170. Sitzung
Berlin, Freitag, den 15. April 2005
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
170. Sitzung
Berlin, Freitag, den 15. April 2005
Beginn: 9.00 Uhr
Präsident Wolfgang Thierse:
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts
– Drucksachen 15/3917, 15/4068 –
(Erste Beratung 135. Sitzung)
aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss)
– Drucksache 15/5268 –
Berichterstattung:Abgeordneter Rolf Hempelmann
bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 15/5269 –
Berichterstattung:Abgeordnete Volker Kröning Anja Hajduk Otto Fricke
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss)
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, Dr. Joachim Pfeiffer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Klaren und funktionsfähigen Ordnungsrahmen für die Strom- und Gasmärkte schaffen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Für mehr Wettbewerb und Transparenz in der Energiewirtschaft durch klare ordnungspolitische Vorgaben
– Drucksachen 15/3998, 15/4037, 15/5268 –
Berichterstattung:Abgeordneter Rolf Hempelmann
Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundesminister Wolfgang Clement das Wort.
Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie zur Beratung der Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts. Ich komme gerade – nach einem 18-stündigen Flug – direkt aus Japan zurück, nur um diesen wichtigen Gesetzentwurf mit Ihnen zu beraten
und um anschließend natürlich noch mit Herrn Laumann zusammenzusitzen. Das wird er nie wieder gutmachen können.
Mit der Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts, die innerhalb der Koalition und auch im Bundesrat – dort sind von allen Seiten verschiedene Anregungen eingegangen – außerordentlich intensiv beraten worden ist, wird die Strom- und Gasversorgung in Deutschland einen völlig neuen Rechtsrahmen erhalten. Wir haben im Kabinett auch die Verordnungen über den Netzzugang und die Netzentgelte für Strom und Gas verabschiedet, die jetzt dem Bundesrat zugehen werden. Dann liegt alles auf dem Tisch, was zur Neuregelung dieses außerordentlich wichtigen Sektors wichtig ist.
Die Strom- und Gasnetzbetreiber in Deutschland werden künftig einer staatlichen Aufsicht unterliegen, die durch die bisherige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post in Bonn wahrgenommen wird. Diese Regulierungsbehörde hat in den letzten Jahren umfangreiche Erfahrungen bei der Liberalisierung des Kommunikationsmarktes gewonnen. Wir sind überzeugt, dass uns diese Erfahrungen sowohl im Bereich der Strom- und Gasmärkte als auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Eisenbahn, zugute kommen werden. Folgerichtig wollen wir auch den Namen dieser Behörde ändern. Sie wird zukünftig Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn heißen.
Die Aufsicht über alle netzgebundenen Infrastrukturen unter einem Dach zu bündeln führt zu Synergien und ist ganz im Sinne einer leistungsfähigen und schlanken Regulierung. Zugleich stärken wir durch diese Struktur die Rolle der neuen Bundesnetzagentur auf europäischer Ebene, da ihre Vertreter in den unterschiedlichen Regulierungsgremien mit einer Stimme sprechen können.
Angesichts der unübersehbaren Erfolge der Regulierungsbehörde in den Bereichen Post und Telekommunikation sind wir zuversichtlich, dass sie ihre neuen Aufgaben mit ähnlichem Erfolg wird meistern können. Für den Aufbaustab „Energieregulierung“ jedenfalls sind inzwischen qualifizierte und hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewonnen worden, die sich jetzt auf ihre neuen Aufgaben vorbereiten, die sie offiziell natürlich erst nach Verabschiedung dieses Gesetzes wahrnehmen können. Deshalb warten sie wie alle Beteiligten im Land darauf, dass ihnen der Gesetz- und Verordnungsgeber das erforderliche Handwerkszeug zur Verfügung stellt.
Mit diesem neuen Gesetz wollen wir sicherstellen, dass alle Strom- und Gaskunden einen effizienten und diskriminierungsfreien Zugang zu den Netzen erhalten. Wir wollen die Rechte der Verbraucher nachhaltig stärken, indem wir ihnen vielfältige Möglichkeiten an die Hand geben, sich gegen Missstände zur Wehr zu setzen. Die Tätigkeit der Bundesnetzagentur wird auch dazu führen, dass das Verhalten der Netzbetreiber durchschaubarer und transparenter wird. Das wird dem Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt zusätzliche Impulse geben.
Unser Ziel ist, dem Wirtschaftsstandort Deutschland im europäischen Vergleich dauerhaft wettbewerbsfähige Strom- und Gaspreise zu sichern. Wir sind überzeugt, dass wir dies mit unserem Entwurf, der wirklich außerordentlich intensive Beratungen und auch Veränderungen erfahren hat, erreichen können. Dass dies – das will ich gleich hinzufügen – nicht zulasten der in Deutschland bekanntlich hohen Versorgungssicherheit und Zuverlässigkeit der Netze gehen darf – wir wollen ja, wenn irgend möglich, keine Blackouts in Deutschland –, steht außer Frage. Dabei ist klar, dass die Sicherheit der Versorgung auch ihren Preis hat. Vor diesem Hintergrund ist es aus meiner Sicht richtig und klug, die Verantwortung dafür auch künftig in den Händen der Netzbetreiber zu lassen. Die dazu im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen sind eine klare Absage an Vorstellungen, dem Staat gewissermaßen Instrumente zur Investitionslenkung an die Hand zu geben. Das wollen wir nicht. Unser Ziel ist: So viel Regulierung wie nötig und so viel Liberalisierung, das heißt: offener Wettbewerb, wie möglich.
Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf, für den ich Sie um Ihre Zustimmung bitte, liegt ein Regulierungskonzept auf dem Tisch, das wir passgenau auf die besonderen deutschen Verhältnisse – wir haben, anders als in anderen europäischen Industrienationen, weit über 1000 Netzbetreiber – zugeschnitten haben. Die klaren Vorgaben zur Entflechtung sind die Basis der künftigen Regulierung. Sie werden maßgeblich dazu beitragen, dass der Wettbewerb um Strom und Gas nicht durch eine Diskriminierung von Konkurrenten bei der Nutzung der Netze behindert werden kann. Organisatorische und personelle Vorgaben werden diese Neutralität des Netzbetriebs verstärken. So müssen die Unternehmen künftig für den Netzbereich gesonderte Konten führen. Dies wird Quersubventionierungen verhindern und eine kosteneffiziente Überprüfung der Netzentgelte durch die Regulierungsbehörde erleichtern.
Die Vorgaben zur Entflechtung stellen die Unternehmen vor einige Herausforderungen und sind, jedenfalls zunächst, auch mit Kosten verbunden. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Gestaltungsspielräume nutzen, die wir in Brüssel insbesondere für die kleineren und mittleren Netzbetreiber durchgesetzt haben. Die steuerneutrale Entflechtung wird den Netzbetreibern helfen, bestmögliche Strukturen zu finden, ohne ökonomische Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.
Die Vorgaben zur Entflechtung sind ein Eckpfeiler des gesamten Regulierungskonzepts. Unser Entwurf orientiert sich dabei, um das noch einmal zu sagen, an den Brüsseler Mindestvorgaben und schöpft die rechtlichen Gestaltungsspielräume, die uns die Europäische Union belässt, für kleinere und mittlere Netzbetreiber voll aus.
Zum Kernbereich der Novelle zählt die künftige Regulierung der Netzentgelte, die wir, wie Sie alle wissen, innerhalb der Koalition außerordentlich intensiv erörtert haben. Danach ist klar, dass die Bundesnetzagentur grünes Licht erhält, ein für Deutschland geeignetes Modell für die Anreizregulierung zu erarbeiten, und zwar binnen Jahresfrist. Dieses Modell kann sie spätestens zwei Jahre nach In-Kraft-Treten des Gesetzes eigenständig umsetzen, so schlagen wir vor. Dies ist ein ausgesprochen ehrgeiziger Zeitplan. Aber das ist notwendig, weil alle Marktteilnehmer so rasch wie möglich stabile Vorgaben benötigen.
Bei der Anreizregulierung werden den Netzbetreibern Preisobergrenzen gesetzt. Diese Obergrenzen treten an die Stelle einer permanenten Kostenkontrolle. Bei sachgerechter Verteilung von Chancen und Risiken erhalten die Betreiber auf diese Weise marktwirtschaftliche Anreize, um die Effizienz der Versorgung zu steigern. Wir sind überzeugt, dass diese Anreizregulierung einen Modernisierungsruck im Denken und Handeln der gesamten Branche auslösen kann, und setzen darauf, dass sie dies auch auslösen wird. Das ist gut für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland.
In der Übergangsphase bis zum In-Kraft-Treten der Anreizregulierung müssen sich die Netzbetreiber, die ihre Entgelte anheben wollen, einer Ex-ante-Überprüfung, also einer vorausgehenden Überprüfung, stellen. Wir gewährleisten damit, dass die Nutzer der Netze keine Entgeltanhebungen akzeptieren müssen, die nicht gerechtfertigt sind.
Für die Erarbeitung des Anreizregulierungsmodells ist es wichtig, dass die Bundesnetzagentur den Dialog mit allen Marktteilnehmern sucht und auch die Wissenschaft einbindet. Ich will damit sagen, dass wir mit diesem Projekt am Beginn eines sehr bedeutungsvollen Prozesses stehen, den wir nur bestehen werden, wenn sich alle Beteiligten konstruktiv beteiligen.
Die Weichen für sinkende Netzentgelte sind gestellt. Es wird einen Wettbewerb in den Netzen geben, wie wir ihn bisher nicht hatten. Dieser Wettbewerb wird unzweifelhaft zu sinkenden Netzentgelten führen. Ich will mich allerdings nicht an Spekulationen darüber beteiligen, in welcher Höhe wir mit sinkenden Netzentgelten rechnen können.
Eines müssen wir immer im Auge behalten: Unsere Volkswirtschaft braucht nicht nur preisgünstige Energie. Sie braucht auch Energie, die beim Kunden, bei den Verbrauchern genauso wie bei den Unternehmen, jederzeit in der gewohnten Qualität ankommt. Substanzerhaltung und angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals sind dabei nicht nur zentrale Voraussetzungen für die Attraktivität der Netze für Investitionen, sie haben auch eine immense Bedeutung für die Qualität der Netze. Um es noch einmal zu sagen: Wir sollten die Fehler anderer Länder nicht wiederholen und das Risiko von Blackouts bei uns nicht erhöhen. Dieses Risiko sollten wir so gering wie möglich halten. Wir sind davon überzeugt, dass wir das auch schaffen.
Der heute vorliegende Gesetzentwurf belegt, dass sich der Deutsche Bundestag ausgesprochen konstruktiv und intensiv mit den im ersten Durchgang des Gesetzgebungsverfahrens von den Ländern erhobenen Forderungen auseinander gesetzt hat. Eine Reihe von wichtigen Anliegen des Bundesrates ist vollständig übernommen worden. Ich denke zum Beispiel an die Überprüfung der Erhöhung von Netzentgelten und an die verbindliche Einführung der Anreizregulierung. Ich hoffe, dass das eine gute Ausgangsbasis ist, um sich in diesem sehr komplexen Gesetzgebungsverfahren mit dem Bundesrat zügig verständigen zu können. Es wäre gut, wenn wir das schafften.
Ich habe auch auf die Notwendigkeit von Investitionen und auf die Planungssicherheit, die wir mit diesem Gesetz schaffen, hingewiesen. Mir ist wichtig, auch darauf hinzuweisen, dass wir nach allem, was wir vonseiten der Versorgungsunternehmen wissen, allein bis 2010 mit Investitionen in der Größenordnung von etwa 19 Milliarden Euro rechnen können. Bis 2010 sollen 9,7 Milliarden Euro in Kraftwerke und 9,3 Milliarden Euro in die Stromnetze investiert werden. Soweit mir bekannt ist, ist das das größte Investitionsprogramm, das in Deutschland zur Stunde auf den Weg gebracht wird.
Ich begrüße es, dass der Vorstandsvorsitzende von RWE, Herr Roels, gestern auf der RWE-Hauptversammlung erklärt hat, sein Unternehmen plane weiterhin Milliardeninvestitionen im Inland. Ich zitiere ihn wörtlich: Deutschland ist für uns nach wie vor die erste Adresse, wenn es um Investitionen geht. Sein Unternehmen plane in Deutschland und auch in anderen Staaten, insbesondere in Großbritannien, bis 2009 Investitionen in der Größenordnung von 20 Milliarden Euro.
