163. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 10. März 2005
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Wolfgang Thierse:
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Zunächst möchte ich den Kollegen Albrecht Feibel und Horst Schmidbauer (Nürnberg), die in den vergangenen Tagen jeweils ihren 65. Geburtstag feiern konnten, nachträglich die besten Glückwünsche des Hauses aussprechen.
Interfraktionell wurde vereinbart, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU: Verhinderung von Gentechnikprojekten
(siehe 162. Sitzung)
ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rita Pawelski, Maria Eichhorn, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Gleichberechtigtes Leben für Frauen und Mädchen aus Migrantenfamilien in Deutschland
– Drucksache 15/5017 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)Auswärtiger Ausschuss InnenausschussRechtsausschuss FinanzausschussAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für Bildung, Forschung und TechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss
ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Frauenpolitik – Gesellschaftlicher Erfolgsfaktor
– Drucksache 15/5032 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)InnenausschussRechtsausschuss FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Bildung, Forschung und TechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss
ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Michael Fuchs, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Kein weiterer Arbeitsplatzabbau – Antidiskriminierungsgesetz zurückziehen
– Drucksache 15/5019 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)InnenausschussRechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
ZP 5 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 22)
Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina Lenke, Dr. Karl Addicks, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik – Verantwortungsvolle Regelungen und Maßnahmen treffen
– Drucksache 15/5034 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)Rechtsausschuss Ausschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
ZP 6 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Haltung der Bundesregierung zu den durch Überschüsse möglichen Beitragssenkungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
Von der Frist für den Beginn der Beratung soll – soweit erforderlich – abgewichen werden.
Außerdem mache ich auf nachträgliche Überweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:
Der in der 160. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Haushaltsausschuss (8. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa
– Drucksachen 15/4900, 15/4939 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung PetitionsausschussAuswärtiger Ausschuss InnenausschussSportausschuss Rechtsausschuss FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeit usschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft VerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für Bildung, Forschung und TechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien
Der in der 157. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Tourismus (19. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Antrag der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Horst Friedrich (Bayreuth), Jürgen Koppelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Seeschifffahrt und Küstenschutz in Deutschland stärken
– Drucksache 15/4847 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)Haushaltsausschuss
Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 e sowie die Zusatzpunkte 2 und 3 auf:
2. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christel Humme, Sabine Bätzing, Ute Berg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Auf dem Weg in ein geschlechtergerechtes Deutschland – Gleichstellung geht alle an
– Drucksache 15/5029 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)InnenausschussRechtsausschuss FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Bildung, Forschung und TechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute Berg, Jörg Tauss, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ursula Sowa, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Frauen in Wissenschaft und Forschung stärken – Chancengleichheit auch als Wettbewerbsfaktor erhöhen
– Drucksache 15/5030 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dagmar Schmidt (Meschede), Karin Kortmann, Sabine Bätzing, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Geschlechtergerechtigkeit bleibt zentrale Voraussetzung für Entwicklung – Zehn Jahre nach der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking
– Drucksache 15/5031 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f)
Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Berichte für die Europäische Kommission zur Umsetzung des Europäischen Sozialfonds in der Bundesrepublik Deutschland – Zeiträume 1994 bis 1999 (Aktualisierung) und 2000 bis 2006 –
hier: Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt
– Drucksache 15/2049 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)InnenausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Bildung, Forschung und TechnikfolgenabschätzungAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (12. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz, Irmgard Karwatzki, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Tatsächliche Gleichberechtigung durchsetzen – Zehn Jahre Novellierung des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes
– Drucksachen 15/4146, 15/5052 –
Berichterstattung:Abgeordnete Christel Humme Hannelore Roedel Irmingard Schewe-Gerigk Ina Lenke
ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rita Pawelski, Maria Eichhorn, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Gleichberechtigtes Leben für Frauen und Mädchen aus Migrantenfamilien in Deutschland
– Drucksache 15/5017 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)Auswärtiger Ausschuss InnenausschussRechtsausschuss FinanzausschussAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für Bildung, Forschung und TechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss
ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Frauenpolitik – Gesellschaftlicher Erfolgsfaktor
– Drucksache 15/5032 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)InnenausschussRechtsausschuss FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Bildung, Forschung und TechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Christel Humme, SPD-Fraktion, das Wort.
Christel Humme (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Frauen haben Höhenangst“ – unter diesem Titel ging „Die Zeit“ in der letzten Woche der Frage nach, warum so wenige Frauen in den Chefetagen der Firmen zu finden sind. 1911, als der erste Internationale Frauentag begangen wurde, forderten die Frauen aus der Arbeiterbewegung ihre Rechte ein. Damals war die weibliche Hälfte der Bevölkerung völlig rechtlos. Heute, 94 Jahre später, sind Frauen nach Art. 3 Grundgesetz rechtlich gleichgestellt. Dennoch hat der Artikel in der „Zeit“ noch einmal deutlich gemacht, dass eine große Lücke zwischen Anspruch und Realität klafft. Darum ist es umso erfreulicher, dass heute alle Parteien in den von ihnen vorgelegten Anträgen dokumentieren, dass sie in der Analyse und in den Zielen einig sind. Wir alle wollen über alle Parteigrenzen hinweg mehr Frauen in Führungspositionen – das kann man dort nachlesen –, Chancengleichheit für Frauen in der Arbeitswelt und Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir alle sind uns offensichtlich einig: Wir wollen den Frauen die Höhenangst nehmen.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, in den sechs Jahren, in denen Rot-Grün jetzt Regierungsverantwortung trägt, wurde frauenpolitisch viel erreicht.
Wir haben die Ziele, die ich gerade genannt habe, konsequent verfolgt und Schritt für Schritt entsprechende Maßnahmen umgesetzt. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Union, behaupten, dass nach unserer Regierungsübernahme im Jahre 1998 auf diesem Gebiet nichts mehr getan worden ist,
dann kann ich dem nur entgegnen, dass Sie wohl in einer völlig anderen Welt leben.
Blicken wir doch einmal kurz zurück: Gender Mainstreaming gilt seit 1999 als durchgängiges Prinzip allen Regierungshandelns. Das Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz für den öffentlichen Dienst des Bundes gilt seit 2002, das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz für die Bundeswehr seit Ende 2004. Damit schaffen wir Chancengleichheit. Wir setzen unser Programm „Frau und Beruf“ von 1999 damit Schritt für Schritt um; denn wir – das ist entscheidend – haben Konzepte, die wir konsequent verfolgen. Diese vermisse ich, auch wenn wir uns in den Zielen einig sind, in Ihren Anträgen völlig. Das muss ich leider sagen.
– Doch, ich habe sie gelesen, Frau Lenke. Das ist ja das Schlimme.
Das Gleiche gilt für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Was haben wir erreicht? Flexibilisierung der Elternzeit 2001, Anspruch auf Teilzeit 2002, 4 Milliarden Euro für das Ganztagsschulprogramm 2003, Ausbau der Tagesbetreuung für unter Dreijährige 2004.
Auch hier gilt für uns: konsequente Umsetzung eines guten Konzepts, das ich bei Ihnen wiederum sehr vermisse.
– Frau Lenke, ein Zwischenruf nach dem Motto „Laut hilft“ ist kein Argument.
Mit dem Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt an Frauen hat die Bundesregierung 1999 erstmals ein Gesamtkonzept für alle Ebenen der Gewaltbekämpfung vorgelegt. Auch dieses Konzept setzen wir Schritt für Schritt um. Mit dem Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt von 2002 stärken wir Frauen und Kinder, die noch immer typische Opfer von Gewalt in der Familie werden. Wir gewähren von Menschenhandel betroffenen Frauen mit einer Änderung des Strafrechts verstärkten rechtlichen Schutz. Zwangsheirat wird als besonders schwerer Fall der Nötigung bestraft.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, Sie sehen, wir haben die sechs Regierungsjahre konsequent genutzt, um die Situation der Frauen zu verbessern. Wir haben in dieser Zeit mehr für die Frauen erreicht als Sie von der Opposition in all den Jahren zuvor; das muss man konstatieren.
Aber zur Ehrlichkeit gehört auch: Wir haben viel geschafft, aber eben noch nicht alles erreicht. Dafür waren die sechs Jahre im Vergleich zu den 94 Jahren zuvor etwas zu kurz. Wir arbeiten daran, unser Konzept zur Chancengleichheit und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiterzuentwickeln; darauf können sich die Frauen in der Bundesrepublik verlassen.
Denn immer wieder müssen wir erfahren, dass Frauen besonders häufig von Diskriminierung und Benachteiligung am Arbeitsplatz betroffen sind. Auf sich allein gestellt, scheuen sie häufig, sich zur Wehr zu setzen. Mit unserem Antidiskriminierungsgesetz stärken wir ihnen den Rücken. Wir möchten damit aber auch Mentalitäten ändern und für eine andere Unternehmenskultur werben. Deshalb freue ich mich, dass der Deutsche Frauenrat, der Deutsche Juristinnenbund und der DGB die Ziele des Antidiskriminierungsgesetzes in der Anhörung am letzten Montag so deutlich unterstützt haben.
Leider habe ich eine frauenpolitische Position der CDU/CSU in der Anhörung sehr vermisst.
Dabei fordern Sie, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, doch von der Bundesregierung – ich zitiere aus Ihrem Antrag –,
auf die Beseitigung bestehender struktureller Nachteile von Frauen gegenüber Männern hinzuwirken, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt.
Wenn Ihnen an dieser Stelle unsere Antwort, nämlich das Antidiskriminierungsgesetz, nicht passt,
wie wollen Sie denn dann strukturelle Benachteiligung bekämpfen? Sie müssen schon sagen, wie Sie etwas erreichen wollen, sonst sage ich Ihnen: Sie sind nicht regierungsfähig.
– Das passt Ihnen nicht, das verstehe ich; aber Wahrheit ist Wahrheit.
Wenn ich all die Anträge, die heute auf dem Tisch liegen, vergleiche, dann fällt mir auf, dass wir mittlerweile, nach sechs Jahren, doch einiges erreicht haben. Alle Parteien haben nämlich anerkannt, dass Gender Mainstreaming ein wichtiges Ziel ist.
– Frau Lenke, gerade Sie dürften diesen Zwischenruf jetzt nicht machen; denn ich erinnere mich: Vor fünf Jahren war das für Sie noch kein Thema.
– Frau Lenke, ich fahre jetzt erst einmal fort.
– Wenn Sie eine Frage stellen wollen, können Sie das am Ende meiner Rede tun; Zwischenrufe helfen nicht weiter.
In den letzten sechs Jahren war das in der Tat nicht immer so. Mittlerweile aber wollen wir alle, dass jede Maßnahme daraufhin überprüft wird, welche Wirkung sie auf Männer und Frauen hat. Sehen wir uns einige konkrete Maßnahmen an. Meine Damen und Herren von der Union, Sie bieten uns zurzeit etwas Nettes an, nämlich den Pakt für Deutschland. Lassen Sie uns doch einmal schauen, wie sich der Pakt für Deutschland gender-mainstreaming-mäßig auswirkt.
Sie fordern in Ihrem Antrag zum Beispiel – da müssen Sie sich in Ihrer Fraktion schon einig sein, ob Sie diesen Antrag unterstützen oder nicht –,
den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 5 Prozent zu senken. Das würde für die Bundesagentur für Arbeit eine Mittelkürzung von 12 Milliarden Euro bedeuten.
Sie müssen aber auch ins Kalkül nehmen, was das gleichzeitig bedeutet: Damit werden nämlich wichtige arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, von denen auch Frauen profitieren, deutlich zurückgefahren.
Wie passt das mit Ihrer Forderung, Berufsrückkehrerinnen zu fördern, zusammen?
Ich sage Ihnen: Ihnen fehlt ein schlüssiges Konzept. Daher bleibe ich dabei: Sie sind nicht regierungsfähig.
Ich bin froh, dass wir an der Regierung sind und dass wir unsere guten und schlüssigen Konzepte, die die Frauen brauchen, weiterentwickeln und fortsetzen können.
Schönen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Hannelore Roedel, CDU/CSU-Fraktion.
Hannelore Roedel (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einem Zitat der SPD-Europaabgeordneten Lissy Gröner vom 28. Februar dieses Jahres in New York:
In Deutschland ist der gleichstellungspolitische Fortschritt eine Schnecke.
Wo die Kollegin Recht hat, hat sie Recht.
Zehn Jahre nach Peking und der Novellierung des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes gilt es heute, Bilanz zu ziehen. Wie steht es um die Frauenpolitik von Rot-Grün? Tatsache ist: Die Situation von Frauen hat sich seit der Regierungsübernahme von Rot-Grün nicht verbessert.
Hierzu nenne ich gerne Zahlen:
Nach wie vor verdienen Frauen bei gleichwertiger Arbeit durchschnittlich 30 Prozent weniger als Männer.
Trotz bester Bildungsabschlüsse sind Frauen in Wissenschaft und Forschung weiterhin unterrepräsentiert und lediglich 13 Prozent der Professuren in weiblicher Hand. An den außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist sogar nur jede 20. Führungskraft weiblich. In den wesentlichen Gremien im Einflussbereich des Bundes – Sie hätten es eigentlich in der Hand, dies zu ändern – liegt der Frauenanteil bei nur 16 Prozent.
Bedrückend ist die Situation allein erziehender Frauen in diesem Lande. Sie verdienen durchschnittlich nur halb so viel wie Paare mit Kindern. Über ein Drittel lebt unterhalb der Armutsgrenze.
Von der Bundesregierung wurden viele wohlklingende Aktionsprogramme mit honorigen Zielen gestartet. Auch haben Sie richtigerweise erkannt, dass Maßnahmen zur Erleichterung von Arbeits- und Familienleben von entscheidender Bedeutung für die Realisierung von Chancengleichheit sind. Doch wie sieht denn die Lebenswirklichkeit von Frauen heute aus? Ich glaube, Sie sind sich darüber nicht im Klaren.
Sie leisten zwar mit Programmen eine Anschubsfinanzierung für Ganztagsschulen. Aber was ist die Folge? Länder und Kommunen bleiben auf den Folgekosten in voller Höhe sitzen.
Mit Ihrer Politik haben Sie den Kommunen die finanzielle Grundlage entzogen.
Ähnliches gilt für das Tagesbetreuungsausbaugesetz. Auch hier wurde die Finanzierung von Ihnen bis heute nicht sichergestellt.
Länder und Kommunen werden angesichts ihrer angespannten Haushaltslage Probleme haben, die Kosten zu tragen. Die Bundesregierung stiehlt sich auch hier aus ihrer Verantwortung.
Aber nicht nur in Ihren halbherzigen Programmen, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, liegen die Ursachen für den Stillstand in der Gleichstellungspolitik, sondern vor allem in der seit sechs Jahren von Ihnen betriebenen falschen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.
Angesichts von 5,2 Millionen Arbeitslosen ist es für Frauen schwerer denn je, überhaupt eine Arbeitsstelle zu finden. Nichts gefährdet die Realisierung der Gleichberechtigung mehr als die fehlende Perspektive auf einen Job.
In Zeiten der Massenarbeitslosigkeit ist es eine Brüskierung von Arbeitslosen, dass mit laxen Regeln der Visavergabe die Tore für Zehntausende von Schwarzarbeitern geöffnet wurden. Wie wollen Sie diese Praxis zum Beispiel vor einer Frau rechtfertigen, die ihren Job durch den Volmer-Erlass an eine „legal“ eingereiste Ukrainerin verloren hat?
Sorgen muss uns insbesondere die Situation von Frauen mit Migrationshintergrund bereiten. Das höhere Risiko, von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, ist vielfach auf geringere Bildungs- und Ausbildungsbeteiligungen infolge traditioneller Familienstrukturen zurückzuführen. Aber letztendlich liegt die Ursache dafür ebenfalls in der schlechten Arbeitsmarktsituation, die Sie verschuldet haben.
Da Sie von Gender Mainstreaming reden: Gerade auf dem Arbeitsmarkt nutzt die Implementierung von immer neuen Gender-Mainstreaming-Regelungen nichts, wenn Sie mit immer neuen Maßnahmen und Gesetzen die Wirkung dieser Regelungen konterkarieren. Es ist eben ein Irrweg, zu glauben, dass mit einem Übermaß an Bürokratie und Dirigismus auf dem Arbeitsmarkt Positives für Frauen erreicht werden kann.
Aktuellstes Beispiel ist das Antidiskriminierungsgesetz – ein unausgegorener Gesetzentwurf. Selbstverständlich treten auch wir dafür ein, die europarechtlichen Vorgaben umzusetzen.
Aber das, was Sie uns vorgelegt haben, stellt einen Gipfel an Bürokratie dar und wird nicht dazu beitragen, dass mehr Arbeitsplätze in diesem Land entstehen.
Um die Lage der Frauen zu verbessern, müssen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik endlich die notwendigen Schritte eingeleitet werden. Von entscheidender Bedeutung hierfür sind Maßnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten, Steuervereinfachungen und -entlastungen vor allem für den Mittelstand sowie der Abbau von Überregulierungen auf dem Arbeitsmarkt.
Wir heben in unserem Antrag hervor, dass Frauenpolitik als Querschnittsaufgabe in Deutschland auch künftig einen hohen Stellenwert einnehmen muss. Um dem Wunsch jüngerer Frauen, Familie und Beruf miteinander zu verbinden, nachzukommen, stellen die Bemühungen um eine nachhaltige Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf den Kern für eine erfolgreiche Frauenpolitik dar. Gemeinsam mit den Unternehmen in diesem Land wollen auch wir auf eine frauen- und familienfreundliche Ausgestaltung der Arbeitswelt hinwirken.
In diesem Zusammenhang muss alles dafür getan werden, dass Frauen nach der Phase der Familientätigkeit Perspektiven für den beruflichen Wiedereinstieg haben.
Handlungsbedarf besteht auch im Hinblick auf junge Mädchen, deren Berufsziele vielfach noch die typischen Frauenberufe sind. Deshalb muss bereits in der Grundschule das Interesse der Mädchen an männertypischen Berufen in Naturwissenschaft und Technik geweckt werden; denn nur so besteht die Chance, die Spaltung des Arbeitsmarktes in relativ gut bezahlte Männerberufe und in die schlechter bezahlte Frauenbranche zu überwinden.
Frau Kollegin Schewe-Gerigk, Sie haben gestern die Beteiligung Ihrer Fraktion am Girls’ Day betont und dabei die Frage aufgeworfen, wann die erste Frau die Männerdomäne „Bundeskanzler“ erobert. Dazu kann ich Ihnen sagen: Vergessen Sie all Ihre zeitraubenden und erfolglosen Programme, die Frauen in Männerberufe bringen sollen! Wählen Sie die Union und Angela Merkel und Sie haben 2006 eine Frau in einem typischen Männerberuf!
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, in der heutigen Debatte darf es aber nicht nur um die Gleichstellung gehen, sondern auch um Frauenrechte als Menschenrechte. Frauenhandel und Zwangsprostitution sind besonders widerwärtige Formen der organisierten Kriminalität. Dazu höre ich von Ihnen leider sehr wenig. Es ist ein ausgesprochener Skandal, dass die Spitze des Auswärtigen Amtes Menschenhändlern und Zuhältern ihr schmutziges Geschäft dadurch erleichtert, dass sie Einreisevisa nach dem Motto „in dubio pro libertate“ vergab. Hier wurden falsch verstandene Vorstellungen von Weltoffenheit de facto höher bewertet als die gerade von grüner Seite immer wieder beschworenen Menschenrechte.
Abschließend möchte ich mich kurz einem Problem zuwenden, das wir gerade heute nicht aus den Augen verlieren dürfen. Im Hinblick auf die in Deutschland lebenden Muslimas dürfen wir nicht akzeptieren, dass sich in diesem Land Parallelgesellschaften entwickeln, in denen patriarchalische Ehr- und Moralvorstellungen über die im Grundgesetz verankerten Frauen- und Menschenrechte gestellt werden.
So genannte Ehrenmorde – in Wirklichkeit heimtückische Morde – sind unerträglich.
Die in Art. 3 des Grundgesetzes verankerte Gleichberechtigung gilt für alle in diesem Lande lebenden Menschen. Daher dürfen wir niemanden unter dem Deckmantel der Toleranz in Parallelgesellschaften mitten unter uns allein lassen; meine Kollegin Rita Pawelski wird dies noch ausführen.
Ihre oft von uns eingeforderte Solidarität können Sie heute ganz einfach unter Beweis stellen: indem Sie unserem Antrag zustimmen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Guten Morgen, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zehn Jahre Grundgesetzänderung und der Internationale Frauentag haben alle Fraktionen beflügelt, Forderungen zum Thema Gleichstellung vorzulegen. Einzig die FDP hat es geschafft, vier Seiten ohne einen einzigen konkreten Vorschlag zu bedrucken. Aber das passt irgendwie. Sie begnügen sich mit Klamauk.
Ich will dazu zwei Beispiele nennen, Kollegin Lenke: Ihr Kollege Bahr setzt in die Welt, dass die falschen Frauen Kinder bekommen. Ich frage mich: Wen meint er denn wohl damit? Meint er vielleicht seine Kollegin Koch-Mehrin, die ihren nackten Babybauch zum Fotoshooting präsentiert?
Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen rät den alten Menschen, endlich den Löffel abzugeben.
Sie sehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Die FDP kann man getrost vergessen.
Nun zu den Anträgen der CDU/CSU. Frau Kollegin Roedel, ich hatte eigentlich eine andere Rede vorbereitet. Aber nach dem, was Sie hier zum Besten gegeben haben, muss ich mein Manuskript leider zur Seite legen. Sie haben allen Ernstes behauptet, die großen Erfolge in der Frauenpolitik habe die CDU/CSU bis 1998 zu verbuchen und seit unserer Regierungsübernahme herrsche hier Stagnation. Ich denke nicht, dass Sie das wirklich glauben; Sie lächeln ja auch so.
Wissen Sie eigentlich nicht, warum Sie 1998 abgewählt wurden? Wir hatten im Bereich der Frauenpolitik alle Hände voll zu tun, weil Sie Ihre Hände jahrelang in den Schoß gelegt hatten.
Wir haben nicht nur Gesetze aufgelegt und verabschiedet, sondern auch die frauenpolitische Wirklichkeit in Deutschland verändert.
