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März 02/1999
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Agenda 2000

WEICHENSTELLUNG FÜR DAS KOMMENDE JAHRHUNDERT
Ernte 1999
EU­REFORMPAKET

Der Name "Agenda 2000", den die EU­Kommission für ihr Reformpaket gewählt hat, ist nicht zu hoch gegriffen: Es geht darum, Europa auf das kommende Jahrtausend vorzubereiten, in dem die Aufnahme der Länder des früheren Ostblocks eine der ersten, zu Recht als historisch bezeichnete Aufgabe sein wird. Die Verhandlungen mit den ersten sechs Ländern laufen inzwischen seit einem Jahr. Das Versprechen der EU­Regierungschefs bei ihrem Madrider Gipfel Ende 1995, diese Verhandlungen ein halbes Jahr nach Abschluß des Amsterdamer Vertrages aufzunehmen, wurde damit eingelöst.

Die Beurteilung der wirtschaftlichen und politischen Fortschritte der insgesamt zehn Kandidaten aus Mittel­ und Osteuropa sowie Zyperns - inzwischen ist Malta hinzugestoßen - und die Empfehlung, mit welchen dieser Länder sofortige Verhandlungen möglich sind, war der zentrale Punkt der Agenda 2000, die Kommissionspräsident Jacques Santer im Juli 1997, wenige Tage nach dem Amsterdamer Gipfel, im Europaparlament vorlegte. Darüber hinaus hatten die Regierungschefs in Madrid von der Kommission aber auch eine Bewertung der Auswirkungen dieser Erweiterung auf die Gemeinschaftspolitiken, vor allem die Agrar­ und Strukturpolitik sowie das Finanzierungssystem der EU verlangt.

Agrarpolitik

Äusserst schwierig gestalten sich die Verhandlungen über eine Reform der EU­Agrarpolitik.

In der Debatte um die Agenda 2000 sind die Finanzen seither ins Zentrum gerückt. Dies, obwohl die Kommission gehofft hatte, eine Finanzdebatte vermeiden zu können: Mit ihrer Feststellung, daß die Erweiterung mit dem 1992 in Edinburgh festgelegten Finanzrahmen von 1,27 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der EU finanzierbar sei, habe die Brüsseler Behörde ein kleines Wunder vollbracht, urteilten Beobachter. Allerdings hat dieser Edinburgher Beschluß, so jedenfalls sehen es Deutschland und einige andere Länder, auch zu erheblichen Disparitäten bei den Beitragszahlungen an die Union geführt.

Die Kommission hat eine solche "Nettozahlerdebatte" lange abgelehnt, weil sie die nichtmateriellen Vorteile einer EU­Mitgliedschaft nicht berücksichtigte. Im Oktober hat sie dennoch einen Bericht über das Finanzierungssystem vorgelegt, der Deutschland einen "negativen Haushaltssaldo" von rund elf Milliarden Euro pro Jahr bescheinigt. Der Bericht legt zwar einige Optionen für ein neues System vor, macht jedoch keine konkreten Vorschläge. Die Lösung des Problems wird dem Berliner Gipfeltreffen am 24./25. März vorbehalten sein, bei dem die Verhandlungen nach allen Vorhersagen wohl erst "spät in der letzten Nacht" gelöst werden.

Bundeskanzler Gerhard Schröder wird sich dabei auf die Rückenstärkung durch den Bundestag stützen wollen, der eine Woche vor dem Gipfel über die Agenda beraten und eine Resolution verabschieden wird. Dieser Beschluß ist für den Kanzler zwar nicht bindend, hat aber durchaus Bedeutung, weil die Agenda auch von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden muß. Genauso wie der Kanzler werden sich in Berlin aber wohl auch die anderen Regierungschefs auf diesen Umstand und die festgelegte Position ihrer Volksvertretung berufen.

