> Dossier > Geschichte des Bundestages
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Talk im Knast:
Ihre
Meinung ist gefragt. Diskutieren Sie auf
www.mitmischen.de mit den
Bundestagsabgeordneten Dieter Wiefelspütz
(SPD) und Roland Gewalt (CDU/CSU) sowie
mit jugendlichen Straftätern über Jugendstrafrecht und
Jugendkriminalität.
Termin: 16. Februar 2005, 17.15 bis 18.00 Uhr
Volkstag oder Bundestag
Versammlung, Kammer oder Tag –
jede Zeit gibt ihrem Parlament einen Namen. Es gab
Nationalversammlungen, Reichs- und Bundestage und Volkskammern.
Volkstag hätte unser Parlament beinahe geheißen.
Doch es kam anders.
Für die Bundesversammlung des „Deutschen Bundes“ bürgert sich ab 1815 die Bezeichnung Bundestag ein. Das ist kein Parlament aus gewählten Abgeordneten, sondern ein Kongress von Gesandten aus den im Deutschen Bund zusammengeschlossenen Staaten. Die Mitglieder dieses Bundestages sind bloße Bevollmächtigte und damit weisungsgebunden. Wichtige Entscheidungen kommen nur bei Einstimmigkeit zustande.
Die erste deutsche Volksvertretung geht zwar aus Wahlen hervor, doch von einem gleichen Wahlrecht kann noch keine Rede sein, da nur finanziell unabhängige Männer wählen dürfen. Die insgesamt 809 Mitglieder etablieren schnell parlamentarische Arbeitsformen, wie sie auch heute noch praktiziert werden. Als Kern einer neuen, wegweisenden Staatsverfassung formuliert die Nationalversammlung umfassende „Grundrechte des deutschen Volkes“. Der erste Versuch, Deutschland zu einen und ein parlamentarisches Regierungssystem zu errichten, scheitert jedoch 1849 am Widerstand der Könige und Fürsten in den deutschen Einzelstaaten.
Die 397 Abgeordneten des 1871 mit der Gründung des Deutschen Reiches gebildeten Reichstages gehen zwar aus allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen hervor. Aber nach wie vor dürfen nur die Männer wählen. Ungerechtigkeiten ergeben sich zudem aus der Wahlkreiseinteilung, die wegen der hohen Binnenwanderung zunehmend städtische Wähler benachteiligt. Ursprünglich in seinem Wirken durch Machtstellung von Bundesrat, Reichskanzler und Kaiser stark beeinträchtigt, entwickelt sich der Reichstag immer mehr zum innenpolitischen Machtfaktor.
Die demokratischen Parteien erreichen nach Kriegsende am 19. Januar 1919 die bis dahin demokratischsten Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung. In ihr haben die Befürworter der Demokratie in der „Weimarer Koalition“ eine große Mehrheit. Sie wählen Friedrich Ebert (SPD) zum Reichspräsidenten und verabschieden eine neue Reichsverfassung, die sowohl die Rechte der Bürger als auch des Reichstages stärkt, aber auch das Regieren durch Notverordnungen zulässt.
Intensiv diskutiert der Parlamentarische Rat 1948 und 1949 die Frage, wie der neu zu gründende Staat funktionieren soll. Eher am Rande geht es um den Namen des Parlaments. Die Verfassungsexperten der Länder haben in ihrem Herrenchiemseer Entwurf „Bundestag“ vorgeschlagen. Im Parlamentarischen Rat ist zwischenzeitlich auch vom „Volkstag“ die Rede. Letztlich ist „Bundestag“ weithin unstrittig. An das „Reich“ will die überwältigende Mehrheit nicht anknüpfen. Verwechslungsmöglichkeiten mit dem Bundesrat sind dem Gremium bewusst. Aber im föderativen Aufbau stellt der Bundestag auch sprachlich das Pendant zu den Landtagen dar.
Laut DDR-Verfassung ist die Volkskammer das höchste Organ der DDR. Tatsächlich fallen die Entscheidungen jedoch im Zentralkomitee der SED. Auch gibt es weder innerhalb noch außerhalb des Parlaments eine funktionierende Opposition. Es existieren zwar christliche und liberale Parteien – aber nur als „Blockparteien“. Ab 1968 werden alle Parteien und Massenorganisationen in der „Nationalen Front“ gebündelt; wenn Abgeordnete gegen ihre sozialistischen Pflichten verstoßen, kann ihnen das Mandat entzogen werden. Erst nach der Wende kommt es 1990 zu einer aus freien Wahlen hervorgegangenen Volkskammer.
Text: Gregor Mayntz
Fotos: picture-alliance
Erschienen am 14. Februar 2005