Ich nenne Ihnen einmal die Fakten, Frau Roedel: Seit der Verabschiedung des Bundesgleichstellungsgesetzes steigt die Zahl von Frauen in Leitungspositionen. In vielen Ministerien wurden mehr Frauen als Männer befördert. Das Justizministerium zum Beispiel hat zwei Drittel Frauen und ein Drittel Männer befördert. Im Auswärtigen Amt wurden in den letzten Jahren zu 70 Prozent Frauen eingestellt. Dank unserer Anstrengungen im Wissenschafts- und Forschungsbereich stieg der Anteil der Frauen bei den Professuren von 1998 bis heute von 9 auf 13 Prozent. Das ist noch zu wenig. Sie können aber doch nicht sagen, es sei nichts passiert.
Durch das Elternzeitgesetz verbesserte sich der Anteil der Väter, die Elternzeit in Anspruch nahmen, von 1,5 – das ist eine homöopathische Dosis – auf immerhin 5 Prozent. Ich frage mich, warum Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Wir werden auf jeden Fall nicht zulassen, dass Sie solche Schauermärchen verbreiten und die Öffentlichkeit täuschen.
Ich will nicht verhehlen, dass es noch genug zu tun gibt, gerade in der Privatwirtschaft. Weibliche Führungskräfte, Nachwuchsförderung, gleicher Lohn – Fehlanzeige. Die Vereinbarung mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft war ein Flop; das muss man sagen. Aber wie sollte es auch anders sein, wenn noch nicht einmal die Hälfte aller Betriebe etwas von der Existenz dieser Vereinbarung weiß? Darum brauchen wir ein Bündnis für Chancengleichheit, ähnlich dem von der Ministerin Renate Schmidt initiierten Bündnis für Familie. Die Frauen wollen nicht darauf warten, aufgrund mangelnden männlichen Nachwuchses in einer alternden Gesellschaft notgedrungen auf die Chefsessel gelassen zu werden.
Die Union beschäftigt sich nun auch mit der Situation der Frauen mit Migrationshintergrund. Na endlich, kann ich da nur sagen. Willkommen in der Gegenwart! Opposition tut Ihnen offensichtlich gut.
Während Ihrer Regierungszeit hatten ausländische Ehefrauen, die weniger als zwei Jahre in Deutschland verheiratet waren und aufgrund von Gewalt in ein Frauenhaus flüchteten, zwei Möglichkeiten: Entweder sie wurden abgeschoben oder sie mussten sich der Prügel durch ihren Mann weitere zwei Jahre aussetzen, bevor sie ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhielten. Wir haben das geändert, entgegen Ihrem Widerstand.
Auch von geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgrund wollten Sie nichts wissen. Natürlich müssen wir die Migrantinnen in Deutschland schützen. Das Thema Zwangsprostitution mit der erleichterten Visapraxis zu verbinden, Frau Roedel, das eignet sich hier wirklich nicht. Die Zahlen belegen, dass auch nach dem veränderten Erlass aus der Ukraine nicht mehr Kriminalität und Zwangsprostitution zu verzeichnen sind.
Nehmen Sie die Zahlen einfach zur Kenntnis!
– Hören Sie doch einmal zu, anstatt zu schreien!
Im letzten Monat wurde als sechstes Opfer in vier Monaten in Berlin die Deutschtürkin Hatun Sürücü – vermutlich durch ihre eigenen Brüder – erschossen. Ihr „Verbrechen“ war, dass sie sich dagegen wehrte, dass ihre Familie Kontrolle über ihre Lebensweise, ihren Körper und die Wahl ihres Ehemannes ausübte. Dafür musste sie sterben.
– Stellen Sie doch einmal eine Frage! Das verlängert meine Redezeit.
Hier nützen aber keine strafrechtlichen Verschärfungen; denn Mord ist Mord. Hilfe und Aufklärung sind angesagt.
Herr Präsident, so kann ich nicht reden.
Im Falle der Zwangsverheiratung war es allerdings nötig, das ausdrückliche Verbot in das Strafgesetzbuch aufzunehmen. Das haben wir getan. Ihre Forderung ist also unnötig. Viel wichtiger aber ist, dass die aus Deutschland in das Ausland verbrachten zwangsverheirateten Frauen ein Rückkehrrecht nach Deutschland haben, und das auch später als nach sechs Monaten.
Da sind Sie gefragt, verehrte Kolleginnen von der Union. Hier können Sie etwas tun. Denn eines geht nicht an: Sie können nicht hier im Bundestag Krokodilstränen über die Situation der Frauen vergießen, aber im Bundesrat alles verhindern, was den betroffenen Frauen hilft, ein Aufenthaltsrecht zu bekommen.
Wir müssen aber auch die Diskussion mit den Migrantinnen und Migranten führen. Es kann nicht sein, dass junge türkische Männer in aller Öffentlichkeit einen solchen Mord gutheißen. Es kann auch nicht sein, dass Mädchen von Mitschülern oder Brüdern bedroht werden, wenn sie kein Kopftuch tragen. Notwendig ist eine selbstkritische Diskussion in den Migrantencommunities.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eines anmerken: In den Anträgen sind einige Punkte enthalten, die wir nur gemeinsam durchsetzen können.
Ja, die FDP hat doch noch nichts Schriftliches vorgelegt. Darin haben wir durchaus Erfahrung, zum Beispiel beim § 177 StGB oder den Unisex-Tarifen. Das wäre sowohl für den Internationalen Frauentag als auch für das zehnjährige Jubiläum des Staatsziels Gleichstellung im Grundgesetz ein positives Signal.
Ich danke Ihnen recht herzlich.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile Kollegin Ina Lenke, FDP-Fraktion, das Wort.
Ina Lenke (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass das Schauspiel, das wir heute anlässlich der Debatte des Internationalen Frauentags aufführen, gegen uns spricht.
Ich werde keine solche populistische Rede halten, wie wir sie von den Abgeordneten auf der linken Seite gehört haben.
Die Frauen erwarten kein Schauspiel. Sie erwarten vielmehr am Internationalen Frauentag Solidarität mit all denen, denen wir aus dem Bundestag heraus helfen müssen. Dieses Schauspiel ist des Internationalen Frauentags unwürdig.
Wir und andere haben den Internationalen Frauentag gefeiert. Aber es stellt sich auch die Frage, ob wir mit dem, was die Frauen in Deutschland erreicht haben, zufrieden sein können. Ist das, was uns Frau Humme und andere heute vorgetragen haben, wirklich der Maßstab? Ich denke, wir sollten uns in Sachen Gleichstellung an den fortschrittlichsten Ländern messen.
Aber auch am Internationalen Frauentag müssen wir die Länder im Blick haben, in denen die Gleichstellung noch meilenweit entfernt ist. Wir müssen uns bewusst sein, dass in einigen Ländern der Erde Mädchen und Frauen noch nicht einmal elementare Menschenrechte gewährt werden. Viele leben in patriarchalischer Unterdrückung. Wir haben erlebt, dass auch Türkinnen in Deutschland davon betroffen sind.
In einigen Ländern der Erde haben Frauen keine politischen Mitspracherechte, keine ausreichende Gesundheitsversorgung und keine Bildungschancen. Es ist die Pflicht zuallererst der Bundesregierung, aber auch der Bundestagsfraktionen, sich entschieden für die Durchsetzung der Frauenrechte in allen Teilen dieser Welt einzusetzen.
Ich will aber an dieser Stelle auf die Situation von Frauen in Deutschland zurückkommen. Die Fakten zeigen doch, dass wir Frauen meilenweit von echter Teilhabe und Chancengleichheit entfernt sind. Dass Sie alle Maßnahmen im Rahmen der Frauenpolitik vor 1998, die Sie heute aufgezählt haben, diskriminiert haben, zeigt, dass es Ihnen in diesem Bereich um Parteipolitik geht statt um eine gemeinsame Politik, die – auch im Sinne von Gender Mainstreaming – mehr für die Frauen erreicht.
Wir Frauen tragen nämlich sehr viel zu dieser Gesellschaft bei. Wir erwirtschaften große Teile des Bruttosozialprodukts. Wir tragen wesentlich zum Steueraufkommen bei und leisten Erhebliches für unser soziales Versicherungssystem. Auch all das, was die Frauen in Familien und für ihre älteren Mitbürger tun und was sie ehrenamtlich leisten, hätte heute von Ihnen angesprochen werden müssen. Hier gibt es aber nur Streit und das bedaure ich außerordentlich.
Das Potenzial von Frauen ist – das wissen wir alle – in Bezug auf Erwerbstätigkeit noch längst nicht ausgeschöpft. Aber woran liegt es, dass trotz besserer Bildungsabschlüsse Frauen in der Wirtschaft selten gut dotierte Positionen einnehmen? Der Frauenanteil an Managementpositionen in Deutschland ist seit 1998 kaum gestiegen, liebe Kolleginnen von der linken Seite. Er liegt immer noch bei 28 Prozent.
Auf der höchsten Entscheidungsebene der 50 größten börsennotierten Unternehmen findet sich in Deutschland keine einzige Frau als Präsidentin und Vorstandsvorsitzende.
Unterhalb dieser Ebene liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 12 Prozent. In Norwegen und Schweden ist er doppelt so hoch.
20 Prozent der Mitglieder der obersten Gerichtshöfe in Deutschland sind Frauen. In anderen EU-Staaten ist der Frauenanteil in diesem Bereich deutlich höher. Wiederum in Norwegen ist er doppelt so hoch wie bei uns. Bei den Professoren – das hat die Kollegin von der CDU schon angesprochen – ist der Anteil der Frauen noch beschämender. Er beträgt weniger als 10 Prozent. Damit belegt Deutschland innerhalb der EU den viertletzten Platz.
Einer der Gründe für diese typisch deutsche Misere sind die schlechten Rahmenbedingungen für Frauen. Das ist zwar ein alter Hut, aber ich sage ganz deutlich: Rot-Grün hat in diesem Bereich bislang keine Erfolge verzeichnen können. Zu diesen schlechten Rahmenbedingungen gehört vor allem das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit. Hier hat die Bundesregierung die Situation nicht verbessern können.
Der Betrag von 1,4 Milliarden Euro, den Sie angesprochen haben, ist ein Wolkenkuckucksheim.
Mir wurde von Ihnen noch keine Berechnung vorgelegt, in der Sie nachweisen können, dass den Gemeinden 1,4 Milliarden Euro für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren zur Verfügung stehen.
In unserem Antrag „Frauenpolitik – Gesellschaftlicher Erfolgsfaktor“ – Frau Schewe-Gerigk, das sage ich Ihnen, weil Sie ihn nicht gelesen haben –
fordern wir von der Bundesregierung erstens die Beseitigung bestehender Barrieren und Benachteiligungen, die der faktischen Gleichberechtigung entgegenstehen. In diesem Zusammenhang komme ich noch einmal auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sprechen; denn hierbei geht es auch darum, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Väter zu gewährleisten. Nicht nur Frauen haben das Recht auf ein Leben mit Kindern, sondern auch Väter müssen die Chance haben, ohne Diskriminierung in ihrer Firma und ihrem gesellschaftlichen Umfeld Kinder zu erziehen.
Wenn sich ein Vater für einige Zeit der Kindererziehung widmet, wird er noch immer mit Misstrauen betrachtet, nicht aber, wie es angebracht wäre, hoch gelobt.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann nur durch den Ausbau der Kinderbetreuung, auf den wir warten,
verbunden mit gesellschaftlicher Akzeptanz und der verbesserten Betreuung unter dreijähriger Kinder gewährleistet werden.
Die FDP fordert von der Bundesregierung zweitens – das ist der wichtigste Punkt –, die existenzsichernde Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt voranzutreiben.
Meine Damen und Herren, das geschieht angesichts von 5 Millionen Arbeitslosen nicht. Was wir brauchen, ist eine kluge Wirtschaftspolitik und die Beseitigung von Fehlanreizen in Steuer- und Transfersystemen, zum Beispiel den Wegfall der Steuerklasse V,
die Sie Ihren Anträgen zufolge beibehalten wollen. Wir haben diesen Vorschlag in den Bundestag eingebracht, Sie aber lehnen ihn ab. Wir wollen also die Beseitigung von Fehlanreizen in Steuer- und Transfersystemen. Darüber hinaus fordern wir von Ihnen eine bessere Arbeitsmarktpolitik und den Abbau der hohen Regulierungsdichte auf dem Arbeitsmarkt.
Drittens fordert die FDP die Tarifpartner auf, die bestehenden Arbeitsbewertungssysteme und ihre Anwendung auf diskriminierende Mechanismen zu untersuchen. Die Beseitigung der Unterbewertung frauendominierter Tätigkeiten und der Überbewertung männerdominierter Tätigkeiten in Gehaltstarifen ist die Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeitgebern, auch und gerade im öffentlichen Dienst. Das sind einige wichtige Forderungen, die wir in unserem Antrag stellen.
Frau Schewe-Gerigk, als Opposition haben wir die Regierung kritisch zu begleiten und selbst Vorschläge zu machen. Wenn Sie sich die Anträge, die die FDP-Fraktion in der letzten und in dieser Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht hat, ansehen, stellen Sie fest, dass auch wir Frauenpolitik machen – allerdings auf eine andere Weise als Sie.
Zum Schluss eine persönliche Anmerkung. Liebe Kollegen und Kolleginnen, Frauenpolitikerinnen haben in keiner Fraktion einen leichten Stand. Dieser Politikbereich hat nicht die Priorität, die er verdient. Deshalb ist unser Antrag, in dem die Defizite dieser Regierung nach sechsjähriger Amtszeit angesprochen werden, so zu verstehen, dass wir damit die Kräfte in der Koalition stärken wollen, die sich für Gender Mainstreaming, also für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, einsetzen. Auf meinem Sprechzettel habe ich folgenden Schlusssatz notiert: Lassen Sie uns heute nicht im Streit enden,
sondern das Ziel verfolgen, für Männer und Frauen Rahmenbedingungen zu schaffen, die uns allen gut tun.
Vielen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Renate Gradistanac, SPD-Fraktion.
Renate Gradistanac (SPD):
Guten Morgen, Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Internationale Frauentag 2005 bietet die Möglichkeit für eine gleichstellungspolitische Halbzeitbilanz – ich beziehe mich nur auf die 15. Legislaturperiode – der Gleichstellungspolitik als Querschnittsaufgabe mit der Strategie des Gender Mainstreaming. Seit Jahrzehnten fordert die Frauenbewegung mit ihren Frauenverbänden, dass Frauen sich nicht zwischen Familie und Beruf entscheiden müssen, sondern dass sie wie Männer Familie und Beruf ganz selbstverständlich miteinander vereinbaren können.
Was für Frauen in anderen EU-Ländern wie zum Beispiel in Frankreich und in Schweden längst Realität ist, nämlich eine verlässliche und umfassende Kinderbetreuung, war in Deutschland lange Zeit undenkbar. Durch unser 4-Milliarden-Euro-Ganztagsschulprogramm
und das Tagesbetreuungsausbaugesetz für unter Dreijährige wurde zu meiner großen Freude in meinem konservativen Schwarzwald ein fruchtbarer Gärungsprozess ausgelöst, der erste Früchte trägt.
Wenn man bedenkt, dass Bildung und Betreuung originäre Aufgaben der Länder und Kommunen sind, ist es umso erfreulicher, dass es der SPD-geführten Bundesregierung gelungen ist, diesen gesellschaftlichen Wandel anzustoßen.
Klar war dabei immer, dass wir auf diesem harten und steinigen Weg vielfältige und zuverlässige Partner brauchen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lenke?
Renate Gradistanac (SPD):
Nein. Wir wollten doch in Ruhe weitermachen. – Die strategische Kooperation zwischen den Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften ist zwingend notwendig, um die Vereinbarkeit von Familie und Arbeitswelt zu verbessern.
Bundesministerin Renate Schmidt hat den guten Ansatz aufgegriffen und das Projekt „Allianz für Familien“ begründet.
Vor Ort haben sich inzwischen 129 „lokale Bündnisse für Familien“ entwickelt, denen sich 17 Millionen Menschen angeschlossen haben. Angebote zur flexiblen Kinderbetreuung und zum beruflichen Wiedereinstieg sind Beispiele für Aktivitäten, mit denen lokale Bündnisse in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ganz konkret vor Ort die beruflichen und familiären Möglichkeiten von Frauen verbessern.
Beim Unternehmenswettbewerb „Erfolgsfaktor Familie 2005“ hat sich aus meiner Heimat die Firma Bauser für die Endrunde qualifiziert. Ich gehe davon aus, dass Sie sich alle mit mir darüber freuen, dass diese beispielhafte Unternehmensphilosophie Raum greift.
Ich wünsche mir sehr, dass es nicht immer heißt, Wirtschaft zuerst und somit Frauenrechte als Luxus für bessere Zeiten aufgespart werden, sondern ich schließe mich hier den Worten von Frau Widmann-Mauz – das wird sie sicher erschrecken –, der Vorsitzenden der Gruppe der Frauen in der CDU, ausdrücklich an. Sie sagte: Heute und in Zukunft werden die Unternehmen in Deutschland, insbesondere angesichts der demographischen Entwicklung, nicht mehr auf die überdurchschnittlich gut ausgebildeten Frauen in Deutschland verzichten können.
Meine Damen und Herren, trotz aller positiven Entwicklungen ist Deutschland auch in der Arbeitswelt leider immer noch keine diskriminierungsfreie Zone. Zum Beispiel sind die Lohnunterschiede – das beklagen wir alle – noch immer gravierend.
Bei Vollzeiterwerbstätigkeit verdienen Frauen noch immer bis zu 30 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
Mit unserem Antidiskriminierungsgesetz
haben Frauen in Zukunft eine wirkungsvollere Handhabe
gegen Benachteiligungen und Diskriminierungen, zum Beispiel in der Arbeitswelt.
Die Tarifvertragsparteien – Arbeitgeber, Beschäftigte und Betriebsräte – sind gefordert, aktiv eine Antidiskriminierungskultur zu entwickeln.
Daimler-Chrysler geht hier mit einer sehr guten Handreichung beispielhaft voran. Wie wichtig dieses Gesetz ist, hat die anspruchsvolle Anhörung diese Woche zum Antidiskriminierungsgesetz gezeigt.
Die wertvollen Anregungen werden wir zum Teil einarbeiten.
Ich danke Ihnen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Rita Pawelski, CDU/CSU-Fraktion.
Rita Pawelski (CDU/CSU):
Guten Morgen, Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Deutschland leben 3,4 Millionen Frauen, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind. Viele von ihnen sind in unser Land gekommen, um bei uns in Freiheit zu leben, in Freiheit, die ihnen in ihrer Heimat verwehrt wurde: Sie wollten leben ohne Angst vor Repressalien des Staates, der Religionsgemeinschaften oder der Familienclans. Bei uns, in ihrer neuen Heimat, schützt sie das Grundgesetz: Es sichert ihnen unveräußerliche Rechte zu wie die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Meinungsfreiheit – und auch die Gleichberechtigung.
Aber von diesen Rechten können trotz Grundgesetz viele dieser Frauen nur träumen. Wir haben aus falsch verstandener Toleranz ignoriert, dass viele Migrantinnen in unserem Land in Unfreiheit, in Angst leben.
Wir haben Themen wie Ehrenmorde oder Zwangsheiraten leichtfertig unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit oder unter „fremde Kulturen“ verschwinden lassen. Wir haben toleriert, dass mitten unter uns die Rechte von Frauen mit Füßen getreten werden.
Nun ist so mancher ideologischer Luftballon zerplatzt. Die Schriftstellerin Necla Kelek schrieb sogar: Der Traum von Multikulti ist verantwortungslos. Die Anwältin Seyran Ates sieht bei der Regierung – ich zitiere –
eine unglaubliche Angst, kulturelle Minderheiten an den Grundrechten zu messen ... wo die Grünen sich immer so hübsch zugute halten, es mit den Menschenrechten ganz genau zu nehmen.
Das Thema „Gewalt gegen türkische Frauen“ hat in den letzten Wochen für Schlagzeilen gesorgt. Ich meine jetzt nicht die Gewalt gegen türkische Frauen, ausgeübt von türkischen Polizisten in Istanbul. Ich frage mich schon, wo da die Betroffenheitsmienen einiger Minister waren, die sich doch sonst ständig äußern. Ich vermisste da Äußerungen der Regierung.
Meine Damen und Herren, ich spreche von dem grausamen Mord an einer Türkin im Februar in Berlin, der die ganze Republik erschütterte. Hatun Sürücü wurde auf offener Straße regelrecht hingerichtet, mutmaßlich von ihren eigenen Brüdern. Das Tatmotiv: verletzte Ehre. Die junge Frau wurde mit 16 mit einem Cousin verheiratet. Sie war westlich geworden, sie wollte jetzt frei leben. Sie war innerhalb weniger Monate die sechste Frau in Berlin, die im Namen der „Ehre“ ermordet wurde. Auslöser für derartige Menschenrechtsverletzungen sind archaische Familienstrukturen, zum Beispiel bei den Jeziden, aber auch die strenge, traditionelle Auslegung des Islam: Danach ist die Ehre eines Mannes abhängig von einem ehrbaren Verhalten seiner weiblichen Familienangehörigen. Verstößt eine Frau dagegen, etwa indem sie sich verliebt – möglicherweise sogar in einen Ungläubigen – oder sogar Geschlechtsverkehr vor der Ehe hat, gilt das als Beschmutzung der Ehre der Familie, der Ehre des Familienoberhaupts. Das kann nur durch Verstoßung, Verstümmelung oder – im schlimmsten Fall, wie es ja ein paar Mal passiert ist – durch Tötung der „Täterin“ gesühnt werden. Erst dann gilt seine Ehre als wieder hergestellt.
Das wird auch in Deutschland, in unserem Land, praktiziert. Das wollen wir nicht weiter zulassen.
Eine Studie des Familienministeriums zeigt, dass ein Viertel der befragten Frauen, die mit einem türkischen Partner verheiratet sind oder waren, den Ehemann vor der Hochzeit nie gesehen haben. Das sind für mich Zwangsheiraten und massive Verletzungen der Menschenrechte.
Offizielle Daten zu Zwangsehen in Deutschland liegen leider nicht vor. Das ist für mich völlig unverständlich. Der Berliner Senat sprach von 230 Fällen im Jahre 2002, in denen Frauen von Zwangsehen bedroht oder betroffen waren. In Celle, einer Kleinstadt in Niedersachsen – dort leben sehr viele Jeziden –, waren es in den letzten Jahren über 200 Frauen. Jeder dort sagt, dass die Dunkelziffer sehr viel höher ist.