Die Obergrenze von 1,27 Prozent, die anfangs von einigen Ländern noch in Frage gestellt wurde, scheint inzwischen weitgehend akzeptiert. In diesem Rahmen sollen für die Heranführung der Beitrittskandidaten über den Planungszeitraum 2000 bis 2006 insgesamt 75 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Jacques Santer sprach bei der Vorstellung der Agenda von einem "echten Marshall­Plan" für Osteuropa. Darüber hinaus sind im Rahmen der Strukturpolitik noch einmal 45 Milliarden Euro für die Erweiterung vorgesehen. Sie sollen gegenüber dem bisherigen Budget für die Regionalförderung durch eine bessere Konzentration der Mittel eingespart werden.

Dies bedeutet, daß die Förderung der EU künftig statt mehr als die Hälfte der EU­Bevölkerung nur noch zwischen 35 und 40 Prozent erreichen wird. Beibehalten will die Kommission aber zunächst den in Edinburgh für die ärmsten EU­Länder Portugal, Griechenland, Spanien und Irland geschaffenen Kohäsionsfonds. In den laufenden Verhandlungen zeichnet sich allerdings ab, daß diese Förderung zumindest für die drei Euro­Teilnehmer unter diesen Ländern schrittweise auslaufen soll.

Äußerst schwierig gestalten sich bisher die von heftigen Bauernprotesten begleiteten Verhandlungen über eine Reform der EU­Agrarpolitik. Diese Proteste übersehen jedoch häufig, daß eine Reform auch ohne Erweiterung nötig wäre. Die Kommission schlägt deshalb vor, den bereits mit der 1992 verabschiedeten letzten Reform eingeschlagenen Weg fortzusetzen und die europäischen Garantiepreise für Agrarprodukte weiter den Weltmarktpreisen anzunähern.

Erschwert werden die bisherigen Verhandlungen der Landwirtschaftsminister durch den ihnen von den Regierungschefs auferlegten strikten Sparkurs, nachdem im Durchschnitt des Planungszeitraumes ein Jahresbudget von real 40,5 Milliarden Euro nicht überschritten werden darf. Bereits der Reformvorschlag der Kommission lag um einiges über diesem Betrag, alle bisher von den Ministern verhandelten Kompromisse waren noch teurer. Auch hier bestätigt sich, was die Kommission bereits bei der Vorlage der Agenda deutlich gemacht hatte: Mit dem Paket läßt sich die EU in das neue Jahrhundert führen, Reserven läßt es jedoch nicht.

Entscheiden müssen nun die Regierungschefs beim Berliner Gipfel. Es steht zu befürchten, daß dieses Treffen in einem kräftigen Feilschen enden wird, das das Tauziehen Anfang der 90er Jahre um die beiden Delors­Pakete zur damaligen Agrar­ und Finanzverfassung noch in den Schatten stellt. Die historische Dimension der Osterweiterung, die Versöhnung eines ganzen Kontinent, sollte darüber aber nicht in Vergessenheit geraten.

N. Wieczorek, SPD
Norbert Wieczoreck, SPD

"Der Beschluß der Agenda 2000 ist wichtigstes europapolitisches Ziel"

Mit den Beschlüssen zur Agenda 2000 stellt die Europäische Union entscheidende Weichen für die Zukunft. Sie bereitet sich auf die Osterweiterung vor, löst den internen Reformstau auf und demonstriert damit Handlungsfähigkeit nach innen und außen.

Der Beschluß der Agenda 2000 ist deshalb wichtigstes europapolitisches Ziel der Bundesregierung für die deutsche Ratspräsidentschaft. Auf dem Sondergipfel der Staats­ und Regierungschefs am 24./25. 2/99 in Berlin muß das Entscheidungspaket beschlossen werden. Die SPD­ geführte Bundesregierung hat folgende Hauptziele für die Verhandlungen zur Agenda 2000:

· Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) muß grundlegend reformiert werden, damit sie künftig mit den WTO­Regeln vereinbar ist. Nur so können wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft erhöhen und ihre Umweltverträglichkeit stärken.

· Die Reform der Strukturfonds muß zu einer stärkeren Konzentration der Fördermittel auf die wirklich strukturschwachen und damit förderbedürftigen Regionen führen. Zudem müssen die Strukturfonds mit dem Europäischen Beschäftigungspaket verzahnt werden.

