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Internet. Die Plattform bietet Chats mit Abgeordneten des
Bundestages, Diskussionsforen, Abstimmungen, Nachrichten und
Hintergrundberichte zu aktuellen politischen Themen.
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Votings, Chats und Gästebücher
Fast alle Bundestagsabgeordneten präsentieren sich heute mit einem eigenen Angebot im Internet. 1998 hatte nur jeder dritte Parlamentarier eine eigene Homepage. Doch spätestens im Bundestagswahlkampf 2002 wurde deutlich, wie wichtig dieses Medium für die Politik und vor allem für die mündigen Bürgerinnen und Bürger ist. Die nämlich informieren sich mehr und mehr im World Wide Web, wenn sie wissen wollen, was ihre Abgeordneten zu sagen haben.
Als Jörg Tauss 1994 für die SPD in den Bundestag zog, herrschte, wie er heute sagt, noch Steinzeit, wenn es um neue Kommunikationstechnik ging. „Das gute alte Fax, die gelbe Schneckenpost und das Telefon standen uns zur Verfügung. Mein Modem habe ich selbst installiert, eigene Homepages von Abgeordneten gab es natürlich noch nicht. Ich habe mir die erste selbst gebastelt und war darauf gewaltig stolz.“
Jörg Tauss wollte damals, dass alles schneller vorangeht. Mit fünf anderen Abgeordneten aus allen Fraktionen und Mitarbeitern der Freien Universität in Berlin rief er ein Projekt ins Leben, das Parlamentariern den Weg ins Internet erleichtern und ihnen zu eigenen Homepages verhelfen sollte. „Wir wollten politische Kommunikation übers Netz machen und haben begonnen, Anträge ins Internet zu stellen und zu diskutieren. Fachbezogene Netzwerke sollten entstehen. Heute ist das alles selbstverständlich. Kaum vorstellbar, dass nur zehn Jahre vergangen sind.“
Jörg Tauss, Jahrgang 1953, hat sich in seiner Arbeit im Bundestag von Beginn an mit den Fragen rund um die Entwicklung der Wissens- und Informationsgesellschaft befasst. Er war Mitglied der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ und ist seit 2000 Mitglied im Unterausschuss Neue Medien, ebenso wie im Chaos-Computer-Club. Nicht umsonst also erklärte Focus-Online den Mann aus Baden-Württemberg zu einem der wichtigsten Internetmacher im Bundestag, und der Spiegel verlieh ihm gar den Spitznamen „Inter-Tauss“.
Über die eigene Homepage Kommunikations- und Informationsangebote zu unterbreiten, ist für den Abgeordneten selbstverständlich. Wichtigste Kriterien: ein Höchstmaß an Information und Aktualität gewährleisten, auf Anfragen schnell reagieren, Politik transparent und nachvollziehbar machen.
Wer auf die Homepage von Jörg Tauss geht, um Informationen zu erhalten, wird nicht enttäuscht und findet sich leicht und gut zurecht, auch wenn es dem Abgeordneten selbst noch etwas zu wuselig zugeht. Jörg Tauss wurde 2002 vom Verband der deutschen Internetwirtschaft zum Internetpolitiker des Jahres gekürt. Das hätte er 1994, als er im Abgeordnetenbüro heimlich sein erstes Modem installierte, sicher nicht gedacht. Dass es mal so weit kommen würde.
Die CDU/CSU-Abgeordnete Ilse Aigner braucht man gar nicht erst zu fragen, wie ihr Verhältnis zu den Technologien der Zukunft ist. Die gelernte Elektrotechnikerin aus Oberbayern hat unter anderem fünf Jahre in der Hubschrauberentwicklung gearbeitet. Sie ist seit 1998 im Bundestag und selbstverständlich von Beginn an mit einer eigenen Homepage im Netz. Auf dem Mousepad neben ihrem Laptop im Büro sind stramme bayerische Männerwaden zu sehen. Da verbünden sich mit einem Augenzwinkern Tradition und Fortschritt.