Diese Frauen leiden. Nach Angaben der Berliner Kriseneinrichtung Papatya sind unter den dortigen Opfern der Zwangsheirat 68 Prozent minderjährig, 30 Prozent von ihnen äußerten Suizidabsichten und 80 Prozent wurden vorher misshandelt oder missbraucht. Diese Zahlen sind nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass Tausende von so genannten Importbräuten – das sind junge Mädchen zum Beispiel aus Anatolien in der Türkei – hierher geholt werden, die kein Wort Deutsch können und keine Rechte kennen. Sie müssen hier abgeschirmt von der Außenwelt leben. In Gesprächen mit Beratungsstellen wurde mir oft gesagt, dass diese Frauen ihre Wohnungen oft jahrelang nicht verlassen durften und wenn doch, dann nur in Begleitung eines männlichen Wesens, sei es auch nur fünf Jahre alt. Viele wussten nach Jahren nicht einmal, in welcher Stadt sie eigentlich leben. Das alles geschieht in Deutschland.
Diese Frauen brauchen Beratung – auch in türkischer und arabischer Sprache. Gleichzeitig fordern wir als CDU/CSU-Fraktion,
dass alle Institutionen und Gruppen, die mit Betroffenen von Gewalt und Zwangsheirat zu tun haben, so qualifiziert werden, dass sie die Probleme rechtzeitig erkennen und auf gute Beratungsstellen verweisen können.
Wir wollen, dass die Straftaten, bei denen die Ehre als Tatmotiv angegeben wird, in den Statistiken separat ausgewiesen werden müssen. Das geschieht bis heute leider nicht. Wir fordern, dass die Opfer von Zwangsehen mehr Rechte erhalten. Die Pflicht zur Einhaltung der einjährigen Frist zur Aufhebung dieser Ehe soll abgeschafft werden. Wir fordern, dass bei einer Zwangsheirat die Unterhaltsansprüche nicht mehr davon abhängen, ob die Betroffene vom Ehegatten bedroht oder getäuscht wurde; denn sehr oft geht die Drohung auch von der Familie aus. Übrigens werden auch oft junge Männer bedroht; denn diese werden oft genauso zwangsverheiratet. Sie sind also auch Opfer, um die wir uns kümmern müssen.
Wir wollen, dass die Zwangsheirat ein eigener Tatbestand im Strafgesetzbuch wird. Der Strafrahmen soll den aufenthaltsrechtlichen Ausweisungsvorschriften angepasst werden, sodass die Täter letztlich damit rechnen müssen, ausgewiesen zu werden.
Meine Damen und Herren, ein Ausweg aus der Abhängigkeit ist die Bildung. Aber auch sie bleibt den Mädchen oft verwehrt. Sie werden von ihren Eltern zunehmend aus dem Sport-, Schwimm- oder Sexualkundeunterricht herausgenommen und dürfen keine Klassenfahrten mitmachen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Sonntag-Wolgast?
Rita Pawelski (CDU/CSU):
Ich möchte bitte zusammenhängend zu Ende reden. Nachher gerne. – Dabei haben die muslimischen Mädchen im Durchschnitt bessere Schulabschlüsse als die muslimischen Jungen.
Sie haben aber keine Chance, aus diesen guten Schulabschlüssen etwas zu machen. Das wird ihnen verwehrt.
Wir wollen, dass alle Mädchen an allen Unterrichtsfächern teilnehmen müssen. In Abstimmung mit den Bundesländern wollen wir bereits im Kindergarten eine Sprachförderung. Je eher wir damit anfangen, desto besser.
– Sie wird von einigen durchgeführt, aber leider nicht von allen.
Unser Grundgesetz, vor allem Art. 3, gilt auch für Frauen und Mädchen aus anderen Kulturkreisen. Sie sollen nicht nur unter uns leben, sie sollen gleichberechtigt mit uns leben.
Ich danke Ihnen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin Marieluise Beck, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Kollegin Pawelski, ich stimme Ihnen zu, dass es in der Politik immer wieder einmal passiert, dass wir zu lange brauchen, um zunächst verborgene gesellschaftliche Entwicklungen zu entdecken. Das gilt für das, was Sie beschrieben haben und was sich zum Teil in unseren Migranten-Communities abspielt.
Das hat auch für sexuellen Missbrauch an Kindern und Vergewaltigung in der Ehe gegolten, wo es in den Parlamenten zunächst Widerstand dagegen gab, sich mit diesen Sachverhalten auseinander zu setzen und darauf gesetzgeberisch zu reagieren.
Nun haben Sie gesagt, wir – mir war nicht ganz klar, wen Sie mit dem „wir“ meinten; ich hatte das Gefühl, Sie meinten uns – hätten das Thema „Gewalt gegen Migrantinnen“ zu lange nicht wahrgenommen. Nun hat es in der letzten Legislaturperiode eine ganz harte Auseinandersetzung um die Wahrung der Rechte von Migrantinnen gegeben, nämlich im Rahmen der Novellierung des damaligen § 19 des Ausländergesetzes.
Dabei stand der Schutz von Migrantinnen im Mittelpunkt der Debatte.
Noch einmal der Sachverhalt für diejenigen, die ihn nicht kennen:
Es dauerte bis dahin vier Jahre, bis eine Migrantin, die hier einen Deutschen oder einen Ausländer geheiratet hatte, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekam. Das machte sie zum Erpressungsgegenstand von Männern, die sie mit der Drohung, wenn sie zur Polizei gehe, werde sie aus Deutschland abgeschoben, misshandeln, schlagen und gegen sie Gewalt anwenden konnten.
Wir haben dafür gekämpft, dass die Mindestdauer der Ehe auf zwei Jahre verkürzt und eine Härtefallregelung eingeführt wird. Die Union hat sich dieser Regelung massiv verweigert.
In Frauenhäusern – ich gehe viel in Frauenhäuser, weil ich wissen möchte, was da passiert – lernen Sie, dass für Migrantinnen genau diese Änderung in § 19 Ausländergesetz eine der größten Erleichterungen der letzten Jahre gewesen ist, weil sie endlich ihren gewalttätigen Mann verlassen können.
Ein zweiter Bereich betrifft das Strafrecht. Im Februar dieses Jahres ist auf Initiative der Regierungskoalition die Strafe für Zwangsverheiratung verschärft worden, weil wir wussten, dass die Zwangsverheiratung offensichtlich auch in unserem Lande ein Thema ist und ausländische Frauen gegen ihren Willen in unser Land gebracht werden. Deswegen haben wir uns für diese Strafverschärfung eingesetzt.
Ich habe von Ihrer Seite kein „mea culpa“ dafür gehört, dass Sie zu lange übersehen haben, was passiert. Lassen Sie uns über diese Missstände reden. Lassen Sie uns überlegen: Wie schützen wir die Opfer? Wie bauen wir Netzwerke auf? Wie machen wir niedrigschwellige Angebote, die in der Regel Aufgabe von Ländern und Kommunen sind, um auch das hier einmal zu sagen?
Präsident Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ihre Intervention bekommt ein Geschmäckle, Frau Kollegin, wenn Sie so tun, als ob Sie das schon immer alles gewusst hätten, und meinen, dies nun in einen Angriff auf diese Regierung ummünzen zu müssen. Dann geht ein Stück Ehrlichkeit verloren. So sollten wir diese Auseinandersetzung nicht führen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollegin Pawelski, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion.
Rita Pawelski (CDU/CSU):
Frau Staatssekretärin, man muss schon ein verdammt schlechtes Gewissen haben,
wenn man eine allgemeine Äußerung wie „Wir haben toleriert“ auf sich persönlich bezieht. Man zieht immer die Pfeile an, die man verdient. Anscheinend verdienen Sie sie.
Ich finde es schön, dass Sie mir zutrauen, dass ich schon sehr lange im Bundestag bin. Aber ich bin erst seit 2002 hier. Ich habe jedoch die entsprechenden Unterlagen gelesen. Wir befinden uns im Jahre 2005. Sie hatten also sechs Jahre lang Zeit, etwas zu tun. Sie haben nicht genug getan.
Wir als CDU/CSU-Fraktion haben seit 1999 in vielen Anträgen immer wieder auf dieses Thema hingewiesen.
Sie haben nicht genug gehandelt.
Sie, verehrte Frau Staatssekretärin, sagen jetzt, dass der § 240 Strafgesetzbuch geändert wurde. Dazu sage ich Ihnen: Der Tatbestand der Zwangsheirat steht nur in einem Nebensatz im Gesetz.
Wir wollen, dass ein eigener Paragraph geschaffen wird, damit jeder, der Zwangsehen veranlasst oder unterstützt, weiß, dass er möglicherweise ausgewiesen werden kann. Ich glaube, das ist eine Strafänderung, die verstanden wird.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Ursula Sowa, Bündnis 90/Die Grünen.
Ursula Sowa (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wenn die Damen seltener als die Männer Hervorragendes leisten, dann liegt das nur daran, dass ihnen keine gute Bildung zuteil wurde“. Diese Einschätzung äußerte die französische Schriftstellerin Marie le Jars de Gournay im 17. Jahrhundert. In Deutschland sind Frauen heutzutage gut gebildet, vielfach sogar besser als Männer, es machen mehr junge Frauen das Abitur als Männer – das auch noch mit besseren Noten – und es beginnen mittlerweile genauso viele Frauen wie Männer ein Studium. Ihren Bildungsrückstand haben die Frauen aufgeholt.
Trotzdem sind sie vor allem in leitenden Positionen in Wissenschaft und Forschung leider noch immer deutlich unterrepräsentiert. Madame le Jars de Gournay hatte also Unrecht. Es sind offensichtlich andere Faktoren als der Bildungsstand, die dazu führen, dass die Luft für Frauen in Wissenschaft und Forschung immer dünner wird, je weiter sie auf der Qualifikationsleiter nach oben steigen. Ein Grund dafür ist die unterschiedliche Bewertung von Leistung und Qualifikation bei Frauen und Männern. Auswahl und Berufungsverfahren verlaufen nicht geschlechtsneutral. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Auswahlgremien immer noch vor allem mit Männern besetzt sind. Eine 1997 in „Nature“ veröffentlichte Studie zeigt, dass Frauen bei der Vergabe von Forschungsmitteln hinsichtlich wissenschaftlicher Kompetenz, Forschungsvorschlag und Methodologie schlechter bewertet werden als Männer. Für die gleiche Einstufung mussten Frauen 2,6-mal mehr Veröffentlichungen in renommierten Fachpublikationen vorweisen als Männer. Oft handelt es sich dabei um unbewusste Ausschlussmechanismen. An ihren destruktiven Auswirkungen auf die Karrierewege von Frauen ändert dies allerdings nichts.
Die rot-grüne Bundesregierung hat seit 1998 viel getan, um die Karrierechancen von Frauen in Wissenschaft und Forschung zu erhöhen. Erwähnen möchte ich beispielsweise das HWP-Programm „Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre“, für das jährlich 30 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Damit werden Frauen gefördert, die sich wissenschaftlich qualifizieren und auf eine Professur vorbereiten. Es werden Projekte in der Frauen- und Genderforschung unterstützt. Schließlich werden Maßnahmen finanziert, um den Frauenanteil in naturwissenschaftlich-technischen Fächern zu erhöhen.
Dennoch können wir mit dem Erreichten noch nicht zufrieden sein. Aktuell sind 13 Prozent der Professuren in Deutschland mit Frauen besetzt. Auch wenn dies eine deutliche Steigerung gegenüber dem Niveau von 1998 bedeutet – von dem, was davor war, ganz zu schweigen; damals betrug der Frauenanteil an den Professuren 9,5 Prozent –, geht uns die Erhöhung des Frauenanteils an den Hochschulen nicht schnell genug. In der industriellen Forschung sind Frauen mit nur knapp 10 Prozent eklatant in der Minderheit.
In diesem Jahr wird erstmals ein Bericht zum Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz und damit auch zur Ausführungsvereinbarung Gleichstellung vorgelegt. Aus diesem Bericht müssen auch Konsequenzen folgen. Wir werden sehen, ob die gleichstellungspolitischen Maßnahmen ausgebaut werden müssen.
Sie, meine Damen von der Opposition,
haben in Ihrem kürzlich eingebrachten Antrag zu zehn Jahren Novellierung des Gleichberechtigungsartikels im Grundgesetz, der bezeichnenderweise kaum von Männern unterstützt wurde – Gleichberechtigung scheint in der Union nur eine Sache der Frauen zu sein –,
die Unionsfraktion zur allgemeinen Erheiterung als Vorhut der Gleichberechtigung präsentiert.
Ungeachtet dessen haben Sie in Ihren Änderungsanträgen zum BMBF-Haushalt 2005 vorgeschlagen, bei den Strategien zur Durchsetzung von Chancengleichheit für Frauen in Bildung und Forschung um 1,5 Millionen Euro zu kürzen, und den Ansatz beim Titel „Weiterentwicklung von Hochschule und Wissenschaft sowie Realisierung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre“ wollten Sie gar um 29 Millionen Euro zusammenstreichen. Erklären Sie uns bitte, wie das mit Ihrem Anspruch als frauenpolitische Avantgarde zusammengeht!
Mehr Frauen in Wissenschaft und Forschung sind nicht nur ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit; mehr Frauen in Wissenschaft und Forschung bedeuten auch neue Forschungsfragen und neue Perspektiven. Auf die sind wir zur Lösung unserer Probleme dringend angewiesen.
Danke schön.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile Kollegin Conny Mayer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Dr. Conny Mayer (Freiburg) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Laut einer ganz aktuellen dpa-Meldung werden jede Woche mehrere Hundert Frauen und Mädchen im Kongo vergewaltigt. Die jüngsten sind gerade mal vier Jahre alt. Sie werden häufig Opfer von Massenvergewaltigungen. Bisher wurden nur wenige Fälle – weniger als ein Dutzend – juristisch aufgearbeitet.
Die CDU/CSU-Fraktion hat im November des vergangenen Jahres einen Antrag mit dem Titel „Frauen in den Krisenregionen Subsahara-Afrikas stärken“ eingebracht. Wir hätten diesen Antrag gern hier diskutiert. Schade, dass das in dieser Debatte zum Internationalen Frauentag nicht möglich war! Die Koalition hat nämlich mit ihrer Mehrheit verhindert, dass wir diesen Antrag hier heute debattieren und dass wir damit auch den Blick auf Frauen richten, die in Armut leben und die in Kriegsregionen täglich ums Überleben kämpfen.
Der CDU/CSU-Fraktion ist es ein Anliegen, für und über Frauen und Mädchen zu sprechen, für die „Gleichstellung“ und „Gender Mainstreaming“ – das sind die Dinge, über die wir heute Morgen hier debattieren – noch Fremdworte sind. Die zentrale Botschaft unseres Antrags, den wir hier heute leider nicht debattieren können – ich will trotzdem darauf hinweisen –, ist, dass wir noch stärker als bisher die Belange von Frauen auf unsere außen-, sicherheits- und entwicklungspolitische Agenda nehmen müssen. Kofi Annan hat letzte Woche in New York gesagt: Es gibt kein effizienteres Entwicklungsinstrument als Frauenförderung.
Die Konferenz, die derzeit in New York stattfindet, zehn Jahre nach der großen Frauenkonferenz in Peking, gibt unserem Antrag Recht. Gerade für Frauen in Krisenregionen gab es in den vergangenen zehn Jahren nur wenige Verbesserungen, in manchen Teilen der Erde wegen neuer Kriege sogar Verschlechterungen. Frauen sind von Kriegen und damit von Gewalt gleich mehrfach betroffen: als Kindersoldatinnen, die zum Dienst an der Waffe gezwungen werden, als Leidtragende, die unter schwierigsten Bedingungen für sich und ihre Familien sorgen müssen, oder eben als Opfer von sexueller Gewalt. Denken Sie an die Beispiele aus dem Ostkongo, die ich eingangs erwähnte!
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat schon im Jahr 2000 die Resolution 1325 beschlossen. Darin hat sich die Staatengemeinschaft verpflichtet, Frauen beim Aufbau nach einem Krieg, beim Friedenserhalt und bei Konfliktlösungen stärker zu beteiligen. Die Bundesregierung hat als nicht ständiges Mitglied im Sicherheitsrat zwei Jahre lang die Chance gehabt, Frau Müller, die Umsetzung der Resolution 1325 voranzutreiben. Diese Chance hat die Bundesregierung verpasst.
Die Bundesregierung hat bislang auch keinen nationalen Plan zur Umsetzung der Resolution 1325 erarbeitet. Wie schon in unserem Antrag fordere ich hiermit nachdrücklich dazu auf.
Die Situation von Frauen in Krisenregionen ist das eine. Da wir von internationalen Frauenfragen reden, will ich auf eine weitere zentrale Herausforderung hinweisen: Gesundheitsfragen und HIV/Aids. In Deutschland kommt es glücklicherweise nur sehr selten vor, dass Mütter oder Säuglinge während oder nach der Geburt sterben. In anderen Teilen der Erde gehört dieses grausame Schicksal dagegen zum Alltag. Seit der Konferenz in Peking vor zehn Jahren hat sich in diesem Bereich nur sehr wenig verbessert. In Westafrika stirbt jede zwölfte Frau an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt. Ähnlich hoch sind im Moment die Zahlen in Afghanistan.
Auch bei HIV/Aids ist die Situation dramatisch. Rund 38 Millionen Menschen weltweit sind mit dem Virus infiziert. Der Anteil der Frauen ist hierbei in den vergangenen Jahren auf über 50 Prozent angestiegen. Das war vor zehn Jahren noch anders. Das Risiko der Ansteckung ist für Frauen schon aus physiologischen Gründen viermal höher. Wirtschaftliche Abhängigkeit und fehlende Kontrolle über das sexuelle Verhalten des Partners tragen zusätzlich zu einer großen Infektionsgefahr bei.
Neben der Herausforderung der Situation von Frauen in Krisengebieten sowie den Themen „Gesundheit“ und „HIV/Aids“ möchte ich auf eine weitere zentrale Herausforderung hinweisen. Ich bin dankbar, dass die Kollegin Sowa von den Grünen im nationalen Kontext schon darauf hingewiesen hat. Bildung ist ein zentraler Schlüssel für weltweite Entwicklung und insbesondere für die Durchsetzung von Frauenrechten. Seit der Konferenz in Peking gab es Fortschritte. Mehr Kinder, Mädchen wie Jungen, haben Zugang zu Grundbildung. Trotzdem sind noch immer zwei Drittel aller Analphabeten weiblich. Frau Schmidt, auch im Koalitionsantrag zu Peking + 10 wird betont, dass in Subsahara-Afrika und Südostasien die Bildungschancen für Frauen dramatisch schlecht sind. Schade ist, dass diese Erkenntnis, die in der Koalition offensichtlich durchaus vorhanden ist, im BMZ so wenig Beachtung findet.
Wir, die CDU/CSU-Fraktion, fordern die Bundesregierung deshalb auf, die Bildung und insbesondere das Thema „Bildung von Frauen und Mädchen“ auf der entwicklungspolitischen Agenda weiter oben anzusiedeln.
Ein letzter Punkt. Kofi Annan hat gerade erst in seiner Rede in New York auf eine neue Herausforderung hingewiesen, die es vor zehn Jahren in diesem Ausmaß – so sagt er jedenfalls – noch nicht gab: Frauen- und Kinderhandel. Auch Sie weisen in Ihrem Koalitionsantrag darauf hin, dass jährlich rund 2 Millionen Menschen, Frauen und Kinder, Mädchen wie Jungen, Opfer von Menschenhandel werden. Schade, dass die Koalition nicht mutig genug war, diesem abscheulichen Verbrechen mehr als vier Zeilen in einem siebenseitigen Papier zu widmen!
Ich möchte noch einmal auf den Ostkongo zurückkommen. Ich will meine Rede mit einem Zitat von einer Frau beenden, die von bewaffneten Kämpfern attackiert und vergewaltigt wurde. Ihr Mann weigert sich seitdem, mit ihr zusammenzuleben. Diese Frau sagte einer Mitarbeiterin von Amnesty International:
Wir wollen Ihnen berichten, was passiert ist. Bitte erzählen Sie unsere Geschichten weiter, damit diesem Grauen endlich ein Ende gesetzt wird!
Ich will deshalb an Sie alle, an uns alle appellieren: Lassen Sie uns Debatten wie die heutige auch dazu nutzen, auf die Situation von Frauen in den Ländern des Südens aufmerksam zu machen! Lassen Sie uns gemeinsam weiter für diese Frauen eintreten!
Ich danke Ihnen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch das Wort.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin Abgeordnete der PDS. – Ich habe die Presseerklärung der fünf Bundesministerinnen zum Internationalen Frauentag gelesen. Was haben die Ministerinnen gemacht? Sie trafen sich mit Frauen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medizin und diskutierten über die Karrieremöglichkeiten von Frauen. Das war sicherlich eine schöne Runde mit Lachshäppchen und Sekt. Ich habe den Eindruck, dass sich die Bundesministerinnen mit aller Macht auf Frauen konzentrieren, die Karriere machen wollen, die in die Chefetagen drängen, die endlich eine C-4-Professur erreichen wollen oder die eine Intendanz an einem schönen Theater anstreben. Das alles ist auch legitim und wichtig. Wir alle wissen – das ist in der heutigen Debatte mehrmals angesprochen worden –, wie niedrig zum Beispiel die Zahl der Professorinnen ist. Aber braucht man dafür wirklich die geballte Macht von fünf Bundesministerinnen? Ich weiß von Millionen Frauen, die keine Karriere machen können, die einfach nur einen Job haben wollen. Diese Frauen brauchen wirklich dringend politische Unterstützung. Sie sind mir bisher in der heutigen Debatte zu kurz gekommen.
Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, haben mit Unterstützung der CDU/CSU in dieser Legislaturperiode Gesetze verabschiedet, die Frauen in einem bisher ungekannten Maß diskriminieren. Ich meine die Hartz-Gesetze und die Gesundheitsreform.
Wir als PDS haben ein Rechtsgutachten zu Hartz IV erstellen lassen, das nachweist, dass Hartz IV gegen das Gleichstellungsgebot verstößt. Frauen werden durch die Anrechnung des Partnereinkommens in besondere Abhängigkeit gedrängt, die sie bisher nicht kannten.
Über die Gleichstellungspolitik in der DDR kann man sicher viel Kritisches sagen. Doch es bleibt die Tatsache: Durch die finanzielle Unabhängigkeit der meisten Ostfrauen – über 90 Prozent hatten eine Arbeit – hatten sich diese Frauen eine größere Unabhängigkeit von den Männern gesichert. Das war eine entscheidende Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben.
