Zweifel an der EU-Konformität des Telekommunikationsgesetzes
Berlin: (hib/VOM) Zweifel an der Übereinstimmung des Entwurfs der Bundesregierung für ein Telekommunikationsgesetz (15/2316, 15/2345) mit dem EU-Recht waren in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit am Montagmittag zu vernehmen. So hat vor allem die Initiative Europäischer Netzbetreiber (IEN) gefordert, den Begriff des "funktionsfähigen Wettbewerbs" aus dem Entwurf zu streichen. Der Vertreter der EU-Kommission erinnerte daran, dass in den EU-Richtlinien, die mit dem Gesetz in deutsches Recht umgesetzt werden sollen, lediglich von "wirksamem Wettbewerb" gesprochen werde. Zusätzliche Voraussetzungen oder Einschränkungen wie etwa das Anknüpfen der Marktregulierung an einen "nicht funktionsfähigen Wettbewerb" seien im EU-Rechtsrahmen nicht vorgesehen. Die EU wolle, dass durch nötige und angemessene Regulierung auf den Märkten wirksamer Wettbewerb hergestellt wird, der nicht nur den Marktbeteiligten, sondern auch den Verbrauchern zugute kommt.
Im Mittelpunkt der mehrstündigen Anhörung stand zunächst der Bereich des so genannten Resales. Darunter wird die Verpflichtung für Netzbetreiber verstanden, den Zugang zu bestimmten Diensten zu Großhandelsbedingungen zu gewähren, um Wettbewerbern den Weitervertrieb in eigenem Namen und auf eigene Rechnung zu ermöglichen. Laut Regierungsentwurf "kann" diese Resale-Verpflichtung auferlegt werden. Der Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, Matthias Kurth, stellte dazu fest, dass die Resale-Verpflichtung auf Dienste, wie sie den Endnutzern gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) angeboten werden, künftige Innovationen hemmen und damit die Entwicklung im Telekommunikationssektor beeinträchtigen kann. Kurth empfahl daher, den Hinweis auf die AGB zu streichen, weil das verpflichtete Unternehmen durch Änderung seiner AGB unmittelbar auf die Geschäftstätigkeit der Dienstanbieter Einfluss nehmen könne.
Auch die Deutsche Telekom sah in dem Entwurf die generelle und kaum eingeschränkte Möglichkeit vorgeschrieben, marktbeherrschenden Unternehmen Resale als Zugangsverpflichtung aufzuerlegen. Damit würde den "Resellern" ein Rosinenpicken bei investitionsintensiven Anschlussprodukten erlaubt, ohne dass für sie ein eigenes wirtschaftliches Risiko besteht. Die Resale-Regelung würde bewirken, dass Investitionen in Anschlussnetze gestoppt sowie vorhandene Investitionen und Geschäftsmodelle nachträglich entwertet werden. Der Infrastrukturwettbewerb würde zum Erliegen kommen. Wenn Resale in der "unkonditionierten Form" komme, werde es zu einem reinen Wettbewerb der Vertriebskanäle von Anschlüssen der Telekom kommen. Die Telekom sei nicht gegen Resale, dieses müsse aber konditioniert werden. Mit einem "gebündelten" Resale (Abnahme von Anschlüssen und Verbindungsleistungen) würden Wettbewerber in die Lage versetzt, durch Investitionen eigene höherwertige Produkte auf dem Markt anzubieten.
Professor Christian Kirchner von der Humboldt-Universität Berlin erkannte eine Schieflage, falls Diensteanbieter ohne Infrastruktur mit Konkurrenten in Wettbewerb treten, die mit eigener Infrastruktur auf dem Markt tätig sind. Infrastrukturinvestitionen würden sich daher wegen der regulierungsbedingten Trittbrettfahrereffekte nicht lohnen. Eine Konkretisierung der Resale-Verpflichtung "auf Verbindungsleistungen" und "Anschlüsse in Verbindung mit Verbindungsleistungen" würde dagegen dem EU-Recht gerecht, so Kirchner.