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Schwarz Rot Gold
Um die deutschen Farben ranken sich manche Legenden.
Die Bedeutung der deutschen Farben Schwarz, Rot und Gold wurde in unterschiedlicher Weise interpretiert. Manchmal wurden sie auf das Wappen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zurückgeführt. Manchmal sollen sie erstmals in den Bauernkriegen – Florian Geyer wird in diesem Zusammenhang oft genannt – oder in den Befreiungskriegen gegen Napoleon verwendet worden sein. All diese Thesen sind nicht zu belegen. Fest steht nur, dass erstmals 1832 auf dem Hambacher Fest schwarz-rot-goldene Fahnen als Symbol für das Streben der jungen Generation nach Freiheit und deutscher Einheit geschwenkt wurden. Nach der Revolution von 1918 sammelten sich unter Schwarz-Rot-Gold die Verteidiger der ersten deutschen Republik. Nach der deutschen Teilung blieb Schwarz-Rot-Gold das einzige offizielle Symbol, das beide Staaten noch gemeinsam hatten, auch wenn die DDR später die deutschen Farben um Hammer, Zirkel und Ährenkranz ergänzte.
Seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 hatte Deutschland bereits drei Nationalflaggen, Schwarz-Weiß-Rot im Kaiserreich, Schwarz-Rot-Gold in der Weimarer Republik und von 1935 an die Hakenkreuzfahne der nationalsozialistischen Diktatur. 1949 wurde sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der Deutschen Demokratischen Republik wiederum Schwarz-Rot-Gold zur Nationalflagge erklärt.
Die Entscheidung für die Farben Schwarz-Rot-Gold als Nationalfarben ist immer wieder als Rückgriff auf „uralte deutsche Farben“ interpretiert worden. Doch diese These ist schwerlich belegbar. Jedenfalls gab es keine „Reichsfarben“ des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die dreifarbigen Fahnen und Flaggen haben als Trikolore erst während der Französischen Revolution ihre Bedeutung erhalten. Bis ins 12. Jahrhundert hinein blieben Krone, Zepter, Reichsapfel und heilige Lanze die Herrschaftssymbole.
Die sich in der darauf folgenden Zeit durchsetzenden Farben Schwarz und Gelb/Gold als Farben des Königs blieben die einzigen Farben; Rot war keine absichtlich eingefügte dritte Farbe, sondern ihr Erscheinen hatte mit der technischen Herstellung der Handschriften zu tun: Rote Farbe diente als Grundierung für Goldfarbe. An den Stellen, an denen das Gold abblätterte, etwa an den Fängen des Adlers, kam das Rot der Grundierung zum Vorschein. Bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1806) können daher nur Schwarz und Gelb als Wappenfarben gelten.
Auch eine weitere These, nach der bereits das Lützow’sche Freikorps aus den Befreiungskriegen von 1813/1814 die Farben Schwarz-Rot-Gold geführt habe, ist nicht stichhaltig, wird aber immer wieder gern zitiert. Denn die Mehrzahl der Mitglieder der „Allgemeinen Deutschen Burschenschaft“, die sich 1815 in Jena gründete, waren Mitglieder des Lützower Freikorps gewesen. Außerdem erscheint auf diese Weise eine Tradition der Nationalfarben begründbar, die bis zu den Befreiungskriegen zurückreicht.
Zwar enthielt die Uniform des Freikorps die Farben Schwarz, Rot und Gold, also schwarzer Rock mit roten Aufschlägen und rotem Vorstoß sowie gelben Knöpfen, doch erscheint diese Herleitung problematisch, da die Auswahl der Farben ausschließlich praktische Gründe hatte. Schwarz als Grundfarbe wurde nämlich gewählt, weil die Freiwilligen ihre eigenen Röcke in allen möglichen Farben mitbrachten und diese dann einheitlich nur in Schwarz eingefärbt werden konnten.
