Geplantes Tariftreuegesetz stößt auf widersprüchliches Echo
Berlin: (hib/VOM) Das geplante Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen und zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen stößt bei Sachverständigen auf ein unterschiedliches Echo. Wie aus den Stellungnahmen der zur heute um 13 Uhr beginnenden öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses geladenen Experten hervorgeht, finden die vorliegenden wortgleichen Gesetzentwürfe von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (14/7796) und der Bundesregierung (14/8285) nicht die ungeteilte Zustimmung. Die Entwürfe sehen vor, Unternehmen, die öffentliche Aufträge ausführen, die Zahlung des Tariflohns am Ort der Leistungserbringung vorzuschreiben, um Wettbewerbsverzerrungen entgegenzuwirken.
Nach Ansicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) können mit einer bundesweiten Tariftreueverpflichtung bei öffentlichen Bauaufträgen Wettbewerbsverzerrungen nicht effektiv bekämpft werden. Der Anteil öffentlicher Bauaufträge an der Gesamtsumme aller Bauaufträge betrage lediglich etwas 20 Prozent. Für den öffentlichen Nahverkehr bestehe kein Bedarf für eine Tariftreueverpflichtung, da es anders als im Bausektor derzeit keine Wettbewerbsverzerrungen durch den Einsatz von Niedriglohnkräften gebe. Die Verpflichtung zur Tariftreue würde die Beschaffung öffentlicher Auftraggeber verteuern und stünde einer wirtschaftlichen Auftragsvergabe diametral entgegen. Der BDI hält den Entwurf sowohl für verfassungswidrig als auch für unvereinbar mit dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht in einem "Tarifdiktat" eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten ostdeutscher Unternehmen. Diese wären nicht in der Lage, die auf westdeutschen Baustellen einzuhaltenden Löhne zu zahlen.
Im Gegensatz dazu sieht der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in der Tariftreueverpflichtung bei öffentlichen Aufträgen ein Instrument zur Konsolidierung der Wettbewerbsverhältnisse in der Bauwirtschaft. Voraussetzung müsse eine Befristung sowie einestrikte Kontrolle durch den öffentlichen Auftraggeber in der Angebotsphase und während der Auftragsdurchführung sein. Zwar würde der Tariftreuezwang Beschaffungen der öffentlichen Hand verteuern, doch sei zu berücksichtigen, dass den Verteuerungen gesamtwirtschaftliche Vorteile wie höhere Einnahmen in der Sozialversicherung gegenüberstehen könnten. Nach Meinung des ZDH kann das Gesetz auch nur dann Wirkung erzielen, wenn der Großteil der Aufträge erfasst wird. Für kleinere Handwerksbetriebe gehörten Aufträge im Wert von 50.000 € zu den größeren. Es sollte daher eher daran gedacht werden, diesen Schwellenwert für die Anwendung der Tariftreueregelung zu senken als zu erhöhen. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt fordert eine deutliche Absenkung dieses Wertes auf 10.000 €. Im Übrigen könne das Gesetz nicht nur Wettbewerbsverzerrungen durch Lohndumping und illegale Beschäftigung unterbinden, sondern auch die Ausbildungsquote erhöhen und die Innovationsfähigkeit, Produktivität und Qualität in der Bauwirtschaft verbessern.
Skeptisch äußert sich dagegen der Deutsche Städte- und Gemeindebund in seiner Stellungnahme. Er sieht die Gefahr einer einseitigen Benachteiligung von Bauunternehmern aus den neuen Ländern. Ein Unternehmer aus Erfurt, der sich um einen Auftrag in Frankfurt bewerbe, wäre gezwungen, seine Arbeiter zu denen in Frankfurt höher geltenden Tarifen zu entlohnen. Dies hätte zur Folge, dass den ostdeutschen Unternehmern der gesamte Auftragsmarkt der alten Länder verschlossen bleibt. Daher sollte Ostfirmen die Möglichkeit eingeräumt werden, in Fällen, in denen ein westdeutscher Tarifvertrag gültig ist, nur 90 Prozent dieses Tariflohns an einen öffentlichen Auftraggeber zu bezahlen. Im übrigen würde das Gesetz öffentliche Bauaufträge um bis zu fünf Prozent verteuern. Die Folge wäre, dass die etwa 13.000 Städte und Gemeinden sowie Stadtwerke in Deutschland bei einem jährlichen Bauvolumen etwa 50 Milliarden € mit einem Mehraufwand von etwa 2,5 Milliarden € rechnen müssten. Dies sei vor dem Hintergrund der "dramatischen Haushaltslage der Kommunen" nicht zu machen.