Ich begrüße auch, dass der Vorstandsvorsitzende von EnBW, Herr Professor Claassen, erklärt hat, dass sein Unternehmen ebenfalls Milliardeninvestitionen plane, und zwar in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Soweit ich das zur Stunde erkennen kann, sind in Baden-Württemberg zwei Kraftwerke geplant, über deren Standorte innerhalb der kommenden zwei Jahre entschieden werden soll.
Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg spielen als Standorte der Kraftwerksindustrie übrigens eine sehr zentrale Rolle. In Nordrhein-Westfalen sind ein hochmoderner Braunkohledoppelblock mit einer optimierten Anlagentechnik und einer Leistung von 2 100 MW, zwei Steinkohlekraftwerke mit zusammen rund 1 600 MW und zwei Gaskraftwerke mit rund 1 200 MW geplant. Diese Planungen sind uns bisher bekannt. Das gehört in den Gesamtrahmen der Investitionen, für die wir die rechtlichen und planerischen Grundlagen schaffen müssen. Wir sind davon überzeugt, dass uns dies mit diesem Gesetzentwurf, für den wir um Ihre Zustimmung bitten, auf eine sehr vernünftige Weise gelingen wird.
Unser Ziel ist, dass der neue Ordnungsrahmen zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten kann. Soweit ich das sehe, haben sich die Beteiligten inzwischen darauf eingestellt. Der Erwartungsdruck ist groß. Insbesondere für die Investitionen brauchen wir stabile Rahmenbedingungen.
Ich meine, dass wir den Wünschen und Anliegen der Länder schon weitgehend entgegengekommen sind. Die Länder wollen überdies beim Vollzug der Regulierung mehr beteiligt werden. Ich stehe dem prinzipiell offen gegenüber. Allerdings sollten wir hinzufügen, dass dies nur möglich ist, wenn die Bundeseinheitlichkeit der Regulierung nicht gefährdet wird. Ich sage dies in vollem Ernst: In einer Zeit, in der die Föderalismuskommission einen neuen Anlauf unternimmt, um eine klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zu erreichen, sollte es unser wichtigstes Anliegen sein, hier Einheitlichkeit – in diesem Fall kann es nur um Bundeseinheitlichkeit gehen – zu sichern.
Wir sollten jetzt zügig mit den Gesprächen beginnen. Wir sind zu jeder Zeit für Gespräche offen; das gilt natürlich auch für mich. Ich bin nicht sicher, ob es zu einem Vermittlungsverfahren kommen muss. Meiner Meinung nach wäre es besser, wenn wir ohne Vermittlungsverfahren zu einem Ergebnis kommen könnten. In jedem Fall aber gilt unser Angebot zu konstruktiver Zusammenarbeit. Wir sind dazu bereit. Wir bitten Sie, dem Gesetzentwurf grünes Licht zu geben.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Dagmar Wöhrl, CDU/CSU-Fraktion.
Dagmar Wöhrl (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Verfahren zur Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes nähert sich langsam, aber sicher dem Ende. Ich glaube, das ist auch gut so. Die Energiewirtschaft und die Verbraucher brauchen endlich Klarheit; denn man sagt ja zu Recht, dass dies das Grundgesetz der Energiewirtschaft ist. Für uns war es unverständlich, warum man dies über ein Jahr lang hat schludern lassen.
Diese Neuregelung sollte schon letztes Jahr umgesetzt werden. Wir sagen Ihnen zu, dass wir hier nicht verzögern werden. Aufgrund der Zwistigkeiten zwischen Umweltministerium und Wirtschaftsministerium ist es nicht zu einer schnellen Einigung gekommen. Wir als Opposition werden aber alles dafür tun, damit das Gesetz schnell verabschiedet werden kann, und haben deswegen auch auf die Inanspruchnahme der uns zustehenden Fristen verzichtet.
Der Herr Minister hat bereits darauf hingewiesen, dass hohe Investitionen getätigt werden sollen. Etwa 19 Milliarden Euro sollen bis zum Jahr 2010 investiert werden, davon allein 9,3 Milliarden Euro in die Netze. Eine Investitionssumme von 6 Milliarden Euro hängt von der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs ab. Ich hoffe, dass die Energieversorgungsunternehmen die Investitionen, die sie angekündigt haben, schnell tätigen werden. Das ist wichtig für unsere Versorgungssicherheit und auch für die Leistungsfähigkeit unserer Netze.
Sie haben wichtige Impulse von der Union und vom Bundesrat aufgenommen; das war vernünftig. Trotzdem sind diese Impulse im Hinblick auf mehr Wettbewerb – es handelt sich ja schließlich um ein Wettbewerbsgesetz – noch nicht ausreichend. Wir brauchen einen Rahmen für die Wettbewerbsordnung, mit dem wir eine kostengünstige, sichere und umweltfreundliche Energieversorgung erreichen. Auf der anderen Seite brauchen wir natürlich auch leistungsfähige Energienetze. Den Ausgleich zu schaffen zwischen Wettbewerb auf der einen Seite und Versorgungssicherheit auf der anderen Seite ist die Aufgabe dieses Gesetzes.
Unser Ziel ist es, eine Stärkung des Wettbewerbs herbeizuführen. Wir erhoffen uns natürlich auch niedrigere Netzentgelte und damit auch niedrigere, wettbewerbsfähige Energiepreise. Das ist dringend notwendig.
Die Energiepreise in Deutschland sind, verglichen mit ganz Europa, mit am höchsten. Gemessen an einem Haushalt mit einem jährlichen Durchschnittsverbrauch von 3 500 Kilowattstunden haben wir hinter Italien und Dänemark die höchsten Energiepreise.
Gemessen an einem gewerblichen Kunden aus der Industrie mit einem jährlichen Durchschnittsverbrauch von 1,5 Millionen Kilowattstunden sind unsere Strompreise hinter Italien die höchsten.
Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Allein mit der Energierechtsnovelle werden wir es nicht schaffen, die Energiepreise zu senken, auch wenn dadurch Effizienzgewinne generiert werden. In den letzten Jahren hat der Staat in diesem Bereich eine derart starke staatliche Interventionspolitik betrieben, dass dies auch dann, wenn es aufgrund dieses Gesetzes zu einer 10-prozentigen Senkung der Netzentgelte kommt, nicht ausgeglichen werden kann.
Über 40 Prozent des Strompreises sind durch staatliche Abgaben und Belastungen bedingt. Die Kosten sind heute sechsmal höher als zu unserer Regierungszeit. Das ist die Hauptursache für das Ansteigen der Strompreise.
Es ist daher wichtig, dass wir stark darauf achten, dass wir wettbewerbsfähige – ich betone: wettbewerbsfähige – Energiepreise haben. Wir haben viele energieintensive Unternehmen in unserem Land. Wir müssen alles dafür tun, dass diese Unternehmen in unserem Land bleiben, wenn sie nicht schon in andere Länder abgewandert sind, in denen die Energiepreise weit niedriger sind.
Sie haben in dieser Woche davon gesprochen, die Familienpolitik ganz oben auf Ihre Agenda zu setzen. Ich sage Ihnen eines: Das Wichtigste für Familien mit vielen Kindern sind niedrige Energiepreise; denn die belasten die Haushalte der Familien.
Wenn wir heute fragen, ob der vorliegende Gesetzentwurf für den notwendigen Wettbewerbsschub, den wir uns erhoffen, ausreicht, dann müssen wir sagen: Es ist richtig, dass Sie auf die Forderung der Union eingegangen sind, eine Ex-ante-Regelung einzuführen. Es ist richtig, dass Sie auf unsere Forderung eingegangen sind, eine Anreizregulierung auf den Weg zu bringen. Aber leider sind einige Forderungen, die sehr wichtig sind, immer noch nicht erfüllt worden. So lässt die Gasnetzregulierung noch eine Reihe von Fragen offen. Die Vorgaben der Entflechtung sind noch nicht auf das von der EU geforderte Minimum zurückgeführt worden. Das führt zu einer sehr starken Belastung vor allem der kleineren und mittleren Stadtwerke in unseren Kommunen.
Schließlich haben Sie eine unsinnige Verschärfung der Stromkennzeichnung auf den Weg gebracht, die nicht mehr Verbraucherschutz bringt, sondern zu Verzerrungen und mehr Bürokratie führt. Sie wollen, dass in Zukunft in jeder Rechnung, in jedem Angebot und in jedem Werbematerial der Anteil jedes einzelnen Energieträgers an dem Gesamtenergiemix aufgeführt ist. Hinzu kommen Informationen über Umweltauswirkungen und CO2-Emissionen in Gramm je Kilowattstunde, Angaben über den radioaktiven Abfall in Milligramm je Kilowattstunde und Angaben über den Anteil des KWK-erzeugten Stroms.
– Sie klatschen, Frau Hustedt. Ich frage mich: Was soll denn das? Der Verbraucher hat nichts davon und der Unternehmer wird dadurch mit immensen Kosten belastet. Vor allem frage ich mich: Wer versteht denn überhaupt, wie stark die Umwelt belastet wird, wenn er in seiner Stromrechnung liest, dass soundso viel Gramm je Kilowattstunde an CO2-Emissionen anfallen?
Wenn man Ökostrom haben will, dann kann man ihn schon jetzt bekommen. Ich erinnere auch an Helmut Schmidt, der einmal vor 30 Jahren gesagt hat, er verstehe seine Stromrechnung nicht.
In Zukunft wird die Stromrechnung ein ökologisches Kreuzworträtsel sein, für das Sie einen Berater brauchen.
Der beste Verbraucherschutz – das schreibe ich Ihnen ins Stammbuch – sind niedrige Energiepreise. Das ist der beste Verbraucherschutz, den wir den Verbrauchern vor Ort geben können.
Nun haben wir eine neue Bundesbehörde, die natürlich finanziert werden muss.
– Gut, Sie erweitern die jetzige Regulierungsbehörde; dagegen ist nichts zu sagen. – Diese Behörde muss natürlich finanziert werden; das ist eine Staatsaufgabe. Sie aber wollen die Behörde nicht finanzieren, obwohl Sie sie einrichten wollen. Sie wollen einen Regulierungsbeitrag erheben, den die Energieversorgungsunternehmen bezahlen sollen. Meine Damen und Herren, wir müssen uns doch über eines im Klaren sein: Das wird auf die Strompreise umgelegt werden. Die Behörde wird keinen Anreiz haben, wirklich effizient zu regulieren. Es wird eine aufgeblähte Behörde werden.
Wahrscheinlich, Frau Hustedt, geht es auch noch um einen zusätzlichen Vizepräsidenten, der von Ihnen angedacht ist. Wahrscheinlich wollen Sie einem Parteimitglied einen Posten verschaffen, der auch noch finanziert werden muss.
Ein ganz großer Mangel an dem vorliegenden Gesetzentwurf ist etwas, das sich wie ein roter Faden durch Ihre ganze Gesetzgebung zieht. Bei jeder Vorlage zur Umsetzung einer EU-Richtlinie, die wir hier umsetzen müssen – das ist in Ordnung; dagegen sagt keiner etwas –, gehen Sie über die Vorgaben der EU hinaus. Damit belasten Sie die Menschen vor Ort und die Unternehmen, wodurch es zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Das ist ein Wust an Bürokratie.
Des Weiteren führen Sie ein Verbandsklagerecht mit einer Vorteilsabschöpfung und immense Berichtspflichten ein. Zukünftig wird es an die 100 Berichtspflichten geben. Die meisten davon haben keinen erkennbaren Sinn. Sie erfordern aber einen zusätzlichen Aufwand und Millioneninvestitionen in dreistelliger Höhe, um die technischen Voraussetzungen für die Erfüllung der Berichtspflichten zu schaffen. Dass wir diesem Vorhaben nicht zustimmen, muss ich wohl nicht extra erwähnen.
Sie haben in Ihren Gesetzentwurf auch die vorrangige Einspeisung von Biogas aufgenommen. Wie auch immer man zu Biogas steht, es steht außer Frage, dass es sinnvoll ist. Aber es geht bei dem Gesetzentwurf um das Energiewirtschaftsgesetz, das heißt um ein Wettbewerbsgesetz. Insofern ist der diskriminierungsfreie Zugang das oberste Ziel. Warum wollen Sie in dem Gesetz, das wir endlich auf den Weg gebracht haben, schon wieder eine Ausnahme machen?