Der rote Vorstoß an den schwarzen Aufschlägen, an Kragen und Achselstücken sowie an der vorderen Kante des Waffenrocks war seit langem im preußischen Heer üblich; gelbe Knöpfe endlich erschienen aus praktischen Gründen unerlässlich und besaßen als Farbe keinerlei Bedeutung.
Die Burschenschafter trugen bei ihren militärischen Übungen ihre alten Uniformen und erhoben nur die beiden Farben Schwarz und Rot zu ihren Fahnenfarben. Gold und Silber wurden nur als Verzierungen verwendet, zum Beispiel bei Borten und Fransen. So hatte die Jenaer Burschenschaft zunächst eine schwarz-rote Fahne mit goldener Borte. Bereits 1816 wurde eine aufwändigere Fahne hergestellt, eine waagerechte Trikolore in den Farben Rot-Schwarz-Rot, bei der diagonal ins schwarze Feld ein goldener Eichenzweig gestickt war.
Andere Burschenschaften übernahmen die Farben der Jenaer Burschenschaft, und diese schlug ihre Farben im Jahre 1818 als allgemeine Farben der Burschenschaften vor. Sofern in dieser Zeit – also bis 1818 – Farben eine politische Bedeutung zuerkannt bekamen, wurden meist die Farben Preußens, Schwarz und Weiß, genannt. So beschlossen die Burschenschaften auf dem Wartburgfest 1817 unter wesentlicher Beteiligung der Jenaer Burschenschaft, dass die Nationalfarben nur die schwarz-weißen Farben Preußens sein könnten.
Mit den rigiden Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit der „Karlsbader Beschlüsse“ vom 20. September 1819 wurde auch das Farbentragen verboten. Darüber schrieb der Schriftsteller August von Binzer ein Gedicht, in dem zum ersten Mal die drei Farben Schwarz, Rot und Gold als Einheit genannt werden:
„Wir hatten gebauet
Ein stattliches Haus
Und drin auf Gott vertrauet
Trotz Wetter, Sturm und Graus.
Das Band ist zerschnitten
(War Rot, Schwarz und Gold).
Und Gott hat es gelitten,
Wer weiß, was er gewollt.
Das Haus mag zerfallen –
Was hat’s denn für Not?
Der Geist lebt in uns allen,
Und unsre Burg ist Gott!“
Als sich 1832 mehr als 20.000 Menschen zum Hambacher Fest trafen, führten viele eine schwarz-rot-goldene Fahne mit sich. Doch nicht nur schwarz-rot-goldene Fahnen und heraldisch korrekte Fahnen in Schwarz-Gold-Rot, sondern auch die französische Trikolore und die Fahne der polnischen Aufständischen wehten auf dieser Veranstaltung, die wegen der Zensurbestimmungen als gesellige Veranstaltung angekündigt worden war. Als direkte Antwort auf die politische Wirkung des Hambacher Festes müssen daher die „Maßregeln zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ruhe und Ordnung“ verstanden werden, die der Bundestag in Frankfurt am 5. Juli 1832 erließ und nach denen das Tragen aller Farben bis auf die Landesfarben verboten wurde.
In den Jahren zwischen Hambacher Fest und der Märzrevolution von 1848 wurden die Farben Schwarz-Rot-Gold von beiden Richtungen der Burschenschaften – der national-konservativen, die das Thema der Einheit in den Mittelpunkt stellte, und der demokratisch-revolutionären, die die Freiheit zum Schwerpunkt ihrer Reden und Schriften erhob, als „deutsche Farben“ geführt. Auch Dichter wie Ernst Moritz Arndt und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben priesen Schwarz-Rot-Gold als die deutschen Farben.
