuerst suchte er sich Mitstreiter in der Arbeitsgemeinschaft für Familienpolitik seiner eigenen Fraktion. Da ist nicht nur viel Wissen in der Sache versammelt, da sitzen auch viele erfahrene Kollegen, die gute Tipps für den Weg durch die Gremien geben können. Die nächste Ansprechstelle waren die zu beteiligenden Ministerien, mit denen Schaaf die vorliegenden Pläne erörterte und schaute, ob er sein Anliegen dort irgendwo problemlos unterbringen konnte. Um die Basis zu verbreitern, wandte er sich zudem an seine Fachkollegen in anderen Fraktionen. Die trifft er nicht nur im Plenum oder in den Ausschusssitzungen. Über das Mitspielen in der Fußballmannschaft des Bundestages gibt es auch ganz zwanglose Möglichkeiten, sich zu begegnen und gemeinsam zu überlegen, wie man Menschen helfen kann. Schließlich sind für die einzelnen Abgeordneten auch die Parlamentariervereinigungen nicht zu verachten, die Netzwerke gegenseitiger Unterstützung darstellen.
Obwohl nur jeder zweite Abgeordnete einen Wahlkreis direkt gewonnen hat, dort also die Mehrheit der Stimmen erlangen konnte, betreuen alle ihre regionale Heimat. Deshalb hat jeder einzelne Abgeordnete natürlich alle Auswirkungen der Bundespolitik auf seine Region im Auge. Welche Bundesinstitutionen nehmen wo ihren Sitz? „Besonders schön“, sagt die CDU/CSU-Abgeordnete Melanie Oßwald, „ist es daher für jeden Politiker im Bundestag, wenn er sich erfolgreich für Einrichtungen einsetzen kann“. So wie in ihrem Fall für den Erhalt des Museums für Kommunikation in ihrer Heimatstadt Nürnberg. Von den Bürgern im Wahlkreis erfahren die Abgeordneten zumeist am schnellsten, wie sich Gesetze auswirken und wo möglicherweise nachgebessert werden muss. Aber die einzelnen Abgeordneten haben auch ihre fachliche „Heimat“: Hochschulpolitiker gehen in Universitäten ein und aus, Gesundheitspolitiker in Krankenhäusern, Sicherheitspolitiker in Kasernen – und überall gibt es Ansätze, selbst Initiativen auf den Weg zu bringen.
Daneben ist jeder Abgeordnete in seinem Wahlkreis eine feste Größe, wenn es um Behördenentscheidungen geht. „Die Zahl der Fälle nimmt zu, in denen der Bundestagsabgeordnete die letzte Anlaufstelle ist“, hat Alexander Dobrindt (CDU/CSU) erfahren. Er ist durch regelmäßige Sprechstunden in allen Gemeinden seines Wahlkreises „nah am Menschen“. Und damit nah dran an oft existenzbedrohenden Problemen, für die sich niemand mehr zuständig fühlt. Schon oft hat er aus verzweifelten Situationen wieder heraushelfen können, indem er den Gründen nachforschte.
Diese Aufgabe ist wichtig für alle Abgeordneten. Es sei eben etwas anderes, ob ein Antragsteller zum wiederholten Mal bei seinem Sachbearbeiter landet, oder ob ein Bundestagsabgeordneter einen Oberkreisdirektor bittet, einen Sachverhalt noch einmal zu prüfen, sagt Thilo Hoppe (Bündnis 90/Die Grünen). Man könne gezielt nachfragen und um einen Bericht bitten, ob denn der Ermessensspielraum wirklich ausgeschöpft worden sei. Und wenn dann der Behördenchef diese Bitte an seinen Abteilungsleiter weitergebe, der Fall noch einmal aufgerollt werde, könnten häufig menschliche Härten gemildert, Erzwingungshaft oder Abschiebungen verhindert und Zahlungen erreicht werden. Fraktionschefin Krista Sager (Bündnis 90/Die Grünen) hat durch ihre Funktion natürlich Zugang zu anderen Bereichen der Entscheidungsfindung – und insofern viel zu tun mit den Einwirkungsmöglichkeiten einzelner Abgeordneter. „Da muss man immer wieder einspringen, wenn Dinge auf der Fachebene nicht mehr zu bewegen sind, wenn eine höhere politische Ebene neue Optionen eröffnen soll.“ Und immer wieder wird Sager von Fraktionskollegen um Rat gefragt, wie man mit einem Spezialvorhaben am besten weiterkommt, um Unterstützung gebeten, ihre Drähte zum SPD-Fraktionschef und ins Kanzleramt zu nutzen, um diese oder jene Sache weiter zu befördern.