· Die Ausgaben im EU­Haushalt müssen stabilisiert und der unverhältnismäßig hohe deutsche Nettobeitrag muß spürbar gesenkt werden.

Die deutsche Ratspräsidentschaft wird alles daran setzen, gemeinsam mit unseren europäischen Partnern die notwendigen Lösungen zu erarbeiten. Die SPD geht mit vernünftigen Zielen in die Verhandlungen, auch beim deutschen Nettobeitrag. Angesichts der Beitragszahlungen in Höhe von 22 Mrd. ECU sind aber Forderungen von CDU/CSU, den deutschen Nettobeitrag auf 14 Mrd. Euro zu senken, völlig unrealistisch. Sie belasten vielmehr die Verhandlungsposition der Bundesregierung.

Die Reform der GAP muß eine Stärkung der Markt­ und Wettbewerbsorientierung der Landwirtschaft mit sich bringen. Deshalb unterstützt die Bundesregierung den Reformansatz der Europäischen Kommission, der eine grundlegende Umstellung des bisherigen Subventionssystems von der Preisstützung auf direkte Einkommensbeihilfen an die Landwirte selbst vorsieht. Diese Reform ist auch mit den WTO­Regeln vereinbar und verbessert die Ausgangsposition der EU für die anstehenden WTO­Verhandlungen. Wir treten zudem für eine ökologisch sinnvolle Agrarpolitik ein, die Rücksicht auf die Belange des Verbraucherschutzes nimmt.

Die Reform der Strukturfonds muß vor allem dazu beitragen, daß die finanziellen Ressourcen effizienter eingesetzt werden. Heute leben rund 52 % der Bevölkerung in als strukturschwach eingestuften Gebieten. Dies ist eindeutig zuviel und hat mit effizienter Strukturpolitik nichts mehr zu tun. Für Deutschland ist es wichtig, daß die neuen Bundesländer auch weiterhin zu den prioritären Fördergebieten gehören. Wir unterstützen, daß rund zwei Drittel der Fördermittel auch künftig auf die Ziel­1­Fördergebiete konzentriert werden. Bei der sog. Ziel­2­Förderung sind tiefe Einschnitte in das westdeutsche Fördergebiet unvermeidlich. Die SPD­Fraktion wird sich daher dafür einsetzen, daß besondere Härten durch eine Verstärkung der nationalen Maßnahmen ausgeglichen werden.

Zur Weiterentwicklung der Strukturfonds gehört auch, daß die Belange des Umweltschutzes und die Chancengleichheit zwischen Mann und Frau stärker unterstützt werden. Die Strukturfonds müssen zudem insgesamt einen stärkeren Beitrag zur Schaffung neuer und zum Erhalt bestehender Arbeitsplätze leisten. Deshalb werden wir uns für die Verzahnung von Strukturfonds und europäischem Beschäftigungspaket einsetzen.

P. Hintze, CDU/CSU
Peter Hintze, CDU/CSU

"Wir wollen eine faire, gerechte und solidarische Lastenteilung aller EU­Mitglieder"

Die Bundestagsfraktion von CDU/CSU sieht in der Einigung Europas eine zentrale Aufgabe deutscher Politik. Wir haben von Beginn an den europäischen Einigungsprozeß energisch vorangetrieben und mit den Bundeskanzlern von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl entscheidend zur Schaffung der Europäischen Union beigetragen. Wir setzen uns dafür ein, daß die Europäische Union bis zum Jahr 2002 ihre Erweiterungsfähigkeit herstellt, damit Beitrittskandidaten, die die Voraussetzungen erfüllen, aufgenommen werden können.

Nach der Vollendung des Binnenmarktes, den Verträgen von Maastricht und Amsterdam sowie der Einführung der gemeinsamen europäischen Währung stehen nun weitere wichtige Entscheidungen über die innere Struktur der Europäischen Union an: Dabei geht es vor allem um den künftigen Finanzrahmen der Europäischen Union mit einer Reform des Beitragssystems, die Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Neuausrichtung der Strukturförderung. Dazu hat die Europäische Kommission die Agenda 2000 und den Eigenmittelbericht vorgelegt. Mit der Agenda 2000 wird über 1400 Milliarden DM EU­Fördermittel bis 2006 entschieden. Dies berührt nachhaltig die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland erwarten faire und gerechte Lösungen. Mit den Reformen wird auch eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, daß die Europäische Union weitere Staaten aus Mittel­ und Osteuropa aufnehmen kann.