Ilse Aigners Homepage ist gut besucht, 3.765 Gäste waren es allein im Januar. „Die Struktur für die Homepage habe ich mit meiner Mitarbeiterin Steffi Janke gemeinsam erarbeitet. Meine Erfahrung ist, dass viele wissen möchten: Was ist das für ein Mensch, was für eine Geschichte verbindet sich mit ihm und welche politischen Inhalte vertritt er?
Man muss das Rad nicht neu erfinden, aber ein eigener Stil ist schon wichtig. Vor allem versuche ich darzustellen, was ich den ganzen Tag mache. Offenheit ist mir wichtig und natürlich eine gute Struktur der Seite, die es jedem ermöglicht, sich schnell zurechtzufinden.“ Aktualisiert wird die Homepage, wenn möglich, täglich.
Viele Texte schreibt die Abgeordnete selbst, aber sie kann sich auf das eingespielte Büroteam jederzeit verlassen und auch darauf, dass keine alten Kamellen auf der Startseite zu finden sind. „Nachvollziehbarkeit von Politik hat allerdings auch etwas damit zu tun, dass man in Archiven nachschauen kann, was jemand vor längerer Zeit getan und gesagt hat. Und Service ist ebenfalls ganz wichtig. Downloads müssen angeboten werden, Links empfohlen, der Zugriff auf die einzelnen Informationen soll einfach sein.“
Auf dem Schreibtisch der Abgeordneten, die noch richtig Schreibmaschine schreiben gelernt hat, liegt der kleine Kommunikator, transportable Verbindung zur Welt. Als Ilse Aigner 1988 ihren ersten Computer bekam, musste man sich vieles noch selbst programmieren, vom World Wide Web war noch keine Rede. Heute ist es aus der Arbeit nicht mehr wegzudenken, nicht in der Arbeit und nicht privat. „Recherchen ohne Internet kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Und wenn ich mal Ski fahren will, schaue ich mir im Computer an, wie die Schneeverhältnisse auf dem Sudelfeld sind.“
Die Esslinger Abgeordnete Antje Vogel-Sperl von Bündnis 90/Die Grünen, 2002 in den Bundestag eingezogen, hat mit ihrer Homepage noch einiges vor. Dass das Informationsangebot laufend erweitert wird und vor allem noch mehr Hintergrundinformationen zu aktuellen politischen Themen angeboten werden, ist für die Abgeordnete selbstverständlich. Es geht ihr vor allem darum, den interaktiven Teil weiter auszubauen. Gegenwärtig gibt es bereits ein Diskussionsforum zu aktuellen Themen, ein Gästebuch und das „Aktuelle Voting“ zu Fragen, die viele Menschen beschäftigen.
Im Aufbau befindet sich außerdem ein Newsletter. Und überlegt wird, ob zusätzlich regelmäßig Chats zu aktuellen Themen angeboten werden, eine Form der Interaktion, die nicht einfach zu handhaben ist und im politischen Bereich noch nicht allzu häufig genutzt wird. „Es ist auch schwierig, in der oft sehr verkürzten und manchmal eher flapsigen Sprache, die in Chat-Rooms üblich ist, über schwierige politische Inhalte zu debattieren“, sagt die Abgeordnete. „Andererseits ist es ein sehr direkter Kontakt, der Spontaneität zulässt und viele Meinungen. Und es spricht vor allem jüngere Menschen an.“ Die Darstellung der eigenen Person im Netz und der politischen Inhalte, die sie vertritt, hat der 48-jährigen Diplom-Chemikerin bereits im Wahlkampf 2002 große Dienste geleistet. „Vernetzung in der Parteiarbeit und in der parlamentarischen Arbeit ist in der Informationsgesellschaft extrem wichtig geworden. Das Internet ist dafür einfach das schnellste Medium mit den größten Möglichkeiten, was Flexibilität und Aktualität anbelangt. Eigentlich kann man den Wissenszuwachs, den das Internet ermöglicht, derzeit und in Zukunft mit steigender Tendenz gar nicht hoch genug einschätzen. Auf meiner Homepage möchte ich vor allem die politischen Themen, an denen ich arbeite, unter anderem nachwachsende Rohstoffe als Ölquellen von morgen, nachvollziehbar präsentieren. Wichtig ist mir auch bei der Stichwortsuche – zum Beispiel Bioraffinerien – über die Internetsuchmaschinen präsent zu sein.“
So wie auf dem Mousepad der Abgeordneten findet man beispielsweise auch auf der Website die einfache und verständliche Darstellung der Funktionsweise einer Bioraffinerie. Das kann so manche Hausaufgabe erleichtern und macht zugleich auch dem Laien deutlich, womit sich die Abgeordnete in ihrer Arbeit beschäftigt: zum Beispiel mit Bioraffinerien, einem Konzept für eine Zukunft ohne Öl. Dazu passend findet unter dem Link „Interaktiv“ eine aktuelle Abstimmung zur Frage „Abhängigkeit von Erdöl“ statt.