Sachzwänge und Finanzknappheit sind allerdings oft gewaltige Bremsen. Da verzeichnen es alle Abgeordneten schon als schönen persönlichen Erfolg, die eigene Fraktion zu Grundsatzerklärungen in ihrem Sinne gebracht zu haben – auch wenn dann in der praktischen Politik vorerst nichts daraus wird. Und auch die unermüdliche Arbeit der Opposition an eigenen Gesetzentwürfen endet nach ihrer Lesart nicht im Papierkorb, sondern als fertiges Alternativkonzept in der Schublade – etwa für den nächsten Wahlkampf. Neben die konkrete Einzeltat tritt die langfristige Wirkung des Engagements Einzelner. Gudrun Kopp (FDP): „Jeder hat Einfluss. Jeder kann Denkprozesse in Gang bringen, den Boden für ein Umdenken in Parlament und Gesellschaft bereiten.“
Text: Gregor Mayntz
Fotos: Deutscher Bundestag, studio kohlmeier
Christian Lange, SPD
„Fast vier Jahre habe ich daran gearbeitet, dass die
Verhaltensregeln für Abgeordnete zu mehr Transparenz
führen – lange vergeblich, aber als durch Skandale das
Thema ins öffentliche Interesse rückte, konnte ich mich
vor Anfragen kaum retten. Und tatsächlich gelang die
Änderung: Man muss Medien-Hypes gut nutzen.“
Roland Gewalt, CDU/CSU
„Leichter politischer Druck erleichtert mitunter die
Entscheidungsfindung. Und das kann man gut auch aus der Opposition
heraus. So erreichte ich durch einen Antrag, dass der
Ältestenrat beschloss, den Volkstrauertag mit dem Volksbund
nicht mehr jährlich im Plenarsaal zu
begehen.“
Michaele Hustedt, Bündnis
90/Die Grünen
„Unterhalb der Schwelle der Topthemen kann der einzelne
Abgeordnete, die einzelne Abgeordnete unglaublich viel bewegen.
Denn 98 Prozent aller Regelungen sind nicht Chefsache. Das
Erneuerbare-Energien-Gesetz beispielsweise ist aus dem Parlament
gekommen, in den Fraktionen erarbeitet worden. Der Motor waren hier
die Abgeordneten.“
Claudia Winterstein,
FDP
„Etwas zu bewegen, fällt in der Opposition schwerer,
aber man kann Themen ins Gespräch und Positionen in
Gesetzentwürfe bringen – und so auch die
Regierungskoalition zwingen, sich Gedanken zu machen und Stellung
zu beziehen. Sie muss erklären, warum sie unsere Anträge
oder Gesetzentwürfe ablehnt. Mit klaren Alternativen kann ich
vor die Bürger, Verbände und die Medien
treten.“
Anton Schaaf, SPD
„Wenn man sich gut vorbereitet und Mitstreiter sucht, kann
man das eine oder andere ganz gut bewegen – wie mir das
gerade bei der Rechtstellung der Pflegeeltern gemeinsam mit anderen
gelang. Man muss dabei offensiv sein, das Problem exakt benennen,
das Gespräch mit den eigenen Kollegen suchen – und dann
auch beherzt anpacken.“
Alexander Dobrindt,
CDU/CSU
„Als engagierter Abgeordneter ist man schnell in der Lage,
maßgeblichen Einfluss auf die Formulierung von
Gesetzentwürfen zu haben. In der Opposition findet man nicht
für alles eine Mehrheit im Bundestag. Doch nichts ist
vergebens. Denn die Opposition arbeitet auf Vorrat für die
Zeit, in der sie ihre Vorstellungen durchsetzt.“
Bettina Hagedorn, SPD
„Manchmal hat man Glück und kann ganz schnell die Dinge
zum Positiven verändern. So, als sich Ende September ein
Elternverein an mich wandte und auf verhängnisvolle Folgen
eines Gerichtsurteils hinwies. Es war gerade ein Gesetz im
Finanzministerium in Arbeit, in das wir schon im Oktober die
Klarstellung aufnehmen konnten.“
Krista Sager, Bündnis 90/Die
Grünen
„Jeder einzelne Abgeordnete kann Themen setzen. Er kann die
Regierung dazu bringen, Informationen zu liefern, ihre Politik zu
begründen oder auch Korrekturen an eigenen Vorhaben
vorzunehmen. Mitglieder der Regierungsfraktionen vermögen eine
ganze Menge auszurichten, wenn sie gemeinsam vereinbarte Projekte
voranbringen.“
Detlef Parr, FDP
„Manchmal kann man auch als Oppositionsabgeordneter sehr
zufrieden sein: wenn etwa die Mehrheitsfraktionen ein Anliegen
aufgreifen und in ihren Antrag in weiten Teilen das aufnehmen, was
man in seinen eigenen hineingeschrieben hat. Auch wenn man es nach
außen nicht sieht, aber in der Sache hat man sich ja dann
durchgesetzt.“
Axel Fischer, CDU/CSU