Wenn die vorrangige Einspeisung von Biogas beabsichtigt ist, dann ist sie nicht in diesem Gesetz zu regeln, sondern dann muss sie im Zusammenhang mit dem Energieeinspeisungsgesetz diskutiert und gegebenenfalls darin geregelt werden. Anderenfalls würde die gesamte Zielsetzung, die mit diesem Gesetzentwurf verfolgt wird, von vornherein konterkariert.
Eine wichtige Frage im Vermittlungsverfahren werden die Bund-Länder-Kompetenzen sein. In den Ländern ist bereits jetzt Sachverstand in Form der Preis- und Kartellbehörden vorhanden. Ich bin sicher, dass wir uns in dieser Frage einigen werden. Wichtig ist aber, dass wir insgesamt zu einer kostengünstigen Regulierung kommen. Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, die kleinen und mittelgroßen Stadtwerke Belastungen auszusetzen, die nicht in der EU-Richtlinie vorgesehen sind. Ich denke dabei an das Gleichbehandlungsprogramm, das sie durchführen müssen, und an den Gleichbehandlungsbeauftragten, den sie in diesem Zusammenhang einsetzen müssen. An dieser Stelle sehe ich Diskussionsbedarf; denn gerade die kleinen und mittleren Stadtwerke – vor allem diejenigen mit weniger als 100 000 Kunden – würden so mit einem zusätzlichen Bürokratieaufwand belastet.
Zusammenfassend ist festzuhalten: Sie sind uns entgegengekommen; das ist positiv und vernünftig. Es wird zu einem Vermittlungsverfahren kommen. Ich gehe davon aus, dass wir offen in die Beratungen gehen werden. Wir wollen auch zugunsten der Investitionssicherheit in vielen Bereichen, dass das Gesetz schnell umgesetzt wird, und hoffen auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit im Vermittlungsverfahren.
Vielen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Michaele Hustedt von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über ein sehr großes Reformprojekt dieser Legislaturperiode. Die Energiewirtschaft bildet das Rückgrat der gesamten Industriewirtschaft, für die wir in ordnungspolitischer Hinsicht eine völlig neue Basis schaffen. Das erfolgt zwar erst ein Jahr später, als in der EU-Richtlinie vorgesehen, aber damit befinden wir uns in der Gesellschaft vieler anderer Staaten; etwa zehn Länder haben die Richtlinie bislang noch nicht umgesetzt.
Ein viel wichtigerer Grund dafür aber ist, dass wir das einzige Land sind, das den großen Sprung, den Paradigmenwechsel vom verhandelten zum regulierten Netzzugang, noch vollziehen muss. Wir sind das einzige Land in der Europäischen Union, das noch keine Wettbewerbsbehörde als fairen Schiedsrichter im Markt geschaffen hat. Dass es in Deutschland zu einer mehrjährigen Verzögerung hinsichtlich eines echten Wettbewerbs gekommen ist, ist Ihnen zuzurechnen. Sie haben auf den verhandelten Netzzugang gesetzt, statt von vornherein festzustellen, dass dieser Weg nicht erfolgreich sein kann.
Ich glaube, dass wir nun einen Riesensprung machen. Wir haben gleichzeitig die Unbundling-Richtlinie umgesetzt. Das müssen andere Länder erst noch tun. Das heißt, wir werden uns in der Frage eines ambitionierten Regulierungssystems, in der wir bisher Schlusslicht waren, direkt an die Spitze der europäischen Wettbewerbspolitik setzen. Ich finde, das ist ein großer Verdienst. Das sollten wir heute feiern.
Das war längst überfällig; denn wir haben in Deutschland die höchsten Energiekosten in Europa.
Wir können gerne über den staatlichen Anteil an den Energiekosten reden. Herr Glos, ich biete Ihnen folgende Wette an: Ich wette, dass Sie, falls Sie – das ist allerdings unwahrscheinlich – in der nächsten Legislaturperiode regieren sollten,
die Ökosteuer nicht senken werden. Frau Wöhrl hat sich bislang geweigert, diese Wette anzunehmen. Ich bin gespannt, ob Sie in diese Wette einschlagen.
Die Höhe der Förderung der erneuerbaren Energien beträgt 0,5 Cent pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: Die Durchleitungsgebühren belaufen sich auf 7 Cent pro Kilowattstunde. Wir stehen zur Förderung der erneuerbaren Energien. Das soll auch auf den Rechnungen transparent gemacht werden; denn angesichts steigender Energiepreise ist es dringend notwendig, Alternativen aufzubauen. Ein Beispiel: Im Februar dieses Jahres waren die erneuerbaren Energien, insbesondere die Windenergie, an der Börse billiger als ein Mix aus fossilen und atomaren Energien. Das hatte mit den hohen Preisen für fossile Energieträger und mit dem Kälteeinbruch zu tun. Das heißt, die Nutzung erneuerbarer Energien wird langsam wirtschaftlich. Investitionen in diesen Bereich sind also Zukunftsinvestitionen. Dazu stehen wir.
Auch nach Abzug der staatlichen Abgaben haben wir bislang in Deutschland die höchsten Energiepreise europaweit. Wir haben außerdem europaweit die höchsten Durchleitungspreise, und das bei gleichzeitig explodierenden Gewinnen der Stromkonzerne. Es ist also absolut notwendig, dass hier gehandelt wird. Neutrale Netze sind eine wichtige Voraussetzung für mehr Wettbewerb. Die Hälfte der Kraftwerkskapazitäten muss ersetzt werden. Es wurde nun von der Wirtschaft angeboten, 20 Milliarden Euro zu investieren. Das begrüßen wir. Aber neutrale Netze sind eine Voraussetzung dafür, dass wir jeden einladen können, in Deutschland zu investieren, und zwar nicht nur die vier großen Stromkonzerne, sondern auch ausländische und kleine Investoren. Die Vielfalt der Akteure ist eine Voraussetzung für eine Vielfalt der Technologien in Deutschland. Wir wollen angesichts eines weltweit wachsenden Energieverbrauchs die Investitionen nutzen, um Deutschland zu einem Schaufenster der Anlagetechnologie zu machen. Das ist unser Ziel. Dafür brauchen wir neutrale Netze. Nur dann kann jeder Investor seinen Strom zum Verbraucher transportieren.
Auch auf dem Gasmarkt ist eine Diversifizierung notwendig. Wir dürfen uns nicht mehr nur auf wenige Anbieter konzentrieren; denn Gas ist eine Energiequelle, deren Bedeutung wächst und die als Primärenergie für den Übergang absolut notwendig ist. Wir sorgen auf dem Gasmarkt erstmalig für einen Einstieg in den Wettbewerb. Sie haben das mit der alten Verbändevereinbarung versäumt. Wettbewerb ist eine Voraussetzung für Versorgungssicherheit. Hier sind wir einen entscheidenden Schritt vorangekommen.
Ich freue mich, dass auch die CDU/CSU und die FDP inzwischen einsehen, dass ein regulierter Netzzugang und eine Wettbewerbsbehörde als fairer Schiedsrichter auf dem Markt der richtige Weg sind. Sie sind auf diesen Zug aufgesprungen, als wir ihn schon lange in Gang gesetzt hatten. Wenn Sie nun die Backen für noch mehr Wettbewerb aufblasen, dann kann ich nur sagen: Wir werden Sie im Bundesrat daran messen. Die Welle der Lobbyisten rollt ja nun auf Sie zu. Ich bin gespannt, inwieweit Sie weiter gehende Forderungen für noch mehr Wettbewerb, die ich durchaus unterstützen könnte, im Bundesrat tatsächlich durchsetzen werden. Daran werden wir Sie jedenfalls messen.
Frau Wöhrl, Sie haben erneut angekündigt, dass Sie eine Vorrangregelung zugunsten von Biogas bekämpfen wollen. Ich sage Ihnen: Das Ziel muss sein, auch einen diskriminierungsfreien Zugang für Strom aus Biogas zu schaffen. Dafür ist eine Vorrangregelung notwendig.
Es geht hier nicht darum, eine Einspeisevergütung zu zahlen. Es ist völlig klar: Die Kosten für die Einspeisung von Biogas müssen vom Einspeiser getragen werden. Es geht hier nicht um eine Subventionierung von umweltfreundlichem Biogas, sondern schlichtweg um die Regelung, dass Biogas auch dezentral, also vor Ort, eingespeist werden kann.
Frau Merkel hat einerseits auf der Grünen Woche gesagt: Die Bioenergie hat eine Zukunft; wir müssen sie stärker fördern. Andererseits hat sie ihre Truppen in Gang gesetzt, um gegen die mit der Bioenergie verbundenen Errungenschaften – Stichwort: der Landwirt als Energiewirt von morgen – zu kämpfen. Daher muss ich Sie schon fragen: Wofür stehen Sie? Sind Sie dafür oder sind Sie dagegen? Sie müssen sich einmal entscheiden.
Sie haben hier angekündigt, die Verbraucherrechte zu schleifen. Dazu sage ich Ihnen: Viel Spaß! Es gibt in Deutschland inzwischen mehrere Bürgerinitiativen mit Tausenden von Bürgern, die sich weigern, ihre Gasrechnung und ihre Stromrechnung zu bezahlen, weil sie große Angst haben, dass sie von Stromkonzernen, die quasi wie Monopole agieren, einfach nur abgezockt werden.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei, zu versuchen, die Verbraucherrechte zu schleifen. Ich glaube nicht, dass Sie dabei viel Zustimmung in der Bevölkerung bekommen.
Jeder Wettbewerbstheoretiker behauptet: Starke Verbraucherrechte sind auch ein Motor für mehr Wettbewerb; denn gerade der Kleinste ist der Schwächste auf dem Markt. Wenn wir den Kleinsten schützen – der beste Schutz ist ein starkes Verbraucherrecht –, zieht das tatsächlich mehr Dynamik und mehr Wettbewerb auf dem Markt nach sich und das ist gut so.
Ich möchte noch etwas zum Thema Transparenz sagen. Transparenz ist die absolute Voraussetzung dafür, dass eine Wettbewerbsbehörde regulieren kann. Bislang besteht nämlich das Problem, dass absolut undurchsichtig ist, was die Stromkonzerne in diesem Bereich vereinbaren. Die Preisaufsichten der Länder waren bislang völlig überfordert, wenn es darum ging, in die Bücher zu schauen. Transparenz ist ein Bestandteil von Wettbewerb. Sie wollen die entsprechenden Berichtspflichten – sie sind uns übrigens von der EU auferlegt – abbauen. Das ist ein Hinweis darauf, dass Sie weniger Wettbewerb wollen.
Der Bundesrat wird darüber demnächst verhandeln. Wir sollten versuchen, auch hier miteinander darüber zu sprechen. Ich glaube, das BundLänderProblem wird ein Thema sein. Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Bereich einen Kompromiss finden werden. Wie ich weiß, ist man sich auf Bundesebene einig, dass es eine bundeseinheitliche Regulierung geben muss und dass es nicht 16 verschiedene Regulierungsansätze geben darf. Ich weiß aber auch, dass die Landesregierungen beider Seiten durchaus andere Interessen vertreten. Ich hoffe, dass wir zusammenfinden werden.
Das „Handelsblatt“ schrieb direkt nach unserem Beschluss zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts:
Man kann nur hoffen, dass auch die unionsgeführte Ländermehrheit im Bundesrat … ein einigermaßen konsistentes Konzept nicht noch im Ringen um politische Punktsiege zerstört. Jeder Beitrag zum zügigen Abschluss des Verfahrens wird ein Beitrag zur Stärkung der wirtschaftlichen Dynamik im Lande sein.
Ich kann dem „Handelsblatt“ nur zustimmen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Gudrun Kopp, FDP-Fraktion.
Gudrun Kopp (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Deutschland ist bei den Energiepreisen Spitzenreiter,
und zwar sowohl, was die privaten Endverbraucher, als auch, was die Wirtschaftsunternehmen betrifft. Ich sage in Richtung der rotgrünen Regierung und der sie tragenden Fraktionen: Das hat natürlich Ursachen. Sie brauchen sich heute Morgen wegen dieses Gesetzentwurfs, der endlich auf dem Tisch liegt, gar nicht zu feiern.
Ich nenne nur ein paar Kenndaten: Auf jedem Bundesbürger lasten allein für Steuern und Abgaben auf Energie 798 Euro. Die Ministererlaubnis für die Fusion von Eon und Ruhrgas hatte zur Folge, dass auf dem Energiemarkt in Deutschland eine Konzentration ersten Ranges erfolgen konnte. Das heißt, wir sind von echten Wettbewerbsstrukturen hier weit entfernt.