Im Juni 2001 machte der FDP-Abgeordnete Hans-Joachim Otto ein Experiment. Er installierte in seinem Bundestagsbüro eine Webcam und konnte so im Internet rund um die Uhr bei der Arbeit beobachtet werden. Man musste nur auf seine Homepage gehen. „Ich bin andauernd gefragt worden, was ich den ganzen Tag mache und wollte, dass sich jeder sein eigenes Urteil bildet“, erklärt der 52-jährige Heidelberger seine damalige Aktion. Auf seinem Schreibtisch hockt, wie zur Untermalung des Anliegens, ein Plüschhamster in einem Laufrad. „Ganz so war es nicht gemeint“, sagt Hans-Joachim Otto, „und ich hatte auch unterschätzt, dass der größte Teil der Arbeit ja nicht im Büro, sondern im Plenum und bei Terminen stattfindet.“ Trotzdem war die Aktion ein unkonventioneller Versuch, das Medium Internet zur Darstellung der eigenen Arbeit zu nutzen.
Hans-Joachim Otto ist seit 1998 kultur- und medienpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Sein Ansatz: Das Internet ist ein Gebrauchsmedium und kein Dauerspielzeug. Und es gewinnt in der politischen Arbeit immer mehr an Bedeutung. Auch für den Dialog zwischen Gewählten und Wählern. Auf seiner Homepage gibt es ein Forum, in dem Besucher ihre Meinung zu politisch aktuellen Themen kundtun und zugleich miteinander und mit dem Abgeordneten diskutieren können. Dazu kommt ein Gästebuch, das ebenfalls viel genutzt wird. „Über das Internet kann ich schnell die Meinung anderer zu Themen, an denen ich arbeite, einholen. Ich habe beispielsweise eine Umfrage zur Rechtschreibreform gemacht. Die ist nicht repräsentativ, aber es haben sich 1.114 Menschen daran beteiligt, und das nehme ich natürlich in meine Arbeit auf.“
Für den Abgeordneten sind die Vorteile des Mediums klar: „Das Internet ist wichtig für Information und Kommunikation, und seine Bedeutung für die Bürgerbeteiligung wächst. Es ist inzwischen sogar eines der besten Kommunikationsmedien, die wir haben, und für die Arbeit eine große Erleichterung und qualitative Verbesserung.“
Vor allem der demokratische Aspekt ist dem Abgeordneten Otto wichtig. Er nutzt seine Homepage beispielsweise, um Protestaktionen per E-Mail zu organisieren. „Man muss Angebote machen“, sagt er, „damit andere agieren können.“
Das Internetangebot der 46-jährigen Abgeordneten aus Baden-Baden kann sich wirklich sehen lassen. Es ist umfangreich, aber nicht verwirrend, und setzt vor allem auf Information und Service. Ein ganz einfacher, aber sehr gefragter Service ist beispielsweise die Möglichkeit, per E-Mail Broschüren zu politischen Schwerpunktthemen zu bestellen. 20 bis 30 Bestellungen gehen pro Woche ein und werden zügig bearbeitet. Verschickt werden die Broschüren per Post.
