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110/2003
Stand: 22.05.2003
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"Tausende von historischen Fundstätten im Irak lassen sich nicht schützen"

Ausschuss für Kultur und Medien

Berlin: (hib/WOL) "Tausende von historischen bedeutsamen Fundstätten und Grabungsorten im Irak lassen sich nicht schützen", hat Margarete van Ess, zweite Direktorin des Deutschen Archäologischen Institutes (DAI), am Mittwochnachmittag im Ausschuss für Kultur und Medien erklärt. Der beste Schutz für unzählige, weit über das Land verstreute archäologische Fund- und Grabungsstätten sei über lange Zeit die Bevölkerung selbst gewesen. Die Bedeutung, an der kulturellen Wiege der Menschheit zu leben, habe seit Generationen Bewusstsein und Selbstverständnis geprägt. Zu Plünderungen sei es erst durch die völlige Verarmung des Landes während der letzten zehn Jahre und der nachfolgenden Wirren gekommen. Das "Oil-for-Food"-Programm habe weite Teile der Bevölkerung nicht erreicht. "Wenn ein Professor umgerechnet 5 Euro im Monat verdiene und andere noch weit weniger, wenn man für die Behandlung in einer Klinik alles selbst mitbringen müsse, um behandelt zu werden, dann sei nachvollziehbar, dass auch Kliniken und andere öffentliche Einrichtungen geplündert worden seien. Van Ess war gemeinsam mit Professor Klaus Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sowie Professor Klaus-Peter Haase, Direktor des Museums für islamische Kunst, Professor Ricardo Eichmann, dem ersten Direktor der Orientabteilung des DAI, und Wilfried Grolig vom Auswärtigen Amt gebeten worden, über die aktuelle Situation der Kulturstätten im Irak und die Perspektiven der kulturpolitischen Zusammenarbeit zu berichten.

Insgesamt zeichneten die Sachverständigen ein düsteres Bild. Lehmann bestätigte die Meldungen über zwei Arten von Plünderungswellen, eine allgemeine, ungeordnete, und eine weitere, ganz eindeutig organisierte Form, die im großen Stil abgewickelt worden sei. Korrigiert wurden auch die Meldungen, wonach mit einer geringeren Zahl von Verlusten gerechnet werden müsse. Die ursprünglichen Befürchtungen hätten sich nicht nur bestätigt, vielmehr müsse auch beachtet werden, dass man nach den Erfahrungen des ersten Golfkrieges viele Exponate aus regionalen Museen "sicherheitshalber" nach Bagdad gebracht habe. Die Experten unterstrichen die anerkannte Kom- petenz deutscher Wissenschaftler und Archäologen bei der Auflistung, Erkennung und bei der restaurativen Arbeit. So hätten Bagdad und Berlin auf Grund der ersten historischen Ausgrabungen "letztlich gleiche Wurzeln" für eine Bestandsaufnahme, Wiedererkennung und Wiederherstellung des Kenntnisstandes vor der Plünderung. Die deutsche Kompetenz habe sich auf den Konferenzen in Paris und London am 17. und 29. April international bestätigt. Auch das "Vertrauen der irakischen Gesprächspartner gegenüber den Deutschen" stehe völlig außer Zweifel. Darin könne auch der politische Nutzen für die deutsche Seite liegen, so Lehmann auf eine Frage der CDU/CSU. Es müsse aber schnell ein deutliches Zeichen gesetzt werden, bevor das Thema aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gerate. Haase bezeichnete einen baldigen sichtbaren deutschen Beitrag auch im Sinne einer Geste gegenüber der islamischen Öffentlichkeit als besonders wichtig. Gleichwohl handele es sich nicht um kurzfristige Lösungen, wobei Deutschland mit vergleichbar geringem Aufwand irakische Partner mit einem Stipendium nach Deutschland einladen und auch zur Ausbildung für die Restaurierung archäologischer Funde beitragen könne. Offen blieb die Frage der Bündnisgrünen, warum Deutschland nicht an der Entsendung der Unesco-Mission in den Irak beteiligt worden sei. Der Regierungsvertreter erklärte, interne Querelen, wer von deutscher Seite fahren sollte, habe es nicht gegeben. Koichiro Matsuura, der Generaldirektor der Unesco, habe den Auftrag erhalten, die Mission zu leiten.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2003/2003_110/01
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