Sie haben dem Standort Deutschland ein regulierungsfreies Jahr beschert; es gab nämlich Differenzen zwischen den beiden Ministern bzw. Ministerien – das ist schon gesagt worden –; man hat sich lange nicht einigen können. Das hat dazu geführt, dass Netzbetreiber und Versorger noch einmal kräftig zugreifen, also die Verbraucher zur Kasse bitten konnten. Das, sehr geehrter Herr Minister Clement, liegt auch in Ihrer Verantwortung.
Insofern haben wir allen Grund, dafür zu sorgen, dass es künftig wenigstens im Netzbereich einen diskriminierungsfreien Zugang und damit Wettbewerb gibt. Wir sind weit davon entfernt, den Wettbewerb dort gestaltet zu haben. Insbesondere problematisch ist der Gasbereich; auf den komme ich gleich noch einmal zu sprechen. Es geht darum, gerade dieses natürliche Monopol Netz zu öffnen.
Wir wissen, dass es eine Regulierung geben muss. Wir hätten uns gewünscht, dass das Bundeskartellamt als der Wettbewerbshüter Nummer eins in dem Bereich hätte agieren können. Nun kommt es nicht so. Sie wollen die Reg TP damit beauftragen. Um die Zielrichtung der Regulierung noch genauer zu beschreiben, würden wir uns wünschen, dass die Regulierungsbehörde künftig „Wettbewerbsagentur Netze“ genannt werden könnte. Dann wüsste man gleich, wohin die Reise gehen soll. Wichtig ist uns als FDP-Bundestagsfraktion, dass die neue Regulierungsbehörde politisch unabhängig agieren kann, dass dort nicht eingegriffen wird.
Zur Finanzierung der Regulierung sage ich für die Liberalen noch einmal ganz ausdrücklich: Die Regulierung ist eine staatliche Aufgabe. Sie müsste deshalb aus dem Bundeshaushalt finanziert werden und dürfte nicht per Umlage den Unternehmen und dann wieder den Verbrauchern auferlegt werden.
Sie haben unsere Anregung, den Regulierungsbeitrag – das sind ja Kosten – wenigstens zu deckeln, leider nicht aufgegriffen, was dazu führt, dass in der Regulierungsbehörde beliebig viel Personal eingestellt und die Behörde so personell aufgebläht werden kann. Auf der anderen Seite wird das Bundeskartellamt personell immer weiter ausgedünnt; ihm werden Gelder entzogen. Das finden wir nicht richtig. Zumindest eine Deckelung des Beitrags hätte also erfolgen müssen.
Wir hätten uns auch gewünscht, dass bei Missbräuchen Gewinnabschöpfungsmöglichkeiten gegeben wären, um so einen Finanzierungsbeitrag für die Regulierungsbehörde leisten zu können, wie das im Übrigen auch beim Bundeskartellamt möglich ist.
Ich sagte eben schon: Dringend nachgebessert werden muss im Gasbereich. Wenn Sie das einmal genau betrachten, stellen Sie fest, dass das Gesetz, gerade was Gasregulierung, Zugang zu den Netzen betrifft, immer noch unterbelichtet ist. Hier müssen wir nachbessern. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass in dem Bereich Langfristlieferverträge mit Unternehmen über 30, 40 Jahre bestehen und dass diese Kapazitäten über viele Jahrzehnte abgeschöpft, nicht mehr frei zugänglich sind. Ich frage Sie: Wie wollen Sie angesichts dessen Wettbewerb in diesen Bereich bringen?
Es gibt im europäischen Ausland so genannte Gas-Release-Projekte, über die wir nachdenken müssen. Ein bestimmter Anteil von Gaslieferungen muss auch in Zukunft dem freien Markt zugänglich sein. Diesbezüglich müssen wir noch einmal in dezidierte Verhandlungen eintreten.
Zu diesem Gesetz ist zu kritisieren, dass Sie sachfremde Aspekte eingearbeitet haben, wie meine Kollegin Wöhrl vorhin schon gesagt hat. Sie haben eine Vorrangregelung für Biogas und Kraft-Wärme-Kopplung aufgenommen. Wir sagen: Das hat in diesem Gesetz nichts zu suchen. Das sind regulierungsfremde Bestandteile. Sie sollten keinen Eingang in dieses Gesetz finden.
Bei den Regelzonen ist uns wichtig, dass es zu einer Einheitlichkeit kommt. Bei der Komplexität des Themas muss sehr viel mehr Transparenz gewährleistet werden, als es durch dieses Gesetz möglich ist. Unseres Erachtens besteht eine Unterbelichtung bei den so genannten Entflechtungsregelungen, also den Unbundling-Regelungen. Da sieht der Gesetzentwurf nach wie vor die so genannte 100 000-Endkunden-Regelung vor. Entflochten werden müssen also Unternehmen ab einer Zahl von 100 000 Endkunden. Das scheint uns ein viel zu hoch gegriffener Wert zu sein. Sie würden auf diese Weise nur wenige Unternehmen zur Entflechtung zwingen, die für mehr Transparenz und Wettbewerb nötig ist.
Wir plädieren dafür, auf eine Marge von etwa 25 000 Endkunden herunterzugehen, um so den Markt besser zu liberalisieren.
Damit würde dem Wettbewerb Vorrang eingeräumt.
Wir finden es sehr gut, was zur Anreizregulierung vorgelegt wurde: Innerhalb von zwölf Monaten soll ein Anreizsystem geschaffen werden, was zugleich ein lernendes System ist. Dieses Ziel ist ehrgeizig und zugleich unterstützenswert.
Im Gesetz ist aber nach wie vor als Kalkulationsmethode für die Abschreibung die Nettosubstanzerhaltung vorgesehen. Wir dagegen plädieren für die Verankerung der Realkapitalerhaltung. Das bedeutet, dass bei der Kapitalbeschaffung die Anschaffungskosten zugrunde gelegt werden. Das würde mehr Transparenz schaffen und dadurch würde die Möglichkeit eingeschränkt, Gewinne zu verstecken, was bei Zugrundelegung der Kalkulationsmethode Nettosubstanzerhaltung eher möglich wäre. Darauf sollten wir achten. Deshalb sollten wir an der Stelle nachverhandeln.
Auf die Berichtspflichten wurde schon eingegangen, es handelt sich um etwa 100 Pflichtberichte. Wir wissen, dass Berichte für das Monitoring während der Regulierungsphasen notwendig sind. Aber den Wust von 100 Pflichtberichten müssen wir unbedingt noch einmal durchleuchten, durchforsten und schauen, auf welche wir verzichten können. Ich denke dabei insbesondere an solche, die aufgrund der EU-Beschleunigungsrichtlinien nicht zwingend vorgeschrieben sind.
Wir finden es sehr gut und unterstützen es, dass jetzt das Mess- und Zählwesen liberalisiert werden soll. Wir wünschen uns hier aber keinen Aufschub, der sich ja durch die Anlaufzeit von fünf Jahren ergibt, sondern wir möchten, dass das Mess- und Zählwesen, sobald es rechtlich möglich ist, liberalisiert wird. Das geht schneller als im Gesetzentwurf dargelegt.
Das Verbandsklagerecht zum Beispiel für die im vzbv zusammengeschlossenen Verbraucherverbände lehnen wir Liberale ab. Wir sind der Ansicht, dass ein gut arbeitender unabhängiger Regulierer, der für einen diskriminierungsfreien Netzzugang sorgt, den besten Verbraucherschutz darstellt. Wir brauchen nicht noch ein zusätzliches Verbandsklagerecht, was zu einer Verschleppung des nötigen Liberalisierungsverfahrens führen kann. Wir bitten also, auch diesen Punkt noch einmal zu überdenken.
Priorität hat für uns eine bundeseinheitliche Zuständigkeit bei der Regulierung. Wir müssen aufpassen, dass es hier nicht zu Mischzuständigkeiten kommt. Ich weiß natürlich, dass es einige Länder gerne sähen, wenn sie hier in irgendeiner Weise beteiligt würden. Wir müssen sehen, was sich in dem Fall bei den Verhandlungen ergibt und welche Möglichkeiten es gibt, hier zu einer Einigung zu kommen. Die Marschrichtung muss aber lauten: Schaffung von Wettbewerb und nicht Behinderung von Wettbewerb. Wir wollen diskriminierungsfreien Zugang und möglichst auch in diesem Bereich niedrigere Preise. Der Standort Deutschland hat es nötig, sich zukünftig im Industrie- und Energiebereich besser aufzustellen.
Vielen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Rolf Hempelmann, CDU/CSU-Fraktion.
– Nein, natürlich SPD-Fraktion.
Rolf Hempelmann (SPD):
Verehrter Herr Präsident, Sie sehen, die Angebote kommen sofort, aber ich weiß, wo ich zu Hause bin.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir sprechen heute über nichts weniger als über ein neues Grundgesetz für die Energiewirtschaft und Energiepolitik.
Mit dem neuen Energiewirtschaftsrecht sehen wir einen doppelten Paradigmenwechsel vor. Insofern ist, wie ich denke, diese Begrifflichkeit durchaus gerechtfertigt.
Auf der einen Seite errichten wir eine Regulierungsbehörde, die zukünftig Bundesnetzagentur heißen soll. Damit begeben wir uns in den Geleitzug der Europäischen Union, wo es schon seit Jahren Regulierungsbehörden gibt, die über den Wettbewerb wachen.
Dass wir das erst jetzt tun, hat – das ist, glaube ich, deutlich geworden – etwas damit zu tun, dass dies der breite Wunsch der Energiewirtschaft, aber auch der Politik, und zwar nicht nur der regierenden Fraktionen, sondern auch ihrer Vorgänger in der Regierung, gewesen ist. Ich glaube, dass es gut ist, dass wir dieses regulierte System jetzt einführen, weil es uns nämlich ermöglicht, im Chor der europäischen Mitgliedstaaten sehr deutlich zu machen, dass wir uns damit sozusagen an die Spitze der Bewegung setzen. Denn in allen anderen Punkten der Marktöffnung sind wir in Deutschland erheblich weiter als die meisten anderen europäischen Mitgliedstaaten.
Darüber hinaus wird binnen zwölf Monaten eine Anreizregulierung eingeführt werden, ein System, das bisher nur sehr wenige Mitgliedstaaten eingerichtet haben und bei dem wir von Fehlern anderer lernen können, die wir Gott sei Dank nicht wiederholen müssen.
Ich denke, dass angesichts dieses doppelten Paradigmenwechsels, dieses doppelten Betretens von Neuland auch deutlich wird: Eine solche Operation braucht Zeit. Wir haben uns diese Zeit genommen und einen Dialog auch mit den Marktteilnehmern geführt. Hier geht Qualität vor Geschwindigkeit. Deswegen glaube ich, dass wir hier und heute etwas Gutes auf den Tisch gelegt haben.
Ziel dieses neuen Energiewirtschaftsgesetzes ist insbesondere die Verbesserung des Wettbewerbs bei den leitungsgebundenen Energien, also bei Strom und Gas. Das bedeutet vor allem einen diskriminierungsfreien Zugang Dritter zu den Strom- und Gasnetzen. Damit verbunden ist in der Folge die Erwartung sinkender Netznutzungsentgelte.
Ich unterstreiche ausdrücklich, was auch Minister Clement hier schon gesagt hat: Wir dürfen die Erwartungen aber nicht überstrapazieren. Wir setzen darauf, dass die Entgelte und in der Tendenz letztendlich auch die Endverbraucherpreise sinken werden. Aber klar ist ebenso: Es gibt eine ganze Menge anderer Faktoren, die auf die Strom- und Gaspreise einwirken,
zum Beispiel die Kosten von Primärenergien. Wir wissen, dass gerade in letzter Zeit die Bezugspreise für Importkohle und Gas deutlich gestiegen sind. Insofern muss man mit den Erwartungen der Bevölkerung ehrlich umgehen.
Ziel ist nicht – auch das ist hier schon deutlich geworden – die Preissenkung sozusagen um jeden Preis; es ist kein Preisdumping geplant. Wir wollen die Beibehaltung, ja die Fortentwicklung der in Deutschland hohen Netzqualität. Diese ist Bestandteil der Versorgungsqualität. Versorgungssicherheit zeichnet sich nicht nur durch das Vorhandensein von Kohle, Gas und anderen Primärenergien, die der Verstromung dienen, aus, sondern eben auch durch eine hohe Qualität der Netze. Das funktioniert nur über Investitionen und diese werden nur getätigt, wenn sie rentierlich sind.
