Freiwillige Beiträge der Arbeitnehmer erhöhen die Renten nur geringfügig(as) Die Zahl derjenigen geringfügig Beschäftigten, die von der geplanten Option, auf ihre Versicherungsfreiheit zu verzichten und den Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung aufzustocken, um Rentenansprüche zu erwerben, Gebrauch machen werden, ist völlig offen. Hinzukommt, daß eine solche minimale Rentensteigerung die soziale Sicherung der Betroffenen nicht spürbar verbessern wird. Darauf verwies der Verband der Deutschen Rentenversicherungsträger (VDR) am 10. Februar bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung. Grundlage des auf vier Befragungsrunden ausgelegten Hearings war der Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (14/280). Sozialkassen stärken Mit dieser Initiative soll den Angaben zufolge die Erosion der Finanzgrundlagen der beitragsfinanzierten Sozialversicherung entgegengewirkt werden. Dazu soll die Geringfügigkeitsgrenze in der Sozialversicherung auf bundesweit 630 DM monatlich festgeschrieben werden. Der Arbeitgeber soll für diese "MiniJobs" einen zehnprozentigen Pauschalbeitrag an die Krankenversicherung und einen zwölfprozentigen Pauschalbeitrag an die Rentenversicherung leisten. Aus diesen Beiträgen entstehen jedoch weder zusätzliche Ansprüche für den Arbeitnehmer noch wird ein eigenständiges neues Krankenversicherungsverhältnis begründet. Die geringfügig Beschäftigten können aber in der Rentenversicherung auf die Versicherungsfreiheit verzichten und durch ergänzende Beiträge Leistungsansprüche in dieser erwerben. In der ersten Befragungsrunde, in der die Träger der Sozialversicherungen zu Wort kamen, standen die Auswirkungen der Novelle auf die Sozialversicherungen im Blickpunkt Bundestag. Als Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen betonte der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK), die Spitzenverbände sähen den Handlungsbedarf zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung wegen der "zwingend notwendigen Kompensation" der Mehrbelastungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus dem GKVSolidaritätsstärkungsgesetz. Es bleibe aber festzuhalten, daß ein bisher bereits kompliziertes Regelwerk durch ein komplett neues, noch komplexeres ersetzt werde, was bei der Umsetzung einen "erheblichen Kraftakt" verlange. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erläuterte in ihrer Stellungnahme, die geplante Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von "MiniJobs", werde sich erheblich auf die finanzielle Situation der Rentenversicherung und auf die Verwaltungsabläufe der Rentenversicherungsträger auswirken. Eine hinreichend verläßliche Schätzung der finanziellen Auswirkungen sei allerdings nicht möglich. Probleme sah die BfA bei den Pauschalbeiträgen der Arbeitgeber, da der Rentenversicherungsbeitrag grundsätzlich vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte zu tragen sei. Mit der Systematik des Beitragsrechts im Einklang stünde es deshalb, die Arbeitgeber auch bei geringfügig Beschäftigten nur ihren hälftigen Beitragsanteil zahlen zu lassen. Verfassungsrechtliche Bedenken äußerte der VDR mit Blick auf die Tatsache, daß aus der Pauschalbeitragszahlung des Arbeitgebers kein Leistungsanspruch des Arbeitnehmers gegen die gesetzliche Rentenversicherung entstehen soll. Probleme ergäben sich desweiteren dadurch, daß freiwillig Versicherte trotz ihrer höheren Mindestbeiträge nicht den gleichen umfassenden Versicherungsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung wie die aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung Pflichtversicherten hätten. Das Ziel der Koalition, die Erosion der Finanzgrundlagen der Sozialversicherung zu beenden, wird nach Auffassung der Träger der Sozialversicherungen mit der Initiative ereicht. Verfassungsprobleme In den weiteren Befragungsrunden kamen die Vertreter der Tarifparteien, die Verbände der Betroffenen sowie wissenschaftliche Institute und Einzelsachverständige zu Wort. Hauptkritikpunkte waren dabei die mögliche Verfassungswidrigkeit, ein höherer Verwaltungsaufwand und Zusatzkosten für die Arbeitgeber. Die Gewerkschaften bemängelten in ihren Stellungnahmen, entgegen der Koalitionsvereinbarung werde die angestrebte Neuregelung nicht zur Eindämmung des Mißbrauchs mit geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen führen, da sie an Sonderregelungen bis zu 630 DM festhalte. Es sei sogar zu befürchten, daß Beschäftigte, die jetzt noch in kleinen, aber sozial abgesicherten Teilzeitarbeitsverhältnissen seien, in die 630DMJobs drängten, weil bei Nichtzahlen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen der Nettolohn wesentlich höher liegen werde, als bei sozialversicherungs und steuerpflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, argumentierte die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV). Ebenso wie die Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) und der Deutsche Frauenrat forderte die HBV die volle sozialrechtliche Gleichstellung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse, um so die Chancen zu verbessern, auch die arbeitsrechtliche Gleichstellung besser durchsetzen zu können. Schwarzmarkt befürchtet Der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) legte dar, jede Woche seien über 170 000 Personen als geringfügig Beschäftigte mit dem Zustellen der Anzeigenblätter beschäftigt. Da diese Personen jedoch häufig ihre Steuerkarte vorlegten, könnten die Verlage eine Individualbesteuerung vornehmen, ohne durch die Pauschalsteuer belastet zu werden. Die nun geplante Einführung eines pauschalen Sozialversicherungsbeitrages bedeute für die Verlage der Wochenblätter eine jährliche Mehrbelastung von 65 Millionen DM. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lehnte die Initiative komplett ab. Geringfügige Beschäftigung sei ein "unverzichtbares Flexibilisierungsinstrument" des deutschen Arbeitsmarkts. Jede Mehrbelastung dieser Beschäftigungsverhältnisse durch Abgaben oder bürokratischen Aufwand führe unmittelbar zu einer Vernichtung von legaler Beschäftigung und zu einem Anstieg der Schwarzarbeit, so der BDA. |