Gewerkschaft sieht durch Tabaksteuererhöhung 30 000 Arbeitsplätze in Gefahr
Berlin: (hib/VOM) Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fürchtet den Verlust von rund 30 000 Arbeitsplätzen aufgrund der von SPD und Bündnis 90/Die Grünen geplanten Erhöhung der Tabaksteuer auf Zigaretten. Dies geht aus ihrer schriftlichen Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf der Koalition zur Änderung des Tabaksteuergesetzes und anderer Verbrauchsteuergesetze (15/1313) hervor, die heute um 12.30 Uhr im Sitzungssaal der CDU/CSU-Fraktion im Reichstagsgebäude begonnen hat. Die NGG bezieht in diese Zahl die gesamte Tabakbranche einschließlich Handel und Zulieferer ein. Nach den Plänen der Koalition soll die Tabaksteuer auf Zigaretten in drei Stufen um insgesamt 4,5 Cent pro Stück angehoben werden (jeweils um 1,5 Cent zum 1. Januar 2004, 1. Oktober 2004 und 1. Juli 2005). Daneben soll auch die Tabaksteuer auf Zigarren und Zigarillos, Feinschnitt und Pfeifentabak erhöht werden. Durch den zu erwartenden Einbruch des Zigarettenabsatzes um rund 30 Prozent würden die Arbeitsplätze bei Zigarettenherstellern und im Tabakwarenhandel sowie etliche mittelständische Existenzen verloren gehen, schreibt die NGG. Der Bundesverband Deutscher Tabakwaren-Großhändler und Automatenaufsteller (BDTA) weist darauf hin, dass durch die geplante Steuererhöhung mindestens ein Euro pro Packung an den Konsumenten weitergegeben werden müsse. Diese reine Steuerüberwälzung würde bereits zu einer durchschnittlichen Anhebung der Zigarettenpreise von über 30 Prozent führen, so der BDTA. Er bezweifelt, dass die Hersteller automatengängiger Fabrikzigaretten in der Lage sein werden, bis Anfang 2004 Automatenpackungen zu vier Euro bereitzustellen. Der aktuelle von drei Euro je Packung mit einem Inhalt von 17 bis 19 Zigaretten sei technisch ausgereizt. Unter Umständen drohe den aufstellenden Handelsbetrieben ein vollständiger Umsatz- und Ertragsausfall im Automatengeschäft während mehrerer Monate. "Keines der betroffenen Unternehmen könnte diese Situation wirtschaftlich überleben", heißt es in der Stellungnahme.
Der Verband der Cigarettenindustrie stellt dem Koalitionsentwurf ein eigenes Modell gegenüber, das mit Steuererhöhungsstufen von dreimal einem Cent pro Zigarette über 21 Monate aufgrund des dann geringeren Konsumeinbruchs gleich viele Steuereinnahmen hervorrufen würde. Der Verband hält auch den Termin 1. Januar 2004 für nicht einzuhalten. Auch wären dann nur 6300 Arbeitsplätze in der Branche bedroht gegenüber 8200 beim Koalitionsentwurf. Der Bundesverband des Tabakwaren-Einzelhandels erklärt sich nicht bereit, die Steuererhöhung von einem Euro pro Packung mitzutragen. Damit sei ein "Kahlschlag im Fachhandel" unausweichlich. Der Bund der Steuerzahler hält die Pläne der Koalition für eine unverhältnismäßig hohe Besteuerung des Tabakkonsums. Eine Steuerbezuschussung der Krankenversicherung, wofür die zusätzlichen Einnahmen aus der Tabaksteuer vorgesehen sind, lehnt der Steuerzahlerbund ab. Der Präsident des Zollkriminalamtes in Köln, Karl-Heinz Matthias, rechnet damit, dass der Schwarzmarktanteil am Zigarettenmarkt nach der Steuererhöhung deutlich ansteigt. Raucher würden die Zigarettenmärkte in Polen und in Tschechien noch stärker als bisher für illegale Einkäufe nutzen. Auch würden organisierte Transporte mit Kleinlastwagen, illegale Zigarettenbeiladungen und der Schmuggel ganzer Containerladungen mit unversteuerten Zigaretten für die Täten attraktiver.
Zu Gunsten der Tabaksteuererhöhung äußert sich dagegen Professor Michael Adams von der Universität Hamburg. Er hält sie für einen richtigen, aber zu kleinen Schritt, um die volkswirtschaftlichen Kosten des Rauchens zu vermindern. Sie entlaste das Gesundheitssystem dauerhaft zusätzlich von Kosten in Milliardenhöhe. Da die Tabaksteuererhöhung vor allem Kinder und Jugendliche vom Einstieg in das Rauchen abhalten werde, handele es sich um eine langfristige und im Zeitlauf steigende Ersparnis.