Meine Damen und Herren, die Erwartungen, die wir an dieses Gesetz knüpfen, sind also hoch. Einige davon werden – das ist von Minister Clement hier ebenfalls schon berichtet worden – offenbar schon sehr frühzeitig erfüllt. Jedenfalls sind Investitionen, die wir uns erhoffen, zum großen Teil schon von wichtigen Marktakteuren angekündigt worden; sie werden allein bis 2010 fast 10 Milliarden Euro in die Netze bringen. Das führt auch zu einem ausgesprochen hohen Beschäftigungseffekt.
Ich will an dieser Stelle, durchaus mit einem gewissen Stolz, sagen, dass wir ähnliche Investitionsankündigungen auch für den Bereich der Kraftwerke haben und dass dies nicht ausschließlich mit dem Energiewirtschaftsgesetz zu tun hat, sondern auch mit gesetzgeberischen Aktivitäten, die wir im letzten Jahr vollzogen haben, insbesondere mit dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz und mit dem Nationalen Allokationsplan. Offenbar sind uns hier Rahmenbedingungen gelungen, die auch Investitionen in den Kraftwerkssektor rentierlich erscheinen lassen.
Um das Ganze rund zu machen: Auch im Bereich der erneuerbaren Energien sind umfängliche Investitionen angekündigt worden. In meinem Wahlkreis, in Essen, gab es kürzlich eine Veranstaltung, in der die Ankündigungen von Investitionen in diesem Bereich im Mittelpunkt standen. Offenbar ist es der Koalition also mit dem EEG, mit dem Emissionshandelsgesetz und jetzt mit dem Energiewirtschaftsgesetz gelungen, einen Rahmen zu schaffen, der Wettbewerb, aber eben auch Investitionen ermöglicht.
Schon in den Beratungen des Wirtschaftsausschusses ist deutlich geworden, dass wir in den meisten Fragen nicht sehr weit auseinander liegen. Die CDU/CSU macht in dem grundsätzlichen Teil ihres Antrags, der ebenfalls heute zur Abstimmung steht, deutlich, dass es auch ihr um die Zielsetzungen geht, die bei uns im Mittelpunkt gestanden haben. Das heißt hinsichtlich des Energiewirtschaftsgesetzes insbesondere, dass es neben der Wettbewerbsfähigkeit eben auch um die Wirtschaftlichkeit und die Versorgungssicherheit geht.
Die Debatte im Wirtschaftsausschuss war ausgesprochen konstruktiv. Ich denke, es ist eine verzeihliche Sünde, wenn dieser Stil in öffentlicher Debatte nicht immer durchgehalten werden kann. Frau Wöhrl, Sie haben Ihr Lob gelegentlich versteckt. Der Anteil Ihrer Rede, der sich mit Tadel beschäftigt hat, war – für uns ungünstig – höher. Trotzdem hoffe ich, dass wir bei den Beratungen im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat – wenn es denn notwendig sein sollte, ihn einzurichten – letztendlich zu guten Ergebnissen kommen werden. Unsere Gesprächsbereitschaft haben wir genauso erklärt, wie Sie das für Ihre Seite getan haben.
Wir sind dafür dankbar, dass Sie einer Fristverkürzung zugestimmt haben. So können wir möglichst schnell in die Verhandlungen eintreten. Gleichzeitig sage ich: Die Tatsache, dass wir ein wenig Zeit gebraucht haben, hat etwas mit der Komplexität der Materie zu tun. Wir haben hier einen Bereich zu regeln, in dem über 1 000 Netzbetreiber und natürlich auch die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre berechtigten Interessen haben. In diesem Bereich hatten wir sehr viel mehr zu tun als andere Mitgliedstaaten. Ich nenne insbesondere die Einrichtung des Regulierers. Die Zeit, die bisher investiert worden ist, ist also keine vertane Zeit gewesen.
Zu den einzelnen Instrumenten will ich relativ wenig sagen, weil dazu schon vieles gesagt worden ist. Ein Kernbestandteil ist die Entflechtung des Netzbetriebs von den anderen Bereichen – das sind die Bereiche Produktion und Vertrieb – vertikal integrierter Energieversorgungsunternehmen. Ich denke, das ist eine wichtige Voraussetzung für Wettbewerb. Damit ist der Regulierer in der Lage, eine Wettbewerbskontrolle durchzuführen.
Für Ausnahmeregelungen, die wir für kleinere Unternehmen formuliert haben – das sind Unternehmen mit weniger als 100 000 angeschlossenen Kunden – und die wir für angemessen halten, haben wir schon in Brüssel gekämpft. Wichtig ist, dass es uns gelungen ist, den gesamten Vorgang steuerneutral zu halten. Auf die Unternehmen kommen also keine zusätzlichen Kosten zu.
Es gibt darüber hinaus – damit haben wir dringenden Wünschen des Bundesrates entsprochen – eine Ex-post-Kontrolle, also eine nachträgliche Kontrolle, aller zwischenzeitlich stattgefundenen Entgelterhöhungen. Das war auch ein Wunsch der Verbraucherverbände, dem wir auf diese Art und Weise entsprochen haben.
Genauso wichtig ist, dass es eine Ex-ante-Kontrolle, also eine Vorabkontrolle, aller Entgelterhöhungen geben wird, die ab In-Kraft-Treten des Gesetzes vorgenommen werden. Das ist ein wichtiger Baustein, um sozusagen eine Brücke in Richtung Anreizregulierung zu bauen. Ich kann mir vorstellen, dass so mancher Netzbetreiber zweimal nachdenkt, ob er in diesem Zeitraum tatsächlich Entgelterhöhungen durchführen will.
Als drittes wichtiges Instrument haben wir die Anreizregulierung. Es ist deutlich geworden, dass wir Anreize zur Kostensenkung geben wollen, die letztlich in sinkende Netzentgelte mündet. Dabei sollen besonders effiziente Unternehmen überdurchschnittliche Renditen erwirtschaften können. Es handelt sich also um ein sehr marktwirtschaftliches Instrument. Wir wollen außerdem über vorgegebene Qualitätsstandards sicherstellen, dass nicht die gleichen Fehler wie in anderen Mitgliedstaaten gemacht werden. Wir wollen Netzsicherheit und die dafür notwendigen Investitionen ermöglichen. Auch dazu geben wir die notwendigen Anreize.
Im Gasbereich – eben ist angemahnt worden, hier müsse man mehr tun – haben wir den größten Schritt nach vorne gemacht. Wir gehen von einem entfernungsabhängigen, also von einem transaktionsabhängigen, System zu einem so genannten Entry-Exit-System über. Das ist ein System, bei dem es nur noch um die Festlegung eines Einspeise- und eines Ausspeisepunktes geht. Es ist ein ausgesprochen einfaches System, das von allen Seiten, gerade auch von Verbrauchern und Händlern, gelobt wird.
Deswegen glaube ich, dass wir auch auf diesem Gebiet wichtige Voraussetzungen für mehr Wettbewerb geschaffen haben.
Wir werden eine schrittweise Liberalisierung des Mess- und Zählwesens haben. „Schrittweise“ heißt aber nicht: verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag; in einem Jahr wird das Zählwesen liberalisiert sein. Beim Messwesen braucht man etwas mehr Zeit, weil es wichtige technische Voraussetzungen zu schaffen gibt. Dafür braucht man Zeit. In diesem Bereich ist aber Musik. Da ist auch für die Verbraucher eine Menge zu holen.
Ein wichtiger Punkt, gerade für diejenigen, die in Industrieregionen leben, ist die verursachergerechte Verteilung der Netzentgelte. Das wird zu Entlastungen bei ganz besonders stromintensiven Unternehmen führen; aber nicht etwa, weil wir um jeden Preis Härtefallregelungen einrichten, sondern weil es honoriert wird, wenn diese Unternehmen zum Beispiel Verträge schließen, bei denen sie zulassen, dass ihr Strom abgeschaltet wird, wenn das Angebot an Strom geringer ist als die Nachfrage. Das führt zu Netzentlastungen aller anderen Netzteilnehmer. Das kann man honorieren, das kann man bezahlen. Deswegen sind in einem solchen Fall niedrigere Netzentgelte angemessen.
Ich will deutlich machen: Mit diesem Energiewirtschaftsgesetz, mit der Einrichtung der Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur, begibt sich Deutschland, was das Thema Marktöffnung bei Strom und Gas angeht, eindeutig in die Spitzenreiterrolle, jedenfalls in die Spitzengruppe innerhalb der Europäischen Union. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass wir in den letzten Jahren in dem Bereich Marktöffnung – wir hatten auf diesem Gebiet von Anfang an 100 Prozent Öffnung – durchaus vorbildliche Arbeit geleistet haben. Wir hatten aber noch keinen Regulierer. Das gab den anderen die Möglichkeit, wenn wir mehr Wettbewerb anmahnen wollten, immer wieder auf uns zu zeigen und zu sagen: Schafft ihr doch bitte erst einmal den Regulierer.
Das ist jetzt vorbei. Wir können jetzt gegenüber anderen Ländern – Sie wissen, von welchen Ländern ich vornehmlich spreche; sie sind unsere Hauptwettbewerber – sehr deutlich machen, dass wir von ihnen weitere Marktöffnungsschritte erwarten. Das kommt unseren Unternehmen zugute, die dann auch in diesen Ländern am Wettbewerb teilnehmen können, zugunsten von Arbeitsplätzen auch in Deutschland.
Zum Schluss: Dies ist keine abschließende Debatte, die Debatte wird im Bundesrat weitergehen. Angebote für einen konstruktiven Dialog wurden schon gemacht. Ich hoffe in der Tat auf eine sehr baldige Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat. Die Fristverkürzung wird uns dabei helfen. Es wird darauf ankommen, dass das Angebot, dass der Geist konstruktiver Zusammenarbeit tatsächlich durchgehalten wird.
Wir sollten uns jedes Populismus enthalten und letztlich versuchen, die Probleme, die unterschiedlichen Auffassungen, die noch vorhanden sind, zu beseitigen.
Was das Thema Länderkompetenzen angeht, gilt das, was Minister Clement gesagt hat: Wir erwarten eine bundeseinheitliche Regulierung. Mit „wir“ meine ich auch die Verbraucher. Alle Marktteilnehmer erwarten das.
Wenn es von Länderseite Vorschläge gibt, wie man dieses Ziel unter Einbeziehung der Länder und Abgabe von Teilkompetenzen an die Länder erreichen kann, sind wir offen für das Gespräch.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Joachim Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Clement, wir haben es selbstverständlich gerne gehört, dass Sie eingangs betonten, wie wichtig die Energiepreise für Wachstum und Beschäftigung sind und dass wir ein Interesse an wettbewerbsfähigen Energiepreisen haben. Wir brauchen im europäischen Kontext nämlich wettbewerbsfähige Energiepreise für Wirtschaft und Verbraucher: für die Wirtschaft, damit die Arbeitsplätze und die Investitionen hier im Land bleiben, und für den Verbraucher, damit er seine Konsumentensouveränität erhält und durch die Nachfrage die Binnenkonjunktur antreiben kann.
Allerdings muss man schon feststellen, dass Ihre Politik – wir wollen keine selektive Wahrnehmung betreiben – in den letzten sechs Jahren nicht gerade darauf angelegt war, die Wettbewerbsfähigkeit der Energiepreise zu fördern. Es wurden die Primärenergiepreise angesprochen, die in der Tat gestiegen sind und wahrscheinlich weiter steigen werden. Aber der entscheidende und größte Faktor für die Beeinflussung der Energiepreise am Standort Deutschland sind die staatlich verursachten und administrierten Abgaben und Belastungen,
die durch Sie, durch diese Bundesregierung, seit 1998 eingeführt wurden. Die staatlich administrierten Belastungen betrugen 1998 knapp über 2 Milliarden Euro pro Jahr. Bezogen auf das Jahr 2004 reden wir heute von staatlichen Belastungen in Höhe von deutlich mehr als 12 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist eine Versechsfachung der staatlichen Belastungen mit einer direkten Auswirkung auf den Energiepreis über die Ökosteuer, die Förderung der erneuerbaren Energien und die Kraft-Wärme-Kopplung sowie über andere Dinge mehr. Das ist die Wahrheit.
Das beeinflusst die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und den Verbraucher.
