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April 03/1999
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STAATLICHE UND NICHTSTAATLICHE VERFOLGUNG DISKUTIERT

UNHCR: Deutschland zunehmend isoliert in Asylrechtsprechung

(mr)Mit seiner immer restriktiveren Asylrechtsprechung, insbesondere mit der Nichtanerkennung von nichtstaatlicher Verfolgung als Asylgrund, hat sich die Bundesrepublik Deutschland innerhalb Europas in den letzten Jahren zunehmend isoliert. Das betonte der Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland, Jean­Noell Wetterwald, am 17. März im Menschenrechtsausschuß.

Wetterwald und zwei weitere Vertreter des UNHCR hoben hervor, die Unterscheidung von staatlicher und nichtstaatlicher Verfolgung in der deutschen Rechtsprechung und die damit verbundene Gewährung oder Verweigerung von Asyl unterlaufe die Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahre 1951 und führe zu einer "Schutzlücke" für politisch Verfolgte. An die deutschen Abgeordneten richtete er den Appell, politisch initiativ zu werden. Ob dies im Rahmen einer Änderung des Ausländerrechts erfolge oder durch andere Initiativen, sei offen. Die Befürworter einer restriktiven Linie argumentierten häufig, die heutigen Fluchtursachen seien völlig anders als zu der Zeit, als die UN­Flüchtlingskonvention verabschiedet wurde. Aber schon damals habe es vor dem Hintergrund der Ost­West­Konfrontation 1956 aus Ungarn und 1980 aus Polen Massenfluchtbewegungen gegeben. Auch bei Anerkennung von nichtstaatlicher Verfolgung bedeute dies ja nicht, daß die Verfolgung nicht individuell nachgewiesen werden müsse.

Bürger schützen

Ziel der UN­Konvention sei es, Schutz zu gewähren, solange der Heimatstaat nicht in der Lage ist, seine Bürger zu schützen. Dabei sei es unerheblich, ob diese Verfolgung staatlich oder nichtstaatlich sei. Andere europäische Länder, wie zum Beispiel Schweden oder Frankreich, hätten ihr Ausländerrecht oder ihr Asylrecht den geänderten Bedingungen, das heißt der zunehmenden nichtstaatlichen Verfolgung, angepaßt. Deutschland stehe mit seiner Position nicht nur im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten, sondern auch in "deutlichem Widerspruch" zu Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in Straßburg.

Die Praxis in anderen EU­Staaten zeige im übrigen, daß die Hauptsorge, die Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgung als Asylgrund könne eine "unerwünschte Sogwirkung" haben, unberechtigt sei. Obwohl die nichtstaatliche Verfolgung in Ländern wie Afghanistan und Algerien massiv zugenommen habe, bezöge sich die Mehrheit der Asylanträge auf staatliche Verfolgung.

Konventionen aufwerten

Skeptisch zeigte sich der UNHCR­Vertreter auch bei der Frage der frauenspezifischen Verfolgung. Das Ziel, diese als Asylgrund zu akzeptieren, sei kaum zu verwirklichen, wenn es keine rechtliche Aufwertung der Genfer Flüchtlingskonvention gebe. Auch sei die psychologische Wirkung nicht zu unterschätzen, wenn Verfolgte von nichtstaatlicher Gewalt als "mißbräuchlich Asylsuchende" diskreditiert würden. Die SPD stellte fest, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die des Internationalen Menschenrechtsgerichtshofs laufe auseinander. Man sei dabei um eine Klärung bemüht und werde nun überlegen, ob eine Änderung des Ausländerrechts erforderlich sei oder ob eine Änderung unterhalb dieser Schwelle ausreiche. Hinzu komme, daß die europäische Rechtsprechung vorrangig sei und deutsche Gerichtsurteile auf europäischer Ebene wieder "kassiert" werden könnten. Auch an der problematischen Situation der sogenannten "Flughafenverfahren" müsse sich etwas ändern. Unbefriedigend sei ferner die unterschiedliche Handhabung von Abschiebungen ehemalig inhaftierter oder traumatisierter Personen aus Bosnien­Herzigowina in den verschiedenen Bundesländern.

Auch die CDU/CSU konstatierte Handlungsbedarf. Die Flughafenverfahren seien rechtswidrig, wenn Flüchtlinge aus Afghanistan trotz Verfolgung durch die Taliban zurückgeschickt werden. Man glaube zwar nicht, daß die Rechtslage geändert werden müsse, wenn es aber eine unterschiedliche Auslegung der Gesetze zu Lasten der Betroffenen gebe, müsse der Gesetzgeber zumindest "klarstellend" tätig werden. Mit Blick auf die frauenspezifische Verfolgung erklärte ein Abgeordneter der CDU/CSU­Fraktion, diese sei eine politische Verfolgung, wenn sie Bestandteil des politischen Systems ist. Ein weiterer Unionsabgeordneter ergänzte, für den Betroffenen sei es egal, ob es sich um eine staatliche oder nichtstaatliche Verfolgung handele. Der Staat habe die Aufgabe, seine Bürger zu schützen. Dies sei die Rechtfertigung für sein Gewaltmonopol.

Aus den Reihen der CDU/CSU wurde jedoch zugleich darauf verwiesen, die Bundesrepublik Deutschland habe gerade angesichts des Balkankrieges im Vergleich zu anderen EU­Staaten sehr viel mehr Flüchtlinge aufgenommen und dabei auch nicht nach staatlicher oder nichtstaatlicher Verfolgung gefragt. Interessant seien deshalb Vergleichszahlen aus anderen EU­Staaten. Beim Asylrecht stelle sich grundsätzlich die Frage, ob man "generös" sein wolle und wo das dann ende.

Auch die F.D.P. interessierte sich für die Rechtsprechung in anderen EU­Staaten und bedankte sich bei Wetterwald für seinen Bericht. Er habe damit den "Finger auf die Wunde gelegt".

Flughafenverfahren kritisiert

Bündnis 90/Die Grünen verwies auf die Problematik des Flughafenverfahrens. Dort sei die Überwindung von Abschiebungshindernissen (wie zum Beispiel die Gefährdung von Leib und Leben) eben nicht vorgesehen. Deshalb könne es passieren, daß afghanische Flüchtlinge, wenn sie im Landesinneren sind, einen Abschiebeschutz erhielten, im Flughafenverfahren jedoch abgewiesen würden.

Die PDS betonte, es bestehe ein erheblicher Reformbedarf. Es sei völlig unverständlich, daß zum Beispiel der "flächendeckende Terror" durch islamistische Organisationen in Algerien nicht dazu führe, daß die Betroffenen Asyl in Deutschland erhielten. Bedauerlicherweise laufe der Trend in der Bundesrepublik in die falsche Richtung. Selbst bei erkannter politischer Verfolgung würden Asylsuchende in die Heimatländer zurückgeschickt und Abkommen mit den Verfolgerstaaten geschlossen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9903/9903028
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