In der Märzrevolution wurde die schwarz-rot-goldene Fahne zum Symbol für den Kampf um nationale Einheit und bürgerliche Freiheiten. Bereits am 9. März 1848 erklärte die Bundesversammlung in Frankfurt am Main Schwarz-Rot-Gold zu den Farben des Deutschen Bundes, und berief sich darauf, dass dies „die Farben des ehemaligen deutschen Reichspaniers“ seien. Am 23. März 1848 wurde zum ersten Mal in Frankfurt die schwarz-rot-goldene Flagge gehisst. Allerdings enthielt die „Verfassung des Deutschen Reiches“ keine Bestimmungen über die Nationalfarben.
Aber Schwarz-Rot-Gold konnte seine Bedeutung als gesamtstaatliches Symbol nicht dauerhaft bewahren. Bereits in den Unruhen im September und Oktober 1848 und mehr noch im März 1849 wurde für die Sozialrevolutionäre die rote Fahne das wichtigere Tuch. Die Habsburger führten wieder die Farben Schwarz-Gelb ein, Preußen entschied sich für Schwarz und Weiß.
Zunächst verkündete der Norddeutsche Bund in seiner Verfassung vom 26. Juli 1867 Schwarz-Weiß-Rot als Flagge der Kriegs- und Handelsmarine, ab 1892 galten mit der Verordnung über die Reichsflagge im Deutschen Kaiserreich die Farben Schwarz-Weiß-Rot als Reichsflagge. Auch diese Farben lassen sich nicht auf ein historisches Vorbild zurückführen, sondern sind eine mutwillige Zusammenlegung aus den Farben Preußens (Schwarz-Weiß) und der Hansestädte und Brandenburgs (Rot-Weiß).
Erst in die Verfassung der Weimarer Republik wurden die Farben Schwarz-Rot-Gold wieder als Reichsfarben aufgenommen. Als Kompromiss zwischen den Verteidigern und den Gegnern der jungen Republik muss die Gestaltung der Handelsflagge gelten: Sie trug weiter die Farben Schwarz-Weiß-Rot, allerdings mit den Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold in der oberen inneren Ecke. Tatsächlich schwelte der Konflikt um die Bundesfarben weiter, und im Jahre 1926 stürzte gar die Reichsregierung von Kanzler Hans Luther über den „Flaggenstreit“.
Schon kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten unterzeichnete Reichspräsident Paul von Hindenburg einen Erlass, wonach an Stelle der schwarz-rot-goldenen Flagge zwei Flaggen gehisst werden sollten, nämlich die schwarz-weiß-rote und die Parteifahne der NSDAP, die Hakenkreuzfahne. Mit dem Reichsflaggengesetz von 1935 wurden die Farben Schwarz-Weiß-Rot als Reichsfarben genannt, die Hakenkreuzfahne wurde zur National- und zur Handelsflagge erklärt.
Der Parlamentarische Rat, der 1948/1949 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beriet, schlug in bewusster Anknüpfung an die Tradition der Weimarer Republik und der Paulskirche Schwarz-Rot-Gold als Bundesfarben vor. Zur Bedeutung dieser Farben hatten die Sozialdemokraten im Grundsatzausschuss ausgeführt: „Die Tradition von Schwarz-Rot-Gold ist Einheit und Freiheit oder … besser: Einheit in der Freiheit. Die Flagge soll uns als Symbol dafür gelten, daß die Freiheitsidee der persönlichen Freiheit eine der Grundlagen unseres zukünftigen Staates sein soll“. Mit der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 wurde Schwarz-Rot-Gold zur Nationalflagge der Bundesrepublik Deutschland bestimmt.
Auch die DDR wählte die Farben Schwarz-Rot-Gold für ihre Staatsflagge. Artikel 2 der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949 bildete dafür die gesetzliche Grundlage. 1959 wurde das Staatswappen der DDR (Hammer, Zirkel und Ährenkranz) in die Flagge integriert. Nach dem Einigungsvertrag von 1990 werden in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin die Farben Schwarz-Rot-Gold als Nationalfarben geführt.
Fotos: picture-alliance, Deutscher
Bundestag
Erschienen am 15. Dezember 2004