Wenn Sie über die Liberalisierung sprechen, dann sollten Sie schon bei der Wahrheit bleiben. 1998 wurde die Liberalisierung auf den Weg gebracht, Herr Kollege Hempelmann. Damals saß die SPD noch im Schützengraben und hat versucht, mit einer Verfassungsklage zum kommunalen Monopol die Staats- und Planwirtschaft in diesen Bereichen festzuschreiben. Ich freue mich, dass wir heute alle in dieser Runde der Meinung sind, dass wir die Wettbewerbsförderung brauchen. Nur, wir müssen auch da bei der Wahrheit bleiben. 1998 war die Lage noch eine andere.
Wir haben Liberalisierungs- und Rationalisierungseffekte in der Größenordnung von 7,5 Milliarden Euro pro Jahr erzielt. Diese Liberalisierungs- und Rationalisierungseffekte haben dazu geführt, dass von 1998 bis 2001 die Energiepreise und damit auch die Belastung für die Wirtschaft und die Verbraucher zurückgegangen sind. Erst durch die Überkompensierung und den Ausgleich durch staatliche Abgaben wurde dieser Liberalisierungsfortschritt wieder zunichte gemacht.
Gleichwohl – damit komme ich zum heutigen Thema – geht es beim Energiewirtschaftsgesetz natürlich darum, den Wettbewerb weiter zu fördern. Die durch die Liberalisierung anfänglich durchaus erkennbare Dynamik ist nämlich sehr schnell zum Erlahmen gekommen. Die Zahl der Marktakteure, die, was zum Beispiel den Strombereich anbelangt, hinzugekommen sind und sich dort engagiert haben, ist rückläufig. Im Gasbereich ist die Liberalisierung nie so richtig in Gang gekommen, was sich an der Zahl der Marktakteure ablesen lässt. Wenn man einmal schaut, wer im Gasbereich den Versorger gewechselt hat, dann stellt man fest, dass gerade einmal 1 Prozent der Verbraucher den Versorger gewechselt hat. Damit ist klar, dass die wettbewerbliche Situation nicht zum Besten steht.
Deshalb müssen wir heute im Hinblick auf das Energiewirtschaftsgesetz zu Fortschritten kommen. Es ist nämlich in der Tat richtig, dass wir mit dem Energiewirtschaftsgesetz in Form der Energiepreise eine wichtige Stellgröße für die Wettbewerbsfähigkeit in der Hand haben. Die Netznutzungsentgelte machen beispielsweise bei den Strompreisen ungefähr 30 Prozent im Haushalt aus. Das heißt, das ist durchaus ein Hebel, den wir justieren und an dem wir ansetzen können.
Was ist aus unserer Sicht zu tun? Wo stehen wir heute? Wir müssen die Liberalisierung – denn sie ist zum Erlahmen gekommen – aus eigenem Interesse, aus eigenem Antrieb betreiben. Wir müssen darüber hinaus – auch das ist angesprochen worden – die EU-Beschleunigungsrichtlinien umsetzen, um die europäische Harmonisierung voranzutreiben.
Deshalb freue ich mich, dass wir heute einen großen Schritt auf diesem Weg vorangekommen sind. Wenn man einmal den Referentenentwurf betrachtet – Herr Kollege Hempelmann, Sie haben dies in zarten Worten angesprochen –, den das Haus Clement im Mai letzten Jahres vorgelegt hat, dann stellt man fest, dass der reichlich wenig mit dem zu tun hatte, was jetzt vorliegt. Er war nicht gerade wettbewerbsfreundlich, sondern stellte mehr oder weniger eine Festschreibung des Status quo, eine Festschreibung der Verbändevereinbarung dar.
Dank der Union im Bundesrat, aber auch im Bundestag und der Diskussion, die uns alle erfreulicherweise weitergebracht hat, ist es so weit gekommen, dass wir einen Paradigmenwechsel einleiten und, was die Netznutzungsentgelte anbelangt, zu einem marktorientierten Regulierungssystem übergehen, womit wir substanzielle Fortschritte für den Wettbewerb erzielt haben. Das will ich durchaus an dieser Stelle goutieren.
Wesentliche Fortschritte wurden durch die Ex-ante-Genehmigung – das wurde bereits erwähnt – erreicht. Ich verstehe allerdings immer noch nicht ganz, Herr Bundesminister Clement – darüber haben wir auch im Ausschuss diskutiert –, warum die Ex-ante-Genehmigung sich nur auf den Strombereich beschränkt und nicht auch für den Gasbereich gilt.
Auch im Bereich der Anreizregulierung wurden Fortschritte erzielt. Die Frage, wie die zuständige Stelle später heißen wird – der Name Bundesnetzagentur geht auf jeden Fall in die richtige Richtung, weil Regulierung und staatliche Administrierung nicht der richtige Weg sind, da es ja um Wettbewerbsförderung geht –, ist nicht so wichtig; viel wichtiger ist es, diese Stelle mit dem notwendigen Instrumentarium auszustatten, damit im Netzbereich der Als-ob-Wettbewerb initiiert werden kann.
Ebenso wurden Fortschritte bei der Frage, welche Kalkulationsprinzipien als Grundlage für diese Anreizregulierung dienen, erzielt. Es ist die Frage heiß diskutiert worden, dass die Nettosubstanzerhaltung gewissen Gestaltungsspielraum bei der Kostenkalkulation eröffnet und ob damit auch die Gefahr des Missbrauchs besteht. Die jetzigen Vorschläge, die insbesondere zu den Tagesneuwerten gemacht werden, führen auf jeden Fall zu mehr Transparenz.
Ebenso besteht bei der jetzt von Ihnen vorgeschlagenen Saldierung der kumulierten Abschreibung, die sicher förderlich ist, mehr Transparenz. Im weiteren Verfahren wird man aber noch einmal darüber sprechen und abwägen müssen, inwieweit diese nicht einen sehr weitgehenden Eingriff in die unternehmerische Freiheit darstellen. Wir werden auch darüber reden müssen, ob wir beispielsweise mit der Realkapitalerhaltung – diese stellt eine Alternative dar – besser fahren. All diese Fragen sind noch zu klären und entsprechende Festlegungen sind zu treffen.
Es gibt aber nicht nur Fortschritte, sondern auch zahlreiche Punkte, bei denen noch Nachbesserungsbedarf besteht. Wir als Union werden einer Energierechtsnovelle nur zustimmen, wenn neben dem Wettbewerb bei Strom und Gas auch die Versorgungssicherheit garantiert wird. Diese Kriterien erfüllt der Koalitionsentwurf nicht. Von Frau Kopp wurde bereits angesprochen, dass insbesondere im Gasbereich noch Handlungsbedarf besteht.
Sie schlagen zwar ein Entry-Exit-Modell vor – das ist in der Tat ein großer Fortschritt –, das auch börsentauglich sein soll – die Börsentauglichkeit ist die Meßlatte, die wir im Gasbereich an die Regulierung und an die Wettbewerbsförderung anlegen müssen –; dadurch aber, dass gleichzeitig wieder Teilnetze mit vielen nichttarifären Handelshemmnissen gebildet werden können, kommen wir im Ergebnis dazu, dass die Börsentauglichkeit ausgehebelt ist und wiederum nur Punkt-zu-Punkt-Modelle bestehen. Hierüber werden wir auf jeden Fall noch zu reden haben; denn hier sehen wir eindeutig Nachbesserungsbedarf.
Ebenso müssen wir über die Frage der Regelenergiekosten sprechen. Die Regelenergiekosten beeinflussen die Netznutzungsentgelte zu rund 40 Prozent und stellen damit eine der stärksten Stellgrößen bei den Netznutzungsentgelten dar. Die von Ihnen vorgeschlagenen Regelungen in den §§ 24 und 123 im Gesetz und die Regelungen in der Stromnetzverordnung sind ein erster Schritt zu einem funktionierenden Markt.
Aber in einigen Bereichen, beispielsweise bei der regelzonenübergreifenden Saldierung, der gemeinsamen Ausschreibung für die vier Regelzonen und der Schaffung der Marktgängigkeit eines so genannten Stundenreservenmarktes, also des Intraday-Handels, gibt es noch einiges zu tun.
Die Vorschläge im Bereich des Mess- und Zählwesens gehen in die richtige Richtung, aber sie werden noch ein wenig zögerlich angegangen.
Zur Finanzierung der Behörde wurde schon gesagt, dass wir die von Ihnen vorgeschlagene Umlage ablehnen. Auch halten wir es für sinnvoll, bei Sicherstellung einer bundeseinheitlichen Regulierung – hier sind wir uns in diesem Hause, wenn ich das richtig verstanden habe, einig – zu einer sinnvollen Aufteilung zwischen Bund und Ländern zu kommen; denn auch in den Ländern ist Know-how vorhanden. Hier können wir, was Rechtswege und andere Bereiche anbelangt, eine Optimierung erzielen.
Ich will noch einen Punkt ansprechen, den wir nicht ganz außen vor lassen sollten und der bisher nur gestreift wurde: die Auswirkungen des Unbundling auf die Stadtwerke und auf die vielfältige Struktur, die auch kleinere Unternehmen beinhaltet. Denn es geht nicht nur um die großen vier Netzgesellschaften und Energieversorgungsunternehmen, sondern vor allem auch um die vielen kleinen Stadtwerke und andere Unternehmen.
Die Anzahl der betroffenen Stadtwerke beläuft sich im Strombereich auf eine Größenordnung von 750 bis 800, im Gasbereich auf 650. Hier gibt es also eine erkleckliche Zahl von Wettbewerbern und Betroffenen. Daher ist sehr wohl abzuwägen, inwieweit wir beim Unbundling die Vorteile der Entflechtung, die zweifelsohne vorhanden sind und die wir alle nutzen wollen, überkompensieren bzw. inwieweit die Gefahr besteht, dass die Kosten der Zerschlagung der Synergieeffekte, insbesondere für kleine Unternehmen, die Vorteile der Wettbewerbsförderung an anderer Stelle überkompensieren.
Deshalb sagen wir: Hier darf es, um auch im europäischen Kontext wettbewerbsfähig zu bleiben, kein Hinausgehen über die EU-Richtlinie geben.
– Sie gehen zum Beispiel beim Gleichbehandlungsprogramm darüber hinaus.
– Doch; schauen Sie sich das mal an.
– Das steht da noch drin; aber wir können Ihnen gerne eine Lesehilfe geben. Daran soll es nicht scheitern.
– Sie haben zwar einige Elemente gestrichen, aber andere hinzugefügt. Darüber werden wir uns im weiteren Verfahren auf jeden Fall zu unterhalten haben.
Auch die Frage der Überbürokratisierung wurde angesprochen. Bis zu 130 Informations- und Berichtspflichten gehen zu weit. Ebenso schießen Sie, was die Stromkennzeichnung und die Verbandsklage anbelangt, weit über das Ziel hinaus.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Pfeiffer, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
Ich darf sagen: Wir sind auf dem zur Schaffung von mehr Wettbewerb notwendigen Weg gemeinsam und konstruktiv ein gutes Stück vorangekommen. Aber wir können Ihrem Gesetzentwurf aus den genannten Gründen heute noch nicht zustimmen. Eines will ich an dieser Stelle allerdings mit aller Deutlichkeit feststellen: Wir haben Ihr Vorhaben an keiner Stelle, weder inhaltlich noch im Verfahren, aufgehalten. Vielmehr konnten Sie sich bisher nicht einigen. Aber lassen wir es, wie es ist.
Jetzt sind wir auf jeden Fall bereit, auf die Fristen des Bundesrates zu verzichten, um im Rahmen eines Vermittlungsverfahrens möglichst schnell zu einem Ergebnis zu kommen. Unser gemeinsames Ziel muss sein, das Energiewirtschaftsgesetz im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, des Energiestandortes Deutschland und der Planungssicherheit für die Energiewirtschaft zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft zu setzen. Wir sind dazu bereit. Gehen Sie den Weg in Richtung Wettbewerb, den Sie gemeinsam mit uns eingeschlagen haben, weiter. Dann werden wir zu einem Ergebnis kommen und zum 1. Juli dieses Jahres ein Energiewirtschaftsgesetz haben.
Vielen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile Bundesminister Jürgen Trittin das Wort.
Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat vollenden wir heute ein Vorhaben, für das Grüne – Michaele Hustedt ist hier namentlich zu nennen – seit geraumer Zeit streiten: die Schaffung von mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten. Wettbewerb, auch und gerade im Bereich des Betriebs von Netzen, ist deswegen nötig, weil Monopole in Netzen den Wettbewerb in der Stromerzeugung unterbinden können.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. In den letzten Monaten hat ein Anbieter seine Strompreise vor dem Hintergrund steigender Ölpreise mit Verweis auf diese Regeln munter erhöht. Man muss wissen, dass dieser Anbieter seinen Strom zu 100 Prozent aus heimischer Braunkohle und Kernenergie bezieht, von den steigenden Rohstoffkosten also überhaupt nicht betroffen war.
Die Realisierung und Durchsetzung solcher Strompreiserhöhungen ist nur möglich, solange in den Netzen faktisch kein Wettbewerb herrscht. Dieses haben wir mit dieser Novelle angegangen. Ich glaube, dass wir hier in der Tat auf einem Weg sind, der langfristig zu Senkungen der Kosten führen kann.
Als wir über dieses Gesetz beraten haben, ist versucht worden, noch einmal schnell Kasse zu machen. Die Regel, hier auch all die Erhöhungen zu überprüfen, die angekündigt und gemacht worden sind, war, glaube ich, die richtige politische Antwort.
Es wäre schön gewesen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn es heute bei dem gemeinsamen Grundverständnis, das ich aus allem herausgehört habe, geblieben wäre. Stattdessen bewegen Sie sich in, wie ich finde, eigentümlichen Widersprüchen: Auf der einen Seite beklagt Herr Pfeiffer die steuerlichen Belastungen in diesem Bereich. Mit seinem nächsten Argument kommt er aber wie Frau Wöhrl zu dem Ergebnis, es sei verkehrt, dass diejenigen, deren Marktzutritt über die Regulierungsbehörde, über die Wettbewerbsbehörde, geregelt wird, für die Kosten dieser Behörde aufkommen. Ja was heißt das? Sie verlangen, dass diese Behörde nicht von den Verursachern bezahlt wird, sondern aus Steuermitteln.
Was ist das für eine Logik? Ihnen, Frau Wöhrl, geht die Anreizregulierung im Gasbereich nicht weit genug. Gleichzeitig haben Sie sich dagegen ausgesprochen, dass Biogas künftig vorrangig einen Anspruch auf Einspeisung haben soll. Das ist etwas ganz anderes als eine Kosten- und Einspeiseregelung wie im EEG: Das ist genau dieses Stück mehr Wettbewerb.
Deswegen glaube ich, liebe Frau Wöhrl: Es wird mit der Einspeisung von Biogas sein wie mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz: Erst hat Bayern munter dagegen gestimmt, aber jetzt sind die Bayern diejenigen, die in ganz großem Stil von dieser Entwicklung profitieren.
Was wir mit diesem Gesetz auf den Weg gebracht haben, ist ein Signal, einen Zustand zu überwinden, der dieses Land sehr lange geprägt hat. Wir haben, wenn man von der hervorragenden Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien absieht,
in Deutschland seit über zehn Jahren faktisch eine sehr große Zurückhaltung – um nicht zu sagen: einen Attentismus – bei Investitionen in den Kraftwerksbau. Wir können uns das langfristig nicht leisten. Wir alle wissen: Bis zum Jahre 2020 müssen wir in Deutschland neue Kraftwerke in der Leistungsgrößenordnung von ungefähr 40 000 Megawatt bauen. Das, was wir hier mit dem Energiewirtschaftsgesetz und – Herr Hempelmann hat darauf hingewiesen – mit den Regeln des Emissionshandels auf den Weg gebracht haben, hat Deutschland wieder zu einem Ort für Investitionen in moderne, hocheffiziente, klimafreundliche Kraftwerke gemacht.
Das, lieber Herr Goldmann, wird offensichtlich nicht nur von heimischen Anbietern erkannt. Sie haben auf die Modernisierung des Braunkohlekraftwerks in Grevenbroich verwiesen. Schauen Sie sich einmal an, wer hier investiert. Wer baut in Hürth-Knapsack? Ein ausländisches Unternehmen investiert hier. Wer investiert außerhalb des eigenen Versorgungsgebietes – ein für Deutschland ungewöhnlicher Vorgang? Die EnBW ist es, die den Mut hat, mitten im tradierten Versorgungsgebiet von RWE ein Kraftwerk zu bauen. Für diese neuen Investitionen in die Netze und in neue Kraftwerke in einer Größenordnung von 10 Milliarden Euro – die Hälfte davon übrigens in Nordrhein-Westfalen – und für dieses Stück Wachstum tragen wir mit diesem Gesetz ein Stück Verantwortung. Deswegen ist es ein guter Tag.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Rolf Bietmann, CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Rolf Bietmann (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Energiewirtschaftsgesetzes treten wir in die zweite Phase der Liberalisierung der Energiewirtschaft ein. Das Ziel, das mit dem zu novellierenden Gesetz verfolgt wird, ist die längst überfällige Schaffung eines funktionierenden Wettbewerbs bei den leitungsgebundenen Energien.
Herr Minister Trittin, ich habe von Ihnen soeben gerne gehört, dass gerade Sie sich zum Wettbewerb und zur Senkung der Kosten bekennen. Wenn Sie dies wirklich tun, dann schaffen Sie die Voraussetzungen für Wettbewerb auch dadurch, dass Sie die staatlichen Belastungen durch Steuern und Abgaben auf Strom endlich reduzieren, damit der Wahnsinn der ständig anwachsenden staatlichen Belastungen gestoppt wird!
Sie haben gesagt, staatliche Regulierung müsse von den Verursachern bezahlt werden. Man muss sich das in der Praxis einmal vorstellen: Eine neue Behörde wird eingerichtet, mit 180 neuen Planstellen ausgerüstet und dem Bundeswirtschaftsministerium zugewiesen. Die Kosten für die behördliche Regulierung sollen aber die Unternehmen und zum Schluss wieder die Verbraucher tragen. Trotzdem steht dieser Minister hier und spricht von einer Senkung der Kosten. Das ist in sich doch nicht schlüssig und in hohem Maße unehrlich.
Es ist doch das Kernproblem rot-grüner Energiepolitik, dass sich die Minister Clement und Trittin nicht auf ein energiepolitisches Konzept einigen können. Damit bleiben elementare Fragen für die zukunftsfähige Ausrichtung des Energiesektors unbeantwortet. Herr Trittin, so richtig es ist, erneuerbare Energien zu fördern, so falsch ist es, in diesen erneuerbaren Energien das Allheilmittel für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit unserer Energieversorgung zu sehen.
Spätestens seit der Dena-Studie über Windkraft wissen wir, dass Windkraft bei CO2-Vermeidungskosten von 42 bis 77 Euro je Tonne in 2015 weit davon entfernt ist, marktgerechte Preise zu garantieren.
Als ebenso konzeptionslos erweist sich Ihr vorzeitiger Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Ich sage es hier noch einmal: Wer den vorzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie erklärt, ohne die Frage zu beantworten, wie der jährliche Anteil an der Stromerzeugung in Deutschland in Höhe von 28 Prozent ersetzt werden soll, der schadet dem Standort Deutschland.
Angesichts dieser erkennbaren energiepolitischen Fehlentwicklungen kommt der Diskussion über das EnWG und seinen Verordnungen natürlich eine hohe Bedeutung zu. Wir brauchen ein Regelwerk, in dem inhaltlich klare Vorgaben formuliert und keine neuen bürokratischen Hemmnisse aufgebaut werden. Diesem Anspruch werden Sie mit Ihrem jetzt vorliegenden Entwurf bei kritischer Prüfung nicht gerecht. Der Gesetzentwurf lebt erkennbar von dem guten Glauben an die Kompetenz der Behörde, hier also der Regulierungsbehörde. Auf normative Vorgaben wird gesetzestechnisch weitgehend verzichtet. Stattdessen arbeiten Sie in Ihrem Entwurf mit einer ungeheuren Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die der Interpretation der Behörden und der Gerichte bedürfen. Ich sage schon heute: Die Gerichte werden wieder einmal Ersatzgesetzgeber für das Wirtschaftsrecht. Rechtsicherheit wird so jedenfalls nicht geschaffen. Lassen Sie mich das an einigen Beispielen verdeutlichen:
Erstens. Die deutschen Unternehmen warten derzeit auf klare Vorgaben für die Gründung von Netzgesellschaften. Die vom europäischen Recht geforderte operationelle Entflechtung zwischen Netz und Produktion wird gemäß § 8 Abs. 2 des Gesetzentwurfs über den Weg der personellen Trennung definiert. Nach dem Entwurf müssen Personen – ich zitiere jetzt einmal –, die die Befugnisse zu Entscheidungen besitzen, die für die Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs wesentlich sind, den betrieblichen Einrichtungen des Netzbetreibers angehören.
Nun fragt sich natürlich jeder in den Unternehmen: Um welche „wesentliche Personen“ handelt es sich dabei? Ungeschickter kann man nicht formulieren. Für mich ist auch fraglich, warum wir hier über die EU-Richtlinie hinausgehen, die ganz klar von „Personen mit Leitungsfunktionen“ spricht.
Zweitens. Der Gesetzgeber verzichtet auf eine normative Fixierung der von uns allen gewünschten Anreizregulierung. Die Einführung der Anreizregulierung bedeutet einen grundlegenden Systemwechsel bei der Kalkulation der Netzentgelte. Der Gesetzgeber überlässt aber die Entwicklung der Anreizregulierung der Regulierungsbehörde und läuft damit Gefahr, einen Kernbereich gesetzgeberischer Regelungskompetenz einem behördlichen Experimentierfeld zu überlassen. Für mich ist es jedenfalls politisch unverzichtbar, über die zu entwickelnde Anreizregulierung zumindest im Wege der Verordnung normativ zu entscheiden. Die Politik darf sich im Glauben an die Weisheit einer Regulierungsbehörde nicht aus der Verantwortung stehlen.
Drittens. Für Industrieregionen wie Nordrhein-Westfalen sind klare Regelungen über Werksnetze unverzichtbar. Die gesetzliche Definition ist hier nicht ausreichend.
Viertens. Abzulehnen sind die im Gesetz vorgesehenen Verbandsklagerechte. Im Bereich des EnWG besteht für ein Tätigwerden von Verbraucher- bzw. Wettbewerbsschützern überhaupt kein Bedürfnis. Hier überwacht schließlich eine eigens zu diesem Zweck geschaffene Regulierungsbehörde die Einhaltung der Marktregeln.
Fünftens. Die überzogenen Informations-, Dokumentations-, Berichts- und Auskunftspflichten führen zu mehr Bürokratie und Verwaltungskosten und machen keinen Sinn.
Sechstens. Die vorgesehene Finanzierung der Regulierungsbehörde durch die Netzbetreiber ist abzulehnen.
Siebtens. Die Kennzeichnungspflicht in Bezug auf den Energieträgermix beim Strom geht ebenfalls deutlich über EU-Vorgaben hinaus. Auch sie führt zu unvertretbaren bürokratischen Belastungen.
Achtens. Wir brauchen klare Formulierungen für die Entlastung energieintensiver Unternehmen.
Neuntens. Wir müssen die Vermutungsregel mit Beweislastumkehr in § 21 Abs. 4 dieses Gesetzes auf den Prüfstand stellen; denn es gibt überhaupt keinen Grund, die Energiewirtschaft, die durch die Regulierungsbehörde überwacht wird, einem schärferen Regime zu unterwerfen als Unternehmen, die der Kontrolle durch die Kartellbehörde unterliegen.
Zehntens. Die Streichung der Saldierung kalkulatorischer Abschreibung ist mit Blick auf die laufenden Abschreibungszeiträume rechtlich hoch problematisch. Man kann allenfalls darüber nachdenken, kalkulatorische Abschreibung bei Neuanlagen festzuschreiben.
Diese von mir aufgezeigten zehn Punkte verdeutlichen, dass der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form eben noch nicht zustimmungsfähig ist. Es sind Änderungen in gesetzestechnischer und inhaltlicher Art notwendig, um ein für die deutsche Energiewirtschaft handhabbares Gesetz zu präsentieren. Weitere Fehlentwicklungen der Energiewirtschaft können wir uns am Standort Deutschland nicht leisten. Der Schaden einer bislang weitgehend konzeptionslosen Energiepolitik dieser Bundesregierung ist schon groß genug. Darum lehnen wir den Gesetzentwurf in dieser Form ab.
Vielen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Martin Dörmann, SPD-Fraktion.
