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245/2004
Stand: 18.10.2004
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Mitbestimmungsthema beherrscht Diskussion um Europäische Gesellschaft

Rechtsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/VOM) Die Zukunft der deutschen Mitbestimmung beherrscht die Diskussion um die Einführung der Europäischen Gesellschaft (SE) als neuer Rechtsform für Unternehmen. Dies wird in den Stellungnahmen deutlich, die Sachverständige zur heutigen öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses vorgelegt haben, die um 15 Uhr im Paul-Löbe-Haus begann. Gegenstand der Anhörung ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung der SE (15/3405, 15/3656). Die Unternehmen können zwischen zwei verschiedenen Leitungssystemen wählen: dem in Deutschland bestehenden dualistischen Modell mit einer Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat oder dem - etwa in England und Frankreich üblichen - monistischen Modell. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält damit die Chance für gegeben, die deutsche Mitbestimmung zu sichern. Das Ziel, diese nicht zu gefährden, sei mit dem Gesetzentwurf erreicht worden, so der DGB, der gleichwohl eine Reihe von Änderungsvorschlägen unterbreitet.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) wertet als Vorteil, dass eine gemeinsame Rechtsform für alle EU-Staaten zur Verfügung steht. Damit würden grenzüberschreitende Gesellschaftsgründungen möglich, ohne dass sich die Beteiligten jeweils auf eine neue Rechtsform in jedem Mitgliedstaat einstellen müssen. Positiv zu werten sei der Vorrang von Verhandlungslösungen für die unternehmerische Mitbestimmung. Die Möglichkeit, unternehmensspezifische Formen der Arbeitnehmerbeteiligung zu finden, werde aber durch die gesetzliche Auffangregelung entwertet, weil diese die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer einseitig stärke. Dies bedeutet, dass sich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichts- oder Verwaltungsrat der SE grundsätzlich nach dem höchsten Anteil der Arbeitnehmervertreter in den Gründungsgesellschaften richtet, wenn in den Verhandlungen kein Konsens erzielt wird. Nach Ansicht des BDI diskriminiert diese Vorgabe den europäischen Wettbewerb. Die deutsche paritätische Mitbestimmung werde im Ausland wenig geschätzt und eigne sich nicht als Vorbild im europäischen Vergleich, heißt es weiter. Daher gebe es keinen Anlass, diese Mitbestimmung auf den Verwaltungsrat, das Entscheidungsgremium der SE, auszuweiten. Die Mitbestimmungsregeln sollten so ausgestaltet werden, dass sie im europäischen Wettbewerb bestehen können, so der BDI weiter. Sonst würden sich nicht nur deutsche Unternehmen bei der Gründung von SE zurückhalten, sondern ausländische Gesellschaften ihre Partner für eine SE-Fusion weniger im Deutschland als im Ausland suchen.

Auch Professor Bernhard Nagel von der Universität Kassel spricht von einem "Wettbewerb der Rechtsordnungen". Die SE selbst sei flexibler als die deutsche Aktiengesellschaft, sowohl bei der Ausgestaltung der Leitungs- und Kontrollverfassung als auch für die Ausgestaltung der betrieblichen und der Unternehmensmitbestimmung. Dies dürfte seiner Meinung nach vielfach darauf hinaus laufen, dass deutsche Mitbestimmungsstandards abgeschmolzen werden. Das britische Lionel Fulton Labour Research Department in London hält das deutsche System der Unternehmensmitbestimmung nicht für einen Standortnachteil. Die deutsche Produktivität pro Arbeitsstunde bleibe nach wie vor höher als in Großbritannien, wo das Management in seinen Entscheidungen am wenigsten durch Arbeitnehmerinteressen begrenzt werde. Aus britischer Sicht wäre es "merkwürdig", aufgrund unbewiesener Behauptungen eines Standortnachteils ein System aufzugeben, das sich insgesamt positiv ausgewirkt habe. Professor Rüdiger Veil von der Bucerius Law School in Hamburg schlägt vor, die Mitbestimmung auf die nicht geschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsrats zu beschränken. Hier würde eine paritätische Besetzung die "wohlerworbenen Rechte der Arbeitnehmer" nicht beschneiden. Der Hamburger Rechtsanwalt Christoph H. Seibt sieht eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Lösung darin, dass der Anteil der Arbeitnehmer im Verwaltungsrat ausschließlich an der Zahl der nicht geschäftsführenden Mitglieder bemessen wird. Dadurch wäre es möglich, die bisherige deutsche Mitbestimmung ohne Bruch mit dem bisherigen System praxistauglich und für Rechtsteilnehmer aus anderen EU-Staaten nachvollziehbar in das "monistische" Modell der SE zu überführen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2004/2004_245/01
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