Deshalb trifft Hartz IV die Ostfrauen besonders hart. Ostfrauen haben oft Jahrzehnte gearbeitet und deshalb eine vergleichsweise hohe Arbeitslosenhilfe bekommen. Die Bundesregierung hat mit dem Arbeitslosengeld II, mit Hartz IV, die Frauen, die ein Jahr gearbeitet haben, mit den Frauen – und Männern natürlich –, die 30 Jahre gearbeitet haben, auf eine Stufe gestellt, herabgestuft. Gerechtigkeit sieht anders aus.
Meine Damen und Herren, ich war am Freitag vergangener Woche mit einer Gruppe von 50 Frauen aus der ganzen Republik, aus Ost und West, im Frauenministerium. Wir hatten vorher Bescheid gesagt, dass wir zum Thema „Hartz IV und Frauen“ diskutieren wollten. Zu Recht wollten die Frauen wissen, wie das Frauenministerium als Lobbyistin der Frauen bei der Hartz-IV-Gesetzgebung aufgetreten ist. Die Antworten waren mehr als dürftig. Die Frauen waren enttäuscht, dass sie in diesem Ministerium zu wenig Unterstützung gefunden haben.
Aber auch Frauen, die eine Arbeit oder einen Job haben, brauchen dringend politische Unterstützung. Deshalb schlage ich Ihnen vor: Lassen Sie uns spätestens zum Frauentag 2006 gemeinsam in eine Lidl-Verkaufsstelle gehen. Lassen Sie uns gemeinsam mit den Verkäuferinnen über die katastrophalen Arbeitsbedingungen sprechen. Dieses Gespräch wird sicher nicht ganz so nett wie das Gespräch mit den Karrierefrauen.
Ich sprach von Gemeinsamkeit, meine liebe Kolleginnen und Kollegen.
Denn die Kassiererinnen müssen während des Gespräches 40 Produkte pro Minute durch den Kassenscanner schieben.
Verdi hat das Schwarz-Buch Lidl herausgebracht. Es liest sich wie ein Leitfaden zur Ausbildung in der Fremdenlegion. Überwachung, Drill, Hetze stehen auf der Tagesordnung. Frauen erzählen in diesem Buch, dass sie mindestens neun Stunden täglich gearbeitet haben, grundsätzlich ohne Pause. Wahrscheinlich haben diese Frauen nicht unbedingt Lust auf ein solches Gespräch, müssten sie doch die verloren gegangene Arbeitszeit nacharbeiten. Trotzdem bin ich dafür, dass wir diesen Versuch starten und gemeinsam unser Augenmerk auf die Frauen legen, die unsere Hilfe am dringlichsten brauchen.
Was die Kollegin Lenke eingangs ihrer Rede gesagt hat, kann ich nach meinem persönlichen Eindruck nur unterstützen. Gerade am Anfang dieser Debatte hat es hier eine Atmosphäre von Zwischenrufen und Gekeife gegeben, die dem Anliegen der Frauen, Gleichstellung gemeinsam durchzusetzen, sicher nicht gedient hat. Ich hoffe, dass wir uns in Zukunft gemeinsam eines Besseren besinnen.
Vielen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Ute Berg, SPD-Fraktion.
Ute Berg (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele von Ihnen haben heute Morgen sicher schon ein, zwei Tassen Kaffee getrunken. Ich wette aber, dass die wenigsten von Ihnen wissen, wem wir diesen inzwischen ungetrübten Trinkgenuss zu verdanken haben.
Noch vor 100 Jahren hatte Kaffeetrinken nämlich einen bitteren Nachgeschmack. Auf dem Boden der Tasse befand sich eine Schicht bitteren schwarzbraunen Schlicks, bis die Leipzigerin Melitta Bentz auf die Idee kam, den Kaffee in einen Löschpapierfilter zu füllen. 1908 ließ sie sich diesen Filter patentieren. Seitdem ist die Kaffeefiltertüte aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken.
Das ist nur ein klitzekleines Fragment aus der langen Geschichte von Erfindungen, die Frauen gemacht haben. Der Scheibenwischer zum Beispiel, der uns beim Autofahren freie Sicht beschert, ist die Erfindung einer Frau. Ventilationssysteme für Schiffe, Konstruktionen für Hängebrücken, wärmeisolierende Schwimmwesten und Spikesüberzieher für Autoreifen – all das haben Frauen erfunden und konstruiert.
Stellen Sie sich einmal vor, was uns fehlen würde, wenn wir das Potential von Frauen als Forscherinnen, Ingenieurinnen und Technikerinnen nicht intensiv nutzen würden.
Dieses Potential ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für unsere Wissensgesellschaft. Die Kompetenz von Frauen ist ein Pfund, mit dem wir im internationalen Wettbewerb wuchern können und sollten.
Präsident Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Scheuer, CDU/CSU-Fraktion?
Ute Berg (SPD):
Gern.
– Mal sehen, was er zu sagen hat.
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin, wir sind uns ja einig, was die vielen Beteiligungen und guten Ideen von jungen Frauen in unserer Gesellschaft angeht. Ich glaube aber, dass es drängendere Fragengibt. Was sagen Sie denn – ich darf hier die „Welt“ vom 8. März zitieren – zum steigenden Armutsrisiko für allein erziehende Frauen? Das ist Realität in Deutschland unter Rot-Grün. Was sagen Sie denn zur wirtschaftlichen Situation der Frauen in Deutschland unter einer rot-grünen Regierung? Was tun Sie dafür, diese Situation zu verbessern? Das würde mich interessieren, nicht die vielen Dinge, die irgendwann in grauer Vorzeit einmal erfunden wurden. Wir wissen, dass wir gute Frauen mit guten Ideen haben; sie müssen aber auch eine Garantie dafür haben, dass sie diese Ideen wirtschaftlich umsetzen können.
Ute Berg (SPD):
Herr Kollege Scheuer, Sie werden es mir verzeihen, dass ich meinen Vortrag jetzt nicht nach Ihren Vorstellungen ausrichte.
Natürlich sind die Fragen, die Sie angesprochen haben, wichtig, und natürlich beschäftigt sich die Regierung auch mit diesen Fragen. Selbstverständlich haben wir ein großes Interesse daran, Frauen auch in wirtschaftlich schwächeren, in konjunkturschwachen Zeiten massiv zu unterstützen. Nur, ich beziehe mich im Moment – Sie werden mir das verzeihen – auf das Thema Frauen in der Wissenschaft. Das ist mein Part und da mache ich jetzt auch weiter.
Wenn wir eine Bestandsaufnahme machen und eine genaueren Blick auf die Beteiligung von Frauen in Wissenschaft und Forschung werfen, dann stellen wir ganz eindeutig eines fest: Frauen sind dort immer noch stark unterrepräsentiert, besonders in Führungspositionen.
Andererseits gibt es aber seit Jahren eine positive Entwicklung, auf der wir aufbauen können. Bei den Studienanfängern und -absolventen haben Frauen mittlerweile mit Männern gleichgezogen. Der Frauenanteil bei Promotionen ist seit 1998 von 33 auf 36 Prozent gestiegen, bei den Professuren im selben Zeitraum von 9 auf 13 Prozent. Das ist eine beachtliche Steigerung, aber bei weitem nicht ausreichend. In den USA gibt es etwa doppelt so viele Professorinnen wie bei uns. Einen sehr großen Schritt nach vorn haben wir aber mit der Juniorprofessur gemacht. Da beträgt der Frauenanteil immerhin 30 Prozent.
An den Hochschulen hat sich also schon einiges getan. In den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in der industriellen Forschung ist die Situation allerdings noch ernüchternd. Frauen in Führungspositionen sind dort fast allein auf weiter Flur. Grundsätzlich gilt durchgängig für alle Bereiche des Arbeitsfelds Wissenschaft und Forschung: je höher die Qualifikation, desto geringer die Zahl der Frauen.
Deshalb fordern wir die Bundesregierung und auch die Länder auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Beteiligung von Frauen in Wissenschaft und Forschung weiter zu steigern. Dazu gehört zum Beispiel, dass spezielle Projekte zur Förderung der Chancengleichheit an Hochschulen und Forschungseinrichtungen weitergeführt werden. Ich finde es daher gut, dass Bund und Länder das HWP-Programm „Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre“ bis 2006 fortführen werden. Sehr erfolgreiche Arbeit leistet auch das Kompetenzzentrum CEWS für Frauen in Wissenschaft und Forschung. Es vernetzt und vermittelt Wissenschaftlerinnen, fördert Pilotprojekte und begleitet gleichstellungspolitische Maßnahmen wissenschaftlich. Diese Arbeit sollte unbedingt fortgeführt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, 40 Prozent aller Akademikerinnen entscheiden sich gegen Kinder, weil sie Familie und Beruf nicht miteinander vereinbaren können. Das liegt im Wesentlichen an dem mangelnden Angebot an Kinderbetreuung. Wir leisten uns also den Luxus, dass ein großer Teil der gut ausgebildeten Frauen ihr Wissen und ihre Möglichkeit, Kinder zu fördern, nie selbst ans Kind bringen können. Das ist für die Wissensgesellschaft fatal. Für sie ist die Initiative der Bundesregierung wichtig, Kinderbetreuungsangebote konsequent auszubauen, auch bereits für die unter Dreijährigen.
Verzögerungen in der Ausbildung oder im beruflichen Werdegang durch Kinderbetreuung dürfen sich nicht nachteilig etwa bei Stellenbesetzungen oder bei Beförderungen auswirken. Die Familienfreundlichkeit einer Hochschule sollte bei den einschlägigen Rankings berücksichtigt werden.
Auch die Wirtschaft hat erkannt, dass Familienfreundlichkeit ein wichtiger Standortfaktor ist. Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, hat kürzlich das „Jahrhundert der Frau“ ausgerufen; denn – so Braun – lange werde es sich die Wirtschaft nicht mehr leisten können, das riesige Potenzial an hoch qualifizierten Frauen nur unzureichend zu nutzen.
Recht hat er! Das gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Wissenschaft. Auch beim Wechsel zwischen Positionen in Wissenschaft und Wirtschaft dürfen Frauen nicht auf der Strecke bleiben. Ein Beispiel sind Ausgründungen aus Hochschulen. Hier spielen Frauen heute nur eine geringe Rolle. Das muss sich ändern. Das gilt nicht nur für Ausgründungen, sondern für Existenzgründungen insgesamt. Ich finde es daher gut, dass das BMWA und das BMBF den Aufbau einer bundesweiten Gründerinnenagentur unterstützen, die Förder- und Coachingangebote macht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Freiheit und Wohlstand bauen auf Wissen auf. Das gilt für die Gesellschaft insgesamt, aber auch für jeden einzelnen Menschen. Darum müssen Frauen und Männer gleichberechtigt Zugang zu Wissen bekommen. Aber das reicht noch nicht aus. Frauen und Männer müssen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, unsere Gesellschaft zu gestalten und weiterzuentwickeln. Darum müssen sie gleichermaßen in Führungspositionen vertreten sein. Es ist unsere Aufgabe, die Aufgabe von Politikerinnen und Politikern, dafür zu sorgen.
Vielen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Markus Grübel, CDU/CSU-Fraktion.
Markus Grübel (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Für die CDU/CSU ist Gleichstellungspolitik ein Politikfeld, das Frauen und Männer gleichermaßen angeht.
Leider – das ist an der heutigen Rednerliste erkennbar gewesen –
– Rednerinnenliste, genau – geht bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen Gleichstellungspolitik nur Frauen an. Die Männer in Ihren Parteien sind stumm geblieben. So viel zu Ihrem Einwand, Frau Sowa.
Eine gute, eine wirklich moderne Gleichstellungspolitik hat Frauen und Männer im Blick. Wir brauchen eine neue Partnerschaft zwischen den Geschlechtern. Darum fordern wir in unserem Antrag „Tatsächliche Gleichberechtigung durchsetzen“ die Bundesregierung auf,
in der Gleichstellungspolitik stärker als bislang auf einen Geschlechterkonsens hinzuwirken und darauf zu achten, dass Gleichstellungspolitik Frauen und Männer im Blick hat; …
Als ich vor zwei Jahren an gleicher Stelle zur Gleichstellungspolitik geredet habe, hat anschließend die „taz“ geschrieben: Die erste Männerrechtsrede im Deutschen Bundestag. Es war nämlich so ungewöhnlich, dass nach 50 Jahren auch einmal ein Mann zu Gleichstellungsthemen geredet hat. Dabei geht es mir aber gar nicht einseitig um Männerrechte. Es geht mir darum, dass die Gleichstellungspolitik aus der feministischen Ecke herauskommt und die Männer auf einen gemeinsamen Weg mitnimmt.
Eine moderne Gleichstellungspolitik setzt dort an, wo ein Mensch aufgrund seines Geschlechts Unterstützung und Förderung braucht. Das können Frauen sein, aber auch Männer. Ich gehe durchaus davon aus, dass es in erster Linie Frauen sind, die gefördert werden müssen – aber halt auch Männer.
Während die Bundesregierung jährlich einen Frauengesundheitsbericht vorlegt, gibt es kein entsprechendes Gegenstück für Männer.
Während sich viele Bundestagsdrucksachen mit dem Thema Frauen in Männerberufen befassen, ist das Thema Männer in Frauenberufen nicht relevant.
Es gibt Girls’ Days für Mädchen, aber keine Boys’ Days für Jungen.
– Dies betrifft ebenfalls das Thema Männer in Frauenberufen. Grundschullehrer, Erzieher, Krankenpfleger, Altenpfleger etc., das sind auch Berufe für Männer.
Der Girls’ Day möchte Mädchen und junge Frauen an Männerberufe heranführen. Aber wo ist bei Ihnen das Gegenstück dazu?
Der überwiegende Teil der Schulabbrecher, Schulschwänzer und Frühkriminellen ist männlich und bräuchte dringend Förderung und Führung.
Jungen weisen die größeren Defizite bei der Lesekompetenz auf als Mädchen.
Nach wie vor sind spezielle Angebote für Männer im Scheidungsfall Mangelware.
Während es landauf, landab Frauentage, Frauenwochen und Ähnliches gibt, sind Männertage so selten wie die blaue Mauritius.
Es gibt jetzt eine Ausnahme: einen Männergesundheitstag unter dem Motto „MännerLeben“ in Esslingen. Die „Stuttgarter Zeitung“ schreibt dazu: „Einzigartig in Deutschland“.
Es wird immer wieder gesagt, dass Schweden in der Gleichstellungspolitik weiter sei als Deutschland. Seitdem ich weiß, dass der Gleichstellungsbeauftragte Schwedens ein Mann ist, glaube ich das auch.
Nicht nur Gleichstellungspolitik, auch Familienpolitik ist mehr als Frauenpolitik. Das Thema Elternschaft, Kinder und Beruf ist ein Thema für Frauen und Männer. Auch hier ist eine neue Partnerschaft gefragt: bei der Aufgabenverteilung im Haushalt, bei der Betreuung der Kinder und bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Dass die Union in der Familienpolitik bei Frauen und Männern ansetzt, ist ein entscheidender Unterschied zu den Forderungen von Rot-Grün.
Lassen Sie mich hier einen kurzen Schlenker zu den Vaterschaftstests machen. Ich meine das Ansinnen der Justizministerin, Frau Zypries, dass Männer, die einen Vaterschaftstest machen lassen, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft werden sollen. Dieses Ansinnen macht doch deutlich, dass keine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen der Mütter, der Kinder und der Väter stattgefunden hat.
Auch Männer haben Rechte.
Väter bzw. vermeintliche Väter haben ein legitimes Interesse, die Abstammungsverhältnisse zu klären. Daher ist der Einsatz des Strafrechts zur Regelung heimlicher Vaterschaftstests durch die Väter völlig abwegig. Auch hier wäre es gut, wenn die rot-grüne Politik aus dem Blickwinkel beider Geschlechter gemacht würde. Nichts anderes will Gender Mainstreaming.
Die selbst ernannte Frauenpartei, die Grünen, schützt im Moment nicht wirklich die Frauen. Frau Schewe-Gerigk hat das gerade wieder deutlich gezeigt. Dank der leichtfertigen Visapraxis von Rot-Grün ist der Frauenhandel zum risikoärmsten Geschäft der organisierten Kriminalität geworden.
Die Aussage Ihrer Kollegin aus Nordrhein-Westfalen, Bärbel Höhn, dass Zwangsprostituierte sich in einer viel schlimmeren Situation befänden, wenn sie illegal hier seien, als wenn sie ein gültiges Visum besäßen, ist eine Dreistigkeit und nur peinlich.
Alice Schwarzer nennt die Aussage im „Spiegel“ zu Recht „blanken Zynismus“. Hier zeigt sich ganz deutlich, dass Menschenrechte und Frauenrechte dann zurückbleiben, wenn es darum geht, den Kollegen Joschka Fischer rauszuhauen.
Frauenhandel und Zwangsprostitution sind aufs Schärfste zu bekämpfen, und zwar von jeder Fraktion, unabhängig davon, ob man eigene Kollegen trifft.
Auch Zwangsverheiratung und Ehrenmorde sind Themen, die Männer und Frauen angehen. Wir haben es vorhin gehört. Gerade bei türkischstämmigen jungen Männern müssen wir ansetzen. Nur bei den türkischen Mädchen anzusetzen greift zu kurz.
Ein Umfeld und ein Rechtsbewusstsein, die Zwangsverheiratung normal finden, müssen verändert werden. Wir haben hier eine gute Bundesratsinitiative aus Baden-Württemberg. Frau Staatssekretärin Beck, Sie sollten diese Initiative unterstützen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Grübel, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schewe-Gerigk?
Markus Grübel (CDU/CSU):
Ja.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Grübel, ist Ihnen bekannt, dass seit der erleichterten Visavergabe in der Ukraine die Anzahl der Frauen, die als Opfer von Zwangsprostitution bekannt geworden sind, zurückgegangen ist?
– Das passt Ihnen nicht; aber das Lagebild des Bundeskriminalamtes sollte doch vielleicht auch für Sie eine Tatsache sein. – Auch die Kriminalität hat nicht zugenommen. Das Herstellen einer Verbindung zwischen einer erleichterten Visavergabe und der Zunahme von Zwangsprostitution ist unzulässig.
Markus Grübel (CDU/CSU):
Frau Kollegin Schewe-Gerigk, ich möchte Ihnen ganz deutlich sagen, dass ich es für geradezu peinlich halte, wie Sie das Problem der Zwangsprostitution relativieren und das Thema beiseite schieben wollen.
Kümmern Sie sich einmal um dieses Problem!
– Das ist die Antwort.
Junge Männer, für die es eine Frage der Ehre ist, ihre Schwestern zu züchtigen oder gar zu töten, können wir in Deutschland nicht dulden.
Für das partnerschaftliche Zusammenleben von Frauen und Männern in Deutschland gibt es ein Leitbild, das auch die bei uns lebenden Ausländer beachten müssen. Frauenpolitik allein wird dieses Problem nicht lösen.
Der vorliegende Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen „Auf dem Weg in ein geschlechtergerechtes Deutschland – Gleichstellung geht alle an“ lässt zwar vermuten, dass es um Männer und Frauen geht. In den konkreten Ansätzen werden die Männer aber völlig ausgeblendet. Rechts blinken und links abbiegen – das führt nicht ans Ziel.
Lassen Sie mich zum Schluss meine Aussagen in einem Satz zusammenfassen: Moderne Gleichstellungspolitik und moderne Familienpolitik – genau das ist die Politik der Union in diesem Bereich – setzt bei Frauen und Männern an.
Danke schön.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Dagmar Schmidt, SPD-Fraktion.
Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte am Anfang meiner Rede feststellen: Männer sind verletzlich und Frauen sind der Schlüssel zur Entwicklung.
Frauen sind der Schlüssel zur Bekämpfung der Armut. Es kann keine Demokratie geben ohne die Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen.
Vor fast genau zehn Jahren fand die Vierte UN-Weltfrauenkonferenz in Peking statt. Die Teilnehmerinnen haben die volle Gleichberechtigung der Frauen gefordert – weltweit. Sie haben ihre Beteiligung in Entscheidungsprozessen gefordert und sie haben jegliche Gewalt gegen Frauen verurteilt.
Was hat sich seitdem in den Entwicklungsländern verändert? Die Bilanz ist zwiespältig. Denn in vielen Regionen der Erde leben die Frauen noch lange nicht auf der Sonnenseite des Lebens. Weltweit leben 1,3 Milliarden Menschen in extremer Armut. Wie wir wissen, sind besonders Frauen davon betroffen.
Mit dem Aktionsprogramm 2015 haben wir als eine der ersten Regierungen eine konkrete Strategie zur Armutsbekämpfung verabschiedet.
Viele Frauen in den Entwicklungsländern gehören zu den Verliererinnen der Globalisierung. Das ist bekannt. Führungspositionen in Wirtschaft und Politik sind in den Ländern des Südens nicht nur überwiegend, sondern fast ausschließlich in Männerhand.
Mittlerweile finden wir fast überall Frauen in Regierungen und Parlamenten. Das ist ein Fortschritt. Die 30-Prozent-Marke aber haben, wie von UN-Gremien gefordert, weltweit nur wenige Länder erreicht. Allerdings brauche ich gar nicht so weit zu schauen; denn ich muss mich nur an normalen Tagen in diesem Hause umsehen, um festzustellen, dass die Opposition in dieser Hinsicht ein Defizit hat.
Die Zahl der Frauen und Männer, die lesen und schreiben gelernt haben, hat weltweit zugenommen. Dennoch haben Mädchen noch immer einen schlechteren Zugang zu elementarer Bildung als Jungen.
Auch Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor weltweit verbreitet. In Wirtschaftskrisen und bei gesellschaftlichen Umbrüchen sind Frauen die Leidtragenden von Frauenhandel und Zwangsprostitution. Frauen werden nicht nur in Kriegen zu Opfern von Vergewaltigungen und zu Opfern der so genannten Ehrverbrechen, sondern auch in vielen von uns geliebten Urlaubsländern, bis hinein in unseren Alltag.
Mädchen werden in einer Vielzahl von afrikanischen Ländern, aber ebenso in einigen arabischen und asiatischen Ländern noch immer durch Beschneidung gequält und lebenslang verstümmelt. Die Zahl der Vergewaltigungen und anderer Misshandlungen von Frauen nimmt weltweit zu.
Es gibt dennoch Fortschritte; denn es gibt einen Aufschrei – weltweit. So ist das Problembewusstsein hinsichtlich der Verletzung der Menschenrechte von Frauen stärker geworden. 179 der 191 UN-Mitgliedstaaten haben mittlerweile die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ratifiziert. Das ist ein Fortschritt, auch wenn diese Konvention ein Vierteljahrhundert alt ist. Durch diese Konvention nehmen Frauen in der ganzen Welt ihre Rechte wahr. Sie haben mit der Konvention ein Instrument, ihre Rechte durchzusetzen. Nicht unterzeichnet haben übrigens Iran, Oman, Sudan und – man staune – die Vereinigten Staaten.