Wir wollen eine faire, gerechte und solidarische Lastenteilung aller EU­Mitglieder. Die anstehenden Entscheidungen über die künftige Finanzierung der Union müssen deshalb zu einem gerechteren Beitragssystem führen. Wir wollen, daß jeder Mitgliedstaat in Zukunft die Beiträge ausschließlich nach seinem Anteil am wirtschaftlichen Wohlstand (BSP in Kaufkraftstandards) zahlt. Deutschland würde auf diese Weise um 7,5 Milliarden DM entlastet. Wir erwarten darüber hinaus, daß die Agenda 2000 so ausgestattet wird, daß auch bei den Rückflüssen das starke Ungleichgewicht korrigiert wird. Ein entscheidender Beitrag zu größerer finanzieller Gerechtigkeit ist die von uns geforderte Einführung einer 50prozentigen Kofinanzierung im Bereich der direkten Einkommenshilfen in der Landwirtschaft.

Wir setzen uns für eine Reform der Struktur­ und Regionalförderung ein, die einen sparsamen und zielführenden Finanzmitteleinsatz garantiert und den Mitgliedstaaten ein höheres Maß an Eigenverantwortung in der Regionalförderung ermöglicht. Eine Erhöhung der Mittel für die Strukturpolitik um 60 Mrd. DM für die Förderperiode 2000 bis 2006 lehnen wir ab. Der Kohäsionsfonds, der dazu geschaffen worden ist, Mitgliedstaaten die Teilnahme an der Währungsunion zu ermöglichen, muß in der kommenden Förderperiode für die Euro­Teilnehmerstaaten degressiv auslaufen. Im Rahmen der EU­Beihilfenkontrolle müssen die Möglichkeiten zur nationalen und regionalen Wirtschaftsförderung als Ausgleich für die Kürzung der EU­Hilfen erweitert werden. Wir wollen darüber hinaus, daß die Entwicklung ländlicher Räume eigenständiges Förderungsziel bleibt.

Die Reform der Agrarpolitik hat sich an folgenden Zielen auszurichten: Sicherung der bäuerlichen Einkommen, Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe, qualitativ hochwertige Produkte, Erhalt der hohen Umweltstandards bei der Bewirtschaftung, Einhaltung der Verbraucher­ und Tierschutzbestimmungen, Ermöglichung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung. Die CDU/CSU­Bundestagsfraktion tritt für die Verlagerung der landwirtschaftlichen Einkommenshilfen auf die Mitgliedstaaten ein. Sie fordert deshalb die Einführung einer Kofinanzierung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen in Höhe von 50 Prozent.

C. Sterzing B90/Die Grünen
Christian Sterzing Bündis 90/Die Grünen

"Viele Reformen sind überfällig"

Die zügige Überwindung ökonomischer Spaltungen in einem erweiterten Europa erspart die hohen Folgekosten eines langfristig fortbestehenden Entwicklungsgefälles. Die Beitrittsländer stehen vor der schwierigen Aufgabe, gleichzeitig den Aufbau von Infrastruktur, die Stabilisierung der Beschäftigung, die Unterstützung einer ökologischen und sozialen Reform der industriellen und regionalen Strukturen, die notwendige umweltpolitische Anpassung an den acquis sowie die Herstellung administrativer Handlungsfähigkeit und demokratischer Beteiligung zu meistern. Wenn es grundsätzlich beim bisherigen Finanzrahmen der EU bleiben soll, was wir befürworten, so muß das Geld für die Finanzierung der Erweiterung aus dem EU­Haushalt kommen: aus dem realen Wachstum und aus den Reformen in der Agrar­ und Strukturpolitik.

