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140/2004
Stand: 26.05.2004
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Kritik an zu geringer Bezahlung von Betreuern

Rechtsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/KOS) Kritik an der mit der Einführung eines Pauschalsystems beim Zeitbudget und bei der Vergütung verbundenen Reduzierung des Betreuungsaufwands sowie die Erörterung problematischer Aspekte beim gesetzlichen Vertretungsrecht für Angehörige prägten am Mittwochnachmittag die Anhörung des Rechtsausschusses zur geplanten Novellierung des Betreuungsrechts (15/2494). Dieses Gesetz regelt die Betreuung einer wachsenden Zahl vor allem älterer Menschen, die ihr Leben aufgrund einer geistigen Beeinträchtigung teilweise oder gänzlich nicht mehr selbst regeln können, durch ehrenamtliche oder professionelle Betreuer.

Aus Sicht des Deutschen Caritasverbands ist, wie es in einer Stellungnahme heißt, die Einführung eines pauschalierten Vergütungssystems aufgrund einer Mischkalkulation prinzipiell zu begrüßen. Bislang legen die Betreuer den Zeitaufwand individuell und damit bei den einzelnen Betroffenen unterschiedlich fest. Der vorgesehene Stundensatz von 31 Euro ist aus Sicht des katholischen Sozialverbands jedoch "nicht kostendeckend und muss angehoben werden". Auch die Stundenpauschalen, also der künftig erlaubte Zeitaufwand, seien zu gering bemessen. Betreute Menschen "in besonders vielschichtigen Problemlagen" könnten nicht mehr bedarfsgerecht versorgt werden. Für den Deutschen Anwaltverein äußerte Klaus Schlimm (Köln) ebenfalls Kritik an der Pauschalierung der Vergütung: Es gehe um Kostensenkung, die Qualität der Betreuung werde sich bei einem Teil der Betroffenen verschlechtern. Georg Dodegge, Amtsrichter aus Essen, meinte, der Gesetzentwurf könne nicht verbergen, "dass vorrangig fiskalische Interessen und weniger die Interessen und Bedürfnisse der Betreuten" verfolgt werden.

Mehrere Sachverständige äußerten Zweifel, ob die vorgesehene Aufwertung der gesetzlichen Vertretungsmacht für Angehörige den richterlich verfügten Betreuungsaufwand tatsächlich vermindern kann. Zudem werfe eine solche Vertretungsverfügung Probleme im Detail auf.

Bernhard Knittel, Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht München, begrüßte dieses Konzept im Grundsatz, weil auf diese Weise gesetzliche Betreuungsverfahren erübrigt werden könnten, die ohnehin zum gleichen Ergebnis führten, nämlich der Bestellung von Angehörigen: Über 70 Prozent aller richterlich eingesetzten Betreuer seien ehrenamtlich tätig und würden aus dem Kreis der Angehörigen rekrutiert. Der Gesetzentwurf ist aus Sicht Knittels so formuliert, dass die Gefahr eines Missbrauchs der Vertretungsmacht sehr gering einzustufen sei. Und fühle sich etwa eine Ehefrau mit der Betreuung ihres Mannes überfordert, so könne sie sich ohne weiteres an ein Gericht wenden. Für die Caritas sagte der Sachverständige Wolfgang Hener, sein Verband offeriere den Vertretungsberechtigten vielfältige Beratungsmöglichkeiten.

Die Berliner Fachanwältin Gisela Baum machte indes darauf aufmerksam, dass Angehörige mit der Vollmacht zur Verfügung über das Vermögen Betreuter vor einer Einweisung in ein Heim nicht selten deren Konten leerräumten. Dann müsse der Staat für die weiteren Kosten aufkommen. Dodegge erklärte, es sei oft nicht zu kontrollieren, ob Angehörige das Geld der Betreuten auch tatsächlich voll in deren Interesse aufwendeten. Überdies würden solche Vollmachten im Geschäftsverkehr wegen eventueller Haftungsrisiken etwa von Banken nicht anerkannt. Rolf D. Hirsch von der Bonner Initiative gegen Gewalt im Alter sagte, dass sich Konflikte im Familienkreis beispielsweise über die ärztliche Versorgung der Betreuten nicht in einem Gesetz regeln ließen. Im Einzelfall sei es auch nicht immer einfach, zu entscheiden, wann ein älterer Mensch beispielsweise nicht mehr fähig sei, eigenständig Bankgeschäfte abzuwickeln. Bei einer solchen Beurteilung, so Hirsch, dürfe es keinen Automatismus allein auf der Basis eines ärztlichen Attests geben. Auch Brigitte Kamphausen, Vorsitzende Richterin am Landgericht Duisburg, wies auf das Problem hin, präzise zu bestimmen, wann ein Betroffener bestimmte Lebensaktivitäten nicht mehr selbst regeln kann und dann die vorab in einer Vollmachtsverfügung festgelegte Betreuung durch andere wirksam wird. Volker Lipp, Jura-Professor an der Universität Göttingen, betonte, eine gesetzliche Vertretungsmacht für Angehörige sei nur bei der Gesundheitsversorgung von Betreuten sinnvoll, da in diesem Fall auch der Arzt eine Kontrolle ausübe.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2004/2004_140/02
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