Es gibt weitere Fortschritte. So wird das mutige Engagement von Frauenrechtlerinnen und Aktivistinnen in den Entwicklungsländern gewürdigt. Ihnen wird der Rücken gestärkt, ihnen, die sich für Frauen- und Menschenrechte stark gemacht haben. Ich nenne die Iranerin Shirin Ebadi,
ich nenne die Kenianerin Wangari Maathai
und ich nenne die Usbekin Tamara Chikunova,
der im Herbst für ihren mutigen Einsatz gegen Todesstrafe und Folter der Nürnberger Menschenrechtspreis verliehen wird.
Diese starken Frauen machen Mut. Sie sind nicht die Einzigen. Neben ihnen machen Politikerinnen, Journalistinnen, Schriftstellerinnen und viele andere auf die Ungerechtigkeiten in ihren Ländern aufmerksam. Dafür nehmen sie einiges in Kauf. Sie werden angezeigt, verfolgt und bedroht. Viele machen trotzdem weiter.
Es gibt Fortschritte und es gibt sie in vielen Ländern. Das Selbstbewusstsein von Frauen im Süden wächst. Sie dürfen auf das Erreichte stolz sein. Ich nenne das Beispiel Marokko. Dieses Land hat einen großen Sprung nach vorne gemacht, vor allem wegen der Reform des Familienrechtes im Jahr 2003. Frauen und Männern werden die gleichen Rechte eingeräumt, wenn auch zunächst per Dekret des Königs. Dennoch ist diese Reform nicht von oben aufgestülpt. Sie ist im Parlament behandelt worden und ist zu einem umfassenden Gesellschaftsprojekt geworden. Jahrzehntelang hatten Frauenorganisationen dafür gekämpft.
Jetzt aber beginnt die Umsetzung. „Wir haben wunderbare Gesetze; aber es mangelt an der Umsetzung“, so haben wir das von Frauenrechtlerinnen aller Couleur in Marokko gehört. Dies ist eine Aufgabe, die Einfühlungsvermögen und Geduld erfordert; denn zwei Drittel der Marokkanerinnen sind Analphabetinnen. Erst 35 von 400 Richtern sind im neuen Recht ausgebildet. Das zeigt: Hier wie überall auf der Welt müssen auch die Köpfe erobert werden. In der Vorstellungswelt der Menschen muss der Grundsatz der Gleichheit zwischen Frauen und Männern Einzug halten.
Unsere Aufgabe muss es sein, engagierte Frauen vor Ort, Frauen in Institutionen und Frauen in Projekten zu unterstützen. Dabei darf das Effizienzargument nicht im Vordergrund stehen. Im Sinne globaler Gerechtigkeit ist es unsere Pflicht, Frauen und Männer in ihren Anstrengungen zu unterstützen.
In den vergangenen Jahren haben Frauen einiges erreicht. Wir haben die reine Frauenförderung als Querschnittsaufgabe und -strategie zur Geschlechtergerechtigkeit weiterentwickelt.
Denn eine reine Frauenförderung stößt an ihre Grenzen, wenn sich Strukturen nicht verändern.
Die Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen muss in allen gesellschaftlichen Bereichen angegangen werden. Frauen und Männer müssen dabei an einem Strang ziehen. Dennoch möchte ich warnen: Frauen dürfen sich nicht zurücklehnen. Auch die Frauen in den Ländern des Nordens müssen wach bleiben.
Manche meinen ja, sie hätten alles erreicht. Sie meinen, Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechte seien abgefrühstückt. Sie irren. Zehn Jahre nach der Konferenz in Peking muss das Erreichte gegen den neokonservativen Rückwärtsgang verteidigt werden. Brauchen wir dafür, nachdem die Ausrufung des Internationalen Jahres der Frau 30 Jahre zurückliegt, wieder ein Internationales Jahr der Frau? Die Beschlüsse von Peking dürfen nicht aufs Abstellgleis.
In der Entwicklungszusammenarbeit stehen uns verschiedene Instrumente zur Verfügung. Unsere Durchführungsorganisationen verknüpfen die Projekte vor Ort mit den Interessen der Frau – sei es beim Bau einer Trinkwasseranlage, sei es bei der Elektrifizierung einer Gemeinde. Dies ist also eine Querschnittsaufgabe. Der Zugang zu Land, Kapital und Bildung für Frauen steht im Fokus unserer Politik. Gerade unsere Stiftungen leisten im Dialog mit den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen einen wertvollen Beitrag dazu.
Zugang zu Bildung für Mädchen und berufliche Qualifizierung sowie Zugang zu Gesundheit, sauberem Trinkwasser und moderner Energie sind die Dreh- und Angelpunkte, an denen wir unsere Entwicklungszusammenarbeit mit den Partnerländern orientieren. Dazu gehören auch das Recht auf Besitz und der Zugang zu Krediten.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, gleiche Rechte für Frauen und Männer sowie gleiche Entwicklungschancen sind Menschenrechte. Nur so können sich Gesellschaften demokratisieren. Nur so kann ein friedliches Zusammenleben entstehen. Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen ist der Schlüssel zu Demokratie und Entwicklung.
Schönen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Grübel, Sie haben gerade behauptet, die Justizministerin habe ein Verbot von Vaterschaftstests ausgesprochen, und gesagt, sie wolle ein Zuwiderhandeln mit einer Strafe von bis zu einem Jahr belegen. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das falsch ist; denn hier geht es um heimliche Vaterschaftstests. Sie sind doch ebenso wie wir der Meinung, dass heimliche Vaterschaftstests verboten werden müssen, dass nicht heimlich Gen-Analysen erstellt werden dürfen. Wo kämen wir denn hin, wenn wir zuließen, dass sich Versicherungen heimlich Gentests besorgen, um zu sehen, ob die Personen, die sie versichern wollen, möglicherweise gesundheitlich belastet sind, oder dass Arbeitgeber prüfen können, ob sie auch die richtigen Arbeitnehmer auswählen?
Sind Sie nicht mit uns der Meinung, dass heimliche Gen-Analysen verboten sein müssen? Sind Sie nicht mit uns der Meinung, dass es vielmehr notwendig ist, das Erheben einer Anfechtungsklage zu erleichtern? Es ist ja richtig, dass manche Väter gerne Gewissheit haben möchten. Aber hierfür gibt es Mittel und Wege; wir werden morgen im Rahmen einer Debatte darüber sprechen. Es gibt einen FDP-Antrag, die Verfahren der Vaterschaftstests zu vereinfachen. Sind Sie nicht mit uns der Ansicht, dass es verboten sein muss, heimliche Tests machen zu lassen?
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Grübel, Sie haben die Gelegenheit zur Reaktion.
Markus Grübel (CDU/CSU):
Frau Kollegin Schewe-Gerigk, ich vermute, dass Sie sozusagen eine Mehrheit in diesem Haus herbeireden möchten, da die CDU/CSU hier für die Diskussion über Wirtschaftsthemen so stark vertreten ist
und Rot-Grün, auch auf der Regierungsbank, so schwach ist. Sie wollen also offensichtlich noch etwas Zeit gewinnen.
Aber zur Sache. Erstens. Das Gendiagnostikgesetz ist der falsche Ort, um Vaterschaftstests zu regeln; denn hier geht es nicht um Gentests und DNA-Analysen. Deswegen liegen Sie hier schon einmal völlig falsch.
Zweitens. Die Vaterschaftstests in einen Zusammenhang mit dem Strafrecht zu bringen und darüber nachzudenken, für heimliche Vaterschaftstests eine Strafe von einem Jahr auszusprechen, halte ich für völlig daneben.
Über das andere können wir in der Sache trefflich streiten.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/5029, 15/5030, 15/5031 und 15/2049 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage auf Drucksache 15/5029 soll zusätzlich an den Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Drucksache 15/5052 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Tatsächliche Gleichberechtigung durchsetzen – Zehn Jahre Novellierung des Artikels 3 Abs. 2 des Grundgesetzes“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/4146 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?
Meine beiden Beisitzer sind sich nicht einig.
Sie wissen, was die Geschäftsordnung in einem solchen Fall vorsieht. Ich wiederhole die Abstimmung. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist damit abgelehnt.
Wir kommen zu den Zusatzpunkten 2 und 3. Interfraktionell wird Überweisungen der Vorlagen auf den Drucksachen 15/5017 und 15/5032 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und b sowie Zusatzpunkt 4 auf:
3. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Ronald Pofalla, Karl-Josef Laumann, Dagmar Wöhrl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Pakt für Deutschland
– Drucksachen 15/4831, 15/4986 –
Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Thea Dückert
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Wider die Vertrauenskrise – Für eine konsistente und konstante Wirtschaftspolitik
– Drucksachen 15/1589, 15/4985 –
Berichterstattung:Abgeordneter Klaus Brandner
ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Michael Fuchs, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Kein weiterer Arbeitsplatzabbau – Antidiskriminierungsgesetz zurückziehen
– Drucksache 15/5019 –
Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)InnenausschussRechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Dr. Angela Merkel (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle kennen die Lage in Deutschland. Ich glaube, niemand in diesem Hause hat einen Zweifel daran, dass sie extrem ernst ist.
Die Arbeitslosigkeit hat mit 5,2 Millionen eine Rekordzahl erreicht.
Das ist der höchste Stand seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Die Prognosen sagen bestenfalls ein Wirtschaftswachstum von 1 Prozent voraus und der Stabilitätspakt droht zum vierten Mal gebrochen zu werden.
Die Dinge so zu benennen bedeutet nicht, Deutschland schlechtzureden; die Dinge so zu benennen heißt vielmehr, der bedrückenden Realität nüchtern in die Augen zu sehen.
Sie ist bedrückend, weil dahinter Menschen stehen, nämlich junge Menschen mit großen Hoffnungen, die enttäuscht werden, Ältere ohne Perspektive und Familien. All dies sind Schicksale.
Deshalb haben wir deutlich gemacht: Eine Haltung des „Weiter so“, die Fortsetzung des üblichen Tagesgeschäftes verbieten sich angesichts dieser Situation.
Aus diesem Grund haben wir einen Pakt für Deutschland vorgeschlagen, der zehn Punkte als Sofortmaßnahmen umfasst. Im Übrigen haben wir in dieser Woche auch ein Programm für Innovation vorgelegt, das leider von Ihnen abgelehnt und nicht auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Aber das ist Ihr Stil. Sie haben alle Vorschläge abgelehnt, und zwar in der Ihnen eigenen Sprache, Herr Müntefering. Das werden Sie sicherlich auch nachher wieder tun.
Aber ich sage Ihnen: Unsere Forderungen bleiben auf dem Tisch. Wir wissen, dass wir, um die Probleme Deutschlands zu lösen, dicke Bretter bohren müssen. Aber wir werden diese dicken Bretter bohren und sagen, was zu tun ist.
Es kennzeichnet den Zustand der Bundesregierung – das erkennt man auch, wenn man sich die Besetzung der Regierungsbank ansieht –, dass wir als Opposition die Initiative ergreifen müssen,
damit die Bundesregierung endlich einmal überlegt, ob sie handeln soll oder nicht.
Deshalb leisten wir mit unserem Pakt für Deutschland einen Beitrag dazu, Deutschland aus dem „Weiter so“, dem Sich-im-Kreis-Drehen und der Starre, in die es immer wieder verfällt, zu lösen. Wir wissen: Stückwerk reicht nicht. Wir brauchen so etwas wie eine nationale Kraftanstrengung, um diese Situation zu bewältigen. Meine Damen und Herren, Politik darf sich nicht von Ereignissen treiben lassen, vielmehr muss Politik führen und die Initiative ergreifen. Dafür sind wir da.
Für solch eine nationale Kraftanstrengung müssen zuerst einmal folgende Fragen gestellt werden: Was leitet uns? Was bewegt uns? Es ist vollkommen klar, dass wir uns in einer globalisierten Welt einem stärkeren Wettbewerb stellen müssen. Wir müssen uns – stellvertretend für die Menschen in Deutschland – fragen: Womit wollen wir in Zukunft unser Geld verdienen? Auf welchen Gebieten können wir besser oder schneller als andere sein? Wo liegen unsere Qualitäten? Unsere Stärken müssen wir weiterentwickeln. In den Bereichen, in denen wir Schwächen haben, müssen wir nachholen und uns sputen, um wieder Weltspitze zu werden. Das ist der Anspruch, der uns leitet.
Meine Damen und Herren, auf diese Fragen haben wir ganz konkrete Antworten. Ich möchte heute ganz deutlich sagen:
Als Erstes wollen wir, dass Bürokratie abgebaut wird.
Angesichts einer massiven Staatsverschuldung ist es das Allerbeste, erst einmal solche Maßnahmen zu ergreifen, die nichts kosten, uns befreien und Initiative ermöglichen. Deshalb sagen wir: Wir brauchen die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Ein ganz einfaches Beispiel ist in diesem Zusammenhang das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz. Wir wollten, dass seine Geltungsdauer für die neuen Bundesländer, bis der Solidarpakt im Jahre 2019 ausläuft, auf einmal verlängert wird, damit Planungssicherheit besteht und wir uns nicht Jahr für Jahr mit dieser elenden Bürokratie herumschlagen müssen.
Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, vor allen Dingen wollen wir verhindern, dass in der Situation, in der sich Deutschland gegenwärtig befindet, zusätzlich neue Bürokratie entsteht. Deshalb sagen wir: Die Diskussion, die wir im Augenblick über den Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes führen, ist abenteuerlich.
Sie sollten damit aufhören, sich in Ihren eigenen Reihen gegenseitig die wildesten Schuldzuweisungen zu machen. Langsam kommt die Wahrheit doch auf den Tisch. Was hat denn Frau Künast über Herrn Clement gesagt? Sie hat gesagt: Das Wirtschaftsministerium hat diesen Gesetzentwurf erarbeitet. Man fragt sich natürlich: Warum sagt Herr Clement jetzt etwas anderes?
Das weiß ich auch nicht, sagt sie.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Auch ich weiß es nicht; denn der Herr Wirtschaftsminister, der uns heute leider nicht die Ehre geben kann, gehört zu denjenigen, die landauf, landab so tun, als wollten sie die Bürokratie abbauen.
Wenn es aber hart auf hart kommt, stellt sich heraus, dass wesentliche Teile dieses Arbeitsplätze vernichtenden Gesetzentwurfes in seinem eigenen Ministerium erarbeitet wurden. Meine Damen und Herren, das ist Doppelzüngigkeit.
Deshalb erwarten wir vom Bundeskanzler nicht nur, dass er bei Kabinettssitzungen seine Minister rügt, sondern auch, dass er, wenn er in der nächsten Woche seine Regierungserklärung abgibt, ankündigt, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen und ihn bestenfalls durch eine Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinie zu ersetzen. Das wäre ein echter Beitrag zu mehr Wachstum in Deutschland.
Neben dem Abbau von Bürokratie wollen wir einen absoluten Schwerpunkt bei Bildung und Innovation setzen. Schwerpunkt bei Bildung und Innovation heißt, auf Wettbewerb zu setzen. Wir sind dafür, dass wir die Besten fördern. Wir sind dafür, dass die besten Fakultäten an deutschen Universitäten gefördert werden, begutachtet von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Unsere Anträge liegen auf dem Tisch. Was wir nicht wollen, ist eine Pauschalförderung ganzer Universitäten, weil sie nämlich genau nicht zu Elite, sondern wieder zu Zentralismus führt. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Wir machen ein konkretes Angebot. Stimmen Sie dem Antrag von Bayern und Baden-Württemberg im Bundesrat zu! Dann haben Sie übermorgen eine Exzellenzförderung, wie sie im Buche steht und wie Deutschland sie braucht.
Wir wollen ein Gentechnikgesetz, das es ermöglicht, dass Deutschland in diesem Forschungsbereich Spitze wird. Dazu gab es gestern hier eine Aktuelle Stunde. Wir sind von diesem Ziel meilenweit entfernt. Bulmahn keilt sich mit Künast und auf der Strecke bleibt die Forschung. Wir bieten an: Ändern Sie das Gentechnikgesetz! Auch Herr Clement erklärt landauf, landab, das müsse sein,
ebenso Herr Schmoldt, der Vorsitzende der IG BCE. Lassen Sie doch der Vernunft wenigstens eine Schneise! Lassen Sie die Regierung nächste Woche sagen: Wir ändern das Gesetz. Dann wären wir ein ganzes Stück weiter.
Meine Damen und Herren, wir könnten Innovation auch dadurch fördern, dass wir der forschenden pharmazeutischen Industrie für die patentgeschützten Medikamente in Deutschland wieder Planungssicherheit geben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt und das gilt nicht nur für die deutschen Unternehmen, sondern es gilt vor allen Dingen auch für die amerikanischen Investoren, die hier Planungssicherheit brauchen. Zurzeit gehen sie nach Frankreich, England und sonst wohin, aber nicht nach Deutschland.
Herr Müntefering, wir sind gewählt für ein einziges Ziel. Wir können uns zwar freuen, wenn es anderen Ländern gut geht, aber gewählt sind wir, um dafür zu sorgen, dass es den Menschen in Deutschland gut geht. Das ist unser Auftrag.
Wir sind der Meinung, dass wir Flexibilität im Arbeitsrecht über das bisher Erreichte brauchen. Kleine Schritte sind gegangen worden,
aber wir glauben, dass für mittelständische und kleine Unternehmen zum Beispiel betriebliche Bündnisse für Arbeit,
also die Möglichkeit, während der Laufzeit eines Tarifvertrages von dem im Rahmen des Tarifvertrages vereinbarten Lohn und von der vereinbarten Arbeitszeit abzuweichen, ein notwendiges Mittel sind, um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit in der Welt zu erhalten. Wir wissen von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, dass sie bereit sind, für ihren Arbeitsplatz Opfer und Einschnitte in Kauf zu nehmen.
Lassen Sie die Menschen selbst entscheiden, was für sie gut ist, meine Damen und Herren! Das ist unser Ansatz.
Wir wollen, nachdem wir wie Sie der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zugestimmt haben, dass jetzt Anreize geschaffen werden, damit Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt aufgenommen wird.
Die Bundesagentur hat leider bis jetzt überhaupt keine Kraft, sich um die Vermittlung von Arbeitslosen zu kümmern.
Ich gehe davon aus, dass der Bundeskanzler uns nächste Woche sagen wird, wie genau dieser Punkt verbessert werden soll; denn Fordern und Fördern gehören zusammen. Ohne Verbesserungen in diesem Bereich wird es zu keiner Akzeptanz für diese Reform kommen.
Wir wollen, dass die Zuverdienstmöglichkeiten gerade im unteren Einkommensbereich noch einmal überprüft werden, und wir werden dafür auch sehr konkrete Vorschläge vorlegen.
– Sie sollten nicht schreien. Hören Sie doch einmal zu.
Zurzeit fördern Sie die 1-Euro-Jobs über die Maßen. Mit den 1-Euro-Jobs sind die Zuverdienstmöglichkeiten auf dem zweiten Arbeitsmarkt exorbitant besser als auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Es ist doch ein Gebot der Vernunft – ich bitte Sie –, dass man das erkennt, dass man daraus die Schlussfolgerung zieht und nicht monatelang die Menschen in die Falle laufen lässt.
Das ist unser Ansatz und deshalb machen wir diese Vorschläge.
Ganz konkret: Wir wollen, dass die Lohnzusatzkosten sinken.
Meine Damen und Herren, Sie haben im Zusammenhang mit den Reformen Hartz I, II und III eine irrsinnige Zahl von Versprechungen gemacht. Alle Versprechungen sind in sich zusammengebrochen: am meisten die bei den Personal-Service-Agenturen, auch die bei den Ich-AGs. „Halbierung der Arbeitslosigkeit innerhalb von drei Jahren um 2 Millionen auf 2 Millionen“,
das war die Aussage von Herrn Hartz im August des Jahres 2002.
Wenn Sie Herrn Hartz nicht mehr glauben, wenn das für Sie nicht mehr wichtig ist, dann müssen Sie uns das sagen. Aber Sie haben beim deutschen Volk damals genau diese Erwartung geweckt.
Wir sagen: Lassen Sie diese teuren Instrumente jetzt beiseite und senken Sie den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung! Denn wir wissen: 1 Prozentpunkt weniger Lohnzusatzkosten macht 100 000 neue Jobs. Lassen Sie uns diesen Weg gehen! Ich hoffe darauf, dass die Regierung das aufnimmt.
Meine Damen und Herren, wir wollen Veränderungen im Steuersystem. Nächste Woche – wir können es parallel zu der Regierungserklärung des Bundeskanzlers machen – wird unser Steuerkonzept 21 beraten.
Darin geht es um eine Vereinfachung des Steuersystems,
etwas, worauf die Menschen wirklich hoffen.
Wir sind darüber hinaus angesichts der internationalen Wettbewerbssituation bereit, gerade für unsere mittelständischen Unternehmen mit einer Unternehmensteuerreform etwas zu tun.
Ich glaube, wir sollten uns hier wirklich schnell an die Arbeit machen und nicht wieder monatelang Sachverständige befragen. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch.
Lassen Sie uns das in Angriff nehmen, dann finden wir eine Lösung! Es setzt natürlich voraus, dass Sie einsehen, dass die Unternehmensteuerreform etwas Wichtiges ist für die mittelständischen Unternehmen, gerade im Wettbewerb mit Unternehmen in Österreich und in anderen Ländern. Sie können noch so viel schreien – der Mittelstand braucht das. Und ich gehe davon aus, dass wir hier etwas machen werden.
Ich will noch einen Punkt ansprechen, der Ihnen zwar wehtut, der aber für den deutschen Mittelstand wichtig ist: die Erbschaftsteuer.
Wir müssen überlegen, wie wir die Gewinne, die im Unternehmen bleiben, ein Stück mehr von der Erbschaftsteuer befreien. Dann können Investitionen in Deutschland gehalten werden und Unternehmen werden nicht gezwungen, über die Grenze zu gehen. Das ist das, was wir brauchen.
Wir wollen eine Föderalismusreform,
weil wir wissen, dass unsere Entscheidungen schneller gefällt werden müssen. – Ja, so ist das. – Das setzt voraus, dass Sie nicht noch den fünften, sechsten, siebenten, achten Prozess beim Bundesverfassungsgericht verlieren wie bei der Juniorprofessur und bei den Studiengebühren,
sondern dass Sie einsehen, dass es eine Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern gibt und dass wir in der Bundesrepublik Deutschland Wettbewerb brauchen. Wenn wir die Blockade der Bundesregierung
und der rot-grünen Fraktion bei der Bildungspolitik aufheben,
bekommen wir eine wunderbare Föderalismusreform. Wir sind dazu bereit, das endlich zu Ende zu bringen.