Die Bündnisgrünen sehen einen Fonds von mindestens 15 Mrd. ECU/Jahr von 2000­2006 als notwendig für die Heranführungshilfen der mittel­ und osteuropäischen Länder an. Die Kommission hat geschätzt, daß allein die Anpassungen im Umweltbereich die Beitrittsstaaten ca. 100 Mrd. Euro kosten würden, während die Anpassungen der Schienen­ und Straßeninfrastruktur 50­90 Mrd. Euro erfordern. Die Kommission hatte in ihrem Vorschlag für 2000­2006 eine Summe von 45 Mrd. Euro für die neuen Mitgliedstaaten und davon wiederum 7 Mrd. Euro für die Heranführungshilfe vorgeschlagen.

Eine Möglichkeit, Mittel freizumachen, wäre die Reduktion des Agrarhaushalts verbunden mit einer Reform. Es macht ökologisch und ökonomisch keinen Sinn, Rationalisierungen zu subventionieren, Überproduktion zu fördern und dann aufzukaufen bzw. noch einmal teuer subventioniert zu exportieren. Die vorhandenen Mittel müssen anders eingesetzt werden, um umweltschonend, energiesparend und arbeitsplatzerhaltend zu wirtschaften. Über die Förderung der ökologischen Umstellung und regionale Verarbeitungs­ und Vermarktungsinitiativen ließe sich das Abwanderungsproblem entschärfen, was wiederum auch die städtischen Ballungszentren entlasten würde. Das heißt: Abbau der Gelder für Marktinterventionen und Exportsubventionen, Ausgleich durch ökologisch und beschäftigungsorientierte Direkthilfen sowie Konzentration auf die Entwicklung der ländlichen Räume. Die Grünen setzen auf Ursachenbekämpfung und wollen das Gleichgewicht zwischen Stadt und Land durch die Entwicklung der ländlichen Räume wieder herstellen. Es gilt, die Landwirtschaft zu ökologisieren, Randinvestitionen in Tourismus und Handwerk für Umstellung auf ökologische Produktion zu finanzieren, die Wiederbelebung regionaler Wirtschaftsbeziehungen und Neuordnung der Vermarktung zur Revitalisierung der Stadt­Land­Beziehungen in Angriff zu nehmen. Unter Beibehaltung des gemeinschaftlichen Charakters der Agrarpolitik sollte über eine nationale Ko­Finanzierung eine weitere Entlastung des EU­Haushalts erfolgen.

Auch bei den Struktur­ und Regionalfonds sind Reformen notwendig. Der Kohäsionsfonds, der als Hilfe für wirtschaftlich schwache Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung auf die Währungsunion gedacht war, sollte auslaufen, da diese Länder - bis auf Griechenland - den Anschluß geschafft haben. Bei den Strukturfonds halten wir die geplante Konzentration der Mittel auf wirklich bedürftige Gebiete für unabdingbar. Die Bündnisgrünen befürworten auch die Reduktion der Gemeinschaftsinitivativen auf drei (grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit ­ INTERREG, Entwicklung des ländlichen Raums ­ LEADER, Humanressourcen im Kontext der Chancengleichheit ­ EQUAL) und damit die Konzentration auf die Themen, die den gemeinschaftlichen "Mehrwert" wie bei der grenzüberschreitenden und interregionalen Zusammenarbeit besonders stärken. Dabei geht es uns neben der ökologischen und beschäftigungswirksamen Ausrichtung vor allem um die rechtzeitige Beteiligung der jeweiligen lokalen und regionalen Ebene in der Planungs­ und Entscheidungsphase.Viele der Reformen sind überfällig. Die bevorstehende Erweiterung muß die Reformanstrengungen verstärken, da ohne grundlegende Veränderung eine EU mit 20 oder 25 Mitgliedern weder bezahlbar noch überlebensfähig wäre. Der Blick darf allerdings nicht auf die finanziellen Probleme verengt werden. Die Erweiterung sollte Anlaß sein, die Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung, für sozialen und regionalen Ausgleich und damit für eine dauerhafte Überwindung der Spaltung Europas zu legen.