„Die Möglichkeiten sind sehr vielschichtig. Als
Berichterstatter hat man beispielsweise großen Einfluss auf
die Position der eigenen Fraktion. Und durch pointierte
Debattenbeiträge im Bundestag vermag man auch die
öffentliche Diskussion zu bewegen – so wie etwa meine
Rede zu den hohen finanziellen Belastungen durch die Windkraft
richtigen Wirbel entfachte.“
Ute Berg, SPD
„Eine einzelne Abgeordnete kann eine Menge bewegen, wenn sie
es schafft, andere von ihrer Position zu überzeugen und
Mehrheiten zu mobilisieren. Besonders bei Angelegenheiten, die das
eigene Fachgebiet betreffen, können Abgeordnete dann vieles
verändern. Häufig sind es Gespräche und Anliegen aus
dem Wahlkreis, die zu Initiativen im Bundestag
führen.“
Veronika Bellmann,
CDU/CSU
„Oft wird gesagt, die Opposition arbeite für den
Papierkorb. Aber im Grunde sehen unsere Entwürfe genau so aus,
als wären wir schon in der Regierung, so ernsthaft, so
durchdacht. Es ist unüberhörbar, dass ich Sächsin
bin. Und als Stimme des Ostens habe ich mir durchaus auch über
die Fraktionsgrenzen hinweg Gehör
verschafft.“
Christine Scheel, Bündnis
90/Die Grünen
„Gesetze sollen für die Bürger sein. Deshalb geht
es mir darum, sie möglichst lebensnah und nachvollziehbar
auszugestalten. Hier sehe ich auch meine
Einflussmöglichkeiten, nämlich die praktischen Probleme
in die parlamentarische Diskussion einzubringen. So ist mir die
Bekämpfung des Steuerbetrugs ein wichtiges Anliegen, damit
nicht am Ende der Ehrliche der Dumme ist.“
Hubertus Heil, SPD
„Als einzelner Abgeordneter kann man immer das Gefühl
haben, Recht zu haben. Als einzelner Abgeordneter und Mitglied
einer Regierungsfraktion ist es jedoch schöner, auch Recht zu
bekommen. Und wenn man über etwas Erfahrung verfügt, kann
man dabei für die Regelung der Details eine ganze Menge
Gestaltungsfreiheit erreichen.“
Gudrun Kopp, FDP
„Man muss differenzieren zwischen den
Einflussmöglichkeiten, die öffentlich wahrnehmbar sind,
und den Gelegenheiten, die jeder einzelne Abgeordnete doch hinter
den Kulissen hat. Jeder kann durch gute Facharbeit Denkprozesse mit
initiieren – nicht nur in der eigenen Fraktion, sondern auch
in den Ausschüssen des Bundestages.“
Melanie Oßwald,
CDU/CSU
„Im Petitionsausschuss und im Ausschuss für
Menschenrechte geht es meistens um den Kampf für eine gute
Sache – da kann man die Kollegen durchaus für sich
gewinnen und als einzelne Abgeordnete einiges bewirken. Besonders
schön ist es, wenn man mit einem regionalen Thema, das die
Zuständigkeit des Bundes berührt, punkten
kann.“
Thilo Hoppe, Bündnis 90/Die
Grünen
„Im Großen heißt es, dicke Bretter zu bohren und
nicht zu glauben, dass alles direkt beim ersten Anlauf gelingt. Im
Kleinen gibt es große Wirkungsmöglichkeiten. In den
Sprechstunden erfährt der Abgeordnete von vielen Schicksalen
und kann erreichen, dass Behörden Entscheidungen noch einmal
überprüfen – oft zugunsten des
Betroffenen.“
Gitta Connemann,
CDU/CSU
„Meine Erfahrungen bezüglich der
Wirkungsmöglichkeiten sind außerordentlich gut. Es ist
ermutigend, wie man auch als Neuling von der Fraktion bei eigenen
Initiativen unterstützt wird. Als Mitglied der Opposition
musste ich dann erleben, wie mein Antrag von der Mehrheit zuerst
abgelehnt und dann ein Jahr später als eigener
wortwörtlich wieder eingebracht wurde. Wir haben dem
zugestimmt, uns in der Sache also durchsetzen können –
nur Zeit verloren.“
Christel Humme, SPD
„Man kann eine Menge bewirken, wenn man sich Verbündete
sucht und hartnäckig bleibt. Aber man braucht auch eine Menge
Frustrationstoleranz; nicht immer bekommt man gleich die Mehrheit.
Trotzdem macht es Spaß, für die Sache zu kämpfen
– man braucht einen langen Atem, wenn man überzeugen
will.“
Petra Pau, fraktionslos
(PDS)
„Ich bin überrascht, was alles möglich ist. In
meinen Reden will ich nicht nur von Fachleuten, sondern von den
Menschen verstanden werden. Manchmal bin ich noch nicht vom
Rednerpult zurück, da sind schon die ersten Reaktionen durch
E-Mails und Anrufe eingegangen.“