Wir wollen also nicht mehr und nicht weniger als durchgreifende Strukturreformen auf allen Gebieten. Was wir mit Sicherheit nicht wollen, sind kurzfristige, durch Schulden finanzierte Konjunkturprogramme, die wieder nichts als Strohfeuer sind und die die Menschen enttäuschen.
Deshalb werden wir genau das ablehnen. Auch das soll klar sein: Durchgreifende Strukturreformen, das ist es, was wir brauchen.
Ich glaube, dass es an der Zeit ist, zu überlegen, was wir im Sinne einer nationalen Kraftanstrengung hinbekommen.
Wir werden offen in die Gespräche gehen.
Sie wissen, dass wir immer dann, wenn die Vorteile die Nachteile überwogen haben, den Vorschlägen zugestimmt haben, um Deutschland voranzubringen.
Ich sage aber auch: Wir brauchen keine Kaffeestunden, die die Enttäuschung der Menschen zum Schluss immer weiter erhöhen und ausdehnen; denn es gibt schon so viel Enttäuschung in diesem Land – und das mit Recht.
Meine Damen und Herren, wenn ein Bundeskanzler 1998 sagt: „Wenn es mir nicht gelingt, die Arbeitslosigkeit wesentlich zu senken, dann bin ich es nicht wert, dass ich wieder gewählt werde“,
dann hat der Mann vor Beginn seiner Amtszeit noch das richtige Gefühl gehabt.
Wenn dieser Bundeskanzler den Menschen im Dezember – wiederum über eine große deutsche Illustrierte – aber erklärt, er habe auf dem Gebiet der Arbeitsmarktreform alles getan, was möglich war, mehr sei nicht drin, dann darf man sich doch nicht darüber wundern, dass sich die Menschen von der Politik abwenden. Deshalb haben wir immer wieder gesagt: Die Agenda 2010 ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, diese Agenda 2010 reicht aber nicht.
Ich bin ja froh, dass der Bundeskanzler nach Jahren jetzt offensichtlich langsam einsieht, dass wir über diese Agenda 2010 hinausgehen müssen und dass wir weitere Schritte brauchen. Das dürfen aber nicht irgendwelche Schritte sein, sondern wir müssen uns überlegen, was wir bereits geschafft haben und was noch vor uns steht.
Meine Damen und Herren, der Managerkreis der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung hat dieser Tage wieder gesagt: Die Agenda 2010 ist so, als ob man mit Esslöffeln gegen Wanderdünen angeht. Das hat man getan. Okay, es ist immer noch besser, mit einem Esslöffel gegen eine Wanderdüne anzugehen, als gar nichts und das Falsche zu tun, ich sage aber: Wir brauchen anstatt eines Klein-Klein einen richtigen Quantensprung, eine echte Kraftanstrengung. Dazu sind wir bereit.
Eine solche Kraftanstrengung muss einem Maßstab folgen und einen roten Faden haben. Das heißt, es muss in Deutschland schneller gehen und wir müssen flexibler werden. Damit wir wieder gerechter zu den Menschen sind, müssen wir mit unseren Entscheidungen direkter an die Menschen heran. Das heißt, Sie dürfen nicht jeden, der in diesem Land seine Freiheiten nutzen will, unter einen öffentlichen Rechtfertigungszwang setzen.
Wir müssen endlich ein Klima der Freiheit schaffen und den Menschen in diesem Lande zeigen, dass wir ihnen etwas zutrauen. Das muss uns gelingen.
Wir leben ja nun im Einsteinjahr. Am Kanzleramt prangt derzeit ein kluger Satz von Albert Einstein, der da lautet:
Der Staat ist für die Menschen da und nicht die Menschen für den Staat.
Wenn Sie das ein Stück weit berücksichtigen würden und wenn wir mit dem Geist dieses Satzes von Albert Einstein in diesem Jahr an die Lösung der Probleme gehen, dann, das sage ich Ihnen voraus, werden wir ein gutes Stück weiterkommen. Unser guter Wille ist da.
Das, was unserem Land hilft und Vorteile bringt, werden wir im Sinne und für die Menschen dieses Landes mitmachen. Sie haben es verdient.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Franz Müntefering.
Franz Müntefering (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU hat den Antrag auf Drucksache 15/4831 auf eigenen Wunsch hier auf die Tagesordnung gesetzt. Diesem wollen wir uns jetzt zuwenden. Frau Merkel hat verständlicherweise relativ wenig dazu gesagt; denn was darin steht, ist enttäuschend.
Dies ist ein Antrag aus der Abteilung Taktik. Was die Ansprüche an sich selbst angeht, ist die Opposition sehr bescheiden geworden.
Bei dem, was Sie vorgelegt haben, ist nichts von dem großen Konzept zu erkennen, das kommen sollte.
Frau Merkel hat zu Beginn ihrer Zeit als Vorsitzende die „neue soziale Marktwirtschaft“, die kommen sollte, beschrieben. Das hat sich im Kleinkarierten und Vordergründigen verloren. Das einzige Fettauge auf der dünnen Suppe des Antrags ist der Titel – er ist wirklich gut –: Pakt für Deutschland. Das können wir gerne miteinander machen. Aber der Inhalt des Antrags wird dem Titel nicht gerecht.
Ob das mit dem Pakt für Deutschland ehrlich gemeint ist, ist eine andere Frage.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, ich kann es Ihnen nicht ersparen, Sie auf zwei Punkte anzusprechen, die sich aus den Erfahrungen der letzten Wochen ergeben haben. Der erste Punkt war und ist der Vorwurf, die SPD sei in hohem Maße für die große Zahl der Nazis mitverantwortlich, die es in einigen Teilen Deutschlands wieder gibt.
– Bleiben Sie ruhig und lassen Sie uns darüber vernünftig sprechen. Diesen Punkt müssen wir miteinander klären.
– Über das, was Herr Söder und Herr Stoiber dazu gesagt haben, müssen wir im Parlament sprechen. Wir können schließlich nicht nur über Nebensächlichkeiten diskutieren, sondern müssen auch einmal an Kernthemen heran.
Die Behauptung ist: Die hohe Zahl der Arbeitslosen sei, verschuldet durch die SPD, Grund für die hohe Zahl der Nazis bei uns in einigen Teilen – Gott sei Dank nicht überall – des Landes.
Zwei Dinge will ich Ihnen dazu sagen. Erstens. Sie beleidigen damit die Arbeitslosen. Sie sind es heute nicht und sie waren es auch 1933 nicht, die damals die Braunen an die Macht gebracht haben. Es waren immer Leute in Anzug und Krawatte, die dafür gesorgt haben, dass die Braunen nach vorne gekommen sind.
Zweitens. Die demokratischen Parteien müssen an dieser Stelle aufpassen, dass wir uns nicht gegenseitig um unsere Möglichkeiten der Zusammenarbeit bringen.
Ich sage hier vor dem Bundestag ganz klar: Es ist nicht die Schuld der CDU/CSU, dass es viele neue Nazis gibt. Es ist aber auch nicht die Schuld der SPD. Wir müssen darauf achten, dass in diesem Lande eines klar ist: An dieser Stelle dürfen wir uns nicht gegenseitig etwas unterstellen, was so nicht gerechtfertigt ist. Wer anfängt, hier taktische Spielchen zu machen, der schadet der Demokratie.
Der zweite Punkt – auch das muss ich hier ansprechen – ist das, was am Sonntag vor einer Woche in einer Sonntagszeitung stand: CSU macht Schröder für Verbrechen an Kindern mitverantwortlich. Helfershelfer von Kinderschändern seien Teil des „Kartells der Schuldigen“.
– Nein, das stand so in der Zeitung. Da dies in Anführungszeichen gesetzt war, war es legitimiert, dies so zu schreiben.
Eine solche Vorgehensweise ist der CDU/CSU und ihrer Tradition nicht würdig. Das sollten Sie bitte bedenken.
Frau Merkel, heute wäre eine gute Gelegenheit gewesen, dazu etwas zu sagen. Dass es einen Herrn Söder gibt, der so etwas sagt, muss ich wohl respektieren. Dass aber weder Sie noch Herr Stoiber den Mut haben, deutlich zu machen, dass dies nicht Ihre Meinung ist, ist schade und bedauerlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, nun komme ich zu Ihrem Antrag selbst.
Der Beginn des Antrags macht ein Ausmaß von Vergesslichkeit deutlich, das stark an Alzheimer erinnert; das muss ich Ihnen schon sagen.
Sie schreiben über die 5 Millionen Arbeitslosen so, als ob Sie vergessen hätten, dass wir miteinander ein Gesetz beschlossen haben, das notwendigerweise dazu führen musste, dass einige hunderttausend erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger in die Statistik der Bundesagentur aufgenommen wurden. Das wussten wir alle miteinander, als das Gesetz beschlossen wurde.
Wir wussten nicht, ob es 300 000, 400 000 oder 500 000 sind. Im Augenblick sind es etwa 350 000 bis 400 000 Erwerbsfähige, die aus der Sackgasse der Sozialhilfe herausgeholt und in die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit überführt wurden und damit wieder vermittelbar sind und an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Auch wenn einige von Ihnen jetzt erstaunt gucken, wissen Sie das hoffentlich alle. Als wir damals dieses Gesetz beschlossen haben, war klar: Wenn wir das machen, wird es so sein. – Diese jungen Menschen, Alleinerziehende und sozial Schwache holen wir aus der Sackgasse der Sozialhilfe und der Vergessenheit heraus. Das ist richtig.
Ich sage Ihnen in vollem Ernst: Es ist besser, die Arbeitslosenzahl mit 5,2 Millionen anzugeben und die 400 000 einzuschließen, die früher nicht berücksichtigt worden sind, als die Zahl von 4,8 Millionen zu nennen und die anderen zu vergessen und in der Sackgasse zu lassen.
Die Zahl ist bedrückend. Das ist wohl wahr. Das, was wir jetzt haben, ist die Lage von 1998 unter Kohl plus die Statistik von Hartz.
- Sie müssen ganz einfach die Zahlen zusammenzählen, dann kommen Sie auf das Ergebnis: Arbeitslosenzahl von 1998 zu der Zeit von Helmut Kohl plus Statistikeffekt durch Hartz. Wenn wir so viele ABM und SAM gemacht hätten wie Sie, dann läge die Zahl deutlich darunter.
Das tröstet aber die nicht, die darauf angewiesen sind, dass ihnen Hilfe zuteil wird.
Was schreiben Sie in Ihrem Antrag? Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll von 6,5 Prozent auf 5,0 Prozent gesenkt werden. Frau Merkel hat gerade versucht, das noch einmal zu begründen. Wer das macht, der kürzt die Mittel der Bundesagentur für Arbeit um mindestens 11 Milliarden Euro. Es können auch ein paar Milliarden mehr sein. Wer das macht, der muss dafür sorgen, dass entweder das Arbeitslosengeld I gekürzt wird oder auf Hilfsmaßnahmen für junge Menschen, die dringend in Ausbildung gebracht werden müssen, verzichtet wird oder die Zahlung von Lohnkostenzuschüssen für Existenzgründer einzustellen ist. Es kann nicht sein, dass wir 11 Milliarden Euro aus dem Etat der Bundesagentur für Arbeit entnehmen das wollen Sie , gleichzeitig aber die Bundesagentur auffordern, sie solle mehr vermitteln. Das geht zumindest rechnerisch nicht.
Sie haben dann ein ganzes Kapitel, in dem Sie sich mit den Arbeitnehmerrechten auseinander setzen. Die Tarifautonomie soll geschleift werden, ebenso der Kündigungsschutz, das Betriebsverfassungsgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz. Sie fordern, dass es untertarifliche Entlohnung für Langzeitarbeitslose geben soll, und zwar gesetzlich fixiert. Das gibt es längst in Tarifverträgen ich weiß nicht, ob Sie sich da genau auskennen , Sie aber fordern eine gesetzliche Regelung. Das ist ein Zeichen dafür, dass Sie die Tarifautonomie nicht mehr ernst nehmen.
Das ist ein Punkt, über den wir uns nicht verständigen können. Es muss in Deutschland auch in Zukunft so sein damit ist Deutschland gut gefahren , dass starke Arbeitnehmer und starke Arbeitgeber ihre Interessen vertreten und miteinander Tarifverträge aushandeln können. Wir als Gesetzgeber werden uns da heraushalten. Die Tarifparteien sind klug genug, dieses miteinander zu vereinbaren.
Sie sind übrigens auch klug genug, Wege zu finden, vernünftige Regelungen zu finden, wenn es darauf ankommt. Sie, Frau Merkel, haben das selbst lobend in Bezug auf das erwähnt, was jetzt bei Opel passiert ist. Zitat: Es ist gelungen, weil die Menschen vor Ort, die einen Arbeitsplatz bei Opel haben, bereit waren, etwas für den Erhalt ihres Arbeitsplatzes zu tun. - Das ist genau das, was wir sagen. Was glauben Sie aber, was heute bei Opel in Bochum und in anderen Städten los wäre, wenn es die Gewerkschaften und die Betriebsräte nicht gegeben hätte? Das ist doch die schlichte Wahrheit.
Tausende Male haben Betriebsräte und Gewerkschaften mitgeholfen, dass Betriebe lebensfähig geblieben sind. Kluge Unternehmer wissen das ganz genau. Gewerkschaften und Betriebsräte sind keine fünfte Kolonne, die versucht, die Betriebe kaputt zu machen. Sie helfen vielmehr mit, dass Betriebe bestehen bleiben, so wie es jetzt auch bei Opel gewesen ist.
Das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, ist der Weg weg von der Souveränität der Tarifparteien.
Es ist ein Stück Demokratie, um das es geht. Das werden wir uns ganz sicher nicht wegstreichen lassen.
So viel zu Ihrem Sofortprogramm. In Ihrem Sofortprogramm steht allerdings nichts von den Zuverdienstmöglichkeiten. Das ist eine besonders schicke Sache. Weshalb haben Sie, Frau Merkel, heute Morgen nicht einmal den Mut gehabt, zu sagen, dass Sie sich damals geirrt und darauf bestanden haben, dass die Zuverdienstmöglichkeiten im unteren Bereich nicht so hoch sind, wie die Sozialdemokraten und die Grünen das wollten? So war das nämlich im Vermittlungsausschuss: Wir wollten höhere Zuverdienstmöglichkeiten erlauben.
Es wäre schon gut, wenn wenigstens einmal gesagt würde, dass Sie nicht immer die Neunmalklugen sind, sondern dass Sie sich an der Stelle korrigieren müssen. Wenn Sie es tun, ist es gut. Darüber können wir miteinander sprechen.
In Ihrem Antrag sind zwei Kapitel – ich weiß nicht, ob Sie das noch einmal gelesen haben –: Es gibt einmal das Sofortprogramm, über das ich gerade gesprochen habe, und zum anderen gibt es ein Kapitel II, in dem es um Strukturreformen, zum Beispiel in der Steuer- und Bildungspolitik, geht. Da haben Sie mit der Bildungspolitik natürlich etwas Interessantes angesprochen. Das Thema Studiengebühren haben Sie aber lieber weggelassen. Es wäre interessant gewesen, heute Morgen einmal Ihre Meinung dazu zu hören, wie es denn so ist mit den Studiengebühren. Ihre Länderfürsten haben Studiengebühren angekündigt. Im Moment haben alle wieder ein bisschen Luft abgelassen. Sie haben genau gemerkt, dass es so schnell und so einfach dann doch nicht geht. Aber Sie stehen offensichtlich dazu
und sagen: Studiengebühren, ja. Das nehme ich so zur Kenntnis. Das ist ein Punkt, über den man irgendwo miteinander zu reden haben wird.
Dann haben Sie das angesprochen, was in der Föderalismuskommission dazu stattgefunden hat. Meine Meinung ist unverändert die, dass wir noch einmal einen Anlauf unternehmen sollten, um in Sachen Föderalismus in diesem Land voranzukommen. Weil das so ist, verkneife ich mir jetzt jede Antwort auf das, Frau Merkel, was Sie eben dazu gesagt haben. Wer so verfährt, wie Sie das getan haben, der macht die Möglichkeiten, an dieser Stelle zu einer Einvernehmlichkeit zu kommen, fast schon wieder kaputt. Ich zweifele, ob Sie wirklich wollen.
Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass die Strukturreformen, auch zur Steuer- und Bildungspolitik, noch in diesem Jahr in konkrete Gesetze gefasst werden sollten. Darüber kann man sprechen. Das werden Sie in der nächsten Woche sicherlich auch tun. Die Frage ist: Was meinen Sie eigentlich damit?
Über die Senkung des Spitzensteuersatzes haben Sie heute nichts gesagt. Ihrem Papier entnehmen wir: 39 Prozent und eine Linksverschiebung der Progressionsgrenze; bei 45 000 Euro soll der Satz greifen. Das heißt, die, die unten sind, bezahlen mal wieder mehr; die, die oben sind, werden entlastet.
Sie sagen in Ihrem Antrag nichts zum Abbau von Subventionen. Dazu hätte man zwei Dinge sagen können:
Erstens. Eigenheimzulage.
Wenn wir im Bereich Bildung, Forschung und Technologie etwas machen wollen, dann lassen Sie uns Folgendes tun: die Eigenheimzulage abschaffen und das Geld für Forschung und Technologie einsetzen. Da wäre es für die nächste Zeit dringend nötig.
Zweitens hätten Sie etwas zum Steuervergünstigungsabbaugesetz sagen sollen. Damit hätten wir eine Menge Geld für Bund, Länder und Gemeinden realisieren können. Dass Sie das am 16. Mai 2003 abgelehnt haben, hat die öffentlichen Hände 26,9 Milliarden Euro gekostet. Es ist die blanke Heuchelei, wenn Sie und einige CDU-Länder, einige CDU-Bürgermeister oder -Oberbürgermeister darüber klagen, zurzeit kein Geld zu haben. Sie hätten es haben können. Sich vor Ort beklagen und dann auf der Bundesebene keinen Mut haben, das zeugt nicht gerade von politischer Weitsicht.
Nun haben Sie noch einen Antrag zum Thema Antidiskriminierungsgesetz nachgeschoben. Er hat einen interessanten Einstieg. Darin beschreiben Sie nämlich zunächst einmal, wie sinnvoll so etwas eigentlich sein könnte:
Die Diskriminierung eines Menschen wegen seiner äußeren Merkmale oder seiner Veranlagung ist schlicht und ergreifend abzulehnen.
Dies ergibt sich aus dem christlichen Menschenbild, welches von der Unverletzbarkeit der Würde eines jeden Einzelnen ausgeht.
Es ist daher völlig selbstverständlich, dass sich eine Gesellschaft Regeln gibt, die deutlich machen, dass negative Diskriminierung gegen die Würde eines jeden Menschen geht und geahndet werden muss.
Obwohl Sie dies geschrieben haben, steht obendrüber: Antidiskriminierungsgesetz verhindern! Das ist eine komische Logik, der Sie da folgen.
Im arbeitsrechtlichen Teil des Antidiskriminierungsgesetzes bewegen wir uns akkurat auf der Höhe dessen, was uns die EU vorschreibt. Im privatrechtlichen Bereich gehen wir darüber hinaus, weil wir Behinderte einbeziehen möchten. Wir möchten nicht, dass Gruppen von Behinderten in Restaurants rausgeschmissen werden. Wir möchten, dass bei uns in Deutschland geklärt ist, dass sie dahin kommen können, und zwar gesetzlich garantiert.
Wir werden die Ergebnisse der Anhörung auswerten. Es gibt sicherlich Korrekturmöglichkeiten, was die Verwirkungsfristen, gemischte Bewohnerschaft – das betrifft das Wohnraumförderungsgesetz – oder kirchliche Interessen anbelangt. Aber das Antidiskriminierungsgesetz wird kommen. Darauf können Sie sich ganz sicher verlassen.
Sie haben mit dem Antrag – ich habe mich auf diesen Teil konzentriert – keinerlei Hilfestellung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gegeben.
Das wird aber für die Debatte in der nächsten Woche ganz wichtig sein. Heute war auf der Grundlage Ihres Antrags offenbar nicht mehr zu erwarten. Ich bin sehr gespannt, was Sie in der Debatte über die Regierungserklärung in der nächsten Woche einbringen werden. Die Frage ist, ob Sie, Frau Merkel, sprechen werden oder Herr Stoiber. Wie gesagt, wir sind sehr gespannt darauf, wie das in der nächsten Woche laufen wird. Vielleicht zeigen Sie dann ein bisschen mehr Augenmaß und Verantwortung für das ganze Land. Insgesamt, insbesondere mit Ihrem Antrag, zeigen Sie es heute jedenfalls nicht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun Dr. Guido Westerwelle für die FDP-Fraktion.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Lage in Deutschland ist folgende: Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit seit Gründung der Republik. Wir haben die marodesten Staatsfinanzen seit Gründung der Republik. Wir haben noch nie so viele Unternehmenspleiten gehabt. Wir haben ein Wachstum, das entgegen allen optimistischen Prognosen nun nochmals zusammenbricht. Wir haben brüchige Sozialsysteme. Wir haben ein Bildungssystem, das im Allgemeinen international schlechte Noten bekommt. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass es, während der Deutsche Bundestag an einem Donnerstagvormittag – zur Kernzeit! – zum Thema Massenarbeitslosigkeit tagt, gerade einmal vier von 14 Bundesministern für notwendig erachten, anwesend zu sein.
Das, was Sie hier sehen, ist die heutige Titelseite der „BZ“, einer großen Berliner Tageszeitung: „Keine Zeit für Arbeitslose“.
Das ist in Wahrheit das Gefährlichste, was eine Regierung vermitteln kann. Nicht nur Ihre Wankelmütigkeit, sondern auch Ihre Ignoranz gegenüber dem, was notwendig ist, das ist das eigentliche Problem.
Da Ihnen, wie ich gehört habe, diese Zeitung nicht gefällt, greife ich zur nächsten, zur heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“, die Ihnen ja näher steht. Dort heißt es auf der Titelseite: „Kanzler fordert Disziplin, Minister streiten weiter“. Wie wollen Sie denn das Land aus der Krise führen, wenn Sie sich noch nicht einmal einig sind? Das kann doch nicht funktionieren.