H. Haussmann, F.D.P.
Helmut Haussmann, F.D.P.

"Die Europäische Union ist kein Nullsummenspiel"

Es ist das vorrangige strategische Ziel der Agenda 2000, die Europäische Union aufnahmebereit für die Osterweiterung zu machen. Dies ist in den Diskussionen um den deutschen Nettobeitrag zu sehr in den Hintergrund getreten. Schon heute verschlingen Agrar­ und Strukturpolitik 80 % des EU­Haushaltes. Auf dieser Grundlage ist die Erweiterung nicht zu finanzieren. Es kann nicht angehen, daß die Beitrittskandidaten in ihren Ländern einen immensen Reformbedarf bewältigen und ein berechenbarer Beitritt im Jahr 2002/2003 an der Reformunfähigkeit der bisherigen EU scheitert. Ein zukunftsfähiges Konzept beinhaltet u.a. eine klare marktwirtschaftliche Ausrichtung der Agrarpolitik und eine Konzentration der Strukturhilfen auf wirklich bedürftige Regionen unter deutlichem Abbau von Subventionen und Bürokratie.

Aus liberaler Sicht sind deshalb folgende Punkte unabdingbar: In der Agrarpolitik müssen die Eingriffe in den Markt verringert werden. Die EU braucht eine marktorientierte, wettbewerbsfähige und umweltverträgliche Landwirtschaft. Statt mehr Bürokratie, Umverteilung und Aufblähung des EU­Haushaltes ist der geordnete Ausstieg aus den Marktordnungen für Rindfleisch und Milch notwendig. Die Subventionierung von Agrarexporten muß im Rahmen internationaler Verhandlungen schrittweise abgebaut werden. Den Landwirten muß es wieder ermöglicht werden, den wesentlichen Teil ihres Einkommens am Markt zu erzielen und international wettbewerbsfähig zu sein. Die Arbeit für den Umwelt­, Natur­ und Tierschutz, die die Landwirte im gesellschaftlichen Interesse leisten, muß ihnen angemessen vergütet werden.

Die Strukturfonds müssen vereinfacht und auf die Regionen mit dem größten Entwicklungsrückstand konzentriert werden. Dazu gehören nach wie vor die neuen Bundesländer. Die Strukturförderung muß sich auf die Verbesserung von Infrastruktur und Bildung sowie die Förderung unternehmerischer Eigeninitiative und die Entwicklung von wettbewerbsfähigen Klein­ und Mittelbetrieben konzentrieren. Strukturhilfen sollen grundsätzlich zeitlich befristet, degressiv und soweit wie möglich auf Darlehensbasis gewährt werden.

Wenn diese Reformen auf der Ausgabenseite durchgeführt werden, ergibt sich auch automatisch eine Verbesserung der deutschen Nettozahlerposition. Die deutsche Bundesregierung wäre besser beraten gewesen, den Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft auf diese Punkte zu konzentrieren und den Erfolg der Verhandlungen nicht allein aus innenpolitischen Gründen am direkten finanziellen Ergebnis für Deutschland zu messen. Die Europäische Union ist kein Nullsummenspiel. Gerade Deutschland hat an der Osterweiterung das größte Interesse sowohl sicherheitspolitisch als auch ökonomisch: Die mittel­ und osteuropäischen Länder sind schon heute unser wichtigstes Absatzgebiet für Exporte. Ein berechenbarer Beitritt innerhalb der nächsten 5 Jahre muß deshalb das strategische Ziel deutscher Politik bleiben, an dem sich alle Reformanstrengungen der Europäischen Union messen lassen müssen. Ein rein formaler Kompromiß, der in der Substanz die anstehenden Probleme nicht löst, reicht für die Weiterführung der bisherigen erfolgreichen Europa­Politik nicht aus.

M. Müller, PDS
Manfred Müller, PDS

"Nationales Wahlkampfgetöse à la ,Nettozahlerdebatte' ist alles andere als hilfreich"

Die Erweiterung der Europäischen Union ist das zentrale und zugleich schwierigste Problem europäischer Politik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Die zügige Ausdehnung der EU nach Osten und der anhaltende Wunsch der mittelosteuropäischen Reformstaaten, der EU so schnell wie möglich beizutreten, zwingt die Union zu beschleunigten und radikalen Reformschritten.

