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Talk im Knast:
Ihre
Meinung ist gefragt. Diskutieren Sie auf
www.mitmischen.de mit den
Bundestagsabgeordneten Dieter Wiefelspütz
(SPD) und Roland Gewalt (CDU/CSU) sowie
mit jugendlichen Straftätern über Jugendstrafrecht und
Jugendkriminalität.
Termin: 16. Februar 2005, 17.15 bis 18.00 Uhr
Welches Buch lesen Sie gerade?
Friedbert Pflüger: „Ich lese gerade Mario Vargas Llosas ‚Das Fest des Ziegenbocks’“
Auslandsreisen begleite ich gern durch Lektüre aus der jeweiligen Region. So lese ich anlässlich meiner jüngsten Reise zu politischen Gesprächen nach Lateinamerika „Der General in seinem Labyrinth“ von Gabriel Garcia Marquez. In dem Werk geht es um die letzten Wochen von Simon Bolivar, den in Lateinamerika hochverehrten Anführer der Kolonien im Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien.
Zuvor las ich das vielleicht politischste Buch von Mario Vargas Llosa: „Das Fest des Ziegenbocks“. Llosa erzählt die Geschichte von Rafael Leonidas Trujillo, genannt „der Ziegenbock“, der drei Jahrzehnte als Diktator die Dominikanische Republik blutig und bizarr beherrschte, bis er 1961 einem Attentat zum Opfer fiel. Das idealtypische Wesen der lateinamerikanischen Diktaturen wird dem Leser eindrucksvoll nahe gebracht: die allmähliche Gleichschaltung von Politik, Militär, Kirche und Wirtschaft, die Anwendung von Terror und Folter gegen Andersdenkende, die Privilegierung der gehorsamen Eliten.
Wie kommt es, dass sich Menschen ihrer Freiheit berauben lassen, sich bedingungslos anpassen und sich für Gunsterweisungen des Diktators erniedrigen? Ehrbare Würdenträger beginnen zu zittern, wenn Einladungen ausbleiben. Um nicht in Ungnade zu fallen, bietet der Senator Cabral dem „Ziegenbock“ sogar die eigene, minderjährige Tochter an! Kurz nach dem gelungenen Attentat versagt eine der Schlüsselfiguren des Putsches, der General Román. Der Mut verlässt ihn. Er verrät die Attentäter, teilt aber dennoch ihr Schicksal: einen grausamen Tod. Von der Mehrheit der Dominikaner damals als feige Terroristen gebrandmarkt, dauerte es Jahre, bis man sie als das anzusehen begann, was sie wirklich waren: Helden.
Vargas Llosa zeigt nicht nur die Erbärmlichkeit des Menschen im Angesicht der Diktatur, er zeigt auch den Mut, die Kraft und die Größe des Widerstandes – fernab jeder Idealisierung. Ein Roman, der sich wie ein Thriller liest und gleichzeitig ein einzigartiges historisches Dokument darstellt – was für ein großartiges Werk! Wann endlich erhält Mario Vargas Llosa den Literaturnobelpreis?
Mario Vargas Llosa, Das Fest des Ziegenbocks, Suhrkamp, Frankfurt 2001.
Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen am 08. November 2004
FRIEDBERT PFLÜGER, Jahrgang 1955, gehört seit 1990 dem Bundestag an. Seit 2002 ist er Außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.