„Der Spiegel“ steht Ihnen möglicherweise noch näher. Auf seiner Titelseite in dieser Woche macht dieses Magazin mit folgendem Zitat von Gerhard Schröder – in bewundernswerter Deutlichkeit – auf:
Wenn wir die Arbeitslosenquote nicht spürbar senken, dann haben wir es nicht verdient, wiedergewählt zu werden.
Als Sie 1998 die Regierung übernommen haben, gab es 3,947 Millionen Arbeitslose. Nun sind es 5,216 Millionen Arbeitslose. Das ist das Ergebnis rot-grüner Politik und nicht irgendein Gottesgesetz oder ein Naturvorgang.
Es ist wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass es Alternativen gibt. Denn viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, vor allem diejenigen, die mit Rot-Grün längst abgerechnet und Schluss gemacht haben, fragen sich besorgt: Gibt es eine Alternative? Kann es anders gehen? Ist es nicht quasi eine zwangsläufig Folge der Globalisierung, dass wir in Deutschland in einer solchen maroden Situation sind? Es ist deswegen genauso notwendig wie erforderlich, einen internationalen Vergleich anzustellen. Wenn man sieht, dass die Politik in Deutschland eine Arbeitslosenquote von 12 Prozent zu verantworten hat, während die Arbeitslosenquoten in Österreich und Großbritannien bei jeweils 4,5 Prozent und in den USA bei 5,5 Prozent liegen, dann kommt man zu dem Schluss, dass die anderen Länder etwas besser machen.
Beim Wachstum ist es doch genau dasselbe. Sie reden es jetzt mit einer Wachstumsprognose von zunächst 1,6 Prozent schön. Darauf ist der ganze Haushalt gebaut, danach ist er gestrickt. Wir sehen in diesen Tagen, wie er anhand der korrigierten Wachstumsprognosen abermals zusammenbricht. Gerade noch 1 Prozent Wirtschaftswachstum sagen die Sachverständigen Deutschland voraus. Zum Vergleich: Die Wachstumsprognose 2005 ist für Frankreich 2,2 Prozent, für Großbritannien 2,9 Prozent, für die USA 3,4 Prozent. Wenn Deutschland von allen 25 europäischen Mitgliedstaaten die schlechteste Wachstumsrate hat, dann ist dies nicht das Ergebnis einer schäbigen Weltwirtschaft, sondern das Ergebnis einer schlechten Regierung. Das ist der feine Unterschied.
Deswegen wollen wir als Opposition eine wachstumsorientierte Politik. Dass die Grünen damit Schwierigkeiten haben, ist bekannt. Sie haben sich vor 25 Jahren mit dem Ziel des Nullwachstums gegründet. Jetzt in der Regierungsverantwortung haben sie es fast geschafft – leider, muss man sagen.
Als sie sich gründeten, wollten sie den Kapitalismus besiegen. In der Regierungsverantwortung ist es ihnen nahezu gelungen. Das ist die Lage in diesem Lande.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen, Herr Kollege Müntefering, noch einmal Folgendes vorhalten – ich halte das für einen entscheidenden Punkt –: Es ist doch nicht die Opposition, sondern es sind Ihre Genossinnen und Genossen, die mit dieser Politik längst auch öffentlich abrechnen.
In dieser Woche sagte der Betriebsrat – wohlgemerkt nicht der Vorstandsvorsitzende –, Herr Gipperich – er ist SPD-Mitglied –, von Bayer aus Nordrhein-Westfalen wörtlich:
Wer grün wählt, entscheidet sich gegen Arbeitsplätze.
Er fügt hinzu:
Was Verbraucherministerin Renate Künast mit der grünen Gentechnik macht, ist eine absolute Sauerei ... Alte Arbeitsplätze werden vernichtet und neue andernorts geschaffen.
Das ist die Meinung der deutschen Opposition. Wir unterstützen die Betriebsräte in ihrer Kritik an der Bundesregierung.
Verehrte Anwesende, es ist ein wichtiger Punkt, hierzu auch die Forschungsseite zu zitieren. Wovon wollen wir denn leben? Wo sollen denn Arbeitsplätze entstehen, wenn nicht in den neuen Schlüsseltechnologien? Wenn andere billiger sind, müssen wir besser sein. Deswegen wollen wir eine forschungsfreundliche Politik. Wir wollen eine wirtschafts- und investitionsfreundliche Politik, die Bio- und Gentechnologie eben nicht außer Landes treibt, sondern ihnen hier eine Chance gibt. Ich zitiere dazu den Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der noch zur Jahreswende zum Gentechnikgesetz gesagt hat:
Die noch in Deutschland durchgeführte Forschung wird gezwungen sein, sich ins Ausland zu verlagern.
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, was die wesentliche Nachricht des SPD-Vorsitzenden an diesem Rednerpult gewesen ist. Ich hoffe, dass der deutsche Bundeskanzler nächste Woche mehr zu bieten hat. Denn wenn das alles ist, dann geht das aus wie das Hornberger Schießen: Außer Spesen nichts gewesen.
Ich sage Ihnen: Das darf nicht passieren. Wenn es solche Runden gibt, müssen auch strukturelle Ergebnisse möglich werden.
Dazu sollte aus unserer Sicht vor allen Dingen die Beerdigung eines Antidiskriminierungsgesetzes gehören. Denn das ist der Totengräber für noch mehr Arbeitsplätze.
In Zeiten der Massenarbeitslosigkeit hat der Bundesvorsitzende der Sozialdemokraten eine einzige konkrete Nachricht: dass das Antidiskriminierungsgesetz kommen wird, und zwar gegen Herrn Clement, gegen Herrn Steinbrück, gegen zahlreiche Vertreter des Bundesinnenministeriums und auch den Bundesinnenminister selbst – wir lesen das alles nach –, gegen Betriebsräte und übrigens auch gegen mancherlei Betroffene. Dieses Antidiskriminierungsgesetz wird nicht nur Arbeitsplätze vernichten, sondern auch genau den Minderheiten schaden, die es zu schützen gilt, weil dann nämlich in Wahrheit zu einem Vorstellungsgespräch ebendiese Minderheiten gar nicht mehr eingeladen werden, aus Sorge, anschließend, wenn man aus fachlichen Gründen ablehnt, einer Klagewelle gegenüberzustehen.
Deswegen ist es völlig richtig, wie nicht irgendeiner von der Opposition, sondern wie der Genosse Ude, der Oberbürgermeister von München, das Antidiskriminierungsgesetz bewertet hat. Er sagt dazu wörtlich:
Da haben sich ein paar Gutmenschen ausgetobt.
Nichts ist schlimmer in Deutschland als Politik von Gutmenschen. Sie sind nämlich fein zu unterscheiden von den guten Menschen.
Die guten Menschen geben ihr eigenes Geld, die Gutmenschen – wie sie da sitzen – verteilen das Geld anderer Leute.
Wir haben einen Antrag zu diesem Thema vorgelegt. Wir haben gesagt, wie es geht. Es gibt von uns zu jedem notwendigen Bereich, den wir hier zu beraten haben, konkrete Gesetzentwürfe: zum Bürokratieabbau, zu den Steuern, zur Unternehmensteuerreform. Wir sind dazu bereit, wir wollen mitwirken. Ich sage Ihnen dazu ganz klar: Die Zusammensetzung von Runden ist nicht das Thema, entscheidend ist, was hinten rauskommt. Wie heißt es so schön im „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe – etwas abgewandelt –: Der Briefe sind genug gewechselt, jetzt lasst uns endlich Taten sehen.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Nächste Rednerin ist die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt.
Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Westerwelle, nachdem ich Ihre Rede heute hier gehört habe
und nachdem ich gehört habe, welche neuen Vorschläge für den Arbeitsmarkt Sie unterbreiten – Sie haben auf einen Antrag verwiesen, den Sie hier nicht vorstellen wollten, weil Sie uns Zitate aus Zeitungen vorhalten wollten –, sage ich einmal an diejenigen, die nächste Woche zusammensitzen und Probleme lösen wollen: Wie gut, dass Sie nicht dabei sein werden!
Frau Merkel, Sie haben heute Morgen gesagt, wie Sie Deutschland voranbringen wollen und was wir dazu brauchen, nämlich guten Willen und dass wir schneller werden. Darauf will ich gerne in drei Punkten eingehen.
Erster Punkt: Föderalismusreform. Es steht nicht in Ihrem Antrag, dass Sie dazu etwas beitragen wollen.
Vor allen Dingen haben Sie auch bisher nichts dazu beigetragen. Als die Föderalismuskommission getagt hat und in eine schwierige Situation geraten ist, weil Ihre Länderfürsten sich aufgemäntelt haben und nicht mehr weiterkommen wollten, da sind Sie, Frau Merkel, abgetaucht und haben zu dieser großen und wichtigen Reform des Landes keinen einzigen Beitrag geleistet.
Dann haben Sie hier über das Thema Zuverdienst geredet. Wir müssen doch einmal ehrlich sein und sehen, dass es so nicht geht. Frau Merkel, haben Sie die Debatten eigentlich nicht mitbekommen? Wie lange haben wir hier im Deutschen Bundestag und im Bundesrat über die Zuverdienstmöglichkeiten geredet? Wie lange haben wir gesagt, die Zuverdienstmöglichkeiten müssten größer sein, weil wir gerade für die unteren Einkommensbezieher neue Chancen brauchen? Was haben Sie gemacht? Sie haben die Zuverdienstmöglichkeiten heruntergesetzt. Deswegen sind wir jetzt in dem Dilemma, dass wir weniger Arbeitsplätze haben und nicht mehr. Das ist Ihre eigene Verantwortung, Frau Merkel.
Vielleicht erinnern Sie sich daran: Herr Koch wollte noch mehr. Herr Koch wollte sogar, dass diejenigen, die heute in 1-Euro-Jobs in gemeinnütziger Arbeit beschäftigt sind, überhaupt nichts zusätzlich bekommen. Was sind das für Vorschläge, an die Sie sich nach ein paar Monaten nicht einmal mehr erinnern können? Jetzt sagen Sie: Man hätte schneller sein können. Ja, man hätte schneller sein können. Sie hätten schneller sein können. Wir wären heute weiter.
Der dritte Punkt, den Sie angesprochen haben, ist das Thema Bildung. Auf dieses Thema haben Sie heute nur einen ganz kurzen Satz verwandt und haben gesagt, da müsse man doch vorankommen. Heute Morgen habe ich von Herrn Pofalla gelesen, Sie wollten in der nächsten Woche ganz ernsthaft verhandeln und Sie wollten auch eigene Fehler berücksichtigen und noch einmal neu darüber nachdenken.
11.40
11.45
11.50
11.55
Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich für die Komplimente seitens der Opposition bedanken und darauf hinweisen, Herr Glos, dass heute zum wiederholten Male nicht Ihr Tag ist.
Ich halte es für absolut gerechtfertigt, dass nach den Anwürfen, die es aus Ihren Reihen in Richtung auf die sozialdemokratische Partei, auf Herrn Münterfering und Herrn Schröder, gegeben hat, bevor mit Gesprächen begonnen wird, hier Worte des Anstandes und des Ausgleiches gefunden werden. Das, so meine ich jedenfalls, gehört zum demokratischen Selbstverständnis.
Meine Damen und Herren, mir ist aufgefallen, dass Sie sich hier hinstellen und erklären, Sie hätten alle Erfolge dieser Regierung auf dem Felde der Wirtschaftspolitik im Wesentlichen mitgetragen. Damit meinen Sie auch Hartz IV. Ich werde Ihnen sagen, was Sie praktizieren.
Sie haben Hartz IV mit uns gemeinsam im Vermittlungsausschuss und hier, im Bundestag, beschlossen. Sie haben genau gewusst, dass durch diesen Einschnitt und durch eine andere Bewertung ab dem 1. Januar 2005 die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland statistisch ansteigen wird. Jetzt aber machen Sie sich aus dem Staube und versuchen, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Das ist das Prinzip, mit dem Sie hier aufwarten.
Das ist alles andere als die Übernahme demokratischer Verantwortung in der schwierigen wirtschaftlichen Situation, in der wir uns befinden.
Ich fände es sehr viel besser, wenn Sie hier sagten – und auch dabei helfen würden –, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitsgemeinschaften, in den Sozialämtern und in der Bundesagentur unsere Unterstützung und unsere Solidarität genießen, damit dieses Reformwerk so schnell wie möglich Wirkung zeigt und damit tatsächlich schnell vermittelt und so Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann.
Ich muss ganz offen gestehen, Frau Merkel, dass Sie hier sehr allgemein gesprochen haben. Sie haben gesagt: Wir müssen jetzt dicke Bretter bohren. Wir brauchen eine große Kraftanstrengung.
Wir von der CDU/CSU werden sagen, was zu tun ist. – Mein Gedächtnis
ist noch relativ gut intakt. Im letzten Jahr wussten Sie sowohl in Ihrer Partei als auch in Ihrer Fraktion nicht, ob Sie nach rechts oder links gehen wollen. Wohin wollen Sie bei der Gesundheitsreform? Wohin wollen Sie bei den zentralen Fragen, die dieses Land beschäftigen? Mir wird schwindlig, wenn ich daran denke, dass Sie uns sagen wollen, wohin es gehen soll.
– Warum das?
– Ach so. Ich erspare mir, darauf einzugehen.
Ich verweise darauf, dass sich diese Bundesregierung im Prozess der Modernisierung dieses Landes befindet.
Sie haben offensichtlich schnell vergessen – das ist ganz klassisch –, was wir in den letzten zweieinhalb Jahren auf den Weg gebracht haben. Das betrifft die steuerlichen Aspekte genauso wie unsere Offensive für den Mittelstand. Unsere Förderkulisse lässt sich heute auf europäischer Ebene als erstklassig bezeichnen. Wir haben in den Bereichen der Existenzgründungen und der Kleinunternehmerförderung sowie bei der Handwerksordnung ganz erhebliche Erfolge erzielt. Da Sie damals versucht haben, die Reform der Handwerksordnung zu blockieren, will ich zitieren, was heute als Überschrift auf der ersten Seite in der „Welt“ steht. Dort heißt es: „Gründerboom im deutschen Handwerk – Anstieg bis zu 37 Prozent unter Lockerung des Meisterzwangs“. Das sind Nachrichten, die man hier einmal verbreiten muss,
anstatt der Schwarzrederei, es werde nichts getan. Was heißt denn „Kein Weiter so!“? Ich sage Ihnen: Wir brauchen weitere Reformschritte in der Kontinuität der ökonomischen Philosophie, die sich diese Bundesregierung zu Eigen gemacht hat. Dazu gehören – wenn ich das anmerken darf – die Ausbildungsoffensive und der Bürokratieabbau. Wir werden unsere Anstrengungen weiter verstärken. Es wird eine Jobcard geben. Wir werden uns auch noch nachhaltiger der weiteren Förderung unserer Außenwirtschaftsinitiativen widmen. All dies sind Reformbausteine.
An einer Stelle aber sind Sie gefordert, und zwar sollten Sie endlich dafür Sorge tragen, dass durch die Streichung der Eigenheimzulage ein ganz gewichtiger Baustein ermöglicht werden kann, nämlich Forschung, Entwicklung und Bildung in diesem Lande zeitgemäß finanziell zu unterstützen und damit auch zu realisieren. Dies ist eine wirkliche Zukunftsaufgabe, der Sie sich bisher verschlossen haben.
– Ja, bei Ihnen bestimmt. Das weiß ich.
Zum differenzierten Bild unserer Volkswirtschaft gehören auch folgende Punkte: Wir haben moderate Lohnabschlüsse in diesem Land, eine gesteigerte Produktivität und geringe Lohnstückkosten. Im Übrigen sind – obwohl es unseren Unternehmen ja angeblich so wahnsinnig schlecht geht – höhere Gewinne und Dividendenausschüttungen der im Dax, M-Dax und Tec-Dax vertretenen und auch anderer Unternehmen zu verzeichnen, als es in der Vergangenheit der Fall war. Auch das ist ein Teil der Realität in unserem Lande, die es zu bewerten gilt.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:
Nein. – Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel anführen. Die in ökonomischer Hinsicht sicherlich auf nicht sehr starken Füßen stehende Stadt Berlin hat eine Bilanz der IHK veröffentlicht, derzufolge es im Jahre 2004 netto 10 000 Unternehmensneugründungen in Berlin gegeben hat. Auch das ist ein Teil der Wahrheit, über die wir zu diskutieren haben.
Das alles heißt nicht, dass wir nicht weiterarbeiten müssten und dass wir uns auf dem bis heute erreichten Stand ausruhen könnten. Wir jedenfalls werden auch weiterhin alles Mögliche tun, um Arbeitslosigkeit in diesem Lande abzubauen und dafür Sorge zu tragen, dass Unternehmen in diesem Lande einen vernünftigen politischen und gesetzlichen Rahmen vorfinden, innerhalb dessen sie global und international wettbewerbsfähig sind. Dies ist unser Ziel, von dem wir nicht abgehen. Dabei lassen wir uns schon gar nicht mit ein paar Sprüchen von Ihnen übertreffen.
Wir werden entsprechende Gespräche führen. Der Bundeskanzler hat dies angeboten. Ich denke, das ist auch sinnvoll, und es wäre gut, wenn von Ihrer Seite konkrete Vorschläge unterbreitet würden. Kollege Müntefering hat bereits darauf verwiesen, dass vieles von dem, was Sie für den Pakt für Deutschland zu Papier gebracht haben, weiß Gott nichts Neues ist.
Im Übrigen äußere ich ausdrücklich Zweifel daran, dass die Realisierung dieser Punkte das ganz große wirtschaftliche Heil für unser Land bedeuten würde. Das halte ich für höchst zweifelhaft.
Ich glaube, dass wir gut beraten sind, die Debatte zu versachlichen und uns mit den tatsächlichen Gegebenheiten in diesem Lande auseinander zu setzen, die schwierigen Felder, aber auch die ausgesprochenen Wachstumsfelder gegeneinander zu stellen und eine vernünftige Abwägung der möglichen weiteren Schritte gemeinsam vorzunehmen. Dazu sollte man immer bereit sein. Das ist eine Frage des kultivierten politischen Dialogs über das wirtschaftliche Szenario in einem Lande. Dazu fordere ich Sie ausdrücklich auf.
Ich denke, wir werden in diesem Land bei allen Prognosen, die es gibt, auch in der Zukunft ein Wachstum verzeichnen, das geeignet sein wird, in diesem und im nächsten Jahr Arbeitslosigkeit abzubauen. Das ist jedenfalls das Ziel, das wir entschlossen verfolgen.
Danke schön.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile dem Kollegen Ronald Pofalla, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Ronald Pofalla (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf die höchste Massenarbeitslosigkeit in Deutschland antwortet die Bundesregierung mit einem Parlamentarischen Staatssekretär. Ratloser kann man auf die Lage in Deutschland überhaupt nicht reagieren.
Dies ist die dritte Debatte zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland, die wir in diesem Jahr führen. Zum dritten Mal müssen Sie von Rot und Grün die höchste Arbeitslosigkeit seit Gründung unseres Landes verantworten.
Zum dritten Mal hat die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag keinen einzigen Vorschlag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorgelegt. Die Bundesregierung ist ideenlos und perspektivlos. Sie kann nicht einmal mehr Vorschläge in den Deutschen Bundestag einbringen, wie die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland wirksam bekämpft werden kann.
Wir haben Ihnen vor fast zwei Monaten eine konstruktive Zusammenarbeit, einen Pakt für Deutschland, angeboten. Vor über einer Woche haben Angela Merkel und Edmund Stoiber dieses Angebot wiederholt. Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass der Bundeskanzler nach dieser langen Zeit endlich den Weg für gemeinsame Gespräche freigemacht hat. Das war überfällig. Gefreut hat mich in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Bundeskanzler damit – entgegen der Auffassung des SPD-Vorsitzenden – für überparteiliche Gespräche ausgesprochen hat. Herr Müntefering hat diese Gespräche nicht gewollt. Es ist gut, dass sich der Bundeskanzler durchgesetzt hat.
Klar ist: Im Rahmen dieser Gespräche müssen wir zu Ergebnissen kommen. Belanglose Kaffeerunden reichen nicht aus. Deshalb müssen bis zum kommenden Donnerstag auch Vorschläge aus dem Regierungslager vorliegen, wie es weitergehen soll. Ihr destruktives Nein zu unseren Konzepten reicht nicht aus. Das ist zu wenig. Ich sage Ihnen voraus: Nächsten Donnerstag werden wir wieder über einen Großteil der Vorschläge reden, die Sie im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit abgelehnt haben. Wie wollen Sie den Spagat, dass Sie diese Vorschläge heute ablehnen, dass Sie im Rahmen von überparteilichen Gesprächen in der nächsten Woche aber doch wieder über sie reden, vermeiden? Das müssen Sie Ihren Wählerinnen und Wählern erklären.
Herr Müntefering, vorhin haben Sie die Senkung der Lohnnebenkosten angesprochen und die Auffassung vertreten, dass es kein Einsparpotenzial in Höhe von 1,5 Prozentpunkte gebe. Es gibt drei große Bereiche – das weiß jeder, der sich mit dem Beitrag zur Arbeitslosenversicherung befasst –, über die wir reden können und in denen ein solches Einsparpotenzial vorhanden ist.
Zunächst zum Aussteuerungsbetrag in Höhe von 6,7 Milliarden Euro. Er wird von all denjenigen aufgebracht, die in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Diese 6,7 Milliarden Euro werden in diesem Jahr nicht der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellt, sondern sie werden direkt in den Haushalt der Bundesrepublik Deutschland gebucht. Über den Aussteuerungsbetrag und seine Höhe kann und muss geredet werden.
Es gibt eine Reihe gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, die die Bundesagentur für Arbeit wahrnimmt, die bei ihr unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten aber nichts zu suchen haben,
zum Beispiel die nachschulische Bildung. Jeder hier im Hause ist der Auffassung, dass Schülerinnen und Schüler, die beispielsweise keinen Hauptschulabschluss haben, die Möglichkeit erhalten müssen, diesen zu machen. Mit der ureigenen Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit hat das aber überhaupt nichts zu tun. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die von den dafür zuständigen Stellen, nicht aber von den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern finanziert werden muss.
Nun zu den Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit. Eine ganze Reihe von Maßnahmen, die sie durchführt, ist völlig wirkungslos. Wenn schon Frau Engelen-Kefer – ich hätte nie gedacht, dass ich mich auf sie berufen kann –
die Auffassung vertritt, die Maßnahmen zu den Personal-Service-Agenturen und zu den Ich-AGs seien völlig wirkungslos, dann kann in diesem Haus mit allen Fraktionen über eine Streichung oder eine erhebliche Reduzierung dieser Maßnahmen gesprochen werden. Das wäre ein dritter Bereich, über den im Zusammenhang mit der Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages gesprochen werden kann.