Mit der Agenda 2000 stellt sich die Union dieser Herausforderung. Dabei spielt die Frage der Finanzierung eine entscheidende Rolle. Angesichts der Größe und Komplexität der im Rahmen der Agenda zu lösenden Aufgaben ist nationales Wahlkampfgetöse à la "Nettozahlerdebatte" alles andere als hilfreich: Die PDS hält es für den falschen Ansatzpunkt, von einer drastischen Reduzierung der Einnahmen und Ausgaben auszugehen, gleichzeitig aber immer mehr Aufgaben auf die Ebene der Union zu verlagern, die natürlich auch Kosten mit sich bringen. An der derzeitigen Höhe der Eigenmittelobergrenze von 1,27% des Bruttosozialproduktes der EU bis zum Jahre 2006 sollte auf keinen Fall gekratzt werden.

Die EU kann und muß es sich leisten, zunächst die bis zum Jahre 2006 zu realisierenden inhaltlichen Aufgaben und den sich daraus ergebenden finanziellen Bedarf zu bestimmen. Erst dann sollte sie klären, wie dieser finanzielle Bedarf gedeckt werden kann. Nur so wird es möglich sein, zweckbestimmte Ausgaben für die verschiedenen Beitrittskandidaten deutlich abzugrenzen, um zu gewährleisten, daß Mittel für neue Mitgliedstaaten nicht von der "alten" Union genutzt und umgekehrt Zuweisungen für die "alte" Union nicht für die Erweiterung verwendet werden können. Dies wiederum ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, den Ausbau der EU langfristig überschaubar und damit berechenbar zu gestalten.

Mit Blick auf die Erweiterung der Union ist die Reform der europäischen Struktur­ und Regionalpolitik von großer Bedeutung. Die PDS begrüßt die Entschlossenheit der Europäischen Kommission, arbeitsmarkt­ und bildungspolitische Ziele in die Strukturpolitik zu integrieren. Auch die Absicht, EU­Strukturfondsmittel auf die strukturschwächsten Regionen innerhalb der Union zu konzentrieren, die Anzahl der Zielgebiete der Strukturfonds von bisher sieben auf künftig drei Zielgebiete zu reduzieren sowie die bislang dreizehn Gemeinschaftsinitiativen auf drei zurückzufahren, erscheint sinnvoll. Ebenfalls anerkennenswert ist das Bemühen, wirksame Kontrollmechanismen zu schaffen. Ein spezielles Problem sind die Kohäsionsfonds. Sie sollten auf keinen Fall abgeschafft werden. Mittel aus diesen Fonds sollten jedoch dafür genutzt werden, spezifische infrastrukturelle und ökologische Probleme der mittelosteuropäischen Beitrittsländer zu lösen.

Ohne Änderung des gegenwärtigen Finanzierungssystems der Gemeinsamen Agrarpolitik wäre die Ost­Erweiterung der Union sicher unbezahlbar. Deshalb gibt es keine Alternative zu der von der Union angestrebten schrittweisen Ersetzung produktionsorientierter Preisstützungen durch direkte Einkommenszahlungen. Ja, mehr noch: Wer der Union tatsächlich das Schicksal eines ineffektiven Agrarsubventionierers langfristig ersparen will, der kann nicht umhin, bestimmte Formen der Kofinanzierung landwirtschaftlicher Direktzahlungen ins politische Kalkül zu ziehen. Bei allen Problemen, die eine derartige "Renationalisierung" der europäischen Agrarpolitik insbesondere für die Bauern in den mittelosteuropäischen Beitrittsländern mit sich bringen würde, könnte sie vielleicht auch dazu beitragen, eine Reihe längst überfälliger Aufgaben zu lösen: die Öffnung des europäischen Agrarmarktes, die Schaffung effektiver ökologisch orientierter landwirtschaftlicher Produktionskreisläufe auf regionaler Ebene, vor allem jedoch die Festigung genossenschaftlicher Eigentumsformen als der vielleicht zentralen Voraussetzung für das Überleben der Landwirtschaft im 21. Jahrhundert.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9902/9902011
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