Ausschusssitzungen
Nachdem der oder die Vorsitzende und die Berichterstatter sich eingearbeitet und die Fraktionen in ihren Arbeitskreisen erste Überlegungen angestellt haben, wird der oder die Vorsitzende im Einvernehmen mit den Obleuten der Fraktionen den Entwurf auf die Tagesordnung der nächsten Ausschusssitzung setzen. In dieser Sitzung wird der wesentliche Inhalt des Entwurfs vorgetragen und erläutert, entweder von einem Berichterstatter oder von einem Vertreter oder einer Vertreterin der Bundesregierung. Zu allen Sitzungen der Bundestagsausschüsse haben die Mitglieder und die Beauftragten der Bundesregierung und auch die des Bundesrates Zutritt. Das schreibt bereits das Grundgesetz in Artikel 43 vor, es ist aber auch erwünscht, weil dadurch die Fachleute aus den Ministerien und aus den Ländern zur Verfügung stehen und von den Abgeordneten sofort zu einzelnen Regelungen, Zusammenhängen, Gründen und möglichen Auswirkungen des Entwurfs befragt werden können. Darüber hinaus haben die Beamten der Bundesregierung auch "Formulierungshilfe" zu leisten: Will der Ausschuss eine Vorschrift in der Sache verändern, muss er sich nicht selbst an die juristische Feinarbeit der Textgestaltung machen, sondern fordert die Beamten des zuständigen Ministeriums auf, die gewünschte Änderung in die juristisch einwandfreie Form zu bringen. In der ersten Beschäftigung des Ausschusses mit dem Entwurf kann auch eine Generaldebatte stattfinden, in der die grundsätzlichen Probleme und politischen Positionen zum Entwurf gegeneinander gestellt werden.
Ausnahmsweise kann dies auch öffentlich geschehen. Die Geschäftsordnung des Bundestages geht als Regel davon aus, dass die Ausschussberatungen nicht öffentlich stattfinden, dass der Ausschuss aber berechtigt ist, für Teile der Beratung oder für bestimmte Gegenstände eine öffentliche Behandlung vorzunehmen. Das bedeutet, dass dann Journalisten, Verbände und Organisationen oder sonst Interessierte freien Zugang zu der Ausschusssitzung haben.
Im Jahre 1995 hat der Bundestag eine Reihe von Beschlüssen zur Reform seiner Arbeitsweise gefasst und unter anderem auch die Erweiterte öffentliche Ausschussberatung eingeführt. Das bedeutet, dass zusätzlich zu der schon bisher gegebenen Möglichkeit, einzelne Gegenstände öffentlich zu beraten, nunmehr dazu übergegangen werden soll, die jeweils letzte, abschließende Sitzung eines Ausschusses über eine Gesetzesvorlage öffentlich durchzuführen. Damit soll erreicht werden, dass Bürgerinnen und Bürger und auch die Medien einen besseren Einblick in die Gesetzesberatung und in die parlamentarische Arbeit erhalten und erkennen, dass die wesentliche Sacharbeit in den Ausschüssen und nicht im Plenum des Bundestages stattfindet. Zugleich kann damit erreicht werden, dass manche Fachdebatten im Plenum, an denen wegen der sehr spezialisierten Materie nur wenige Abgeordnete teilnehmen, wegfallen können, wenn schon eine öffentliche Debatte in dieser Erweiterten Ausschussberatung stattgefunden hat. Der Begriff "erweitert" bedeutet, dass nicht nur der federführende Ausschuss, sondern auch die Mitglieder der mitberatenden Ausschüsse teilnehmen können, also alle Abgeordneten, die sich in der einen oder anderen Weise mit dem Vorhaben befassen. Deshalb ist vorgesehen, dass solche Erweiterten öffentlichen Ausschusssitzungen nicht in den normalen Ausschusssitzungssälen stattfinden, sondern in größeren, besonders dafür eingerichteten Sälen. Die Neubauten für den Bundestag in Berlin sehen mehrere solcher Säle vor. Sie verfügen über Zuschauertribünen, über eine Pressetribüne sowie über Standplätze für Fernsehkameras, so dass sowohl die Vertreter der Medien als auch Besuchergruppen und Einzelbesucher den Debatten folgen können.
Dies gilt aber nicht für die einzelnen Beratungssitzungen der Ausschüsse, sondern nur für die Abschlussdebatte, die die Entscheidung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses bringt. Bevor es soweit ist, wird der Ausschuss in die Beratung der einzelnen Vorschriften eintreten. Die Abschnitte und Paragraphen werden von der Vorsitzenden oder vom Vorsitzenden einzeln aufgerufen; dann können Berichterstatter, andere Ausschussmitglieder oder auch Vertreter von Bundesregierung oder Bundesrat sich äußern. Dabei können Änderungsvorschläge gemacht oder förmliche Änderungsanträge gestellt werden. Das Wort wird in der Reihenfolge der Wortmeldungen erteilt. Über formelle Änderungsanträge wird am Schluss der Beratung des betreffenden Abschnitts abgestimmt. Wird - mit einfacher Mehrheit der Anwesenden - eine Änderung beschlossen, so ist die Regierungsvorlage insoweit verändert, und alle weiteren Behandlungen des Entwurfs gehen von der geänderten Fassung aus.
Die gar nicht seltenen Änderungen an Regierungsentwürfen - man kann sie an der synoptischen Gegenüberstellung von Regierungsvorlage und Ausschussempfehlung erkennen - kommen aber nicht nur durch formelle Änderungsanträge zustande, sondern sind oft das Ergebnis von Diskussionen und Verhandlungen. Die Abgeordneten halten im Ausschuss keine großen Reden, sondern erörtern die einzelnen Punkte, diskutieren miteinander, stellen versuchsweise Vorschläge zur Debatte und ziehen sie auch wieder zurück, kurz, es findet eine Fachdiskussion mit dem Ziel vernünftiger und durchführbarer Vorschriften statt.