Sexualstraftaten sollen strenger geahndet werden
Berlin: (hib/BES) Sexueller Missbrauch von Kindern und widerstandsunfähigen Personen soll strenger als bisher bestraft werden. Auch wird das Sexualstrafrecht um neue Tatbestände erweitert. Dies sehen Gesetzentwürfe von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (15/350) und CDU/CSU (15/29) vor, die am Mittwochvormittag abschließend im Rechtsausschuss beraten worden sind. Ungeachtet der Annäherung der Positionen nach einer monatelang andauernden Diskussion lehnten die Regierungsfraktionen den Gesetzentwurf der Union ab; die CDU/CSU-Fraktion wies ihrerseits die Vorlage von SPD und Bündnisgrünen zurück. Die Liberalen enthielten sich in beiden Fällen. Abgelehnt wurde auch ein kurzfristig eingebrachter Änderungsantrag der Union zu ihrem Gesetzentwurf. Gegen die Stimmen der Opposition lehnten die Regierungsfraktionen zudem einen weiteren Antrag der Union (15/31) ab, in dem sie die Überprüfung der Wirksamkeit verschiedener Behandlungsmethoden bei inhaftierten Sexualstraftätern fordert.
Einigkeit bestand darin, dass die parlamentarische Diskussion über das brisante Thema, das in der Öffentlichkeit unter dem Eindruck schlimmer Sexualverbrechen zum Teil sehr polemisch debattiert wurde, sachorientiert gewesen sei und mit Gewinn für alle geführt wurde. Im Ergebnis verzichteten die Regierungsfraktionen auf die in ihrem Entwurf ursprünglich geplante Anzeige- und Meldepflicht in Fällen von geplantem sexuellen Kindesmissbrauch. Künftig wird zudem die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch bei gefährlichen Heranwachsenden möglich, wenn der junge Täter zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wird. Der "wesentliche Dissens" wurde jedoch nicht gelöst, betonte ein Regierungsvertreter. So lehnten die Regierungsfraktionen auch in der Neufassung ihres Gesetzentwurfs die wiederholt von der Union geforderte nachträgliche Sicherungsverwahrung als verfassungsrechtlich sehr problematisch ab. Darüber hinaus wollten die Regierungsfraktionen dem Vorschlag der Union nicht folgen, Kindesmissbrauch als Verbrechen zu kennzeichnen. Die CDU/CSU-Fraktion bemängelte ihrerseits ein Defizit der geplanten Neuregelung im Bereich der Behindertenrechte. So seien die Rechte von widerstandsunfähigen Personen nicht genügend berücksichtigt worden. Auch die FDP sprach sich für die Stärkung der Opferrechte aus und begrüßte darüber hinaus sehr, dass die Bundesregierung und die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf die Anzeigepflicht bei geplantem Kindesmissbrauch verzichteten.
Den Gesetzentwurf der Regierung kritisierte der Direktor des Instituts für Kriminologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Professor Arthur Kreuzer. Der Entwurf sei ein weiteres Beispiel dafür, wie durch laufende Ausweitungen und Verschärfungen das Strafrecht als äußerstes staatliches Zwangsinstrument inflationär eingesetzt und damit letztlich geschwächt werde, so Kreuzer in einer schriftlichen Stellungnahme. Für den Kriminologen täuscht der "Wettlauf zwischen Regierung und Opposition" nur ein politisch wirksames, verantwortungsvolles Handeln vor. Kreuzer bezeichnete die Initiativen der Regierung und der Opposition weiter als "Populismus". Eine Verschärfung der Strafandrohungen werde die Überbelegung in den Haftanstalten verschärfen und infolgedessen die Behandlung in Richtung Vorbeugung von Rückfällen verschlechtern. Damit wäre der Sicherheit der Bevölkerung nicht gedient.