„Eine Homepage ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Deshalb lege ich viel Wert darauf, selbst zu bestimmen, wie meine Website aussieht, welche Inhalte sie enthält und wie das Verhältnis von Politischem und Persönlichem ist. Beides ist wichtig, denn die Menschen wollen wissen, mit wem sie es zu tun haben. In meinem Büro steht das Thema Homepage jede Woche auf der Tagesordnung, wir besprechen, was aktualisiert werden muss, und reden natürlich über neue Ideen.“
Nicolette Kressl hat sich für eine gute Mischung aus Information und Unterhaltung entschieden. Auf ihrer Homepage kann man sich zum Beispiel den schönsten Wanderweg in ihrem Wahlkreis anschauen. Man kann auch sehen, wie Nicolette Kressl als Kind aussah, und unter der Überschrift „Golden Girls“ erfährt man etwas über die Wohngemeinschaft der Abgeordneten. In erster Linie aber wird man über aktuelle Themen informiert und bekommt dazu viel Hintergrund geliefert, beispielsweise durch Downloadangebote und einen Newsletter. Die Mischung stimmt.
„Ich prüfe alles, was mit meiner Arbeit zu tun hat, auf Relevanz für das Internet. Extern arbeitet mein Webmaster Stefan Hintermeier an der Aktualisierung der Homepage. Den müssen wir also regelmäßig mit Informationen versorgen und das zwingt dazu, das Thema Internet nie aus den Augen zu verlieren.
Nicolette Kressl, selbst eine regelmäßige Nutzerin von Suchmaschinen, hat festgestellt, dass die meisten Zugriffe auf ihre Seite, pro Tag sind das rund 1.100, über Google laufen. „Das heißt: Die Menschen suchen nach Inhalten. Und wenn ich zu den Inhalten etwas auf meiner Website anbiete, landen sie dann bei mir. Daraus ergibt sich ganz klar, wo die Prioritäten liegen müssen.“
Als der CDU/CSU-Abgeordnete Günter Krings 1995 von einem Studium in den USA nach Deutschland zurückkehrte, war das im Hinblick auf Informations- und Kommunikationstechnologien ein kleiner Zeitsprung. An der Universität in Philadelphia hatte der heute 35-Jährige eine E-Mail-Adresse, die in Deutschland nicht funktionierte, und vom Internet fing man hier gerade an zu reden.
2002, als der Rechtsanwalt Krings sich um ein Bundestagsmandat bewarb, sah die Welt schon anders aus. „Die Homepage war für mich im Wahlkampf von Beginn an Chefsache. Inhalt stand an erster Stelle. Ein gutes Design ist natürlich wichtig, könnte aber nie einen Mangel an Inhalten überdecken. Ich lege großen Wert auf Aktualität, aber es ist mir wichtig, dass die Leute auch nachlesen können, was ich vor drei Jahren zu einem Thema gesagt habe. Das hat was mit Glaubwürdigkeit zu tun, finde ich.“
Die Impulse für das, was auf die Homepage kommt, gibt der Abgeordnete aus Mönchengladbach meist selbst, beraten aber wird immer im Team.
In der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern setzt Günter Krings auf E-Mail. Gästebücher und Chat-Rooms können das aus seiner Sicht nicht ersetzen. Da sei ihm, sagt er, beispielsweise der „Krings-Brief“ wichtiger, in dem er regelmäßig über seine Arbeit im Bundestag und im Wahlkreis berichtet.
„In Chat-Rooms findet nur selten eine wirklich vertiefte Auseinandersetzung statt. Aber natürlich ist das eine Form, die vor allem von jungen Menschen gern genutzt wird, und das darf man nicht vernachlässigen. So habe ich zum Beispiel bei www.mitmischen.de, einem Angebot des Bundestages für junge Leute, kürzlich an einem Chat auf der Popkomm teilgenommen. Solche Themen bieten sich dafür an. Bei E-Mails ist die Schwelle, Kontakt aufzunehmen und Fragen zu stellen, niedriger. Viele, die sich auf diese Art an mich wenden, würden sicher keinen Brief schreiben.“
Günter Krings beantwortet die Mails selbst und möglichst zeitnah und ist auch ansonsten einer, der das Internet viel nutzt, für die Arbeit und auch für ganz persönliche Recherchen. Eine seiner Lieblingsseiten im Internet ist die, auf der verschiedene Arten von Pfeifentabak beschrieben werden, und eine der meistgenutzten die Verbundseite der deutschen Antiquariate. „Ein schönes Beispiel, wo sich ein ganz altes Medium, das Buch, mit einem ganz neuen Medium verbindet.“
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 14. Februar 2005
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