Herr Müntefering, wir könnten mit der Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages um 1,5 Prozentpunkte
150 000 neue Arbeitsplätze schaffen. Das wären 150 000 Menschen, die wieder Brot und Arbeit haben, 150 000 Menschen, die wieder Steuer zahlen, und übrigens auch 150 000 Menschen, die die Bundesagentur um rund 2 Milliarden Euro entlasten
und dadurch auch einen Beitrag dazu leisten, dass wir den Arbeitslosenversicherungsbeitrag jetzt und hier senken können. Helfen Sie uns dabei, 150 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen! Wehren Sie sich nicht dagegen!
Geben Sie Ihre innere Blockade auf!
Wir können den Arbeitsmarkt flexibilisieren. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, das Jugendarbeitsschutzgesetz, das Betriebsverfassungsgesetz und das Tarifvertragsgesetz sinnvoll so zu ändern, dass wieder mehr Dynamik im Arbeitsmarkt entsteht, weil der Arbeitsmarkt völlig überreguliert ist und deshalb dereguliert werden muss. Diese Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wir bieten Ihnen an, am nächsten Donnerstag über die gesetzliche Verankerung betrieblicher Bündnisse für Arbeit zu reden, weil wir glauben, dass in einer Situation, in der die Massenarbeitslosigkeit steigt und die Armut in Deutschland zunimmt, dieses Maßnahmenbündel jetzt umgesetzt werden muss.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Armutsbericht der Bundesregierung eingehen. Dem Armutsbericht der Bundesregierung können Sie entnehmen,
dass während Ihrer Regierungszeit, in den vergangenen sechs Jahren,
bedingt durch steigende Arbeitslosigkeit die Armut von über 2 Millionen Menschen in Deutschland zugenommen hat. Das müsste ein Ansporn für Sie bei der Bekämpfung der Armut in Deutschland sein.
Sie müssten zu Reformprozessen bereit sein, zu denen Sie bisher nicht bereit waren. Helfen Sie den Menschen, wieder in Arbeit zu kommen! Bekämpfen Sie wirksam Arbeitslosigkeit und Armut in Deutschland!
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat die Kollegin Thea Dückert, Bündnis 90/Die Grünen.
Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wegen der Kürze der Redezeit möchte ich nur einige Anmerkungen machen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben heute hier einen Antrag vorgelegt, ein Zehnpunkteprogramm, einen „Pakt für Deutschland“. Ich verstehe es ungeheuer gut, dass Ihre Fraktions- und Parteivorsitzende hier kein einziges Wort über diesen Antrag verloren hat.
Warum hat sie darüber kein Wort verloren, meine Damen und Herren? Sie hat es nicht getan, weil in diesen zehn Punkten, die Sie vorschlagen, nichts, aber auch gar nichts enthalten ist, was tatsächlich die Beschäftigungssituation in Deutschland verbessern würde.
Es gibt einen einzigen Punkt in Ihrem Vorschlag, über den zu diskutieren wirklich interessant wäre, nämlich die Senkung der Lohnnebenkosten. Das ist das richtige Ziel und die richtige Forderung. Nur ist das, mit Verlaub, Frau Merkel und Herr Pofalla, ein leeres Versprechen; denn Sie schlagen eine Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung um 1,5 Prozentpunkte vor, ohne einen Vorschlag für die Gegenfinanzierung zu machen.
Das ist typisch für die Union. Es ist typisch für Sie, sich nach eigenen Forderungen vor der Verantwortung zu drücken.
Denn was bedeutet das, 11 Milliarden? Das ist entweder ein wirklich gigantisches Verschuldungsprogramm – und dann wagen Sie es, bei einem anderen Tagesordnungspunkt die Einhaltung der Maastricht-Kriterien einzufordern – oder aber eines der größtes Programme, das wir in Deutschland je gesehen haben, mit dem Menschen, die arbeitslos waren und zum Beispiel über Existenzhilfen jetzt Arbeit gefunden haben, oder Menschen, die arbeitslos sind und heute in Qualifizierungsmaßnahmen sind, Hilfestellungen angeboten werden. Der Vorschlag, diese Maßnahmen zu streichen, ist gigantisch. Es betrifft Hunderttausende, die heute Hilfestellung bekommen – aus der Arbeitslosenversicherung, in die sie selber eingezahlt haben. Diese Menschen, Herr Pofalla, haben ein Recht auf Unterstützung, auf Hilfestellung dabei, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Ich finde es angesichts 5,2 Millionen Arbeitsloser zynisch, eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung vorzuschlagen, um angeblich 150 000 Arbeitsplätze zu sichern bzw. zu schaffen. Denn damit müssten gleichzeitig Hunderttausenden, die am Rande ihrer Existenz außerhalb des Arbeitsmarktes stehen, die Maßnahmen gestrichen werden.
Jugendliche verlassen heute die Schule und wollen auf den Arbeitsmarkt, Jugendliche, die von unseren Schulen – und das ist Ländersache, darauf möchte ich hier auch einmal hinweisen – zum größten Teil mit Schulabschlüssen entlassen werden, die ihnen nicht helfen, sodass sie nachqualifiziert werden müssen. Wir müssen uns um diese Jugendlichen kümmern. Es hilft nichts, Herr Hinsken, dass Sie darauf verweisen, das sei nicht die Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit; das ist noch kein Finanzierungsvorschlag.
Wir haben mit Hartz IV den Kommunen und den Arbeitsagenturen vor Ort die Instrumente und die Mittel zur Verfügung gestellt, sich um diese Jugendlichen zu kümmern. Wir wollen, dass das gemacht wird, und wir wehren uns dagegen, Herr Pofalla, dass Sie hier Finanzierungsvorschläge machen, die genau diese Hilfestellung für die Jugendlichen unmöglich machen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen, Frau Merkel.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Das muss jetzt aber wirklich sehr knapp sein.
Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ganz knapp, ich komme zum Schluss. – Natürlich müssen wir über weitere Maßnahmen reden; das ist völlig klar. Aber dann reden Sie doch bitte schön auch darüber, welche Hilfestellungen Sie verhindert haben. Ich meine beispielsweise den Zuverdienst. Was Sie dazu im Vermittlungsausschuss durchgesetzt haben, ist ein Skandal. Und dann machen Sie sich hier einen schlanken Fuß und sprechen es hier nie an. Natürlich brauchen wir bessere Zuverdienstmöglichkeiten. Ich hoffe, Sie stellen sich der Realität und zeigen mehr Ehrlichkeit; dann kann man über Ihre Vorschläge reden.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun die Kollegin Petra Pau.
Petra Pau (fraktionslos):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr als 5 Millionen Frauen und Männer sind arbeitslos. Betroffen sind davon noch viel mehr: Kinder wachsen arm auf, Erwachsene werden entwertet, Ältere abgeschrieben. Das ist Alltag in einem der reichsten Länder der Welt, erlebbar in Ost und West. Das darf man nicht länger aussitzen, mahnt die CDU-Vorsitzende, Frau Merkel. So weit stimmt die PDS im Bundestag mit der CDU sogar überein: Das darf man wirklich nicht länger aussitzen. Wir brauchen tief greifende Reformen in der Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt, bei den Sozialsystemen, bei Abgaben und Steuern. Die meisten Bürgerinnen und Bürger sehen das übrigens ebenso. Sie wundern und ärgern sich nur, dass es ihnen nach jeder dieser Reformen schlechter geht. Damit komme ich zur CDU/CSU zurück: Ob man sich bewegt, ist das eine – wohin man sich bewegt, das ist das Entscheidende.
Da sage ich mit Blick auf Ihren „Pakt für Deutschland“: Die Richtung ist falsch, und wer in die falsche Richtung rast, der wird zum Geisterfahrer und damit zu einer Gefahr für die Allgemeinheit.
Wir brauchen keinen „Pakt für Deutschland“, jedenfalls keinen, wie ihn CDU und CSU vorschlagen: Alle Elemente, die Sie vorschlagen, wurden bereits getestet und haben in der Praxis versagt.
Was wir brauchen, ist ein neuer Gesellschaftsvertrag, ein Gesellschaftsvertrag, der unter neuen Bedingungen trägt: sozial, solidarisch und aktiv. Schauen Sie sich doch die Belege und Zahlen an: Unser Land ist nicht arm – es ist sogar reich. Arm sind allerdings wachsende Teile der Bevölkerung, und das ist ein zunehmender Widerspruch. Unser Land ist auch nicht schwach – wir sind Exportweltmeister. Schwach ist allerdings der Binnenmarkt; das ist der zweite Widerspruch. Und
unser Land ist auch nicht krank – es ist agil und dynamisch. Schwach sind allerdings die Sozialsysteme; das ist der dritte Widerspruch. Auf all diese tatsächlich vorhandenen Widersprüche geben Sie mit Ihrem „Pakt für Deutschland“ keine Antworten. Im Gegenteil: Sie verschärfen sie noch.
Wir, die PDS im Bundestag, wollen etwas anderes. Wir wollen den Sozialstaat und den Solidargedanken auf neue Füße stellen, auf Füße, die dem 21. Jahrhundert gemäß sind. Das ist der Sinn eines neuen Gesellschaftsvertrages und deshalb werben wir für eine Agenda Sozial.
Es ist richtig: Jede Zeit birgt Chancen und Risiken. Das ist ein Allgemeinplatz, der auch heute hier mehrfach wiederholt wurde. Konkret wird es, wenn wir nach der Verteilung der Chancen und Risiken in der Gesellschaft fragen. Da zeigt sich der Unterschied: Sie wollen die Chancen privatisieren und die Risiken vergesellschaften. Deshalb verteilen Sie Steuergeschenke an die Wohlhabenden und Soziallasten weiterhin an die Armen. Wir halten es da viel mehr mit der Bibel als die Christlich Soziale Union, wir stehen nämlich zu dem Solidargebot, einer trage des anderen Last.
Auch deshalb sind wir für einen neuen Gesellschaftsvertrag und gegen einen Pakt für Deutschland.
Der Pakt für Deutschland von CDU/CSU ist ein Zehnpunkteplan. Wir kennen ihn alle. Wir haben ihn im Bundestag schon einmal debattiert und aus guten Gründen mehrheitlich abgelehnt. Neu ist lediglich, dass Sie diesen Pakt für Deutschland öffentlichkeitswirksam als Werbebrief an das Bundeskanzleramt schicken. Frau Merkel, ich habe zwei Vermutungen, weshalb Sie das tun: erstens, weil in Nordrhein-Westfalen gewählt wird und die CDU dringend Werbung braucht, und zweitens, weil Sie vielleicht einen Nebenjob bei der Post AG haben.
Nun haben Bundeskanzler Schröder und später auch die SPD und die Grünen signalisiert, sie seien gesprächsbereit. In der nächsten Woche wird es ein Gipfeltreffen geben. Ich finde das gar nicht so widersprüchlich, wie manche das in der öffentlichen Kommentierung zum Ausdruck gebracht haben; denn mit dem Pakt für Deutschland widerspricht die CDU/CSU der Agenda 2010 des Kanzlers nicht. Im Gegenteil: Die Agenda wird durch den Pakt nur ergänzt.
Mit der Agenda, insbesondere mit Hartz IV, wurden die Arbeitslosen zur Kasse gebeten und den Pakt für Deutschland werden jene bezahlen, die im Moment noch Arbeit haben. Die Wirkung der beiden Konzepte ist allerdings dieselbe: Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer, der Sozialstaat verarmt weiter und der Binnenmarkt lahmt.
Deshalb wiederhole ich: Das sind keine Reformen, das sind Teufelskreise. Diese müssen aktiv durchbrochen werden. Dazu brauchen wir ein klares gesellschaftliches Leitbild und verlässliche Vereinbarungen. Deshalb plädiere ich für einen neuen Gesellschaftsvertrag. Er ist nicht aus dem Ärmel zu schütteln, wenn sich aber Vernünftige von Links, der Mitte und anderswo zusammentun, dann wird es sich schon lohnen.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Ludwig Stiegler für die SPD-Fraktion.
Ludwig Stiegler (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der Ölpreiskrise im Jahre 1974 gab es in Deutschland auch eine Auseinandersetzung um Wirtschaft und Beschäftigung. Franz Josef Strauß hat seinen CSU-Freunden damals den Rat gegeben, sich nicht mit den nüchternen Fragen – all das verursache nicht die Wahlergebnisse von Morgen –, sondern mit der Emotionalisierung der Bevölkerung, nämlich der Furcht, der Angst und dem düsteren Zukunftsbild sowohl innen- als auch außenpolitischer Art, zu befassen.
Er hat Ihnen dann auch gesagt, dass Sie die Auseinandersetzung nur im Grundsätzlichen führen sollen.
Zur Taktik sagte er, man müsse nur anklagen und warten, aber man dürfe keine konkreten Rezepte nennen. Das ist das Sonthofener Programm der Opposition.
Deshalb hat Michael Glos als alter Straußschüler
außer Stänkereien nichts von sich gegeben.
Ihr Wahlprogramm und Ihren Pakt für Deutschland hat er verschwiegen. Das, was Sie als Drucksache vorgelegt haben, ist nur ein Aufguss. Sie wissen genau: Wenn die Menschen erfahren, was Ihr Paket enthält, dann werden sie die Annahme verweigern.
Nein, Sie wollen desinformieren und stehen mit der Wahrhaftigkeit auf Kriegsfuß. Wer sich hier hinstellt und erklärt, wir hätten heute die höchste Arbeitslosigkeit in der deutschen Nachkriegsgeschichte, der kennt die Zahlen von 1996, 1997 und 1998 nicht.
Ich gebe Ihnen die Quelle. Lassen Sie sich vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung die Berechnungen der stillen Reserve geben. Frau Merkel, ich gebe zu, dass man Ihnen das vielleicht nicht gesagt hat, sodass Sie mit diesem Eindruck vordergründig arbeiten können.
Wenn Sie aber jetzt, da Sie die Quelle kennen, trotzdem weiterhin die Unwahrheit sagen, werde ich Sie der Lüge bezichtigen.
Die Wahrheit ist: Wenn wir 1997 und 1998 so gezählt hätten wie heute, dann hätten die Zahlen weit über denen von heute gelegen. Ich erinnere auch an die Wahlkampf-ABM von 1998, mit denen bis zum 31. Oktober – danach war Schluss – über 800 000 Menschen beschäftigt wurden. Wer jetzt nur anklagt, der heuchelt.
Sie wollen im Trüben fischen. Sie wollen nach Strauß ein Krisenbewusstsein schaffen. Ich sage Ihnen: Wenn wir der CDU/CSU gefolgt wären und die Hartz-IV-Reformen erst zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft gesetzt hätten, hätte heute keiner Anlass, die Menschen in Furcht und Angst zu versetzen. Vielmehr würden wir über saisonale Arbeitslosigkeit reden. Sie sollen den Menschen nicht Angst, sondern Mut machen, meine Damen und Herren!
Kehren Sie zur Wahrhaftigkeit zurück! Wir waren diejenigen, die zusammen mit Ihnen die Größe der Aufgabe statistisch ans Tageslicht geholt haben. Wir werden uns jetzt an dieser Aufgabe abarbeiten. Es gibt keinen Grund, der Bevölkerung den Mut zu nehmen.
– Die FDP darf nicht einmal mehr mitreden. Herr Westerwelle, wozu sind Sie eigentlich da?
Herr Westerwelle, nicht einmal die CDU/CSU nimmt Sie mit ins Boot. Frau Merkel hat so ihre Probleme mit den Männern: Seehofer weg, Schäuble weg, Meyer weg und jetzt auch Westerwelle weg. Auch er darf nicht. Meine Güte, sagen Sie mir, wo die Männer geblieben sind!
– Es ist klar, dass wieder die rheinischen Knaben rufen. Das hat auch mit Herrn Stoiber zu tun.
Wir haben uns mit Ihrem so genannten Pakt auseinander zu setzen, den Sie sich kaum vorzutragen trauen. Sie wollen schließlich nur allgemein Stimmung machen. Wir weisen darauf hin – ich will nicht alles wiederholen –, dass Sie zum Beispiel den betrieblichen Gesundheitsschutz schleifen und damit die Kosten der Berufsgenossenschaft für die Gesundheit erhöhen wollen. Ihr Versuch, den betrieblichen Gesundheitsschutz abzuschaffen, den Jugendarbeitsschutz zu schleifen und die Tagesarbeitszeit bis auf 14 Stunden zu erhöhen, treibt die Lohnnebenkosten in die Höhe, statt sie zu senken.
Wer wie Sie in diesen Zeiten den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Kraft der Betriebsräte und der Gewerkschaften nehmen will, der macht in Zeiten des Wandels die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Freiwild. Die brauchen starke Gewerkschaften und starke Betriebsräte, damit sie sich behaupten können.
Kein Wort von Ihnen zu den DAX-Unternehmen, die fette Gewinne einstreichen, Investitionen kürzen und Entlassungen ankündigen. Früher hieß es, die Gewinne von heute sind die Arbeitsplätze von morgen. Dann schreiben Sie Herrn Ackermann hinter die Ohren, dass die Arbeitsplätze von morgen auch geschaffen werden und nicht eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent auf Kosten der Menschen als Beute eingesteckt wird.
Das gilt für alle DAX-Unternehmen. Soziale Marktwirtschaft heißt: Eigentum verpflichtet. Es soll dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Wer glaubt, Unternehmen seien nur Geldvermehrungsmaschinen für die Eigentümer, der versündigt sich an unserer gesellschaftlichen Ordnung. Da wäre Ihr Einsatz gefragt, meine Damen und Herren von der Opposition.
Wer wie Herr Ackermann eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent will, der verabschiedet sich von der Mittelstandsförderung. 1 Million Mittelständler würden gerne investieren, wenn die Banken nicht mehr Angst als Vaterlands- und Arbeitsplatzliebe hätten. So schaut die Realität aus. Wo kämpfen Sie, meine Damen und Herren? Wo bleiben Sie?
Sie nicken hier höflich. Wer von Ihnen setzt sich mit den Banken auseinander? Die Mittelständler brauchen Hilfe, nicht allgemeine Sprüche über Lohnnebenkosten und anderes.
Zum Stichwort Lohnnebenkosten ist zu sagen, dass Frau Merkel und auch Herr Pofalla unter die Voodooökonomen gegangen sind.
Es gibt eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Es hat festgestellt, dass Ihre falsche Finanzierung der deutschen Einheit die Lohnnebenkosten auf diese Höhe getrieben hat. Das waren Sie von Schwarz und Blau-Gelb.
In dem Zusammenhang hat das Institut gesagt, 150 000 Arbeitsplätze seien pro Beitragspunkt verloren gegangen. Wer glaubt, 1 Prozentpunkt weniger würde zu einer Beschäftigungsexplosion führen, der muss einen festen Irrglauben haben.
Das Gegenteil ist der Fall, Herr Pofalla. Wir brauchen das Geld für die Bundesagentur für Arbeit,
damit wir uns um die Jugendlichen kümmern können, die uns die Kultusminister als nicht Ausbildungsfähige vor die Tür stellen.
Den Kultusministern wäre eine Aussteuerungsabgabe aufzuerlegen. Von den Jugendlichen haben 10 Prozent eines Jahrgangs keine Ausbildung. Die müssen wir finanzieren. Deshalb braucht die Bundesagentur für Arbeit das Geld. Ihre Forderungen würden den Tod für viele dieser Maßnahmen bedeuten und den Menschen den Eintritt in den Arbeitsmarkt verwehren.
Sie wollen eine Sanierung auf Kosten des Bundeshaushalts. Sie sind entweder abgefeimt oder schizophren.
Einerseits sagen Sie, der Haushalt sei unsolide und könne keine Schulden mehr vertragen, auf der anderen Seite sagen Sie, Eichel solle schlankweg 6 Milliarden Euro lockermachen. So geht es nicht. Sie müssen sich schon einigen, wohin Sie wollen. Wenn Sie mit uns etwas erreichen wollen, dann kämpfen Sie mit uns gemeinsam dafür, dass wir Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit durchsetzen. Gehen Sie auf die Arbeitsgemeinschaften vor Ort zu! Machen Sie Ihren Kommunalpolitikern Beine!
Die sind jetzt mit verantwortlich. Die müssen endlich etwas tun, um mit den Milliarden, die wir zur Verfügung gestellt haben, die beschlossenen Maßnahmen umzusetzen.
Sie wollten doch die Beteiligung der Kommunen. Wenn der Mund gespitzt wird, dann muss auch gepfiffen werden. Es ist ein Skandal, dass 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen und nur ein Bruchteil dessen abgerufen und in Maßnahmen umgesetzt worden ist. Ran an die Arbeit, statt hier so komische Anträge zu stellen, die die Arbeitnehmer zum Freiwild machen würden!
Meine Damen und Herren, wer sich mit Ihren Vorschlägen auseinander setzt, weiß, warum Sie so wenig konkret werden. Sie wollen nur Schau, Sie wollen nur anklagen, Sie wollen nur auf einer Wahlkampfwelle reiten und nicht einmal Ihren potenziellen Koalitionspartner lassen Sie mitreiten. Der arme Kerl ist vom Pferd gefallen.
Frau Merkel, Sie sollten ihm wenigstens den Verbandskasten geben und ein Gespräch ermöglichen, damit er Ihnen vorher sagen kann, welche Sorgen er denn hat. Ohne Westerwelle – das muss ich Ihnen schon sagen – wäre dieses geplante Gespräch sehr arm.
Also: Lassen Sie uns die Arbeit tun, die jetzt ansteht, nämlich das Instrumentarium der Agentur für Arbeit nutzen! Lassen Sie uns dafür kämpfen, dass der Mittelstand die Kredite für die Finanzierung bekommt! Lassen Sie uns den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesen Zeiten des Wandels starke Gewerkschaften sowie starke Betriebsrätinnen und Betriebsräte an die Seite stellen!
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit auf Drucksache 15/4986 zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Pakt für Deutschland“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/4831 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Die Beschlussempfehlung ist mit der Mehrheit der Koalition angenommen.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit auf Drucksache 15/4985 zum Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Wider die Vertrauenskrise – Für eine konsistente und konstante Wirtschaftspolitik“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/1589 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch diese Beschlussempfehlung ist mehrheitlich angenommen.
Wir kommen zum Zusatzpunkt 4. Es wird interfraktionell die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/5019 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Ich nehme an, dass Sie damit einverstanden sind. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
[Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 163. Sitzung – wird morgen,
Freitag, den 11. März 2005,
an dieser Stelle veröffentlicht.]