Martin Dörmann (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes werden wir ein neues Grundgesetz für die Energiewirtschaft verabschieden, das weit reichende Konsequenzen für alle Beteiligten haben wird. Gerade auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher bringt die Novelle entscheidende Verbesserungen und einen echten Durchbruch. Haushaltskunden sind sowohl an einer preisgünstigen als auch an einer sicheren und umweltverträglichen Versorgung mit Strom und Gas interessiert. Zur Verwirklichung dieses Dreiklangs haben wir in diesem Gesetz gute Lösungen gefunden.
Die wichtigsten Fortschritte im Sinne der Verbraucherinteressen möchte ich stichwortartig zusammenfassen: Mit der Errichtung einer starken und unabhängigen Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur, wird erstmals eine wirkungsvolle Aufsicht über die Strom- und Gasnetze hergestellt. Dies schafft endlich mehr Wettbewerb und Transparenz.
Alle Preiserhöhungen von Netzbetreibern kommen auf den Prüfstand. Bereits vollzogene Preiserhöhungen können bei Missbrauch revidiert werden. Alle neuen Preiserhöhungswünsche werden sich einer Vorabprüfung stellen müssen, die die Regulierungsbehörde vornimmt.
Hierdurch wird die Angemessenheit der Netznutzungsentgelte sichergestellt. Darüber hinaus wird bereits ein Jahr nach In-Kraft-Treten des neuen Energiewirtschaftsgesetzes eine Anreizregulierung mit Preisobergrenzen eingeführt, die sich an den Effizienzsteigerungen orientiert. Ich rechne fest damit, dass es im Zuge dieser Anreizregulierung zu sinkenden Netzentgelten zugunsten der Kunden kommen wird; denn jetzt hat die Regulierungsbehörde endlich ein entscheidendes Instrument in der Hand, um Spielräume für Preissenkungen tatsächlich auszuschöpfen.
Gleichzeitig werden mit dem neuen Energiewirtschaftsgesetz die Voraussetzungen für die Beibehaltung und Fortführung der in Deutschland hohen Versorgungsqualität geschaffen. Die Energiewirtschaft hat bereits Investitionen in das Netz und in die Kraftwerke in Höhe von 19 Milliarden Euro bis 2010 angekündigt. Mit diesem Gesetz schaffen wir Planungssicherheit für diese Investitionen und das ist gut für unsere Wirtschaft.
Wir liberalisieren zudem das Mess- und Zählwesen. Das war längst überfällig. Das bisherige Monopol hat dazu geführt, dass die Kunden zwangsläufig überhöhte Preise zahlen mussten. Zukünftig können der Einbau, der Betrieb und die Wartung von Netzeinrichtungen auf Wunsch des betroffenen Kunden von einem Dritten durchgeführt werden. Damit setzen wir auch in diesem Bereich einen Wettbewerb in Gang, der in der Folge zu spürbaren Kostenersparnissen bei den Haushaltskunden führen wird.
Die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher und ihre Stellung als Marktteilnehmer werden auch durch andere Vorschriften gestärkt, beispielsweise bei der Abwicklung eines Anbieterwechsels. Der Wechsel eines Stromanbieters wird zukünftig nach standardisierten und möglichst einfachen Regeln durchgeführt werden können.
Aus Verbrauchersicht besonders zu begrüßen ist es, dass ein Klagerecht auch für die Verbraucherverbände vorgesehen ist.
Bei Gesetzesverstößen oder Zuwiderhandlungen gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde sind sie berechtigt, Anträge auf Unterlassung und Schadensersatz zu stellen. In Fällen, in denen missbräuchliches Verhalten eine Vielzahl von Verbrauchern geschädigt hat, haben Verbraucherverbände darüber hinaus die Möglichkeit, eine Vorteilsabschöpfung zu beantragen. Ein solch umfangreiches Verbandsklagerecht ist ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung der Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Weitreichende Vorschriften zur Stromkennzeichnung stellen eine umfassende Information der Haushaltskunden sicher. Sie ermöglichen eine bewusste Produktwahl und verhindern irreführende Werbeaktionen von Stromanbietern. Der Endverbraucher kann zukünftig in der Anlage zu seiner Stromrechnung beispielsweise den Anteil der einzelnen Energieträger und Informationen über die Umweltauswirkungen ablesen. Darüber hinaus schaffen wir Kostentransparenz. Die Rechnungen enthalten auch eine Aufschlüsselung über einzelne Kostenbestandteile. Schließlich wird – das ist ganz besonders wichtig – im Gesetz ausdrücklich der Verbraucherschutz als Ziel festgeschrieben.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Verbraucherrechte und Verbraucherinteressen werden durch das neue Energiewirtschaftsgesetz entscheidend gestärkt.
Die Novelle bringt sowohl mehr Wettbewerb, mehr Transparenz, mehr Effizienz und größere Spielräume als auch Planungssicherheit für zusätzliche Investitionen und Versorgungssicherheit. Deshalb wünsche ich mir sehr, dass es gelingt, im Vermittlungsverfahren, das heute von der Opposition angekündigt wurde, zu einer Regelung zu finden. Ich denke, das wäre im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Herzlichen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Julia Klöckner, CDU/CSU-Fraktion.
Woher kommen denn die Energiebelastungen? Mein Kollege Herr Pfeiffer hat es bereits angesprochen; er hat es ausgerechnet. Diesmal sollten Sie nicht einfach dazwischenrufen; denn in der Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage wurde uns bestätigt, dass seit dem Regierungswechsel die Belastungen durch Stromkosten um ein Vielfaches gestiegen sind. Der staatliche Anteil am Strompreis ist von 25 Prozent auf 40 Prozent gestiegen. Das ist Fakt.
Was mich bei dem ganzen Thema irritiert, ist die Aussage von Herrn Stiegler in einem Interview auf die Frage, ob der private Verbraucher nicht durch die höheren Energiepreise belastet würde. Seine Antwort lautete: „In privaten Haushalten spielen sie nicht die Rolle wie in der Wirtschaft. Wir haben ... dafür gesorgt, dass die Wirtschaft Energie sparende Geräte vorgelegt hat.“ – Das soll Verbraucherschutz sein, der familiengerecht und sozial ist?
Präsident Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hustedt?
Julia Klöckner (CDU/CSU):
Ich würde gerne meine Rede beenden.
Frau Hustedt hat schließlich vorhin schon geredet.
Es ist doch Hohn, die Verbraucher darauf hinzuweisen, dass es Energie sparende Geräte gebe, mit denen der Energieverbrauch und damit die Energiekosten gesenkt werden könnten. Sie können nicht leugnen, dass ein Teil der Belastungen – wenn auch nicht alle – staatlich hervorgerufen wurden.
Es ist auch Hohn, davon zu reden, dass sich die Regierung der Verbraucher angenommen und zügig gearbeitet habe. In diesem Fall ist Zeit wirklich Geld. Der Bundesrat hat im Unterschied zur Bundesregierung extrem zügig gearbeitet. Das möchte ich an dieser Stelle in Erinnerung rufen.
Ärgerlich ist, dass die Regierung ziemlich dreist die Frist für das neue Gesetz am 1. Juli 2004 verstreichen ließ und dass sie, nachdem der Bundesrat binnen fünf Wochen im vergangenen September seine Empfehlungen für eine verbraucher- und umweltfreundlichere Verschärfung der Regulierung beschlossen hatte, weitere sechs Monate brauchte, um sich zwischen Rot-Grün abzustimmen. Diese Verzögerungstaktik freut zwar die Aktionäre der Energiekonzerne, aber die Zeche zahlen die Verbraucher und damit diejenigen, die sich nicht wehren können.
Mich irritiert auch, dass die selbst ernannte Retterin der Verbraucher, Frau Künast, kein einziges Wort dazu geäußert hat. Sie sagt sehr viel zum Thema Schrottimmobilien und zum nachhaltigen Waschen.
In diesem Fall geht es aber um Grundbedürfnisse des Verbrauchers, denen er sich nicht entziehen kann. Ich würde es begrüßen, dass sich die Verbraucherministerin dazu äußert. Wo ist sie heute? Sie darf keine PR machen und sie darf nach Ansicht des Ministers nichts zu dem Thema sagen. Das ist sehr traurig.
Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Regulierungsbehörde anmerken. Ich habe schon etwas Bauchschmerzen hinsichtlich der Ausgestaltung der Regulierungsbehörde, bei der vorsichtig vorzugehen ist. Denn es ist klar, dass die durch eine Aufblähung der Behörde entstehenden Kosten auf die Verbraucher umgewälzt würden. Wenn der vorgesehene Regulierungsbeitrag auf die Verbraucherinnen und Verbraucher umgelegt wird, richte ich an uns alle parteiübergreifend die Bitte, diesen Vorgang sensibel zu begleiten.
Das gilt auch für die Rabatte. Rabatte für die industriellen Großkunden, die energieintensiv arbeiten müssen, sind sehr wichtig. Aber es geht nicht an, dass die den Großkunden gewährten Rabatte auf die Verbraucher umgelegt werden. Auch dabei sind wir alle gefordert, sensibel vorzugehen.
Ich komme zum Verbandsklagerecht. Nicht überall, wo Verbraucherschutz draufsteht, ist auch Verbraucherschutz drin.
Weder die Klageflut von Verbänden vor den Gerichten, die Kosten verursachen, noch die Bürokratie bei den Stromrechnungen bedeuten Verbraucherschutz. Im Gegenteil: Bedenken Sie den Druck des Verbandsklagerechts auf die Verbraucherverbände vor Ort. Bei jeder angedachten Preiserhöhung müsste der Klageweg beschritten werden.
Ich unterstütze die in unserem Antrag erhobene Forderung, dass die Regulierungsbehörde umfangreiche Möglichkeiten für Sanktionen hin zur Abschöpfung ungerechtfertigt erlangter wirtschaftlicher Vorteile erhält und dass die Überprüfung der Netzbetreiber durch die Verbraucherverbände in die Wege geleitet werden kann. Das ist ein richtiger und unbürokratischer Ansatz, der keine Kosten verursacht, die wiederum die Verbraucher tragen müssten.
Insofern freue ich mich, dass wir in vielen Punkten den Forderungen des Bundesrates entgegengekommen sind, um Wettbewerb und Verbraucherschutz zu gewährleisten.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen. Wenn auf der Stromrechnung alles – wie Frau Wöhrl gesagt hat: in Milligramm je Kilowattstunde – aufgelistet bzw. – weil es nicht erwünscht ist oder weil es nicht möglich ist, es auszuzeichnen – vom Energielieferanten unbestimmt weitergeben wird, damit der Verbraucher die Kosten aufschlüsseln soll, dann kann ich dazu nur sagen: Das ist blauer Dunst; das ist weiße Salbe. Denn der Verbraucher kann erstens die Stromrechnung nicht lesen und zweitens nichts zuordnen. Drittens sind die Konzerne nicht verpflichtet, eine Aufschlüsselung vorzunehmen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit uns für eine verbrauchergerechte Regulierung einsetzten. Ich danke Ihnen jedenfalls, dass Sie den Forderungen der Union zumindest in einigen Punkten nachgekommen sind.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich schließe die Aussprache.
Tagesordnungspunkt 19 a: Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts, Drucksachen 15/3917 und 15/4068. Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5268, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie in der zweiten Beratung angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/5279. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 19 b: Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5268 empfiehlt der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit die Ablehnung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/3998 mit dem Titel „Klaren und funktionsfähigen Ordnungsrahmen für die Strom- und Gasmärkte schaffen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion angenommen.
Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/4037 mit dem Titel „Für mehr Wettbewerb und Transparenz in der Energiewirtschaft durch klare ordnungspolitische Vorgaben“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU-Fraktion angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a und 20 b auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl (Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Gemeinsames Zentrum zur Terrorismusbekämpfung schaffen
– Drucksachen 15/3805, 15/5264 –
Berichterstattung:Abgeordnete Frank Hofmann (Volkach)Clemens Binninger Silke Stokar von Neuforn Dr. Max Stadler
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl (Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Einsatz der automatisierten Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen durch den Bundesgrenzschutz
– Drucksachen 15/3713, 15/5266 –
Berichterstattung:Abgeordnete Frank Hofmann (Volkach)Roland Gewalt Silke Stokar von Neuforn Gisela Piltz
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Ralf Göbel, CDU/CSU-Fraktion.
[Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 170. Sitzung – wird am
Montag, den 18. April 2005,
an dieser Stelle veröffentlicht.]