> Unter der Kuppel > Andachtsraum
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Ein Ort mit mystischer Aura
Wenn 30 Minuten vor Beginn einer Sitzung die Glocken des Kölner Doms im Bundestag läuten, füllt sich der Andachtsraum im Reichstagsgebäude. Hier treffen sich Abgeordnete und Bedienstete zu einer kurzen Andacht, die wechselweise für ein Jahr unter katholischer und evangelischer Leitung stattfindet. Laienprediger unter den Abgeordneten halten dabei den Gottesdienst. Doch obwohl der Raum vorwiegend für christliche Zwecke genutzt wird, ist er keineswegs eine bundestagseigene kleine Kirche oder Kapelle, wie auch der neutral gewählte Name verdeutlicht, sondern schlicht ein überkonfessioneller Raum, der zur Meditation und inneren Einkehr anregen will.
Hier wurde auch die umfassendste künstlerische Gestaltung im ganzen Gebäude vorgenommen. Als äußerst schwierig erwies sich dabei die Suche nach einem geeigneten Künstler. Mit Günther Uecker fand der Kunstbeirat einen der renommiertesten Künstler Deutschlands, der sich dieser Herausforderung stellte. Auf der Grundlage theologischer Überlieferungen schuf Uecker einen Raum, der durch seine warmen Erdtöne und seine Schlichtheit große Ruhe ausstrahlt.
Die wenigen Objekte im Raum sind vieldeutig. So erinnert der sandgestrahlte Quader aus Granit ebenso an einen Altar wie an einen Opferstein. Seine besondere Akzentuierung erhält der Raum aber durch den Tafel-Zyklus, ein Kunstwerk, das mit seinen Motiven und Materialien christlichen Themen nahe steht. Sieben hohe Holzbildtafeln sind in leichter Schräge an die Wände gelehnt. Lange Nägel, die wichtigsten Gestaltungsmittel des Künstlers, Farbe, Sand, Asche und Steine verbinden sich auf den Tafeln zu kraftvollen suggestiven Bildern von Sinnes- und Seinserfahrungen. Für eine meditative Stimmung sorgt eine zum Innenraum hin offene Zwischenwand vor den seitlichen Fenstern, so dass das Licht indirekt in den Raum fällt.
Diese mystische Aura ist es auch, die den Andachtsraum im Reichstagsgebäude so besonders macht und seine Besucher stets auf neue fasziniert.
Text: Christina Beinke
Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen am 01. Februar 2005